Georg Queri
Die Weltlichen Gesänge des Egidius Pfanzelter von Polykarpszell
Georg Queri

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Blicke in die Seele des Egidius Pfanzelter.

Er war zweiunddreißig Jahre alt, als ich ihn kennen lernte.

Als ich ihm drei Maß Bier bezahlt hatte, begann er mich lieb zu gewinnen und erzählte mir von dem großen Geheimnis seiner Geburt.

Auch erzählte er mir, daß er sich dem Krautgartl Karpus – welcher aber richtig Polykarpus heißt – darum als Roßknecht verschrieben habe, weil des Krautgartl Sohn Kaplan sei zu Gießeschingen und alljährlich drei Messen zu lesen pflege für die Ehhalten des elterlichen Gehöftes. Also auch für seine – des Egidius – Seele.

Und das vertraute er mir auch an: daß er wegen Krampfadern und Satthals vom Militär frei geworden sei. Er hätte aber sehr gerne bei den Hulanern gedient, wo gschpitzige Lanzen haben.

Das alles also erfuhr ich; aber es genügte mir nicht zu einem tiefen Blick in des Gidi Seele.

Egidius, das ist in der Bauernsprache: Gidi.

Einmal zeigte mir der Gidi sein Sparkassenbuch über die Einlagen, die er beim christlichen Bauernverein gemacht hatte. Es lautete auf dreihundertundsechszehn Mark und etliche vierzig Pfennige, die in vier kurzen Jahren sich aufgestapelt hatten. Denn der Gidi erhielt als Fuhrknecht manche Trinkgelder und besoff sich nur an hohen Feiertagen, rauchte nur Cigarren, die ihm mildtätige oder verworfene Männer schenkten, und hatte niemals einem Mädchen weder Lebzelten noch Halstücher gekauft. Niemals.

Ich hegte deshalb den finsteren Verdacht, daß des Gidi Seele am Gelde hing.

Auch erzählte man sich, daß der Gidi in der Seelenmesse für seine verstorbene Mutter darum einen abgrundtiefem Schmerz geheuchelt habe, um den Herrn Pfarrer um die Opferpfennige zu prellen.

Denn die Osterbichlerin sah's: er legte sechs uralte schäbige Hosenknöpfe in die Opferschalen.

»Oh, so häufet ein Menschenkind Schätze an, die Rost und Motten zerfressen! Aber für die unsterbliche Seele tuet so ein Menschenkind nichts!«

Ich entnehme diese Worte einer Predigt des Hochwürdigen Herrn zu Polykarpszell, den der Gidi um die Opferpfennige geprellt hatte. Diese Predigt bestärkte mich in den Verdacht, daß der Gidi ruchlos nach Reichtümern strebte.

Vielleicht täuschte mich diese Beobachtung; jedenfalls hielt ich sie nicht für allzu wichtig.

Auch gelang es mir plötzlich, einen ganz kurzen wichtigeren Blick in des Gidi Seele zu tun.

So, wie man verstohlen und unanständiger Weise zur Nachtzeit in die eheliche Kammer des Nachbarn durch die Fensterscheiben schielt, ehe noch das Licht der Kerze starb, so lugte ich in die Seele des Gidi hinein: ich las heimlich eine Ansichtskarte, die er nach München adressiert hatte.

»An Ursula Schweck, Schwabing, wohnhaf in der Leopoldstraß Hausnummerer 7.«

»Was fällt dir denn ein, Gidi?«

Der Gidi sah mich verständnislos an, bis er seine Ansichtskarte in meiner Hand entdeckte. Er wollte mir sie entreißen und warf sich auf mich. Da er aber wegen Krampfadern und Satthals vom Militär frei geworden, konnte er mir nichts anhaben und mußte die Karte zu meiner einstweiligen Verfügung belassen.

Ich setzte meine Kritik fort: »Ja, was fällt dir denn ein, Gidi? Erstens, man schreibt nicht: »an Ursula Schweck«, sondern: »an Fräulein Ursula Schweck«, so die Dame noch dem jungfräulichen Stande angehört – was ich hoffe, Gidi!«

»Dees möcht ih beschwörn!« rief der Gidi.

»Warum schreibst dann net: Fräulein?«

»Sie is koa Gnädige net; sie is a oafachs Frauenzimmer!«

Ich drehte die Karte um und interessierte mich für die Mitteilung:

»Liebe Urschula! Ich tref Ihnen wan ich wider nach München kom. Ich kom wider nach München zur österlichen Beicht. Dann gets in einemhin. Es grißt Ihnen Egidius Pfanzelter.«

Ei ei, der Gidi!

»Gidi?«

»Ha?«

»Was geht in einem hin?«

»Ha?«

»Schämst dich net, Gidi?«

»Waruma?«

»Fahrst zur österlichen Beicht nach München – erstens: warum beichst net beim Hochwürdigen Herrn in Polykarpszell? Traust dir ihm net unter die Augen mit dein Sündenpackl?«

»Naa – ih trauat mih schoh . . .« brummte der Gidi. Aber in seinem Gesicht klagte eine tiefe Röte an.

»Zweitens: was geht in einem hin? Gidi! Gidi! Was hast für Absichten? Wie kann man sowas auf eine Ansichtskarte schreibn?«

»Net wahr is 's!« trotzte der Gidi. »Ih hab gmoant, bal ih schoh zwoa gschlagne Stund lauf, voh Polykarpszell bis auf Münka nauf, na kunnt ih doh mein Bsuach aa glei mach a . . .«

»Und??«

»Und sie hat mih in ihr Desdament nei toh!«

»Wer??«

»D' Urschi halt. Weil s' verwandt is zu mir.«

»Die Ursula Schweck?«

»Jo; sie is voh meiner Muadern a unrechte Schwester.«


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