Stanislaw Przybyszewski
Satans Kinder
Stanislaw Przybyszewski

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

X.

Draußen war Regen. Gordon wurde sehr froh.

Der verdammte Schnee hatte ihm viel Sorge gemacht. Nun würde er bald wegschmelzen. In zwei Tagen ...

Er sah auf die Uhr. Es war bald vier. Er könnte noch zu Hartmann gehen. Aber nein! Das wollte Botko besorgen. Er war übrigens sehr müde.

Er ging gedankenlos, fast mechanisch, ohne sich um den Regen zu kümmern: als er aber nach Hause kam und in sein Arbeitszimmer trat, warf er sich, ohne sich auszukleiden, todmüde auf das Bett und schlief sofort ein. Schon nach einer Stunde wachte er auf, ging durch ein paar Zimmer und trat in ein kleines Kabinett.

»Botko!«

Keine Antwort.

Gordon zündete Licht an.

Botko schlief.

Gordon brauchte lange Zeit, bis er ihn wach bekam.

»Man könnte dir eine Kanone vor den Ohren abfeuern und du würdest ruhig weiterschlafen.«

»Ich kam ja erst vor zwei Stunden zurück. Ich bin zum Sterben müde.«

»Nun?«

»Ja, ich war überall.«

»Und?«

»Und! Nun wart ein wenig. Ich muß aufstehen, sonst würd ich sofort wieder einschlafen.«

Er kleidete sich notdürftig an.

»Wir müssen uns beeilen. Dieser Wronski kann uns sonst wegsterben. Übrigens hat er Fieber; das tut aber nichts, das gibt den nötigen Fanatismus. Ja, siehst du, Gordon, jetzt darfst du nicht länger zaudern. Wronski ist wichtig, das ganze Rathaus muß niedergebrannt werden, sonst kommt man uns auf die Spur. Vor allen Dingen die Rechnungsbücher ... und dann sind die Nummern von dem Papiergeld wahrscheinlich sorgfältig notiert.«

»Ja, ja, das ist die Hauptsache.«

»Dann war ich bei Hartmann.« Botko sprach sehr geschäftig und zündete sich eine Zigarette an. »Der ist der sicherste. Ich kenne sie, diese Ideologen. Sie können einem die Kugel durch den Kopf jagen mit derselben Ruhe, mit der man Geld wechselt ... Die kennen kein Gewissen und keine Angst.«

Gordon sah nachdenklich zu Boden.

»Hauptsache ist, daß das Rathaus bis auf die Fundamente niederbrennt«, sagte er grübelnd. »Übrigens ist es ein unglaublich gutes Propagandamittel. In einem Jahre werden alle Staatsgebäude ringsum brennen. Bis jetzt ist noch kein Mensch darauf verfallen. Bakunin ließ nur öffentliche Dokumente verbrennen. Ich lasse die öffentlichen Gebäude ... Wen hast du noch gesehen?«

»Ich habe mit Okonek sehr lange gesprochen. Er ist ungewöhnlich intelligent für einen Arbeiter. Er macht seine Sache ganz ausgezeichnet. Das Fabrikvolk ist furchtbar aufgeregt. Es ist ziemlich sicher: sobald die Fabrik niedergebrannt ist, wird das Volk in seiner Wut einfach alles machen. Übrigens schnauben sie Rache gegen den Fabrikanten – wie heißt er doch?«

»Schnittler.«

»Ja, Schnittler. Dieser brave Herr hat die Hälfte der Fabrikmädchen geschwängert. Das trifft sich sehr günstig ... Okonek hat noch zwei junge Kerle da. Einer soll sogar studiert haben, ist seit kurzem erst hier. Er behauptet, daß sie drei alles allein machen können.«

»Hat Okonek die letzte Proklamation bekommen?«

»Er vertreibt sie jetzt mit Hülfe von Wronskis Vetter.«

Botko zündete sich eine neue Zigarette an.

»Was ist es eigentlich mit Sobek?« fragte er neugierig.

»Er ist gestorben, zwei Tage nachdem Okonek meinen Förster erschossen hatte. Er liegt in einer Torfgrube, die jetzt zugeschüttet ist.«

»Wie hast du aber seinen Tod verheimlichen können?«

»Es war schwer genug.«

»Hast du ihm wirklich nicht beim Sterben geholfen?«

»Nein! Es ging von selbst sehr rapid. Er war eigentlich nur zwei Tage bettlägerig.«

»Er hat wohl schon ein großes Sündenkonto jetzt?« Botko lachte vergnügt.

»Oh ja, er macht so ziemlich alles.«

Beide lachten herzlich.

»Es sind tausend Mark Belohnung für seine Ergreifung ausgesetzt« – Gordon wurde ungewöhnlich fröhlich. »Natürlich sieht man ihn oft. Vor drei Tagen hat ihn ein Knecht in meinem Walde gesehen. Er schwört darauf, daß es Sobek war. Ha ha ha ... Ich ließ ihn Anzeige erstatten ...«

Wieder lachten sie. Aber plötzlich wurde Botko sehr ernst.

»Hast du keine Angst um dich? Glaubst du, daß man dir nicht auf die Spur kommen könnte?«

»Nein ... nein, ich glaube nicht. Allen diesen Menschen hat irgend ein Verbrechen, um das ich weiß, den Mund geschlossen ... Höchstens Okonek! Man kann diesen Knechten nie vertrauen; er ist ja intelligent, aber er könnte sich doch verraten, er schwatzt zu viel, er hat einmal Delirium gehabt.«

Sie schwiegen eine Weile.

»Und wie steht es mit Wronski?« fragte Botko und runzelte die Stirn. »Er könnte im Fieber alles ausplappern.«

»Glaubst du?«

»Er hat übrigens die Idee, sich in der Villa verbrennen zu lassen. Ich glaube nicht daran; das ist ein augenblicklicher, hysterischer Einfall.«

Gordon schwieg.

Botko schien plötzlich aufgeregt zu werden. Er ging unruhig auf und ab.

»Wie bist du sonst zufrieden?« fragte Gordon.

»All right! Aber laß mich jetzt, ich habe noch dieses und jenes zu überdenken. Wecke mich früh.«


 << zurück weiter >>