Stanislaw Przybyszewski
Satans Kinder
Stanislaw Przybyszewski

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VII.

Als er bei Paetzel ankam, sollte der Laden eben geschlossen werden.

»Herr Ostap ließ Ihnen sagen, daß er zu Huth gegangen ist.«

Der Kommis lächelte bedeutungsvoll.

Gordon sah ihn streng an.

»Ist der Hausknecht da?«

»Zu Diensten.«

»Halt die Pferde, bis mein Maciej kommt.«

Gordon gab ihm Geld und ging zu Huth.

Er traf Ostap in einem Hinterzimmer. Ostap trank Wein, auf seinen Knien saß ein Mädchen und sang ihm zur Gitarre.

»Nun, da bist du endlich! Drei Stunden hab ich gewartet. Tut nichts ... Sieh nur das Ding hier an: noch nicht siebzehn und schon verdorben wie eine Dreißigjährige. Erfahren in allen Künsten der Unzucht ... Unglaublich, was sie für Lieder singt.«

Das Mädchen lachte Gordon frech zu ...

»Fischerin, du Kleine,
Zeig mal deine Beine ...«

Sie war offenbar betrunken, ihre Stimme war heiser.

Gordon setzte sich hin und sah sie beide gleichgültig an.

»Ein echtes Satanskind!« Ostap sagte es fast gehässig ... »Aber geh doch, Käthe. Du bist besoffen. Geh! Hol noch Wein.«

Er gähnte gelangweilt.

»Na ja! Nicht wahr, Gordon?«

Er sah Gordon an und nickte traurig mit dem Kopf.

Als Käthe gegangen war, sahen sie sich lange und fast feindlich an.

»Du hast dich sonderbar verändert«, sagte Gordon endlich.

»Nun ja, warum nicht? Laß uns wieder Freunde sein. Ich habe ja schließlich nur dich, obwohl ich dich jetzt nicht mehr ausstehen kann.«

Käthe kam mit dem Wein.

»Und jetzt, lieb Käthchen, geh schlafen, allein, ganz allein, wie es sich für sittsame Jungfrauen geziemt. Hier hast du mein ganzes Geld und steh um sechs Uhr auf. Wahrscheinlich wirst du uns noch hier finden. Ja, richtig, bring noch zwei Flaschen, aber beeil dich.«

Als alle seine Aufträge erledigt waren, sah er Gordon wieder an mit einem halb gutmütigen, halb spöttischen Lächeln.

»Wir haben doch eigentlich ein großes Stück Leben zusammen verlebt. Ich glaube, spätere Jahrhunderte werden sich noch von dem sauberen Dioskurenpaar erzählen ...«

Gordon sah ihn ernst und müde an.

»Hör, Ostap, willst du mir Unannehmlichkeiten sagen, so laß es nur. Es langweilt mich. Ihr haßt mich alle und rächt euch dadurch, daß ihr mich beschimpft. Neulich hat Hela mir eine Ohrfeige gegeben, vor ein paar Tagen schlug sie nach mir mit der Peitsche. Ich weiß nicht, was ich ihr getan habe.«

Ostap dachte nach.

»Weißt du, ich habe in der letzten Zeit viel darüber nachgedacht, daß ihr beide euch eigentlich ähnlich seid. Nur du bist ein überlegener Mensch, und sie ist ein hysterisches Weib. Aber ihr habt beide denselben perversen Zug.«

Gordon sah ihn fragend an.

»Ihr liebt zu leiden«, sagte Ostap nachdenklich. »Es ist ein fataler Drang in euch beiden, euch Leiden zu schaffen. Ich habe übrigens ein charakteristisches Gedicht von dir, als du noch sehr jung warst. Darin flehst du Gott an, er möchte dir ein Leiden schenken, ein unendlich stolzes – den Ausdruck brauchst du – heiliges Leiden, stolzer und heiliger als das seines großen Sohnes ... Es ist Poesie darin, Schönheit. Du liebst die Schönheit. Du bist selbst schön in deinen Träumen. Es steckt etwas von Alexander dem Großen in dir, von einem Byron, einem Karl dem Zwölften.«

Gordon schwieg und spielte mechanisch mit der Flasche.

»Ja, so trinken wir«, sagte Ostap. »Sonderbar! Ich fühlte immer deine Macht, aber heute fühl ich sie nicht mehr ... Nun ja. Mir kommt es vor, als war ich heute erst reif geworden.«

Gordon dachte nach.

»Ja. Eine sonderbare Veränderung hat sich in dir vollzogen ...«

Er wurde plötzlich unruhig.

»Du denkst wohl an etwas Furchtbares«, flüsterte er leise.

Ostap lächelte.

»Ich will alles tun, was ich dir versprochen habe. Ich weiß eigentlich nicht, warum, denn ich habe alles Interesse an der ganzen Sache verloren ... Ja, richtig, der kleine Wronski hat wohl auch etwas mit der Affäre zu tun? ... Nun ja, ich will dich nicht nach deinen Absichten fragen ... Aber den Kleinen mußt du gut beschützen. Er ist krank und läuft mit einem sehr starken Fieber umher.« Er lächelte leise. »Ich glaube, er hat mir zu einem seltsamen Durchbruch in meiner Seele verholfen. Er hat mich so grenzenlos einsam gemacht ...«

Er schwieg und starrte Gordon an.

»Du kennst mich nicht. Du siehst mich nur durch deinen Haß«, sagte Gordon sehr leise. »Du weißt nichts von mir. Ihr alle wißt nichts von mir. Ich bin einsamer als du ... Nun ja, Ostap, ich glaube dir, daß du zu allem bereit bist, aber ich fühle, daß du etwas Furchtbares gegen dich selbst im Schilde führst ...«

»Laß doch, Gordon, laß doch – Trink! Dein Wohl! Ich hasse dich gar nicht mehr ...«

Es schien, als ob Ostap alles das ganz mechanisch sagte und über etwas ganz anderes nachgrübelte.

»Du, Gordon, ich habe ein Kind getötet«, stieß er gewaltsam hervor und atmete schwer.

Gordon sprang auf, setzte sich aber gleich wieder.

»Mein eigenes Kind«, flüsterte Ostap und lächelte mit einem blöden, wahnsinnigen Lächeln.

Sie starrten sich lange sprachlos an.


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