Stanislaw Przybyszewski
Satans Kinder
Stanislaw Przybyszewski

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II.

Gordon saß lange in tiefes Brüten verloren.

Hin und wieder stand er auf, ging wie abwesend herum, kühlte sich die Stirn an der Fensterscheibe, dann setzte er sich wieder und – schlief ein.

Plötzlich erhob er sich, nahm seinen Regenmantel und ging hinaus.

Draußen war er sehr erstaunt, wie finster es war. Dabei regnete es. Die Regentropfen schienen ihm zu Eisnadeln auf seinem Gesicht zu gefrieren. Von der Vorstadt her sah er Lichter herüberschimmern; eine Zeit lang interessierte es ihn, sie vor seinen Augen tanzen und verschwimmen zu sehen, aber von neuem vergaß er alles.

Als er die Stadt erreichte, fühlte er sich ganz durchnäßt. Er schüttelte sich. Es fröstelte ihn. Wenn er jetzt nur eine Droschke finden könnte. Er sah sich um und lächelte. Natürlich würde er jetzt keine bekommen. Er fing an schnell zu gehen, ging ein paar Straßen entlang, bog in ein Seitengäßchen ein und erreichte schließlich ein kleines Haus, das abgesondert, fast auf freiem Felde lag.

Er ging hinauf und klopfte an.

Die Tür wurde sehr vorsichtig aufgemacht.

»Guten Abend, Pola!«

»Still! Er schläft ...«

Gordon trat leise ein.

»Wie geht es Stefan?«

Er sah dem Mädchen in die Augen und behielt ihre Hand in der seinen.

»Schlimmer und schlimmer ...«

Im selben Augenblick richtete sich der Kranke im Bett auf.

»Ah! Sie sind es, Gordon! Gott, wie ich Sie erwartet habe ...«

Gordon trat an das Bett.

»Wie geht es Ihnen?«

»Es wird wohl nicht mehr lange dauern ... Pola, bring Tee ... Ich rauche jetzt auch wieder ... es ist ja gleichgültig. Der alte Mizerski kam einmal her und sah mich rauchen. Es machte mir Freude, ihm den Rauch ins Gesicht zu blasen. Er ist doch Arzt, er sollte mir doch helfen können ... He he, wissen Sie, was er sagte? Er setzte eine freundliche Miene auf, klopfte mir auf die Schultern, und meinte, ich sei ein braver, junger Mann aus dem Stamme der Römer, die auch mit Grazie zu sterben verstanden ... Ha ha ... mit Grazie ...«

Er hustete.

»Das Verfluchte an der Sache, daß es nicht so schnell zu Ende gehen will. Es wird wohl noch ein halbes Jahr dauern.«

Er sah Gordon mit großen, ängstlichen Augen an, als ob er Trost bei ihm suchte.

Aber Gordon schwieg, er schien über etwas andres nachzudenken.

»War Mizerski heute bei Ihnen?«

»Nein, er ist verreist.«

»Verreist? Auf lange?«

»Auf ein paar Tage. Pola war dort. Sie wurde von Fräulein Mizerska sehr freundlich nach mir ausgeforscht. He he ... man nimmt Anteil an meinem Leiden ... Ich brauche es zum Teufel nicht. Ich brauche kein Mitleid. Sie sind der Einzige, den ich sehen kann, weil Sie kein so jämmerliches Gesicht aufsetzen wie die Andern. Ich habe sie alle zum Teufel gejagt.«

Das Gesicht des jungen Menschen war verzerrt in ohnmächtiger Wut.

»Regen Sie sich doch nicht so auf, Stefan. Sie sind so verbittert ... Hat Fräulein Mizerska nach Ihnen gefragt?«

»Ja.«

Gordon schien keine Antwort zu erwarten, er sah sich zerstreut um.

»Sie sollten von hier ausziehen, Stefan«, sagte er plötzlich. »Die Wände sind feucht und sind mit Pilzen bewachsen. Das tötet Sie.«

»Jetzt ist es ja gleichgültig. Lassen wir die Pilze nur recht schön weiter wachsen.«

»Aber für Ihre Schwester ist es gefährlich.«

Der Kranke machte eine verächtliche Handbewegung.

»Alles ist gleichgültig. Früher oder später ...«

Er sank wieder in die Kissen zurück und starrte an die Decke.

»Jetzt muß ich wieder liegen«, sagte er nach einer Pause. »Diese Novembertage machen einen ganz verrückt. He he ... es ist eine eigene Sache um dies Liegen auf dem Krankenbett mit der absoluten Sicherheit, daß man bald eine nähere Bekanntschaft mit den Leichenwürmern machen wird.«

Er lachte auf und sah Gordon grinsend an.

Pola kam mit dem Samowar herein.

»Aber Sie sind ja ganz naß, Gordon. Trinken Sie nur schnell heißen Tee ... Geben Sie den Mantel her, ich werde ihn trocknen ...«

Sie wurde sehr erregt.

»Sie können sich ja furchtbar erkälten.«

»O, ich bin daran gewöhnt: Ich schlief einmal auf dem Felde und es hat geregnet wie bei Wolkenbrüchen ...«

Er lächelte, nahm den Mantel ab und gab ihn ihr hin.

»Vielleicht ist es besser, daß man ihn trocknet«, sagte er zerstreut.

Als sie in der Tür war, rief ihr der Kranke nach:

»Bleib auf deinem Zimmer, ich habe mit Gordon wichtige Sachen zu besprechen. Stör uns nicht.«

»Nein, nein!«

»Arbeiten Sie jetzt viel?« fragte Gordon.

»Ja, ich arbeite sehr viel. Ich arbeite auch mit einer sonderbaren Schärfe und Klarheit. Nun, Sie wissen ja ... Sie haben wohl schon von dieser ominösen Klarheit gehört ... He he ... Man wird immer klar, wenn es zur Neige geht ...«

»Haben Sie die Broschüre schon fertig geschrieben?«

»Ich werde sie Ihnen in zwei Tagen geben ... Aber reichen Sie mir den Tee ... So. Danke.«

Er zog eine Flasche unter dem Kopfkissen hervor.

»Wollen Sie Cognac haben?«

»Trinken Sie jetzt wieder?« fragte Gordon erstaunt.

»Ja. Das gibt Mut ... He he ... Es ist nun alles gleichgültig, was ich tue. Jetzt schadet mir nichts mehr, nichts. Oh, es ist ein sonderbares Gefühl, daß einem nichts mehr schaden kann. Nicht wahr? Wenn einer, der zum Tode verurteilt ist, sich an dem Henkersmahl tags zuvor den Magen verdirbt, so tut das nichts, nicht wahr?«

»Nein!« sagte Gordon zerstreut.

Stefan sah ihn eine Weile traurig an.

»Hören Sie, Gordon, ich habe Sie so sehnsüchtig erwartet, ich bin Ihnen so dankbar, daß Sie gekommen sind, aber Sie sind nicht bei mir.«

»Ja, ich bin bei Ihnen ... Ich habe Sie sehr gerne, Wronski, sehr gerne ...«

Er sagte es fast gleichgültig.

Wronski wurde unruhig.

»Warten Sie, ich muß aufstehen, ich kann nicht denken, wenn ich liege, und ich muß mit Ihnen sprechen.«

Er stieg aus dem Bett und kleidete sich hastig an. Gordon wurde plötzlich lebendig. Er half ihm beim Ankleiden und setzte ihm einen Stuhl zurecht.

»Nein, danke. Ich werde herumgehen.«

Aber er setzte sich bald hin und trank gierig das Glas Tee, das er zur Hälfte mit Cognac gemischt hatte. Seine Wangen brannten, und seine Augen bekamen einen unheimlichen Glanz.

Gordon sah ihn brütend an. Er schien ihn nicht zu sehen.

Der Kranke packte plötzlich seinen Arm.

»Hören Sie, Gordon ... Wissen Sie, was es heißt zu sterben? In meinen Jahren zu sterben? Wenn man zwanzig Jahre alt ist? Wissen Sie überhaupt, was sterben heißt? Ich liege Nacht für Nacht wach und denke; ich suche es zu Ende zu denken. Man kann es nicht denken ... Sehen Sie, ich bin gefaßt. Ich weiß, daß ich sterben muß. Aber was heißt das? Was heißt Sterben? Sagen Sie es mir! Sie sind für mich der größte Mensch. Sie sind mein Gott. Sagen Sie es mir, was heißt das: sterben?!«

»Ich weiß es nicht.«

»Sie wissen es nicht? Sie sollen es wissen! Sie müssen! Sie haben immer meine Fragen beantwortet. Warum können Sie es jetzt nicht? He he ... Man stirbt! Die Seele stirbt früher, hat man gesagt. Herrgott, dieser Wahnsinn! die Seele soll sterben! Daran glauben Kretins! ... He he ... Wozu bin ich überhaupt da? ... Ha ha ... der Zweck soll nur für das menschliche Bewußtsein existieren ... Und Sie wissen es nicht, wozu ich da bin? Ich habe versucht, es zu Ende zu denken! Mein Leib zerfällt! Gut! Meine Seele ... der unsterbliche Astralleib ...«

Er keuchte und würgte am Husten.

Gordon nahm seine Hände und sah ihm starr in die Augen.

Wronski beruhigte sich sofort.

»Glauben Sie an die Hölle?« fragte Gordon.

»Nein!«

»Können Sie sich etwas so Rohes vorstellen?«

»Nein!«

»Glauben Sie überhaupt an eine körperliche Qual nach dem Tode?«

»Nein!«

»Kann es seelische Qualen nach dem Tode geben, die größer wären, als was Sie jetzt erleben?«

»Nein.«

Gordon ließ plötzlich seine Hände los und sah zu Boden.

»Gibt es also noch größere?« fragte Wronski ängstlich.

»Ja. Aber Sie werden sie niemals durchmachen. Sie haben nie ein Weib geliebt?«

»Meine Schwester Pola.«

»Als Weib?«

»Nein!«

Sie schwiegen lange.

Wronski stand auf.

»Die Angst! Diese entsetzliche Angst. Ich dachte heute, mit mir ein Ende zu machen, und – und ... Oh, wie das ist! Das Herz läuft, der ganze Körper zuckt, man ist in kalten Schweiß gebadet, die Haare sträuben sich ... Aber trinken Sie doch! Tun Sie mir den Gefallen! Trinken Sie mit mir, ich trinke ungern allein ...«

»Ja, ich will sehr gerne trinken.«

»Trinken Sie gern? He he ... Sie trinken also gern ... Hm ... Gordon! Glauben Sie an Gott?!«

»Nein, weil Satan älter ist als Gott.«

»Also ist Satan Ihr Gott?«

Gordon schwieg und lächelte.

Wronski sah ihn starr an.

»Hören Sie, Gordon, ich habe von einer Sekte gehört, die den Satan anbetet ...«

Gordon schwieg nachdenklich.

»Nein, ich bin kein Palladist«, sagte er endlich. »Ich kenne übrigens die Sekte sehr gut. Es sind viele dumme Menschen darunter, wie überall.«

»Aber auch große? Große! So wie Sie groß sind?«

»Vielleicht ... Ich bin übrigens kein großer Mensch. Sie halten mich dafür, weil Sie noch jung sind und den Menschen zu wenig kennen ...«

»Ist es wahr, daß die Sekte die unnatürliche Unzucht als eine Art Sakrament feiert?«

»Es ist möglich.«

»Aber Sie sagten doch eben, daß Sie die Sekte gut kennen.«

»Ich kenne nur ihre Grundprinzipien, und sie gefallen mir. Verstehen Sie wohl? Ich spreche rein ästhetisch. Es ist etwas Wahres daran, daß wir alle Satans Kinder sind. Alle, die verzweifelt sind, die Angst haben, deren Gewissen beladen ist ... Und es ist etwas Richtiges daran, daß das Leben Satans Reich ist: die Hölle ... Nach dem Tode bekommen wir vielleicht etwas so Dummes und Banales, wie das Paradies es ist ... Übrigens glaub ich, daß von allem, woran die Menschen glauben, grade das Umgekehrte wahr ist ...«

»Daß also Jedem nach dem Tode das Paradies sicher sei?«

»Jedem, der hier dem Satan verfallen war ...«

»Sie sollen nicht spotten!« schrie Wronski erregt auf. »Sie sollen nicht! Verstehen Sie? Ich habe mich so nach Ihnen gesehnt, und jetzt spotten Sie über meine Qual und meine Angst!«

»Ich spotte nicht! Es ist mein Ernst!«

Gordon sagte es sehr ruhig.

»Das ist alles Mystik, Ästhetik. Ich will keine Ästhetik! Ich soll sterben! Ich will Tatsachen haben! Sie haben mir meinen Glauben zerstört. Sie haben mir alles genommen, was mich jetzt trösten könnte. Ich wurde ein Priester des Atheismus, ich trug ihn in die Schule, ich pflanzte ihn in die Herzen aller meiner Kameraden, ich spie auf das Heiligste, ich ging und verdarb, weil Sie mein Gott waren, weil ich an Sie glaubte, und jetzt, wo ich in Todesangst liege, wollen Sie mich mit Ästhetik abspeisen, Sie ...«

Plötzlich starrte er Gordon an, eine tiefe Scham überkam ihn. Er kam zur Besinnung.

»Nein, Gordon«, sagte er leise, »das ist natürlich nur die Angst, ich bleibe meinen Überzeugungen treu.«

Gordon sah ihn aufmerksam an.

»Legen Sie sich hin, Stefan, Sie haben Fieber. Sie sprechen wirr. Das Bürgertum hat einen Gott! Gott ist nur ein Mittel, um die Begriffe von »Mein und Dein« zu ordnen, um Übergriffe zu verhüten. Ich habe Ihnen nur die Religion des kleinen Bürgers zerstört, der Angst vor Dieben und Mördern hat. Ich habe Ihnen nie den Gott zerstört, den ich habe ...«

»Welchen Gott?«

»Sich selbst.«

»Bin ich Gott?«

»Noch nicht. Solange Sie noch mit dem Gott des kleinen Bürgers und des reichen Juden kämpfen, werden Sie nicht Gott.«

Er schwieg, Wronski sah beschämt zu Boden, aber seine Unruhe schwoll wild an, er trank, seine Hände zitterten, er verschüttete den Tee.

»Oh, Sie sind ein furchtbarer Mensch. Ich habe Angst vor Ihnen. Ich habe immer Angst vor Ihnen gehabt. Sie sagten, wir alle sind Satans Kinder ... Sie selbst sind der Satan, und ich bin Ihr Kind. Und Sie sind die Hölle. Jetzt will ich Ihnen nicht mehr gehorchen. Ich habe selbst die Hölle in mir. Jetzt bin ich selbst Satan ... Ha ha ha ... Nein, nein, nein! Sie sind der Engel, und ich bin nur ein armseliger Jakob, der dem Großen, dem Herrlichen seine schauerlichen Geheimnisse entreißen möchte ... Oh, wie ich Sie hasse und wie ich Sie liebe! Aber Sie haben Haß in mich gesät ... Ich ersticke, ich sterbe an diesem Haß ...«

Er sprang auf.

»Nur das Eine laß mich noch erleben, die große Vernichtung, das große Glück, dies eine Gefühl, daß alles um mich her mit mir zu Grunde geht!«

»Endlich haben Sie mich begriffen!« sagte Gordon sehr leise.

»Ich will kein Glück haben, ich verachte das Glück, aber ich will mich rächen, weil ich so unglücklich bin!«

Er neigte sich über Gordon und flüsterte ihm ganz leise zu:

»Wissen Sie, wissen Sie, was ich ausgedacht habe?«

Er flüsterte noch leiser.

»Ich werde das Rathaus in Brand stecken ...«

Er schnellte triumphierend auf, sank dann aber gleich zurück, er beugte sich weit vor, faßte sich heftig an die Brust, als ob er das Husten ersticken wollte.

»Was wollen Sie damit bezwecken?« fragte Gordon sehr ernst.

Wronski wurde wütend.

»Halten Sie mich denn für einen Narren? Haben Sie nicht über einen solchen Plan gesprochen, haben Sie nicht darüber gesprochen, daß man mit dem vielen Geld da drin im Rathaus die ganze Provinz in Aufruhr bringen könnte? Haben Sie nicht darüber gesprochen, daß man das Rathaus niederbrennen müßte, wenn die Kassen ausgeleert sind? Sie suchten ja nur nach dem Menschen, der es tun könnte, und jetzt, jetzt stehe ich da und will Sie glücklich machen, will Ihnen zeigen, daß ich Ihrer wert bin, und Sie fragen mich nach dem Zweck?!«

Er wurde atemlos und sank keuchend auf das Bett.

Mit einemmal stand er auf, ganz ruhig und kalt.

»Seitdem Sie mit mir darüber gesprochen haben, wurd ich wie ein neuer Mensch. Ich habe nur darüber nachgedacht. Darüber und über den Tod. Ich vergesse den Tod jetzt. Ich liebe Sie, ich will Ihnen gefallen, ich will die Empörung und die Revolte mit der Tat predigen ... Meine Hölle schäumt über ... Ich sterbe, und das ist gleichgültig, ob ich hier oder im Gefängnis sterbe ... He he, mein Herr, mein Meister ...«

Er ergriff hastig Gordons Hand und küßte sie in Verzückung.

Gordon entriß ihm die Hand.

»Aber Sie sind ja wahnsinnig!«

»Ich werde noch mehr tun!« flüsterte Wronski mit irrem Lachen. »Ich werde mich rächen, ich werde mich rächen!«

Ein krampfhafter Husten befiel ihn, aber er achtete nicht darauf, stieß die Worte hervor, die Ekstase ließ ihn die Qual vergessen.

»Ich werde mich an allen rächen! Mein Vater hat fünfzig Jahre gearbeitet wie ein Ochse im Pflug und hat nur diese bazillendurchseuchte Höhle zurückgelassen. Wissen Sie, wissen Sie« – er zerrte krampfhaft an Gordons Arm – »dieses eine Jahr auf der Universität ... Oh, oh ... Hätten Sie mir nicht geholfen, ich wäre wie ein Hund am Zaun verreckt ... Ich habe gehungert! Gott, wie ich gehungert habe! Einmal, hören Sie nur – es ist entsetzlich! Ich hatte drei Tage nichts gegessen, ich fand in einer Bedürfnisanstalt ein Stück Brot, ich fraß es auf, ich war kein Mensch mehr ... Jetzt werd ich mich rächen! Ich habe immer an Rache gedacht, schon damals, als der Hungertyphus hier vor zehn Jahren ausgebrochen war. Ha ha, Sie glauben es nicht? Sie werden es sehen! Ich bin Ihr Untertan, aber ich habe auch meine Diener! ... Einst hatte das dumme Volk Angst davor, wie Gott zu werden, aber ich will wie Gott werden. Ich zittre vor Glück, so zu werden wie Sie ... Sehen Sie dort – dort die große Cortumsche Villa ... Ha ha ha ... ihr Besitzer ist fort, mein Cousin ist dort Wächter ... Herr, mein Herr, in zehn Tagen, wenn der Vollmond vorüber ist! ... Dann sollen Sie eine Illumination haben! Ich will Ihren Geburtstag feiern, Sie, Sie großer Fürst der Finsternis! Sie sollen Licht haben, Licht! Licht! So viel Licht hat die Stadt noch nicht gesehen.«

Er sprach schnell und abgerissen ...

»Sie glauben, ich bin verrückt! Nein, nein! Sie glauben, ich will niederbrennen ohne Zweck! Herr, Sie sollen den Zweck erfüllen. Ich bin der blinde Zufall, und Sie sind die weise Vorsehung ... Ich bin das Gefäß, und Sie sind der Inhalt ... Ich will niederbrennen, nachdem Sie die Kassen geleert haben ... Ha ha ha ... Aber was sitzen Sie so kalt da?«

Er wurde rasend.

»Ich glaubte, ich würde den Gnadenhimmel über Sie öffnen!«

»Ich habe Ihnen von Botko erzählt?« fragte Gordon ganz unvermittelt und stand auf. »Wenn ein Mensch zu Ihnen kommt, der Ihre Brust mit dem Zeigefinger berührt, so ist es Botko.«

»Ich spucke auf Ihren Botko! Ich will ihn nicht sehen! Ich will es mit Ihnen zusammen machen, nur mit Ihnen!«

»Ich habe Wichtigeres zu tun. Verstehen Sie, Wronski? Ich bitte Sie, das erste Mal bitte ich Sie um etwas. Diesmal werden Sie mit Botko zusammenarbeiten.«

Wronski schien mit einemmal alles zu vergessen.

»Nur das Eine« ... er sagte es kaum hörbar ... »nur das Eine, was mir nicht gleichgültig ist ... Gehen Sie doch nicht ... Ich habe Ihnen etwas sehr Wichtiges zu sagen.«

Gordon sah auf die Uhr.

»Jetzt ist es halb elf, ich kann noch eine halbe Stunde bleiben.«

»Bleiben Sie, bleiben Sie ... Sie sind mein Wohltäter: ich ... und meine Schwester haben Ihnen ja zu verdanken, daß wir hier nicht verhungern. Ich und meine Schwester ...«

Er schwieg plötzlich und sah Gordon hilflos an.

»Hören Sie, Gordon«, sagte er endlich mühsam ...

»Verstehen Sie mich, ich will Sie nicht beleidigen ... Aber – heute Nacht – bekam ich einen furchtbaren Gedanken ... einen Gedanken, der ... der ... Hören Sie, Gordon, können Sie mich hören? Können Sie mich verstehen? Es ist natürlich Wahnsinn, eine maniakalische Idee, aber ich kann sie nicht los werden.«

Er richtete sich auf.

»Gordon! Ist meine Schwester Ihre Geliebte?!«

»Ich war auf diese Frage vorbereitet«, sagte Gordon sehr ruhig.

»Sie ... Sie waren vorbereitet?«

»Natürlich! Das ist doch eine sehr natürliche Frage! Sie sind ja selbst ein Mann.«

Gordon lächelte leise und stand wieder auf.

»Jetzt muß ich doch gehen, ich komme bald wieder zu Ihnen ... Ich habe Sie sehr gern ...«

»Oh, wie gleichgültig Sie das sagen!«

»Ich habe es früher nie einem Menschen gesagt ... Will übrigens Ihr Cousin die Proklamationen verteilen und anschlagen?«

»Ja.«

Gordon klopfte an die Seitentür.

Pola kam heraus.

»Jetzt muß ich gehen, Fräulein.«

»Aber Ihr Mantel ist ja noch nicht trocken.«

»Oh, das tut nichts.«

Sie ging hinaus.

»Pola liebt Sie«, flüsterte Wronski; »ich glaube, sie stand heute den halben Tag vor der Tür und wartete auf Sie. Zerstören Sie dies Kind nicht, tuen Sie es nicht!«

Gordon sah ihn an, aber antwortete nichts.

Pola kam mit dem Mantel.

»Nun leuchten Sie mir hinunter.«

Als er mit ihr hinunterging, faßte sie ihn heftig unter den Arm und preßte sich fest an ihn.

»Du mein Gott du!«

Er lächelte und küßte sie auf die Stirn.

Unten an der Tür blieben sie stehen.

»Du verkehrst jetzt viel bei Fräulein Mizerska?« fragte Gordon.

»Sie ist so gut zu mir.«

»Hm ...«

Er schien etwas sagen zu wollen, besann sich aber, drückte sie an sich und ging.


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