Alfons Petzold
Der stählerne Schrei
Alfons Petzold

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Franz von Assisi und der Weltkrieg.

        Friededurchströmter,
Wenn du jetzt lebtest
Und sähest deine Brüder
Mit der wogenden Giftflut des Hasses
Deine geliebte Erde tränken;
Deine Mutter die Sonne, die Sterne deine Geschwister
Dunkel vor Leid über die mordenden Menschen;
Deinen ältesten Bruder, den Wind
Wahnsinnig geworden
Über dem Greuel auf Straße, Acker und Feld;
Und deine Lieblingsmuhme das Wasser
Rot vom rauchenden Blut
Und dem Widerschein brennender Städte und Dörfer;
Deine Tiere nicht mehr jubelnd in den Bäumen,
Nicht mehr tanzend in den Lüften,
Nicht mehr spielend auf den Wiesen,
Sondern furchtsam verkrochen in den Falten
Der Kleider unzähliger Leichen,
Verbrannt in verkohlenden Wäldern,
In flammenzernagten Häusern und Ställen,
Sterbend niederflatternd aus einer qualmigen Wolke,
Die zehntausend brüllende Erzschlünde
Gegen den Himmel spein;
Deine Blumen zerstampft, fühllos für deine Tränen,
Wundenbedeckt und tot, wie alles um dich, –
Du würdest dir das Herz aus dem Leibe graben,
Es einer hungernden Katze hinwerfen,
Deinen Mund mit Nesseln füllen,
Daß der Liederselige brenne.
Dann würdest du deinem Leben fluchen
Und der Worte, die du einst sprachest:
Über allem die Liebe!
Du würdest mit deinem Bußgürtel
Die veraschte, blutige Erde peitschen,
Deine hagere Gestalt, aller Demut entblößt,
Zum Himmel aufrecken
Und mit klirrender Stimme künden:
Über allem der Haß!
Aber dann – – – würdest du weinen, endlos weinen
Und mit deinen heiligen Tränen
Das Blut von der Erde waschen.

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