Alfons Petzold
Der stählerne Schrei
Alfons Petzold

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Totenmesse

für einen in russischer Gefangenschaft
gestorbenen Tiroler Kaiserjäger.

Die Wolken:
        Wir über alle Länder Hinziehenden
Haben den Helden sterben gesehn,
Sahen die Schatten des Todes im fliehenden
Tageslicht über die Stirne ihm wehn.

Hinter den mit Lumpen verhangenen
Fenstern lag er, von Schmerzen bedrängt,
Rings um ihn saßen die andern Gefangenen
Stumm, die Blicke in Leeres gehängt.

Dumpfe Qualen und Nächte gewitterten
In seinem Blut auf ächzendem Stroh;
Er aber sah mit den fieberdurchzitterten
Augen nur Heimat und lächelte froh.

 
Die Bäume:
Wir stehen in die fröhlichsten Gewänder
Des jungen Frühlings eingehüllt
Und sind bis an die letzten Ränder
Vom Wein des Lebens angefüllt.

Am Tage will uns jeder Mensch begnaden
Mit seiner Augen frohem Schein.
Des Nachts sind wir von Gott geladen,
Die Zeugen seiner Macht zu sein.

Und dennoch sind wir traurig, so wie Bräute,
Die einsam in der Seide stehn,
Denn einer, der uns einst betreute,
Wird nimmer unser Reifen sehn.

Er liegt, der lieben Heimat ferne,
Den Blick mit Erde zugedeckt
Und wartet, bis der Herr der Sterne
Ihn aus dem tiefsten Schlummer weckt.

 
Die Steine:
An uns hing sein Auge, als er schritt
Mit den andern, mit den vielen andern mit.

Ach, er sah in uns nicht toten Zwang,
Wußte, daß wir Sehnsucht sind und Klang.

Rings um uns war Winter, schob der Schnee
Über alle Dinge hartes Weh.

Nur wir blickten nackt und voller Brand
Über das geliebte Heimatland.

Nur wir fühlten starke Zuversicht,
Er war ganz ein Mann, wir ganz ein Licht.

Nun kam Botschaft von der Fremde her,
Daß sein Herz des tapferen Schlages leer.

Daß ihn eines Dunkeln Sense traf,
Daß er nun, wie wir sind: tiefer Schlaf.

Doch im Innersten noch lebt und lauscht,
Ob kein Wind von Heimat singt und rauscht.


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