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Fünftes Kapitel

Baronin Hottenbach erwartete in etwas aufgeregter Stimmung ihren Sohn. Er war zu dem reichen Lederfabrikanten Schwarzmüller gegangen, in der Absicht, um die Hand seiner Tochter anzuhalten. Der Baronin lag die Sache ja gar nicht nach Geschmack. Max wäre auch wohl nie zu dem Schritte gekommen, wenn nicht gerade das Gut, das der Vater vor vierzehn Jahren verkauft hatte, wieder ausgeboten worden wäre. Er hing an dieser Stätte seiner Kindheit, und der Verkauf war wohl auch etwas wie ein Unrecht gegen ihn, den Ältesten, gewesen. Aber es hatte sich eben damals eine außerordentlich vorteilhafte Gelegenheit zum Verkaufe geboten, durch einen neugeadelten Herrn aus Preußen, der durchaus den Rittergutsbesitzer spielen wollte. Die Baronin fühlte sich in ihrem Gewissen als die Hauptschuldige. Sie hatte nie gern auf dem Lande gelebt und den beschränkten Gatten zum Verkauf gedrängt. Aus Max wäre vielleicht ein ganz tüchtiger Landwirt geworden, während er jetzt als problematische Existenz herumlief. Durch die reiche Fabrikantentochter wollte er nun wieder in den Besitz des früheren Familiengutes und damit zu einer würdigen Lebensstellung gelangen. Er war immer der Mutter Liebling gewesen, den sie verwöhnt hatte, und er hing auch an ihr, obwohl er sie gelegentlich gar nicht zartfühlend behandelte. Daß er nicht im Kolonialdienst ausgehalten hatte, daran war ihrer bestimmten Meinung nach nur das Heimweh nach der Mutter schuld gewesen. Wenn er jetzt etwas tat, was ihr nicht gefallen wollte, nahm sie es ergeben hin, um sich nicht vorwerfen zu lassen, sie hätte ihn durch Widerspruch um das endlich erreichte Lebensziel gebracht.

Die Art, wie Max Hottenbach in das Zimmer trat, ließ nicht auf einen glücklichen Bräutigam schließen.

Zaghaft, mit ängstlichem Blick, fragte die Baronin:

»Was ist denn geschehen? Du bist ja so erregt!«

»Was geschehen ist?« antwortete der Sohn rauh. »Einen Korb hat er mir gegeben, der Herr Lederfabrikant. Er pfeift auf einen Baron, will mit der Adelsgesellschaft nichts zu tun haben.«

»Aber es ist ja ganz unglaublich,« sagte darauf die Baronin entsetzt.

»'s ist aber so! Übrigens hätte die Sache doch keinen Wert gehabt. Er gibt kein Kapital heraus, wünscht einen Schwiegersohn, der ins Geschäft eintritt. Schwamm drüber! Muß eben Leitbronn schwimmen lassen.«

»Und das Mädchen?« fragte die Baronin.

»Habe ich gar nicht zu Gesicht bekommen. Weint halt vielleicht der entgangenen ›Baronin‹ ein paar Tränchen nach. Ins Wasser springt sie meinetwegen nicht.«

»Es ist vielleicht besser, daß es so gekommen ist,« sagte jetzt die Baronin. »Weiß Gott, was das für eine Ehe geworden wäre. Jetzt bleibst du in deiner Sphäre, und die Hofcharge ist dir doch sicher, wenn es auch noch eine Weile dauert.«

»Leitbronn, Leitbronn!« rief der Baron, mit großen Schritten das Zimmer durchmessend. »Ich hätte eine Bucklige oder Einäugige geheiratet, und das Schwarzmüller Resel ist ein nettes Mädel. Aber mir geht eben alles schief!«

»Du wirst wieder darüber wegkommen,« tröstete ihn die Mutter.

»Wie über so manches, meinst du. He?« fuhr er sie rauh mit einem bösen Blick an.

Sie sah gekränkt und scheu zugleich nach ihm. Das kam so manchmal aus ihm heraus, drohend, als wüßte er etwas, und er konnte doch nichts wissen. Er war ja damals auf der Pagenschule gewesen.

In dem gastfreien Hause eines bedeutenden Zeitungsverlegers, in dem sich Mitglieder der verschiedensten Gesellschaftskreise zu künstlerisch durchhauchter Geselligkeit zusammenfanden, hatte der Baron Therese Schwarzmüller kennen gelernt. Ein echtes, molliges und lustiges Münchener Kind. Sie hatten sich beide unter dem Zeichen des Humors zu einer heiteren Freundschaft zusammengefunden, der wohl keins von ihnen eine tiefere Bedeutung beilegte, und so ein Jahr lang verschiedene vergnügte Gelegenheiten zusammen gefeiert. Da ließ die Nachricht von dem Verkaufe Leitbronns in Hottenbach einen raschen Entschluß reifen. Bei günstigem Anlaß erklärte er sich dem Mädchen, und diese schien sehr beglückt davon.

Als er nun gleich am nächsten Tage den Vater aufsuchte, trat ihm der behäbige Herr schon mit einer verdächtig kühlen Feierlichkeit entgegen. Nachdem er in kurzen Worten seinen Antrag vorgebracht hatte, erhielt er einen Stuhl angewiesen, und Herr Schwarzmüller sprach, die Hände über dem stattlichen Bauch ineinandergeschlungen:

»Ich weiß die Ehre wohl zu schätzen, Herr Baron, aber Sie müssen mir ein aufrichtiges Wort gestatten. Schon seit längerer Zeit habe ich bemerkt, daß sich zwischen Ihnen und meiner Tochter etwas abspielt. Bei uns Geschäftsleuten ist da der Brauch, daß man beizeiten so herumhört, wie's mit einem jungen Manne steht, der sich um die Tochter bemüht. Ich hab' nichts Übles erfahren, aber Sie haben eine Position, mit der eigentlich nicht viel anzufangen ist. Auf der anderen Seite ist Ihr Herr Bruder bei der Diplomatie, Ihr Herr Schwager Rittmeister in einem unserer vornehmsten Kavallerieregimenter, Sie selber gehen als Kammerjunker zu Hof, und man hat mir gesagt, Sie würden wohl mit der Zeit ein Zeremonienmeister oder Hofmarschall werden. Wie steht meine Tochter in solcher Verwandtschaft da? Wenn sie auch die Erziehung und das Geld hat, sich daneben sehen lassen zu können, respektiert wird sie doch nicht. Sie hat auch nicht die Gabe, sich mit Gewalt durchzusetzen. Also würde sie von den anderen geduckt werden. Dazu ist mir aber mein einziges Kind doch zu gut.«

Hottenbach suchte dem Fabrikanten diese Meinung auszureden und, was seine Position anging, sprach er von seiner Absicht, Leitbronn wieder in seinen Besitz zu bringen.

»Verzeihung, Herr Baron,« bemerkte Schwarzmüller darauf. »Der Gutskauf käme wohl auf Rechnung meiner Tochter?«

»Ich besitze zwar einiges eigenes Kapital,« antwortete Hottenbach. »Aber freilich würde das nicht ausreichend sein.«

»Ja, sehen Sie,« sagte Schwarzmüller jetzt, »da kommt der Haupthaken in der Sache. Mein Geld steckt im Geschäft, meine Tochter bekäme eine Aussteuer und ein sehr anständiges Jahrgeld. Aber Kapital? Müßt' das Geschäft belasten. Das geschieht unter keinen Umständen und erst noch wegen so eines Gutskaufes! Könnte ein teurer Spaß werden! Sie sehen also, Herr Baron, die Verhältnisse stimmen nicht zusammen. So was kommt öfter vor und ist noch keine Schande. Wie gesagt, ich fühle mich sehr geehrt durch diesen Antrag, aber – –«

Er zog die Schultern hoch und stand von seinem Sitze auf.

Hottenbach wollte sich mit einer stummen Verneigung zurückziehen, aber Schwarzmüller streckte ihm seine kräftige Rechte entgegen und sagte gemütlich:

»Nehmen Sie's nicht zu schwer, Herr Baron. Es gibt ja genug junge Damen, die besser zu Ihnen passen als gerade die Schwarzmüller-Tochter.«

Hottenbach hatte diese Schwarzmüller-Tochter ja ganz gerne gehabt. Als er aber auf der Straße stand, galt die Bitterkeit, die er empfand, doch in erster Linie dem Gedanken, daß er auf den Traum von Leitbronn verzichten müsse, den er in letzter Zeit mit so viel Liebe gehegt hatte. Eine Zukunft war ihm verloren gegangen, die hieß aber nicht »Therese Schwarzmüller«, sondern »Leitbronn«, und diesen Verlust empfand er niederdrückend schwer, daß es sich ihm wie Blei in die Beine legte und seinen Schritt hemmte. So konnte er also dieses Leben weiterführen, das ihm schon lange zum Ekel geworden war, das Leben eines Menschen, der es zu nichts gebracht hatte, den der jüngere Bruder und der Herr Schwager immer mit stummem Vorwurf ansahen. Was sie ihm da im Landwirtschaftlichen Verein zu tun gegeben hatten, das war ja nur eine Beschäftigung, aber keine Stellung. Er ließ sich nichts anmerken, war immer der lustige Geselle, solange es keiner unternahm, ihn zu leicht zu nehmen. Dann freilich biß er, und ein Name war es, der ihn mit den Zähnen knirschen ließ, wenn er vor ihm genannt wurde. Das war der Name – Hove, denn eben an diesem Namen krankte sein Leben.

Siebzehn Jahre alt war er gewesen, als der Name an sein Ohr klang, leicht hingeworfen in flüchtigem Gespräch und ihn doch in Mark und Bein erschütternd. In Leitbronn war es. Die Hasenjagd war eben offen geworden und Vaters intime Jagdfreunde, Baron Prax und Major von Bischof, auf Besuch. Die beiden Herren saßen im Garten unter der Traueresche, deren tiefhängende Zweige ihnen keinen Ausblick gestatteten. Sie konnten daher nicht sehen, daß Max dicht hinter ihnen auf der Wiese stand, dem Spiel einer Katze mit ihren Jungen zusehend. Er liebte jedes Haustier. Da hörte er, daß die beiden von der unverwüstlichen Schönheit seiner Mutter sprachen.

Der Major war es, der sagte:

»Man sprach einmal allerlei von einem Grafen Hove. Ist denn da wirklich etwas daran gewesen?«

»Alte Geschichte,« erwiderte Baron Prax darauf. »Ist einmal sogar zu einem bösen Skandal in einer Damengesellschaft zwischen ihr und der Gräfin Hove gekommen. Die Beziehungen haben wohl jahrelang bestanden oder bestehen vielleicht noch. Hove ist zwar in Franken oben begütert und kommt nie hierher. Aber die Hottenbachs bringen ja immer mehrere Wintermonate in München zu, und dort ist auch er, das weiß ich, häufig zu sehen.«

Am liebsten hätte sich Max auf den Baron gestürzt, den falschen Freund des Vaters, der hier als Gast Schlechtes von der Hausfrau sprach. Aber er war ja nur ein dummer Junge und hätte mit einem solchen Streiche erst recht die Mutter schädigen können, die gute, schöne Mutter, an der er so zärtlich hing! Er schlich sich also davon, und schreckliche Tage kamen, in denen er sein Gehirn zermarterte, ob die Mutter großes Unrecht getan habe oder ob er sie noch mehr lieben müsse, weil von anderen schlecht über sie gesprochen wurde. Und dann wuchs ihm ein wütender Haß in der Schule gegen diesen Grafen Hove, der doch an allem schuld war, und diesen Haß gegen den Vater, dem er nicht nahekommen konnte, übertrug er auf den Sohn, mit dem er auf der Pagenschule war und den er bisher ganz gut hatte leiden mögen.

Aber auch sonst veränderte sich von der Zeit an sein ganzes Wesen und er wurde zu dem Menschen, mit dem nichts anzufangen war, wie die Leute immer sagten. An seiner Liebe zur Mutter hing er aber fest, er fühlte die Notwendigkeit, sie zu betreuen. Darum hatte es ihn nicht mehr in Afrika gelitten, als die Schwester geheiratet hatte und er die Mutter allein wußte, denn dem Bruder beliebte es, auf auswärtigen Universitäten zu studieren.

Man sprach viel, da boshaft lachend, dort geringschätzig tadelnd, über den Korb, den sich Hottenbach bei dem Lederfabrikanten geholt hatte. Die adligen Damen zumal waren entrüstet über solche Art, nach Vermögen zu fahnden. Wenn es eine Engländerin oder Amerikanerin gewesen wäre, hätte es niemand getadelt. Aber um ein Münchener Bürgermädchen freien und sich da noch einen Korb holen, das war doch eine Blamage sondergleichen.

Hottenbach gab seine Stellung beim Landwirtschaftlichen Kontrollverein auf, denn er fand mit einem Male, daß die Zinsen seines väterlichen Vermögens ausreichten, in einem ihm genügenden Stile den Rentner zu spielen, und trieb sich viel in den Bergen herum. Das legte man wieder dahin aus, daß er jene Fabrikantentochter doch sehr geliebt haben müsse, und er kam wieder bei einigen Damen in Gunst. In den Herrenkreisen sprach man dagegen von dem Unglücksmenschen, mit dem es nun einmal doch nicht richtig sei. Sein Vater sei ja halb schwachsinnig gewesen.

Die Baronin sah dem neuen Treiben ihres Sohnes mit scheuer Sorge zu. Sie nahm sich aber doch den Mut, ihn bei Beginn der Wintersaison zu bereden, daß er die üblichen Besuche machte und sich beim Hofmarschallamt wieder zum Kammerjunkerdienst meldete. Zunächst hatte er sich zwar derb ablehnend verhalten, aber es wurde ihm doch bange vor der Möglichkeit, den gesellschaftlichen Boden ganz unter den Füßen zu verlieren. Den populären Baron in Kaffeehäusern und Bierstuben zu spielen – er kannte solche Exemplare – davor schreckte er zurück. Damit verlor man auch sehr bald die Fühlung mit den besseren Elementen des Wintersports, an dem ihm sehr viel gelegen war, und kam überhaupt ans Versumpfen. Wie ihm zumute war, das ging die Leute nichts an, nach außen hin wollte er sich nicht so schnell kleinkriegen lassen.

In den nächsten Tagen nach dem großen Hofball sprach man in allen Adelskreisen von dem Aufsehen, das die junge Gräfin Hove, geborene von Rottenau, durch ihre Schönheit erregt hatte. Zwar fanden sich sehr schnell Leute, die von den derangierten Verhältnissen der Eltern wußten, und wieder andere waren in der Lage, zu berichten, daß eine Schwester hier in München mit einem ganz gewöhnlichen Maler verheiratet und schon im vorigen Winter bei Künstlerfesten ebenfalls durch ihre Schönheit aufgefallen sei. Das gab allerdings zu gelegentlichen Bemerkungen Anlaß, daß Graf Hove wohl eine bessere Partie hätte machen können, und namentlich gewisse Mütter waren der Meinung, die Hofgesellschaft habe durch die Erscheinung der Gräfin keine sonderliche Bereicherung ihres Ansehens erfahren. Diese Äußerungen wurden aber völlig zurückgedrängt von dem Ausdrucke des Entzückens darüber, daß die Gräfin nicht nur Schönheit, sondern auch eine ganz ausgezeichnete Haltung graziöser Vornehmheit gezeigt habe, wie sie durchaus nicht allen bei Hofe erscheinenden Damen zu eigen zu sein pflege.

Der Karneval bot noch weitere Anlässe, die Gräfin zu sehen und ihr persönlich näherzutreten. Das diente dazu, ihre Stellung zu festigen, so daß bald in jedem Salon die Gäste mit Spannung auf ihr Erscheinen warteten, um dann lange zu erörtern, ob sie heute reizender aussehe als letzthin. Sie verstand nämlich auch sehr geschmackvoll Toilette zu machen, und immer lag ein heiterer Glanz auf ihrem schönen Antlitz, der nicht, wie die Leute wohl meinten, dem Siegesbewußtsein entstammte, sondern dem Gefühle, daß sie dem Gatten mit solch festlichem Glanze ihrer Schönheit eine große Freude bereite. Das Interesse, das seine Frau erweckte, gab auch Hove selber eine wesentlich andere Stellung, als er sie als junger, unverheirateter Kavalier eingenommen hatte. Der greise Prinzregent selbst, die anderen Mitglieder des Königshauses und in der Folge die älteren Würdenträger gaben ihm jetzt in ganz anderer Weise zu verstehen, daß sie ihn gern als Repräsentanten eines der ältesten bayerischen Adelsgeschlechter anerkannten. Er war Aga innig dankbar dafür, daß sie es so trefflich verstand, die ihm wertvollen gesellschaftlichen Bedingungen ihrer Ehe zu erfüllen, und drückte diesen Dank in einer Freigebigkeit für Toiletten und Schmuck aus, der sie energischen Einhalt gebot. Er hatte sie in seine Vermögensverhältnisse eingeweiht und sie wollte ihm treue Helferin sein.

Sie wohnten in einer der zahlreichen Fremdenpensionen und lebten, von dem mit dem Hofverkehr unerläßlich verknüpften Programm bestimmter Geselligkeiten abgesehen, ganz für sich. Allen Versuchen, sie noch in verschiedene kleinere Damenzirkel zu ziehen, wußte Gräfin Aga in liebenswürdiger Form auszuweichen. Selbst der Verkehr mit dem Ehepaar Backstein war nicht allzu rege. Das rührte nun wesentlich davon her, daß Julie sich nie auf bestimmte Abmachungen einlassen wollte und, wenn es einmal zu einer Zusammenkunft kam, nicht die Ruhe zu einem wirklich behaglichen Plauderstündchen fand, sondern immer irgend etwas Wichtiges zu besorgen hatte, das die Zeit des Beisammenseins beschränkte. Sie hatte den Kopf voll Toilettensorgen, und lag einmal guter Schnee, dann ging es in die Berge zum Skilaufen. Backstein fügte sich willig in diese Lebensordnung, wenn er auch darüber mit einem ironischen Lächeln sprach. Als er einmal leise klagte, daß er gar nicht zum Malen käme, fiel ihm Julie gleich in die Rede:

»Auf diese wenigen Karnevalswochen kommt es auch nicht an. Das kannst du dir leisten.«

Sie sah etwas angegriffen aus, zeigte aber trotzdem eine leise Neigung zur Fülle. Der sollte der Wintersport abhelfen, der nach ihrer Meinung auch die Nerven für die Strapazen des Karnevals stärkte.

Aga hatte ja immer in einem inneren Gegensatz zu ihrer Schwester gelebt, aber jetzt fühlte sie sich ihr noch fremder. Manchmal überkam sie geradezu ein Unbehagen, die Empfindung, als ginge von der Schwester etwas wie sengende Hitze aus, und sie sah dann immer den Gatten scheu fragend an.

Julie spöttelte über die steifen Hofkreise und pries den Glanz und karnevalistischen Frohsinn des Künstlerlebens, wobei sie aber nicht unterließ, die Künstler mit adligen Namen besonders aufzuzählen; ebenso verschiedene Kavaliere, die sich gern in diesen Kreis mischten. Darunter befand sich auch Baron Hottenbach.

»Wir haben ihn übrigens erst vor kurzem bei einer Skipartie kennen gelernt,« sagte sie. »Er erzählte mir, daß er euch auf eurer Hochzeitsreise getroffen habe.«

Sie bemerkte alsbald, daß der Name bei dem Ehepaar Hove eine sehr kühle Aufnahme fand. Als sie dann erfuhr, daß die beiden Herren eine alte Antipathie gegeneinander hegten, meinte sie:

»Schade, er ist doch ein netter Mensch. Ich habe ihn übrigens zu unserem Abend eingeladen. Ihr werdet doch daran keinen Anstoß nehmen?«

Hoves, die den Baron in jeder Gesellschaft trafen, aber, soviel es möglich war, abseits ließen, beschwichtigten sie.

Der Graf sagte scherzend:

»Meine Frau hat sogar schon mehrmals mit ihm getanzt. Von mir wirst du das wohl nicht verlangen. Als Student dachte ich wohl gelegentlich daran, einen Tanz mit ihm zu wagen. Jetzt unterläßt man solche Streiche.«

»So steht ihr?« mischte sich jetzt Backstein ein. »Wenn ich das früher geahnt hätte, wäre der Baron nicht eingeladen worden.«

»Was habt ihr denn gegeneinander?« fragte Julie.

»Jugendgeschichten aus der Pagerie,« warf Aga ein.

»Ach,« rief Julie, »wenn's weiter nichts ist, werde ich das schon ins Geleise bringen.«

»Versuche das lieber nicht,« sagte jetzt Hove mit scharfer Bestimmtheit. »Man findet sich mit derartigen Verhältnissen gesellschaftlich ab, aber eine Einmischung Dritter ist nicht immer angebracht.«

»Sei aber nicht ungemütlich an dem Abend,« scherzte Julie. »Ich möchte ein bißchen renommieren mit euch. ›Meine Schwester, die Gräfin Hove‹, das macht sich nämlich ganz gut.«

»Dann renommiere ich mit meiner Schwester, der Frau des berühmten Malers Backstein,« scherzte Aga dagegen.

»Berühmt, das wäre geschwindelt,« warf ihr Schwager ein. »Es müßte ›des Malers Backstein‹ genügen, und das klingt nicht gut. Nicht wahr, Julchen?«

»Ich uze ihn nämlich immer,« erklärte Julie. »Aber wir werden doch noch berühmt, das deichsele ich. Er kann ja nur malen. Die Mache versteht er nicht, obwohl er von Kaufleuten herkommt. Das Haus, meine Toiletten, der Wintersport, die Gesellschaften – alles nur Reklame.«

»So behauptet sie,« fügte der Gatte bei. »Ob es gerade kaufmännisch stimmt, möchte ich vorläufig bezweifeln.«


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