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Eugen Diederichs

Es hört sich heute ziemlich unglaubwürdig an, daß auch der Verlag Eugen Diederichs einmal für hypermodern, für snobistisch und überspannt gehalten wurde. Eugen Diederichs begann zu jener Zeit, da die Ausstattung des deutschen Buches sich aus tiefster Niederung erhob und sich an der hochentwickelten englischen bildete; es war die Zeit von William Morris und Walter Crane. Diederichs hat viel getan, den Goldschnittstil, den niedlichen Illustrationsstil zu überwinden, aber schließlich verlief auch er sich in der Aufmachung. Der große Pomp wurde auch zur innerlichen Haltung, der breite Faltenwurf deckte oft genug Banalitäten. Und doch verdanken wir Diederichs die Einbürgerung von Kierkegaard, die Vertrautheit mit Bergson, den Plato Kassners, italienische Chroniken und nordische Märchen, den Paracelsus und den herrlichen, den vergessenen Sebastian Franck. In den letzten Jahren vor dem Kriege erfaßte Diederichs mit festem Griff fortschrittliche Zeitliteratur; zum Beispiel die gesammelten Reden von Lloyd George, die große Militärkritik von Jean Jaurès. Das war seine lebendigste Epoche. Es kann nicht verschwiegen bleiben, daß späterhin der Diederichslöwe, dem Meyrinckschen gleich, die neue Zeit manchmal mit einem peinlich schmetternden Bäh begrüßte. Zuletzt, und leider am lautesten, in jener komischen Ars amandi der Dame Diotima, die sich bemüht, das von Herrn Professor van de Velde gebaute und überzogene Liebeslager mit den Sägespänen eines empfindsamen Seelenlebens auszustopfen. Eugen Diederichs, den ewig Planenden und Suchenden, verfolgte das Mißgeschick, keinen kongenialen deutschen Autor finden zu können. So erhaben seine Ausgrabungen waren, so abschreckend waren oft die Lebenden, für die er sich mit dem großen Schwung seiner Persönlichkeit einsetzte: diese Gelehrten mit dem Hakenkreuz vor dem konfusen Kopf, diese Poeten von feierlichem Schwachsinn. War es ein Versagen des Mannes oder des von ihm so glühend geliebten deutschen Geistes? Es bleibt nur die Tatsache, daß der letzte große Humanist, der letzte wirkliche Abkömmling der Sammler und Entdecker der Renaissance, kein Dichter, kein Gelehrter, sondern ein Verleger gewesen ist.

 

Die Weltbühne, 16. September 1930

 


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