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Plagiatsgeschrei

Wie wir vor einigen Wochen mitteilten, ist im »B. T.« gegen Ernst Bloch der Vorwurf des Plagiats erhoben worden. Herr Bloch hatte in der »Weltbühne« die literarische Beilage des »B. T.« kritisiert, worauf dem »B. T.« nichts Besseres einfiel, als Bloch des literarischen Diebstahls zu bezichtigen: »Herr Bloch hat ... einen Namen, der uns nicht unbekannt ist. Wir erinnern uns dieses Namens, weil Herr Bloch bei einem Plagiat gefaßt worden ist ... Herr Bloch hat den Artikel Theodor Fantas, ›Exzentrik‹, im ›Berliner Börsen-Courier‹ abgeschrieben und veröffentlicht. Die Belege stehen zur Verfügung.« Die Belege stehen auch mir zur Verfügung. Den Eindruck eines Plagiats oder auch nur einer unerlaubten Benutzung von Motiven habe ich daraus nicht gewinnen können. Ernst Bloch selbst hat den Tatbestand in folgender Weise formuliert:

»I. Ich bin mir keines ›Plagiats‹ bewußt und habe keines begangen.

II. Der Bericht ›Exzentrik‹ ist am 12. September 1925 im ›Börsen-Courier‹ erschienen. Zwei Tage später schickte ich meine philosophische Glosse ans ›Berliner Tageblatt‹ ab; sie ist dort, leider um zwei Drittel ihres Umfangs gekürzt, am 29. September 1925 erschienen. Die Bekanntschaft mit der vermeintlichen Reportage im ›Börsen-Courier‹ fürchtete ich so wenig, daß ich sie gerne als bekannt voraussetzte. Ein Plagiator, der einen Bericht aus dem ›Berliner Börsen-Courier‹ zwei Tage nach Erscheinen ans ›Berliner Tageblatt‹ schickt, muß noch erfunden werden.

III. Der Bericht ›Exzentrik‹, zwanzig Zeilen groß, unterschrieben ›Bohdan‹, stand nicht unter, sondern über dem Strich des ›Börsen-Couriers‹. Unmittelbar auf ihn folgten zwei Gerichtsberichte. Nicht nur ich habe danach ›Exzentrik‹ für eine Lokalreportage gehalten, in Interviewform eingekleidet, für die Wiedergabe eines wirklich geschehenen Vorfalls; um so mehr, als damals ein großer Wanderzirkus in Berlin gastierte. Der Rohstoff des vermeintlichen Berichts veranlaßte mich zu einer philosophischen Glosse oder symbolischen Betrachtung, deren Anlässe ja bekanntlich nicht aus den Fingern gesogen werden. Dabei mußte ich natürlich auf das vermeintliche Faktum, gerade wegen seiner schnöden Wirklichkeit, rekurrieren. Dies Faktum war ein Beispiel für einen zentralen, längst veröffentlichten Satz meiner Philosophie; wodurch der ganze Rohstoff verwandelt wurde. Er stand nun in einem Zusammenhang, von dem der Bericht im ›Börsen-Courier‹ selbstverständlich nicht das geringste enthält.

IV. Erst später erfuhr ich, zu meinem großen Erstaunen, daß ›Exzentrik‹ gar kein Bericht sei, sondern eine Erdichtung sozusagen, von Theodor Fanta. Herr Hildenbrandt, der während des Erscheinens meiner Glosse verreist gewesen war, legte nach Kenntnis der Glosse und meiner Erklärung den Fall sofort bei. Auch allen andern Herren war das ›Plagiat‹ vorher schon mindestens zweifelhaft gewesen. Er entschuldigte die Redaktion wegen des Mißverständnisses und bat mich um weitere Mitarbeit. Tatsächlich sind seitdem zwei größere Aufsätze ganz ähnlicher Struktur im ›B. T.‹ erschienen.«

Das »B. T.« hat diese Erklärung Blochs nicht abgedruckt, wohl aber ein Schiedsgericht vorgeschlagen, was Bloch mit Recht abgelehnt hat. Denn auf der einen Seite steht eine große Zeitung, auf der andern ein einzelner Schriftsteller, der den schönen Vorzug des unabhängigen Schriftstellers genießt, allein zu stehen, wenn es für ihn ums Ganze geht. Es wäre wie bei dem Konflikt zwischen USA und Guatemala. Was soll da ein Schiedsgericht, bestehend aus Honduras, Haïti und Venezuela?

Redaktionen, deren Nachschlagematerial weniger unter dem Gesichtspunkt von Eigentumsvergehen zusammengestellt ist (»Wir erinnern uns dieses Namens, wissen, daß Herr Bloch bei einem Plagiat gefaßt worden ist ...«), wissen, daß Ernst Bloch der Autor des »Geistes der Utopie« ist, ein philosophischer Schriftsteller von sehr eigenartiger und nicht leichter Form, den man nur selten als Gast in den Zeitungen sieht. Vier Jahre haben die Strafakten Bloch im »B. T.« geschlummert. Bloch hat in dieser Zeit nicht nur an angesehenen Blättern mitgearbeitet, im »B. T.« selbst haben seitdem zwei Aufsätze von ihm gestanden. Doch nun erinnern sich die strengen Herren plötzlich seiner Vorstrafe. Was hat er ausgefressen? Er hat eine Nummer der »Literarischen Rundschau« des »B. T.« nicht schön gefunden. Es war das gute Recht des »B. T.«, sich gegen diese Kritik zu wehren. Aber auf den Vorwurf: »Ihr bringt schlechte Buchbesprechungen!« zu antworten: »Und du, du hast gestohlen!«, das führt auf dem denkbar kürzesten Wege aus der Literatur auf den Fischmarkt und wäre zu verwerfen, selbst wenn die Bezichtigung zuträfe.

Es gibt zwei Möglichkeiten, Plagiatfälle zu behandeln: entweder entlarvt man den Schuldigen rücksichtslos und bricht alle Beziehungen zu ihm ab, oder man behandelt die Sünde als läßlich und pardoniert. Das »B. T.« jedoch hat getan, als betrachte es den Fall als erledigt, und dabei die Akten auf Eis gelegt, um sie bei passender Gelegenheit wieder zu verwenden. Dabei hat Ernst Bloch kein Plagiat begangen, er hat den Verdacht, unter dem er stand, entkräften können, und die Redaktion hat ihn selbst um weitere Mitarbeit ersucht. Dafür soll ihm jetzt, wo er lästige Kritik geübt hat, der ehrliche Name abgesprochen werden. Er hat ein Anrecht auf volle Genugtuung.

 

Die Weltbühne, 28. Januar 1930

 


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