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Hindenburg und Hoelz

The quality of mercy is not strain'd ... Ein halbes Jahr Diskussion über Amnestie. Der achtzigste Geburtstag des Reichsoberhauptes schien wie ein Gottesgeschenk, um endlich etwas von dem gutzumachen, was die Justiz gesündigt. Das Ergebnis: eine Reichsamnestie von fünfundsiebzig Fällen. Nicht einmal für jedes Lebensjahr des hohen Geburtstagskindes ein Gnadenakt! Die Art dieser Gnade waltet mit schlechtem Gewissen, sie trägt das trockene Bürokratengesicht des Reichsjustizministers Hergt. Noch am Sonntag nachmittag weiß man nicht genau, wen der Gnadenstrahl trifft. Man spricht von Major Buchrucker und den Scheidemann-Attentätern. Man hätte nichts gegen einen Gnadenerweis für Buchrucker, den Reingefallenen von Küstrin. Damals hing ja alles an einem dünnen Faden. Ebensogut hätte die offizielle Reichswehr mit Gudovius putschen und Buchrucker mit der inoffiziellen Reichswehr die Republik retten können ...

Besser scheint das Ergebnis der preußischen Amnestie zu sein. Doch man weiß auch hier noch nichts Genaues. Man weiß nur, daß Max Hoelz nicht dabei ist.

 

Bayern läßt den tragikomischen Verschwörer Fuchs laufen, begnadigt endgültig den Mörder Eisners, der sich schon lange wieder frei bewegt. Gnade dem Meuchelmörder, doch keine dem romantisch beschwingten Klassenkämpfer Hoelz. Auch Max Hoelz hat sich eine messianische Sendung zugesprochen, hat sich für den Retter gehalten. Der arrivierte Retter im Präsidentenpalais hat keinen Blick für den kleinen gescheiterten Kollegen in Sonnenburg.

Der Fall Hoelz bleibt also unerledigt, und wir müssen ihn weitertreiben, koste, was es wolle. Aber der Präsident hat seine historische Stunde versäumt. Hat den Augenblick versäumt zu großen, gütigen, überparteilichen Gesten. Hier hätte der Marschall-Präsident zeigen können, daß in ihm trotz alledem ein eigner Funke glimmt. Er tat, was er lebelang getan hat: er folgte seinen Beratern.

 

Im Regierungsviertel drängen sich die vaterländischen Deputationen mit dem bekannten Klamottenkram aus Blech und Fahnentuch. Verkniffene Kleinbürger, die sich sichtlich aufbauen am Bild der Größe, der sie sich verwandt fühlen. Jedes gelernte Familienoberhaupt kommt sich als ein kleiner Hindenburg vor. Übrigens ist es vornehmlich der Tag der Provinz. Die Provinz hat Berlin überflutet. Berlin verhält sich ziemlich neutral. Es ist zu abgebrüht für so primitiven Schützenvereinsklimbim.

Aber guten Tag, meine Herrn! Das ist aber nett, daß Sie auch gekommen sind! – Man sieht sie überall dazwischen, die lieben jungen Leute, die bei Ehrhardt Erschießen gelernt haben. Sie strahlen. Ja, die Republik macht sich. Richtige Flitterwochenstimmung. Das bißchen Weimarer Tuch, das da noch rumhängt, wird auch noch verschwinden. Der Herr von Keudell ist grade dabei, die Handelsflagge zur Nationalflagge zu erheben. Die Helden verkriechen sich hinter der Händlerfahne. Kann sich die regierende Koalition besser symbolisieren als durch die Schacherfahne?

 

»Du, der das deutsche Leid uns niederringt, von dessen Taten unsre Seele singt, Du Adelsfürst der Treue und der Pflicht, Du deutschen Volkes leuchtend Glaubenslicht, Du Deutscher, deutschester in weiser Tat, Du Ekkehard, in unsres Volkes Rat, Du Großer, der uns wieder Zukunft weist, Du, dessen Name alle Tugend preist – dem Gotte, der Dich einst zu uns gerufen, dem beugen wir uns vor des Altars Stufen, ein ganzes Volk in einer Bruderhand: Herr, schütze Hindenburg dem deutschen Vaterland!«

Was das ist? Eine Festgabe in Berliner Schulen. Wie mag es da in Pommern aussehen!

 

In der nationalen Presse ergeht sich Byzanz. Solche Überschriften hat es seit 1914 nicht gegeben, so dumm, so feist und verlogen.

Die republikanischen Blätter fühlen sich etwas depossediert. Sie möchten sich so gern mitfreuen, aber man erlaubt es ihnen nicht. Da sie politisch an dem hohen Jubilar nichts Anziehendes finden, feiern sie wenigstens seinen Charakter und versichern, daß ihre Huldigungen nur dem Amt und nicht dem Manne zugedacht seien. Quatsch mit Soße. Millionen von Wählern haben gegen den derzeitigen Inhaber der Präsidentenwürde gestimmt, weil sie ihn für völlig ungeeignet hielten. Wäre er durch die Tatsache der Wahl geeigneter geworden? Hätte er seine Eignung seitdem erwiesen, grade die Republik zu repräsentieren? Während die Republikaner pietätvoll drucksen und die Kummerfalten feiertäglich ausbügeln, reist Westarp herum und rühmt sich, Inspirator der Tannenberg-Rede zu sein, und verkündet laut, daß der Herr Reichspräsident Monarchist sei und sich nur als Kaisers Statthalter fühle ...

Was wäre die Antwort darauf? Mannhafte Opposition, nicht mit Höflichkeit und Ehrerbietung imprägnierte Rügen, die immer über das eigne Wenn und Aber stolpern. Posaunenstöße, nicht Flötentriller. Ansage unerbittlichsten Kampfes gegen diesen Präsidenten der Monarchisten und Revanchefreunde, gegen diesen Präsidenten gegen die Republik. Eine Bande schlechter Intriganten hat ihn aus seiner Pensionsruhe geholt, und keinen Augenblick hat er bisher bewiesen, daß er etwas andres ist als ihr ahnungsloser Sprechautomat. Schicken wir ihn bald wieder nach Hannover zurück und seine junkerlichen Ankurbler nach jenseits des Korridors.

 

Die Weltbühne, 4. Oktober 1927

 


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