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Peter Panters Pyrenäenbuch

Es gibt eine romanische Philologie, Sektion Frankreich, und die Verwalter dieses Fachs sind ernste Männer, die sich vornehmlich darauf beschränken, die Deutschheit der erkorenen Untersuchungsobjekte nachzuweisen. Und es gibt deutsche Baedeker-Pariser, die sich beim Verlassen eines Salon de beauté als Kosmopoliten dünken und ihr trautes Weib daheim als eine Naturverirrung betrachten. Es gibt ... Aber es soll hier nicht weiter aufgereiht werden, denn darzulegen, wie Deutsche auf Frankreich reagieren, würde zu einer Historie der deutschen Seele werden.

Peter Panter aber ist in die französische Provinz gezogen. Der gütigste Panter, der jemals suchend unter die Menschen ging. Kein Schriftsteller, der Eindrücke wildert, kein Erlebnisjäger à tout prix, der so lange sucht, bis grade beim Kapitelschluß Stimme und Syntax ergriffen bibbern. So seltsam es klingt: dies Buch von einer Reise durch Baskenland zeigt einen Lernenden.

Das Buch liegt jetzt vor. Der Verlag der Schmiede hat es liebevoll ausgestattet, aber für mein Gefühl etwas zu schwer, zu gewichtig. Es ist ein seltsames Buch, so ganz persönlich und apart geschrieben, wie man heute nicht mehr schreibt, wo der kleinste Krauter kollektivistisch tut und sich als Diktaphon der Massenseele gebärdet. Hier hat ein einzelner Augen und Ohren gebraucht. Ein einzelner. Man liebt ihn, nicht weil er Andorra und Lourdes, Gebirgsfahrten und Stierkämpfe, Kathedralen und Toulouse-Lautrec so unerhört eindringlich schildert, sondern weil das alles der Anlaß war, daß sich hier ein virtuoser Beherrscher des kleinen Formats zum erstenmal als gesammelte Persönlichkeit zeigt. Weil er den Mut hatte, unterzutauchen als Observator der tausend kleinen Dinge, deshalb treten die jetzt, nach abgeschlossener Arbeit, zurück, und der Mensch steht im Vordergrund, den er nicht gesucht hat. Die Pyrenäen haben Peter Panter entdeckt. Nicht umgekehrt.

Gelegentlich mischt sich des Autors nähere Verwandtschaft ein. Ein Tiger knurrt drohend im Dschungel. Aus einer zeitweilig unkontrollierten Ecke zischt Ignaz Wrobel plötzlich antimilitaristische Invektiven, doch Panters Geschäftsführung ist straff genug, um die Zwischenrufer schnell verstummen zu machen.

Das vermerkt der kritische Freund hiermit als gewissenhafter Buchbesprecher. Aber ein Wunsch bleibt doch: man möchte euch alle einmal zusammen unter einem Buchdeckel sehen, samt Kaspar Hauser, dem so rar gewordenen schüchternen Waisenknaben, und K. T., dem legendären Wandrer von Rheinsberg.

Das müßte ein lustiges Symposion werden ...

 

Die Weltbühne, 24. Mai 1927

 


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