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Es glückte nichts mehr. Auf meine Zeitungsannoncen hatte sich kein Mensch gemeldet, die Hauptstadt war ja von Hauslehrern überschwemmt, von durchgebildeten Philologen dazu, die für ihren schwierigen Beruf unvergleichlich größere Gaben als ich mitbrachten. In eine andere, ständige Thätigkeit hineinzukommen, gelang mir noch weniger; so fleißig ich auch schrieb, für so untergeordnete Arbeiten ich mich auch anbot, es wollte mich niemand. Zwar wurde ich ein paar mal aufgefordert, mich »zur näheren Rücksprache« einzufinden, und immer hoffte ich dann, geborgen zu sein – aber seltsam: man maß mich mit verwunderten Blicken vom Scheitel bis zur Sohle und entließ mich bald unter allerhand thörichten Ausflüchten. Was war an mir, das sie alle so entsetzte und abstieß? Ich trat bescheiden auf, mit jener fast hündischen Demut, die wohl auch dem stolzesten Menschen anhaftet, wenn er aus niedriger, materieller Not um Arbeit bettelt; meine Kleidung war, im Vergleich mit den Lumpen, die ich früher getragen hatte, noch immer fast elegant ... Freilich, mein Gesicht sah bleicher aus als sonst, krankhaft blaß, verwüstet beinahe, und in meinen Augen leuchtete ein unstätes Licht. Achteten sie noch mehr darauf als ich, sahen sie, daß ich auf den Tod krank war, unbrauchbar und müde, trotzdem ich meinen Zustand so ängstlich zu verhehlen trachtete? Nach so vielen Fehlschlägen entsank mir endlich der letzte Mut, und selbst wenn nun noch ein Brief zu mir geflogen kam, schöpfte ich keine Hoffnung mehr daraus. So blieb mir denn auch die marternde Enttäuschung erspart. Ich weiß noch, und es erfüllt mich heute, am Ende des Weges, mit brennender, vernichtender Scham, wie ich eines Morgens im Komptoir eines großen Kaufmannes stand, der Leute zum Adressenschreiben verlangt hatte, wie wieder jener mißtrauische, abweisende Blick mich traf und ich versucht war, auf die Knie vor ihm niederzufallen und ihn anzuflehen, mich nicht hinauszujagen. So weit war es mit mir gekommen. Um einer erbärmlichen Arbeit willen, eines schmachvollen Hungerlohnes wegen hätte ich mich abgrundtief erniedrigt. Ich bezwang mich damals, aber als er mir mit gleichgültiger, harter Stimme sagte, daß die Stellen bereits sämtlich besetzt seien und mir dann den Rücken zuwandte, da hätte ich um ein kleines laut aufgeschrien vor Schmerz und Verzweiflung. Ich bezwang mich, und Gott allein weiß, was ich schweigend geduldet und gelitten habe in jener schrecklichen Zeit. Ich hatte bei allen Kleinhändlern in der Nachbarschaft Schulden, ich wagte es kaum, an ihren Läden vorbeizuhuschen; ich schämte mich so über alle Maßen vor ihnen. Ich saß in meiner ungeheizten Dachstube, vor Frost schaudernd, von der in meinem Körper wühlenden Krankheit entkräftet, und schrieb und schrieb, obwohl ich unfähig war, einen klaren Gedanken zu fassen und auszubauen. Einmal brachte mir solch ein Aufsatz etliche Thaler ein, ich gab niemandem davon und vermochte so mein elendes Leben weiter zu fristen. Die Abhandlung über Setonius aber wollte nicht zu Ende gedeihen. Wenn ich die Einleitung las und die schwungvolle, geistreiche, überzeugende Durchführung der Hauptsätze, dann meinte ich, ein Anderer, Größerer habe sie verfaßt – so jämmerlich hohl, so inhaltslos klang alles, was ich in den letzten Tagen hinzufügte. Ich schob die Schuld auf die Unwirtlichkeit meiner Dachkammer, ich überwand das Grauen, das mich davor warnen wollte, die Stätte zu besuchen, wo der Ermordete zuerst meinen Weg gekreuzt hatte, ich ging wieder in den Lesesaal der Bibliothek, dessen behagliche Wärme, dessen strahlendes Licht mir am ersten Abend unsäglich wohl thaten. Einige kleine Übersetzungsarbeiten, die schwierig genug waren und dabei nur kärglichen Lohn brachten, fielen mir zu, dank meinem alten Professor, den ich flehentlich darum gebeten hatte; ich rieb meine letzten Kräfte auf, um sie tadellos auszuführen. Was ich an Walter einst mit so grausamem Spott verhöhnt hatte: daß er sich zersplitterte, um Geld zu verdienen, daß er an hundert Kleinigkeiten herumstümperte und so ganz den großen Zug in seinem Schaffen vermissen ließ – nun that ich es selbst. Ehedem hätte nichts mich dahin zu bringen vermocht, wie ein Kärrner schmutziges Tagewerk zu verrichten; jetzt war ich dankbar für jeden Pfennig und fragte mit keinem Gedanken, ob auch Ehre dabei zu holen wäre.

Walter und Gertrud ... Ich wußte, es bedurfte nur zweier Worte, und sie kamen, mir zu helfen, sie opferten ihr Letztes, mich zu pflegen und zu trösten. Aber wenn ich mich schon vor Fremden in den Staub warf und von ihnen jede Demütigung ertrug – diese beiden sollten auch fernerhin an mich glauben. In ihren Augen wollte ich der Überragende bleiben. Hatte meine Eitelkeit sonst schon keine Stütze mehr, diesen beiden gegenüber feierte sie noch Triumphe. Und so ließ ich denn einen rührend schönen Brief von Gertrud unbeantwortet liegen, und Walter, den ich nicht einmal, den ich zu wiederholten Malen um meine Wohnung herumstreichen sah – er suchte Versöhnung, er ertrug es nicht, daß ich ihn als meinen Feind betrachtete – Walter wich ich ängstlich aus. Wie hätt' ich's denn ertragen können, vor diesem Protzen der Bescheidenheit als ein Besiegter dazustehen, vor diesem Mittelmäßigen, der mich nun weit überholt hatte! Wenn ich früher Geld von ihm lieh, so that ich's immer mit der Empfindung, mein Recht zu beanspruchen, keine Unterstützung, sondern ein Darlehen anzunehmen, das ich bald mit Wucherzinsen zurückgeben würde; er schien mir eine auf glatter Chaussee mit Steinklopfen Brot verdienende Kreatur, ich war der rastlos aufsteigende Geistesheld. Jetzt aber ... Zum Almosenempfänger wäre ich jetzt geworden.

Ich entbehrte, darbte, das vergaß ich nie, weil ich entbehren und darben wollte, weil ich ein sittlich und groß denkender Mensch war; es hätte ja nur eines Entschlusses bedurft, und ich versank wieder in goldenen Überfluß. Ich kasteite mich, weil ich kein Schurke war wie die andern, weil ich das Raubtier in mir sieghaft überwunden hatte. Höher als sonst jemand durfte ich, ich, der Mißhandelte und Verachtete, mein Haupt erheben, ich, der Verbrecher, war der Reine, Sündenlose unter Millionen von Schurken. Und ein Gedanke voll frechem Irrsinn schwellte mir die Brust: War ich nicht wie Christus, glich ich nicht dem Heiland, der in Knechtsgestalt über die Erde ging und sein Göttliches verleugnete, seine unendliche Macht verbarg? Es genügte ja, daß ich wollte, und all' diese Armseligen übertrumpfte ich just in dem, was ihr Höchstes war: im Geldbesitze.

Ein schöner Dezembernachmittag schwenkte sein golddurchwirktes Banner über der Stadt, und frisch gefallener Schnee – er verbarg fest und sicher die verräterischen Tuchfetzen, die ich so rechtzeitig aus dem Hause geschafft hatte – schmückte alle Häuser und Plätze. Seit einigen Tagen war es mir unmöglich, nachmittags zu arbeiten; mein Körper versagte völlig den Dienst, und ehe ich stundenlang zwecklos in Folianten und Manuskripte starrte, bewegte ich mich lieber in der anregenden Winterluft draußen. Ich sah so hinfällig und morsch aus, ich, der Hagere, war noch weiter abgemagert, war so schwach und müde, daß ich kaum den Sinn der halb mitleidigen, halb erschrockenen Blicke begriff, die mich beim Spaziergange Unter den Linden trafen. Hier erging sich beleidigend geräuschvoll, übermütig die glückliche Jugend der Stadt; robuste, elegante Männer und derbe Greise, denen die Lebensfreude aus den frischen Gesichtern leuchtete, tänzelten an mir vorüber. Helles Lachen, das mir körperlich wehthat, Plaudern, das wie ein Geschrei im Krankenzimmer klang, flatterte um mich her. Welches Recht, du da droben, hatten alle diese an den süßen Wonnen des Daseins? Arbeiteten sie fleißiger, waren sie begabter als ich? Klommen ihre Gedanken zu höheren Bergesgipfeln auf als die meinigen? Was hatte ich gethan, daß ich unter ihnen einherschleichen mußte, gebrochen, verzweifelt, ein zum Tode Verurteilter? Wer waren diese hier, daß sie sich über mich erheben, daß sie mir ihr freches Mitleid zeigen durften? All' ihr Glanz und ihr Glück, war es nicht aufgebaut auf dem Jammer und dem Unglück der Tausende, die draußen, in den Kellerlöchern dunkler Vorstädte, hausten? Und sie dachten nicht daran, welche Leiden ihre Üppigkeit über die armen Brüder brachte, und ihre glatten, rosigen Gesichter zeigten keine Spur von seelischen Kämpfen und heimlichen Qualen! War ich der Narr oder waren es diese, die Harmlosen, Vergeßlichen, Leichtsinnigen? Wenn ich that, was es mich zu thun gedrängt hatte, wenn ich mich nun doch mit einem Ruck von der fürchterlichen Last befreite – würden sie mir dann einen Vorwurf machen dürfen? Würde er es dürfen? Um seines schäbigen Vorteils willen mordete er in stickigen, giftigen Schwefelgruben Hunderte Jahr für Jahr, Menschen, die ihm nie etwas zu Leide gethan hatten, Menschen, die ihn wohl gar noch ehrten und liebten! Und an den erbarmungslosen Mörder mochte nie das Jammergeschrei dieser Unglücklichen herangeklungen sein; keine Sekunde seines von Lust und Jubel erhellten Lebens hatte ihr herzzerreißendes Elend verfinstert. So gab es keine Vergeltung, keine Rache! All' die Reue, die mich quälte, die grausige Angst, die mich abends in meinem Zimmer befiel und bei jedem leisen Geräusch zusammenfahren mochte, als träte nun aus helldunklem Winkel das Gespenst hervor – weshalb peinigte und verfolgte dieser Trug gerade mich?

Und wie ich das dachte, sah ich Felix Heller auf mich zukommen.

Er sah sehr elegant und vornehm aus, in seinem kostbaren Nerz, und sein leicht gerötetes Gesicht verriet trotz des Ernstes der Mienen nichts von den mannigfachen Sorgen, mit denen er sich Herumplagen sollte. Ich ging ihm nicht aus dem Wege, wenn ich auch fühlte, daß mir eine Blutwelle zum Herzen stieg, wenn ich auch die Hände in den Rocktaschen fest an den Körper pressen mußte, um mein nervöses Zittern zu verbergen. Ich blickte, während wir aneinander vorbeigingen, auf die rechte Seite der Straße. Und schon glaubte ich die Szene vorüber und schon fragte ich mich zornig, warum mir nun wieder der Mut entfallen war, ihn zur Rede zu stellen, als ich eilige Schritte hinter mir hörte. Ich wußte sogleich, daß es Heller war. Und ich richtete mich hoch auf.

»Herr Doktor,« begann er, seinen Cylinder leicht lüftend. »Da wir uns so zufällig treffen, wird ein Wort erlaubt sein. Das heißt, wenn es Ihnen recht ist.«

Ich wollte eisige Ruhe heucheln, aber es gelang mir nicht, und meine Stimme bebte vor mühsam verhaltener Wut, und meine Augen brannten. »Mir ist es recht, mir sehr. Ich glaubte aber, es würde Ihnen vielleicht unangenehm sein.«

Er hüstelte. »Sie spielen auf – auf die jungen Dame an,« sagte er oben hin. »Ich gebe zu, ich habe unrecht gehandelt – eine närrische Leidenschaft – man ist nicht immer Herr seiner selbst. Es thut mir jetzt wirklich leid.«

»Wie ein Gauner haben Sie gehandelt,« zischte ich. »Wie ein gemeiner Schuft! So.«

»Sie sind sehr erregt, Herr Doktor!« meinte er, ganz höflich. »Und ich verstehe Ihre Erregung. Freilich ließe ich mir von niemandem als von Ihnen solche Worte gefallen. Aber Sie sind krank, man sieht es. Und deshalb glaube ich nicht, daß ich Ihre Beleidigungen –«

»Das ist feige obendrein,« unterbrach ich ihn schneidend scharf. »Recht in Ihrer Art.« Es war mir plötzlich der Wunsch gekommen, ihn zum Zweikampf zu zwingen; diese Lösung schien mir ungeahnt glücklich. »Ich bedaure nur, daß kein Zeuge unseres Gespräches da ist.«

»Das sollten Sie nicht bedauern,« sagte er mit Betonung. »Ich merke, daß Sie so 'ne Kinderei, ein Duell, herbeiführen wollen. Mon dieu, ich bin sonst kein prinzipieller Gegner einer niedlichen Schießerei. Aber – verzeihen Sie – mit Ihnen schlage ich mich nicht. Ich habe ganz bestimmte Gründe dafür. Vielleicht verstehen Sie mich, Herr Doktor.«

Ich glaubte ihn zu verstehen und zwang mich zu einem hysterisch klingenden Lachen.

»Im übrigen dachte ich nicht, daß Ihnen die Sache so nahe gehen würde. Ich wiederhole noch einmal, daß ich mein Unrecht einsehe und Sie um Verzeihung bitte. Aber ich hätte mir viel schwerere Vorwürfe wegen meiner Narrheit gemacht, wenn ich nicht gewußt hätte, daß Sie, Herr Doktor, sich ganz famos zu trösten wußten.«

»Spionage – pfui, welche Lumperei!« schleuderte ich ihm entgegen.

Er schien entschlossen, sich nicht aus der Fassung bringen zu lassen. »Und das beruhigte mich einigermaßen. Ja, offen gestanden, ich war ganz zufrieden mit mir, und ich meine, Sie hätten es auch sein sollen. Sie hatten doch einen recht günstigen Tausch gemacht und –«

»Ich verbitte mir das!« fuhr ich auf. »Da kommt meine Pferdebahn. Lassen Sie sich nicht stören.«

»Sie werden mir noch ein paar Minuten schenken, Herr Doktor,« sagte er sehr bestimmt. »Was ich Ihnen noch anzuvertrauen habe, das – ich möchte behaupten, das ist eine Lebensfrage für Sie.«

Ich ließ den klingelnden Wagen vorüberfahren. Ich wollte hören, wie weit er inzwischen in das Geheimnis eingedrungen war.

»Sie sind nicht neugierig –« er lächelte dabei sehr zufrieden – »aber ich weiß ja von früher her, daß auch Sie Sinn für leidlich interessante Auseinandersetzungen haben. Lieben Sie übrigens den Tiergarten so sehr? Sonst möcht' ich Ihnen vorschlagen, wir trinken zusammen ein Glas Wein. Es wird dunkel –«

»Ich habe Sie nicht gebeten, mich zu begleiten.« Indem ich ihn flüchtig von der Seite anblickte, überlegte ich, ob meine Kraft wohl hinreichen würde, ihn nachher in der Finsternis mit plötzlichem Stoß zu Boden zu schleudern und zu bewältigen. Und diese Gedanken veranlaßten mich, einen etwas freundlicheren Ton anzuschlagen, der ihn in Sicherheit wiegen sollte. »Ich bummele jetzt oft hier umher. Und Wein zu trinken, dazu fehlt es mir am Nötigsten. – Was fällt Ihnen ein,« fuhr ich ihn an, als er eine bezeichnende Bewegung machte, »ich lasse mich von niemandem freihalten, von Ihnen aber zu allerletzt.«

»Nun gut. Sie sind ein bewunderungswürdiger Mensch. Ich hätte nie geglaubt, daß jemand, der sich so verschwenderisch und ausgiebig zu amüsieren weiß, auch so leicht auf all diese Genüsse Verzicht leisten kann. Donnerwetter, Sie müssen übrigens toll gewirtschaftet haben, eine Zeit lang. Mir wurde von Unsummen erzählt, die Sie ausgaben, 'n paar hundert Mark jeden Tag. Allerhand Hochachtung.«

»Und Sie möchten nun für Ihr Leben gern wissen, woher ich das Geld habe?« fragte ich höhnisch.

»Möcht' ich? Gar nicht!« erwiderte er sehr ruhig. »Denn das weiß ich bereits. Nur warnen möchte ich Sie, Herr Doktor.«

»Sie sind eine Seele von Mensch. Aber Sie bemühen sich wirklich unnötig.«

»Vielleicht doch nicht, doch nicht,« sagte er verbindlich. »Es wäre zum Beispiel möglich, daß die Polizei sich aus irgend welchem Grunde für Sie interessiert. Mein Gott, so ein eigentümlicher Mensch wie Sie fällt auf, und die Polizei ist verdammt neugierig, neugieriger als Sie, Herr Doktor.«

»Ihre Konversationskunst imponiert mir nur noch wenig.« Ich sprach sehr unnatürlich, sehr geschraubt, es schnürte mir die Kehle zu, und ich brachte die Worte nur mühsam hervor. Er ging ruhig weiter. Die Dämmerung des Stadtparkes umhüllte uns.

»Ich sage das, weil ich's wirklich gut mit Ihnen meine. Heutzutage muß man für jede Möglichkeit gerüstet sein. Ganz ehrlich, ich für meinen Teil halte mir immer so ein Dutzend plausible Ausreden bereit. Verstehen Sie?«

Sein Ton war unangenehm vertraulich geworden. Ich schwieg eine Weile und suchte mich zu bezwingen. Aber der Schnee auf den Bäumen flimmerte rot vor meinen Augen, und überm Walde hingen die Sterne wie zuckende Blutstropfen.

»Nehmen Sie an, ich hätte einen Millionenfund unterschlagen,« scherzte ich dann. »Oder ich behaupte, Sie hätten mir das Geld geliehen. Oder ich hätte einen reichen Juden totgeschlagen.« Beim letzten Satze starrte ich ihm mit boshafter Freude ins Gesicht.

»Die zweite Ausrede wäre die beste.« Er sagte das wieder sehr ernst. »Auf mich könnten Sie bauen.«

»Nein, mein Teuerster,« spottete ich. »Da bleib' ich schon lieber bei dem toten Juden. Da bin ich immer noch sicherer.«

Er ging wohl eine Minute lang still neben mir her. »Sie sollten eine so verhängnisvolle Sache nicht spaßhaft nehmen wollen,« bemerkte er endlich, jählings stehend bleibend. »Wir müssen ehrlich gegen einander sein. Ich leugne gar nicht, ich bedarf Ihrer. Es geht mir schlecht. Unser Export ist durch die russischen Kampfzölle schwer geschädigt – na, Sie verstehen das nicht, dürfen's mir aber glauben – allerlei Spekulationen sind mir mißglückt, der verdammte Streik kam hinzu –«

»Der Streik?«

»Das freut Sie, was? Nun, wahrscheinlich währt er nicht mehr lange. Heut abend wird er sein Ende nehmen. Die Kerle sind mürbe geworden. Aber ich brauche Hilfe. Ich muß sie haben. Gleichgiltig, woher; gleichgültig, wie. Ich will nicht untergehen. Ich bin vielleicht schon so kein zu verachtender struggleforlifeur, aber Sie wissen, der Ertrinkende hat Riesenkraft. Herr Doktor –.« Er machte wieder eine Pause.

»Seien Sie vernünftig. Vergessen Sie alles, was zwischen uns vorgefallen ist. Ich biete Ihnen noch einmal –«

»Also von Tilly haben Sie doch nichts erfahren?« höhnte ich. »Ach ja, es ist mein Schicksal, daß mich selbst Schlauköpfe für dumm halten. Am tiefsten schweigt Kätchen über das, was sie nicht weiß, sagt Percy Heißsporn. Und nun, wo die eine Finte nichts gefruchtet hat, glauben Sie – ich habe Sie wirklich überschätzt, Herr Heller. Sie drohten schon zu oft. Jetzt sind Sie entschieden langweilig geworden.«

Vom Luisendenkmal her tönten Schritte. Ich war ohnehin dieses Zwiegespräches müde, ich wandte mich um und ging wieder dem Brandenburger Thore zu. Heller blieb immer an meiner Seite. Er rang offenbar mit einem Entschlusse.

»Ich wäre dieser Tage zu Ihnen gekommen, da Sie meinen Brief so ganz unbeachtet ließen,« hob er endlich wieder an. »Ich lasse Ihnen noch vier Tage Frist, Herr Doktor. Treffen Sie bis dahin Ihre Entscheidung. Habe ich bis Dienstag Abend nicht Ihre unbedingte Zustimmung in der Hand –«

Ich grinste ihm höhnisch ins Gesicht.

»Ich weiß, daß Sie die Tinktur besitzen, weiß woher Sie sie haben. Sie verrieten sich selbst und verraten sich immer noch,« fuhr er hastig fort. »Es thäte mir leid um Sie. Was Sie jetzt treiben, ist ein so unbegreiflicher, höllischer Wahnsinn, Sie rennen mit offenen Augen in Ihr Verderben und brauchten doch nur die Hand zu erheben, um mit einem Schlage glücklich zu sein –«

»Das brauchte ich nur, ja, das brauchte ich!« schrie ich, betroffen und entzückt von dem satanischen Doppelsinn, der in seinen Worten lag und den er nicht zu ahnen schien. »Nur die Hand brauchte ich heben, um mit einem Schlage glücklich zu sein.« Unsere Blicke begegneten sich, und ich bemerkte, daß er mich selbst jetzt noch nicht verstand. »Aber pfui ... Mich ekelt davor. So ein – o pfui, pfui! Ungeziefer!«

»Bis Dienstag abend!« sagte er heiser, in finsterer Entschlossenheit. »Sonst ist es zu spät.« Aber all sein Ernst und seine tückische Drohung deuchten mich jetzt fast komisch; unser Gang durch den Park, unser Gebahren schien mir in diesem Augenblick eine so unsagbar alberne Posse, daß ich lachte, noch laut lachte, während er bereits den Fahrdamm überschritten hatte und hinter den Säulen des Thores verschwunden war.

Welche Macht besaß ich noch immer, welchen Reichtum, daß dieser Mensch nicht ermüdete in seinen Versuchen, mich für sich zu gewinnen! Und daß ich ihn meine Überlegenheit so deutlich fühlen lassen, seinen Versprechungen und Verwünschungen kalt ablehnendes Schweigen entgegensetzen konnte – das kitzelte mich und schaffte mir, mitten in der winterlichen Öde meine Lebens, eine große, starke Freude. Er war ehrlich gewesen, hatte mir verraten, daß ich sein Schicksal war; nun wollte ich ihn lachend zu Grunde richten. Er würde mich nachziehen, gewiß. Aber ich hatte ja nichts zu verlieren, hatte unter meine Lebensrechnung längst den schwarzen Strich gezogen. Wie schwer jedoch mochte ihm der Abschied fallen, ihm, der mit allen Fasern an der süßen Gewohnheit des Lebens hing, dem nun Schande und bittere Armut bevorstanden nach Jahren luxuriösester Verschwendung, hohen Ansehens! Der Gedanke daran, das Gefühl befriedigter Rache stimmten mich froh und zufrieden; ein anderer, als ich gekommen war, übermütig fast, schlenderte ich nach Hause. Und ich bedauerte gar nicht, daß ich dem Gegner während unseres Gespräches so oft die Antwort schuldig geblieben war, daß ich ihn nicht einmal wegen seines mißlungenen Versuches, sich durch Einbruch in den Besitz der Tinktur zu setzen, verspottet hatte. Ich war der Mächtigere, aber meine Macht lag nicht im Reden.

Es war mir wieder zu Mute, als warte meiner daheim eine freudige Überraschung, ein unvermuteter Gewinnst am Lebensspieltische; ich war so abergläubisch geworden, so geneigt, an Vorahnungen zu glauben, daß ich mir einbildete, meiner glücklichen Gemütsstimmung müsse durchaus ein greifbares, reales Glück folgen. Aber wenn meine Hoffnung auch nicht in Erfüllung ging, trotzdem mich unterwegs allerhand Zeichen, die ich mir im günstigen Sinne auslegte, darin bestärkt hatten, ich blieb doch in heiterster Laune. Heute abend, hatte Heller prahlerisch behauptet, sollte die Aufhebung des Streiks beschlossen werden – war ich nicht vielleicht berufen, auf der Kampfstätte das entscheidende Wort zu sprechen, den Todfeind vollends niederzuschmettern? Nun war vielleicht die Stunde gekommen, wo ich Gebrauch von der Waffe machen konnte, an der ich so lange geschmiedet hatte; die Stunde war da, und sie sah mich gerüstet. Ich kaufte auf der Straße das Parteiblatt, das alle Versammlungen dieser Art anzeigte, und ich fand, was ich suchte. Wie ich, noch vor dem großen Schaufenster, das mir Licht gespendet hatte, die Zeitung wieder zusammenfaltete, irrte mein Blick ganz zufällig über eine Notiz im lokalen Teile: »Die morgen beginnende Verhandlung gegen den mutmaßlichen Mörder des Gelehrten Erck ...«

Ich ließ das Blatt fallen, mit einem scheuen Blick auf die Umstehenden und schalt mich dann ingrimmig aus – ich handelte noch genau so impulsiv und unüberlegt wie in den ersten Tagen. Also morgen schon! Morgen fielen die Würfel, morgen ward ich durch ein gerichtliches Urteil, das jenen verdammte, aller Schuld ledig gesprochen, von morgen an durfte er es nicht mehr wagen, mich auch nur durch den bloßen Verdacht zu beschimpfen. Natürlich mußte ich der entscheidenden Verhandlung beiwohnen. Ich zitterte vor Spannung und Erregung bei dem Gedanken, endlich den zu sehen, der für mich büßen, dem seine schmutzige, dumme Habgier nun einen ehrlosen Tod bereiten sollte. Nicht ein Fünkchen Mitleid für ihn regte sich in mir, nein, nur höllische Freude durchzuckte mich, wilder Triumph, daß wenigstens Hellers Spießgesell dem Henker verfallen war. Und welch ein eigenes Behagen, bloßer Zuhörer bei einer Tragikomödie zu sein, in der mir die Hauptrolle gebührte, unerkannt und unbeachtet im Winkel zu sitzen, während ich alle Fäden des Possenspiels in der Hand hielt! Mich dürstete danach, den Hauptakt des Dramas, dessen Held ich war, aus eigener Anschauung kennen zu lernen, nicht aus plumpen Berichten und Erzählungen. Es hatte mich Überwindung genug gekostet, dem lockenden Drange zu widerstehen, noch einmal das Haus zu schauen, darin Erck gestorben war; es hatte mich oft zwingen wollen, dem Untersuchungsrichter einen Streich zu spielen, alles zu verwirren, aber immer noch rechtzeitig war mir das Bewußtsein der furchtbaren Gefahr gekommen, der ich mich dadurch aussetzte. Nun endlich durfte ich dem brennenden Wunsche nachgeben, ohne befürchten zu müssen, Verdacht zu erwecken. Und seltsam – der Gedanke, daß auch Heller zur Stelle sein und mich mitten in der Verhandlung vor allen Richtern laut des Verbrechens bezichtigen könnte, der Gedanke vermochte mich nicht zu beunruhigen.

Und nun ans Werk! All mein kleines, persönliches Elend vergaß ich über der großen Aufgabe, die mir winkte. Morgen um diese Zeit würde sie siegreich ausgeführt, würde der Bann zerbrochen sein, der mich jetzt niederhielt.

Ich hastete vorwärts.

Der große Saal der Brauerei war schon dicht gefüllt, als ich anlangte, doch es fehlte das schwirrende Geräusch, das kampffrohe Getümmel, mit dem Streikversammlungen sonst zu beginnen pflegen. Man saß still und ruhig an den Tischen, nicht alle tranken Bier, nicht alle rauchten Cigarren. Wenn manchmal eine laute Stimme durch den Saal dröhnte, klang es wie ein geller Mißton durch die sonderbare Stille, die nur Flüstergespräche duldete, und das darauf folgende Schweigen schien doppelt tief. Es war wie eine große Totenfeier. Mir schlug das Herz, als ich diese müden und gleichgültigen Gesichter sah, diese Kampfunlust, und mich daran erinnerte, welch wütender Fanatismus hier sonst verzehrend aufflackerte. Hatte denn der Streik alles gefressen, was diesen Leuten noch vor so kurzer Zeit gehörte, alles, ihr bischen Geld, ihren Stolz, ihre Kraft und ihr Selbstvertrauen? Plötzlich kam ich mir fremd und einsam vor, fühlte ich auch meinen Mut sinken. Aus den Gesprächen, die ich mit den Nachbarn anzuknüpfen versuchte und die sie mißtrauisch bald abbrachen, erfuhr ich, daß man allgemein die Beendigung des Streiks forderte; die Führer, die dafür eintreten wollten, hatten heute leichtes Spiel.

Ein Graubart, einer von denen, die immer zuerst zum Worte kommen, wenn die Niederlage gewiß ist und Vernunftgründe wieder gehört werden, legte eindringlich genug dar, daß von weiterem Widerstand nicht die Rede sein dürfe, daß man noch dankbar sein müsse für die immerhin erträglichen Bedingungen Hellers. Er offenbarte rückhaltlos den erbärmlichen Stand der Kasse, wies darauf hin, daß man schon lange keine Unterstützungen mehr habe zahlen können, daß auf Beiträge auswärtiger und Berliner Freunde nicht mehr zu rechnen sei. Zwei andere Redner, der »Rendant« und der Vorsitzende des Streik-Komitees, rieten gleichfalls zum Friedensschlusse; man weiche, behaupteten sie, dem übermächtigen Druck der Verhältnisse und der zermalmenden Tyrannei des Kapitals, aber man gebe deshalb den Kampf noch keineswegs verloren, werde das Banner wieder erheben und immer wieder vorrücken, bis der Sieg erfochten sei. Seine kraftvollen Schlußphrasen erwärmten die Menge, die nun den flammenden Worten eines überschlanken, sehr jungen und sehr hitzigen Menschen mit gespannter Aufmerksamkeit lauschte. Ich hörte nicht mehr, was er sagte, denn mit geschlossenen Augen und heftig atmend wiederholte ich mir meine eigene Rede, vermochte die Gedanken nicht immer zusammenzufassen und zu trennen, zitterte vor Lampenfieber. Ich begriff dann, daß der Bleiche zwar auch nicht für die Fortsetzung des Streiks eintrat, daß er aber diesen Ausgang des so zuversichtlich unternommenen Feldzugs aufs zornigste beklagte und seine baldige Wiederholung mit größerer Macht in Aussicht stellte. Vielleicht hätte mich das Angstgefühl, stecken zu bleiben und in der Verwirrung Unsinn zu schwatzen, doch bewogen, jede Einmischung zu unterlassen, wenn der aufrasende Beifall, der dem Redner dankte, mir nicht Feuer ins Herz gegossen hätte; ich klatschte selbst, bis mir die Handflächen brannten, und begeisterte mich an meinen Träumen, meinem unbändigen Haß. Jetzt bemerkte ich auch freundliche Blicke in der Nachbarschaft, und als der Vorsitzende fragte, ob noch jemand zu sprechen wünsche, erhob ich mich rasch, um den Entschuß nicht wieder rückgängig machen zu können, nannte meinen Namen und ging zur Tribüne.

Ein Summen wogte durch den Saal, wie ich die Reihen entlang schritt, ein leises Rauschen, das mich ermutigte, aus dem ich herauszuhören glaubte, daß sie im Herzen alle dachten und empfanden wie ich, daß nur kleinmütige Feigheit ihnen das Schwert aus der Hand schlug. Und ich fühlte mich plötzlich gewaltig groß, gottgesandt, wie der Messias, ich hob mein Antlitz und blickte ruhig auf das bewegte Meer von Köpfen unter mir. Wo mochte der blasse Einsam sitzen, den ich damals gesehen, mein Gott und Heiland, der Bergprediger, der nun durch häßliche, enge Fabrikvorstädte zog, wie er vor fast neunzehnhundert Jahren durch die Gefilde Judäas gewandert war? Ich weiß nicht mehr, was ich sprach, und ich würde nicht mehr imstande sein, die Gedanken wiederzugeben, die mich überfluteten und die ich wie Offenbarungen aussprach. Ich weiß nur, daß meine Stimme dröhnte und gleich Donnerhall durch den Raum ging; daß ich erst zögerte, nach Worten tastete, mich besann und verbesserte, daß ich aber, sobald die ersten Bravorufe aufgestiegen waren, fest und sicher wurde und wie ein Triumphator im Sonnenglanze dastand. Ich mahnte die unter mir, auszuhalten, nur noch wenige Tage auszuhalten, Hilfe sei nahe, ungemessene Summen sollten ihnen zur Verfügung gestellt werden. Ich vergaß alle Vorsicht, schrie es in die Menge hinein, daß es mir dank einer gewaltig folgereichen Erfindung möglich sein würde, Geldmittel genug aufzubringen, um den Streik noch Jahre lang aufrechtzuerhalten, wenn es sich als nötig erwiese. Aber es sei nicht nötig. Heller stünde am Abgrund, müßte nachgeben, wenn man ihm nur noch einige Tage lang Widerstand leiste. Und dann schüttete ich diesen Leuten mein Herz aus, mit all seinem tobenden, vernichtenden Haß, malte ihnen ein Bild des Elends, das dieser Mann geschaffen und verschuldet, Strich für Strich so furchtbar und grausam, wie es in meiner Seele lebte. Mein wütendes Geschrei weckte die elementare Leidenschaftlichkeit der Tausend da unten, spülte die Dämme hinweg, die die Einsicht des Alltags aufgeworfen hatte, man jubelte mir brausend zu, heulte und tobte, minutenlanges Händeklatschen unterbrach mich. Von der fürchterlichen Anstrengung erschöpft, so heiser, daß ich nur undeutlich krächzend die letzten Worte hervorstoßen konnte, forderte ich zu weiterem Kampfe bis aufs Messer auf.

Die Männer am Vorstandstisch sahen sich verdutzt an, der Polizeilieutenant musterte mich sehr aufmerksam, schüttelte den Kopf und raunte seinem Untergebenen etwas zu, worauf auch der mich ins Auge faßte, mit einem unverkennbaren Blick der Sympathie und des Mitleids. Und dann kam das Unerwartete. Wethorn tauchte plötzlich vor mir auf, rannte an mir vorüber und sprang auf die Tribüne. Er sah herrlich aus, im wallenden, golden schimmernden Bart, mit dem mächtigen Kopf zwischen breiten Schultern, wie ein unbesiegter, drohender Löwe. Seine stürmenden Phrasen prasselten dicht auf die Versammlung nieder, wischten den Trotz und die Kampflust aus, die ich hervorgezaubert hatte, löschten das entzündete Feuer. Er zählte seine Verdienste um die große, heilige Idee, zählte alle Opfer auf, die er ihr gebracht, alle Gefängnisstrafen, die er ihretwegen erduldet hatte – »wer ist unter euch, der mich einen Feind des Volkes nennen darf?« Und dann wiederholte er, eindringlicher als die andern, die hundert Gründe, die gegen die Fortführung des Ausstandes sprachen, und als er die Menge schwankend gemacht hatte, wandte er sich zornig gegen mich. Einen persönlichen, gehässigen Feind Hellers, dem es nicht um die Sache, dem es nur um die Stillung erbärmlicher Privatrache zu thun sei, einen abenteuernden Akademiker, den Heller einmal in seiner kindischen Eitelkeit empfindlich verletzt haben möge, einen ehrgeizigen Überstudierten nannte er mich. Mein Versprechen, das er auch sonst mit sehr derben Ausdrücken zu brandmarken suchte, verspottete er grimmig und nannte es das Wahngebild eines harmlosen Narren; er witzelte über die fixe Idee, die mir nicht auszutreiben wäre. Er entblödete sich nicht, umständlich von meinem freundschaftlichen Verkehr mit Heller zu erzählen; er klagte mich an, lange an seiner Tafel geschmaust, seine Gefälligkeit unzählige Male in Anspruch genommen zu haben. »Genossen,« schrie er, »verräterischen Undank haßt der Proletarier, gleichviel an wem er geübt wird!« Der feige Lügner verschwieg, daß er um Hellers Gunst gebuhlt hatte, lange bevor ich in seinem Hause erschien; er drehte der Wahrheit mit jedem Wort, das er sagte, den Hals um, jede seiner Geberden war eine Verleumdung – o gewiß, er stand hier im Auftrage und im Solde Hellers ... aber man ließ mich nicht mehr sprechen. Man brüllte mich nieder, schleuderte mir höhnende Beschimpfungen entgegen. Und ich vermochte das Heulen nicht zu übertönen, ich vermochte nicht einmal mehr zu reden, ich war so heiser, und der Hals schmerzte mich so entsetzlich, daß mir jeder Laut, den ich hervorwürgte, zur Marter ward. Und mit thränenden Augen, in ohnmächtigem, zähnefletschendem Zorne mußte ich es dulden, daß der Gegner mich zu Boden schmetterte, daß keine zehn Männer sitzen blieben, als man sich für die Beendigung des Ausstandes erheben sollte. Ich hoffte, wenigstens Einzelne aus der Menge würden an mich herantreten und mir dankbar, freudig die Hand schütteln, bei Einzelnen wenigstens, hoffte ich, würde hell nachklingen, was ich ihnen offenbart hatte. Aber niemand regte sich.

Verlorenes Ringen auch hier ... O ich Narr, ich Narr!

* * *


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