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Schluß

Gute Krankenpflege ist bei äußern Verletzungen ebenso im höchsten Grade wichtig als bei inneren Krankheiten, macht aber darum die chirurgische (manuelle) Pflege nicht überflüssig.

Sämmtliche vorhergehende Bemerkungen sind auf Kinder und Wöchnerinnen sogar mehr, als auf Kranke im Allgemeinen, anwendbar. Sie finden auch in demselben Maße ihre Anwendung auf die Pflege innerer Krankheiten. Wofern es möglich wäre, würde sogar bei äußeren Verletzungen eine solche Sorgfalt in höherem Grade nöthig sein, als bei inneren Krankheiten. In chirurgischen Krankensälen ist es sicherlich eine Pflicht jeder Wärterin, gewissen Uebeln vorzubeugen. Wo diese Pflicht versäumt wird, kann Fieber, oder der kalte Brand, oder Spital-Fieber, oder eiterige Entladung irgend einer Art noch dazu kommen. Hat sie vor sich einen complicirten Knochenbruch, den Fall einer Amputation oder der Rose, so kann sehr viel von der Weise abhängen, wie sie das, was in diesen Anmerkungen berührt wird, auffaßt, ob die eine oder die andere der oben genannten Spitalkrankheiten ihren Patienten überfalle oder nicht. Wenn sie es geschehen läßt, daß sich ihr Krankensaal mit dem eigentümlichen schwülen, stinkenden Geruch erfüllt, der so leicht bei chirurgischen Fällen, besonders da, wo starke Eiterung und Entladung derselben vorhanden ist, erzeugt wird, dürfte sie sehen, wie ein rüstiger Patient, der noch in der Blüthe des Lebens ist, allmählich dahinsinkt und stirbt, der doch aller menschlichen Wahrscheinlichkeit nach hätte genesen sollen. Die chirurgische ( surgical) Wärterin muß daher immer auf der Lauer, immer auf ihrer Hut sein, daß es nicht an Reinlichkeit gebreche, daß nicht schlechte Luft, Mangel an Licht oder Wärme eintreten.

Weil die Krankenpflege (die wir eine Kunst genannt haben) der Gegenstand dieser Anmerkungen ist, so soll deshalb doch Niemand denken, daß das, was mit dem Ausdruck Handwerk der Krankenpflege bezeichnet werden mag, unterschätzt werden dürfe. Man kann in einem Sanitäts-Palast einen Patienten sich zu Tode bluten lassen. Ein anderer, der sich nicht selbst bewegen kann, mag an Wunden vom Aufliegen sterben, weil die Wärterin nicht versteht, ihn in seinem Bett gehörig zu wenden und zu reinigen. In dieser Schrift war jedoch von Krankenpflege, als Handwerk betrachtet, aus folgenden drei Gründen nicht die Rede: 1) weil diese Anmerkungen ebenso wenig ein Handbuch der Krankenpflege, als eins der Kochkunst für Kranke sein wollen; 2) weil die Verfasserin, welche selbst mehr von dem, was man chirurgische Pflege, d. h. werkthätige, mit den Händen verrichtete Krankenwartung nennen mag, gesehen hat, als vielleicht irgend eine Wärterin in Europa, redlich glaubt, daß es unmöglich ist, sie aus irgend einem Buch zu lernen; daß sie vielmehr nur in dem Krankensaal eines Spitals vollständig erlernt werden kann, und daß sie in einer Vollkommenheit, wie sonst nirgends in Europa, in einem Londoner Spital von einer der dortigen »Schwestern« vom alten Schlage ausgeübt wird; 3) weil, während Tausende, welche diese, wie wir sie nennen, chirurgische Pflege vollkommen haben, an verderbter Luft, Mangel an gehöriger Wärme, an Reinlichkeit etc. sterben, das Umgekehrte (daß nämlich Jene, die gute Luft etc. haben, aus Mangel an so vollendeter, mit den Händen verrichteter Pflege sterben) vergleichsweise selten vorkommt.

Größere Empfänglichkeit der Kinder für schädliche Einflüsse, unter welchen auch Erwachsene leiden.

Gehen wir zur Pflege der Kinder über. Diese sind für alle schädliche Einflüsse viel empfänglicher, als Erwachsene. Sie werden von den nämlichen Dingen affizirt, nur viel schneller und heftiger, nämlich von Mangel an frischer Luft, an gehöriger Wärme, von Mangel an Reinlichkeit im Hause, in der Kleidung, im Bette oder am Körper; ferner von erschreckendem Lärm, ungeeigneter Nahrung oder Mangel an Pünktlichkeit, von Schlafsucht und Mangel an Licht, von allzu schwerer oder allzu leichter Bettbedeckung oder Kleidung, und endlich von Mangel an Geist in der Beaufsichtigung im Allgemeinen. Man muß daher hier einschärfen, daß die Wichtigkeit, für diese Dinge zu sorgen, noch größer wird bei der Behandlung der Kinder, am größten aber bei der Behandlung kranker Kinder. Was aber, wie man weiß, Kindern am allermeisten schadet, ist schlechte Luft und das ganz besonders zur Nachtzeit. Die Zimmer, in denen sie schlafen, dicht verschließen, ist ihr Verderben. Und wenn das Athemholen des Kindes durch Krankheit bereits außer Ordnung ist, so könnte ein Aufenthalt von einigen Stunden in so schlechter Luft sein Leben gefährden, selbst während erwachsene Personen in dem nämlichen Zimmer gar kein Mißbehagen empfinden.

Die folgenden Stellen, die einer vortrefflichen »Vorlesung über plötzlichen Tod im Säuglings- und Kindes-Alter,« welche kürzlich im Buchhandel erschien, entnommen ist, zeigt die hohe Wichtigkeit sorgfältiger Kinderpflege. »In der großen Mehrzahl von Beispielen, wo plötzlicher Tod den Säugling oder das zarte Kind befällt, ist er ein zufälliges Ereigniß, nicht ein nothwendiges Resultat irgend einer Krankheit, an welcher das Kind leidet.« Es mag hier hinzugefügt werden, daß es wünschenswerth wäre, zu wissen, wie oft der Tod bei Erwachsenen »kein nothwendiges, unvermeidliches Resultat irgend einer Krankheit ist.« Laßt das Wort »plötzlich« weg (denn plötzlicher Tod kommt im mittlern Lebensalter vergleichsweise selten vor), und der Ausspruch bewährt sich fast gleichförmig in allen Altersstufen.

In der genannten Schrift werden folgende Ursachen des »zufälligen« Todes kranker Kinder angeführt: »Plötzliches Geräusch, welches erschreckt – ein schneller Wechsel der Temperatur, der die Oberfläche des Körpers, wenn auch nur für einen Augenblick, frostig durchschauert – unsanftes Erwecken aus dem Schlaf – oder selbst eine übereilte oder übermäßige Mahlzeit – irgend ein plötzlicher Eindruck auf das Nervensystem – irgend eine hastige Aenderung der Lage des Körpers – kurz, was immer für eine Ursache, durch welche der Athmungsprozeß gestört werden kann.«

Hier möchten wir hinzufügen, daß diese Ursachen auch bei sehr schwachen erwachsenen Kranken sich geltend machen, und wenn auch nicht oft »plötzlich den Tod herbeiführen,« doch viel öfter, als im Allgemeinen bekannt ist, unheilbare Folgen nach sich ziehen.

Schlafen in schlechter Luft, sei's auch nur für einige Stunden, und um so mehr für Wochen und Monate – ein Zustand, der mehr als jeder andere den Athmungsprozeß stört, und leicht »zufälligen« Tod herbeiführt, ist – ich wiederhole es abermals – unter den angeführten Ursachen jene, die am häufigsten vorkommt und am verderblichsten wirkt. Dies ist sowohl bei Kindern, als bei Erwachsenen, bei Kranken, wie bei Gesunden der Fall, nur daß die Wirkung bei kranken Kindern gewisser eintritt.

Ich brauche hier schwerlich abermals daran zu erinnern, daß man nicht kalte und frische Lust mit einander verwechseln darf. Ihr könnt ein Kind tödtlich erkälten, ohne ihm ganz und gar frische Luft zu geben; ihr könnt ihm aber ganz wohl, ja leichter frische Luft verschaffen, ohne es zu erkälten. Dabei erprobt sich eben die gute Wärterin.

In Fällen zum Beispiel, wo Mattigkeit lange Zeit hindurch sich immer wieder einstellt, und durch Krankheit, namentlich durch Krankheit, welche die Athmungsorgane angreift, herbeigeführt wurde, sind frische Luft für die Lunge, Wärme für die Außenseite des Körpers, und heißes Getränk die rechten und einzigen Heilmittel.

Dennoch sieht man oft genug, wie Mütter oder Wärterinnen gerade das Gegentheil thun, indem sie jeden Spalt, durch welchen frische Luft hereinkommen kann, verstopfen, den Körper kalt lassen, oder ihm vielleicht dann, wenn er schon zu wenig Wärme erzeugt, in aller Hast mehr Kleider umwerfen.

Nach unserm Autor ist es bei Kindern nicht ungewöhnlich, daß sie so vorsichtig und ängstlich athmen, als sei Athmen eine Function, deren Verrichtung alle Aufmerksamkeit erfordere, und dieser Zustand verlangt, daß man in Betreff aller oben aufgezählten Erfordernisse und Vorsichten die nöthige Sorgfalt entwickle. Man muß übrigens auch oft bemerkt haben, daß das Athmen selbst bei erwachsenen Personen, welche sehr schwach sind, eine fast freiwillige Verrichtung wird.

»Ist in Folge von Krankheit die Function des Athmens in ihrer vollkommenen Wirksamkeit gehemmt, so endet irgend ein plötzliches Begehren, sie vollständig zu verrichten, mit dem plötzlichen Stillstande der ganzen Maschinerie.« Dies führt unser Autor als einen Verlauf von Krankheit an, durch welchen bei Kindern »zufälliger« Tod sehr häufig herbeigeführt wird; ein zweiter ist der, »wo das Leben des Kindes entflieht, weil es an der Nervenkraft fehlt, die zur Erhaltung der Thätigkeit der Lebensfunctionen nöthig ist.«

Auch im mittlern Lebensalter führt jedoch der eine, wie der andere eben erwähnte Krankheitsverlauf den Tod herbei, wenn er auch hier gemeiniglich nicht plötzlich eintritt. Ich sah, wie selbst im mittlern Lebensalter der erwähnte »plötzliche Stillstand der Maschinerie« ganz aus denselben Ursachen eintrat.

Kurz gefaßter Hauptinhalt.

In wenig Worten: die Antwort auf zwei der gewöhnlichsten Einwürfe, von welchen der eine von Frauen selbst, der andere von Männern gemacht wird, um zu zeigen, daß es nicht wünschenswerth sei, daß Frauenzimmer mehr Sanitätskenntniß, als zur Vorsicht nöthig ist, erlangen sollen, schließt alle Beweise zu Gunsten der Kunst der Krankenpflege in sich.

Sorgloses Kurieren der Frauenzimmer, aus Liebhaberei unternommen, kann nur wirkliche Kenntniß der Gesetze der Gesundheit unterdrücken.

Gefahr des Kurirens durch weibliche Dilettanten.

1) Männer sagen oft, es sei thöricht, die Frauen irgendwie über die Gesetze der Gesundheit zu belehren, weil sie sonst selbst mit an's Kuriren gehen; es werde ohnehin schon genug von Dilettanten kurirt, was in der That gegründet ist. Ein ausgezeichneter Arzt sagte mir, daß er sah, wie Mütter, Erzieherinnen und Wärterinnen Kindern sowohl im Falle der Noth, wie zum fortdauernden Gebrauch mehr Kalomel gaben, als seiner ganzen Erfahrung nach je ein Arzt verschrieben hatte. Ein anderer sagt, daß Frauenzimmer unter Medizin blos Kalomel und Abführmittel verstehen. Das ist auch unleugbar allzuoft der Fall. In keinem ausübenden Beruf sieht man auch Etwas, was diesem sorglosen Kuriren von Seite weiblicher Dilettanten gleichkäme. Ich kannte viele Damen, die, wenn ihnen ihr Arzt ein Mal eine »blaue Pille« verschrieben hatte, sie als ein gewöhnliches Abführmittel zwei oder drei Mal die Woche selbst nahmen oder Andern gaben. Die Wirkung kann man sich denken. In einem Falle war ich es zufällig, die den Arzt davon unterrichtete, welcher für diese Pille eine andere, vergleichsweise unschädliche verschrieb. Die Dame kam dann zu mir und klagte, daß sie nicht halb so gut für sie passe, als die früher gebrauchte.
Wenn Frauenzimmer Arzenei nehmen oder Andern geben wollen, so ist es bei weitem am sichersten, wenn sie jedes Mal um den Doktor schicken; denn ich kannte Damen, welche Arzenei gaben und nahmen, sich aber nicht die Mühe nahmen, auch nur die Namen der gewöhnlichsten Arzeneien kennen zu lernen, und zum Beispiel die Coloquinte mit Colchicum verwechselten. Das heißt, mit aller Macht mit schneidenden Werkzeugen spielen.
Es gibt vortreffliche Frauen, welche ihrem Arzt in London schreiben, daß es auf dem Lande in ihrer Nachbarschaft viel Krankheit gebe, und ihn um ein Rezept ersuchen, das sie selbst gern zu brauchen pflegten, worauf sie es allen ihren Freunden und allen ihren ärmeren Nachbarn geben, die es nehmen wollen. Wäre es nun nicht besser, wenn ihr, statt Arzenei zu geben, von welcher ihr vielleicht weder die genaue und geeignete Anwendung, noch alle ihre Wirkungen kennt, lieber einen ärmeren Nachbarn überreden und unterstützen wolltet, daß sie den Dunghügel von ihrer Hausthür entfernen, ein Fenster, das sich öffnen läßt, in ihrem Zimmer anbringen, oder Arnott's Ventilator anschaffen, oder ihre Hütte reinigen oder mit Kalk übertünchen? Die Vortheile wären hier sicher, während die Vortheile, wenn in der Medizin unerfahrene Personen Arzenei verabreichen, keineswegs so sicher sind.
Die Homöopathie hat in die Praxis der Damen, die aus Liebhaberei kuriren, eine wesentliche Verbesserung gebracht, denn ihre Regeln sind ausgezeichnet, ihr Kuriren ( physicking) ist vergleichweise unschädlich – denn »das Kügelchen« ist das einzige Körnchen Narrheit, das, wie es scheint, nöthig ist, um jede gute Sache annehmbar zu machen. Laßt denn Frauenzimmer, wenn sie Andern Arzenei verabreichen wollen, homöopathische Arzeneien verabreichen; sie werden gar nicht schaden.
Ein fast allgemein unter Frauenzimmern verbreiteter Irrthum ist die Voraussetzung, daß jede Person im Laufe von 24 Stunden eine Oeffnung haben, oder sogleich zu Abführmitteln ihre Zuflucht nehmen müsse. Die Erfahrung folgert gerade das Gegentheil.
Das ist jedoch ein Gegenstand für den Arzt, und ich will ihn nicht erörtern, sondern wie verhole blos: Hört auf, eure verabscheuungswürdigen Abführmittel selbst zu nehmen, oder sie euren Kindern zu geben, ohne den Arzt zu rufen.
Ihr könnt fast immer durch die Wahl eurer Lebensordnung auch die Thätigkeit eurer Gedärme ordentlich einrichten, und jedes Frauenzimmer mag über sich wachen, um zu erkennen, welche Art der Lebensordnung das bewirkt. Ich weiß aus Erfahrung, daß Mangel an Fleisch, ebenso oft, als Mangel an Gemüsen, und häufiger, als einer von beiden, Bäckerbrod Verstopfung herbeiführt. Schwarzes Hausbrod wird sie eher heilen, als jedes andere Mittel.

So was thut aber eben die erfahrene und beobachtende Krankenwärterin nicht; denn sie will weder Andere, noch sich selbst kuriren. Wenn man Mütter, Erzieherinnen und Wärterinnen belehrt, in allen Dingen, die sich auf die Gesundheit beziehen, zu beobachten und Erfahrung zu sammeln, so ist das gerade das Mittel, das Kuriren aus Liebhaberei wegzuschaffen, und wüßten es die Aerzte nur, auch das Mittel, sich die Wärterinnen so gehorsam zu machen, daß sie an ihnen eine Hülfe, statt Hindernisse hätten. Eine solche Bildung der Frauen würde gewiß die Arbeit des Arztes vermindern, und es glaubt doch Niemand wirklich, daß Aerzte den Wunsch hegen, es möchte mehr Krankheit geben, damit sie mehr zu thun hätten.

Was die Pathologie lehrt. Was Beobachtung allein lehrt. Was die Medizin thut. Was die Natur allein thut.

2) Es ist oft von Frauen selbst gesagt werden, daß sie die Gesetze der Gesundheit nicht kennen, oder nicht wissen können, was sie zu thun haben, um die Gesundheit ihrer Kinder zu bewahren, da sie Nichts von »Pathologie« verstehen, oder nicht »seciren« können, – eine Verwirrung der Begriffe, die schwer aufzulösen ist. Pathologie lehrt uns den Schaden erkennen, welchen die Krankheit angerichtet hat. Allein sie lehrt nichts weiter. Wir wissen Nichts von dem Prinzip der Gesundheit, von dem Positiven, wovon Pathologie das Negative ist, ausgenommen das, was wir durch Beobachtung und Erfahrung gelernt haben. Und nur Beobachtung und Erfahrung werden uns die Mittel zeigen, den Gesundheitszustand aufrecht zu erhalten oder wieder zu erlangen. Sehr oft glaubt man, daß die Arzeneiwissenschaft den Heilprozeß vollziehe; dem ist aber nicht so; die Arzeneiwissenschaft ist die Chirurgie, welche die Functionen behandelt, gerade wie es die eigentliche Chirurgie mit Gliedern und Organen zu thun hat. Keine von Beiden kann mehr thun, als Hindernisse wegräumen, keine kann heilen; die Natur allein heilt. Chirurgie entfernt die Kugel aus dem Gliede, weil sie ein Hinderniß der Heilung ist, allein die Natur heilt die Wunde. So ist es auch mit der Arzeneiwissenschaft; die Funktion eines Organs wird gehemmt; die Arzeneiwissenschaft, so viel wir wissen, hilft der Natur, das Hinderniß beseitigen, thut aber nichts weiter. Und was der Krankenpflege in beiden Fällen zukommt, besteht darin, den Patienten in denjenigen Zustand zu versetzen, in welchem die Natur am besten auf ihn einwirken kann. Im Allgemeinen wird gerade das Gegentheil gethan. Ihr haltet frische Luft, Ruhe und Reinlichkeit für überflüssige, vielleicht gefährliche Genüsse, die dem Patienten nur dann verschafft werden sollen, wenn es euch ganz bequem ist; die Medizin dagegen, denkt ihr, sei das sine qua non, die Panacee oder das Allheil. Wenn es mir gelungen ist, diese Täuschung einigermaßen zu zerstreuen, und zu zeigen, was wahre Krankenpflege ist, und was sie nicht ist, so ist meine Absicht erreicht.

Und nun ein Rath zur Vorsicht:

3) Unter Männern und sogar unter Frauen scheint schlechtweg die Idee Eingang zu finden, daß nur Unglück in der Liebe, Mangel an einem Objekt, allgemeiner Ueberdruß, oder Unfähigkeit zu anderen Dingen dazu gehört, um aus einer Frau eine gute Wärterin zu machen. Dies erinnert uns an die Gemeinde, in welcher ein einfältiger alter Mann zum Schulmeister gemacht wurde, weil er »über die Jahre des Schweinehütens hinaus war.«

Wendet das oben angeführte Rezept zu einer guten Wärterin an, um darnach eine gute Magd zu machen, und ihr werdet finden, daß das Rezept fehlschlägt.

Dennoch haben populäre Novellisten neuerer Zeit sich Damen ersonnen, die unglücklich in der Liebe, oder gerade aus dem Gesellschaftszimmer kommend, sich dem Feld-Spital zuwenden, um ihre verwundeten Geliebten aufzufinden, und welche, nachdem sie dieselben gefunden hatten, wie man erwarten konnte, sogleich den Krankensaal verließen und dem Geliebten nachfolgten.

Indessen sind in den Augen der Verfasser solcher Novellen diese Damen darum durchaus nicht schlechter, – im Gegentheil, sie waren wahre Heldinnen im Pflegen am Siechbett der Krieger.

Was für grausame Irrthümer werden zuweilen von wohltätigen Männern und Frauen begangen, wenn sich diese in Geschäfte mengen, von welchen sie Nichts verstehen können, aber recht viel zu verstehen glauben.

Die tägliche Verwaltung eines großen Krankensaales, geschweige eines Spitales – die Kenntniß der Gesetze, welche Leben und Tod der Menschen bedingen, die Kenntniß der Gesetze, nach welchen für die Gesundheit der Krankensäle zu sorgen ist (und Krankensäle sind gesund oder ungesund, hauptsächlich je nachdem die dort wirkende Wärterin erfahren oder unerfahren ist) – sind dies nicht Dinge von so hinlänglicher Wichtigkeit und Schwierigkeit, daß es nothwendig wäre, sie ebenso durch Erfahrung und sorgfältiges Forschen zu erlernen, wie irgend eine andere Kunst? Sie werden aber Niemandem eingeblasen, und zwar weder der Dame, die sich in der Liebe getäuscht fand, noch dem armen Weibe im Arbeitshause, das für seinen Lebensunterhalt hart arbeiten muß.

Schrecklich ist das Verderben, welches aus solchen tollen Einfällen für den Kranken entsprang.

In dieser Beziehung (und warum ist es so?) sind in römisch-katholischen Ländern sowohl die Schriftsteller über Krankenpflege, als auch Jene, welche dieselbe praktisch ausüben, wenigstens in der Theorie uns Engländern weit voraus.

Sie würden sich nie einfallen lassen, daß ein im Spital wirkender Superior oder eine barmherzige Schwester so toll ihre Thätigkeit beginnen müßte. Mancher Superior wies auch eine Person, welche als Krankenwärterin in sein Spital aufgenommen werden wollte, zurück, weil sie augenscheinlich keinen besseren Beruf zu finden wußte, oder für ihre Opferung keine anderen Gründe hatte, als die oben angeführten.

Es ist wahr, wir legen kein »Gelübde« ab. Allein ist denn ein »Gelübde« nothwendig, um uns zu überzeugen, daß die richtige Stimmung der Seele, welche uns zur gründlichen Erlernung irgend einer Kunst, besonders einer Kunst der Barmherzigkeit, begeistert, nicht Ueberdruß an Allem oder sonst etwas Anders ist?

Stellen wir wirklich die Liebe zu unseren Mitmenschen (und zur Krankenpflege als einer thatkräftigen Aeußerung derselben) auf eine so niedere Stufe? Was würde Mère Angelique vom Port Royal, was würde unsere eigene Mrs. Fry dazu gesagt haben?

Ich wollte meine Schwestern ernstlich bitten, sie möchten sich doch vor zwei gleich verworrenen Redensarten, die jetzt überall im Umlauf sind, in Acht nehmen.

Die eine derselben schwätzt von den Rechten der Frauen, und treibt die Frauen an, Alles zu thun, was Männer thun, sonach sich auch mit Heilkunde und anderen männlichen Berufsarten zu befassen, und das blos, weil Männer es thun, und ohne zu berücksichtigen, ob das auch das Beste ist, was Frauen zu thun vermögen. Die andere verworrene Redensart treibt wieder unsere Schwestern an, ja Nichts zu thun, was Männer thun, und zwar nur deshalb, weil sie eben Frauen sind, »und zur Erkenntniß ihrer Pflichten als Frauen zurückgerufen werden müßten,« oder weil dies »Arbeit für Frauen,« und jenes »Arbeit für Männer« ist, und »das Sachen sind, die Frauenzimmer nicht thun sollten« – was Alles weiter Nichts, als bloße Behauptung ist. Gewiß sollte das Weib, ohne auf das eine oder das andere Geschrei zu achten, das Beste, was sie hat, in der Arbeit von Gottes Welt mitwirken lassen.

Denn Jene, welche die eine oder die andere Redensart ausschreien, lauschen doch nur auf das, »was die Leute sagen werden,« horchen nur auf die öffentliche Meinung, auf »die Stimmen von außen;« und doch hat, wie ein weiser Mann sagte, noch nie ein Mensch, der auf die Stimmen der Welt lauschte, etwas Großes oder Nützliches vollbracht.

Ihr begehrt nicht, daß eure guten Werke die Wirkung haben, daß die Welt ausrufe: »Wie wunderbar von einem Weibe!« Auch würdet ihr euch von guten Werken nicht abschrecken lassen, wenn ihr wieder die Leute sagen hörtet: »Ja, es ist wunderbar, doch sie hätte es nicht thun sollen, weil es für ein Weib nicht paßt.« Ihr wünscht eben die Sache, die gut ist, zu thun, ob sie nun »für ein Weib paßt« oder nicht.

Der Umstand, daß es merkwürdig ist, daß ein Weib im Stande war, eine Sache zu thun, macht die Sache selbst nicht zu einer guten; noch wird eine Sache, die, von einem Mann verrichtet, eine gute gewesen wäre, zu einer schlechten, weil sie ein Weib verrichtet hat.

Oh! hört nicht auf diese verworrenen Redensarten, sondern geht in Einfalt und Lauterkeit des Herzens an's göttliche Werk.


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