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XI. Persönliche Reinlichkeit

Vergiftung durch die Haut.

In fast allen Krankheiten ist die Verrichtung (Function) der Haut mehr oder weniger in Unordnung gekommen; und in manchen höchst wichtigen Krankheiten hilft sich die Natur beinahe gänzlich durch die Haut. Dies ist namentlich bei Kindern der Fall. Doch die Absonderung, die aus der Haut kommt, bleibt dort, wenn man sie nicht durch Waschen oder durch frische Wäsche entfernt. Dieser Thatsachen soll jede Krankenwärterin stets eingedenk sein; denn wenn sie zuläßt, daß ihre Kranken ungewaschen bleiben, oder ihre Wäsche am Leibe behalten, bis sie mit Schweiß oder anderen Absonderungen gesättigt ist, so hemmt sie das natürliche Fortschreiten zur Gesundheit mit eben solchem Nachdruck, als wenn sie dem Patienten eine Dosis von einem langsamen Gift durch den Mund einflößen würde. Vergiftung durch die Haut ist nicht minder sicher, als Vergiftung durch den Mund; nur tritt ihre Wirkung langsamer ein.

Ventilation und Reinlichkeit der Haut sind gleichmäßig wichtig.

Kranke fühlen sich, wie die tägliche Erfahrung am Krankenbett bezeugt, bedeutend erleichtert und erfrischt, nachdem man ihre Haut sorgfältig wusch und abtrocknete. Man darf jedoch nicht vergessen, daß diese Erfrischung und Erleichterung, die sie durch das Waschen erhielten, nicht Alles sind, was sie gewannen. Sie sind in der That blos ein Zeichen, daß die Lebenskräfte dadurch unterstützt wurden, daß man irgend Etwas, das sie niedergedrückt, entfernt hat. Die Wärterin darf also nie die Sorgfalt für die persönliche Reinlichkeit ihres Patienten unter dem Vorwand verzögern, daß Alles, was man dadurch gewinnen könne, doch nur eine kleine Erleichterung sei, die man ebenso gut später gewähren könne.

In allen wohl eingerichteten Spitälern sollte man dies beachten, und im Allgemeinen wird es dort auch beachtet. In Privathäusern dagegen wird es fast ohne Ausnahme vernachlässigt.

So nothwendig es ist, häufig die Luft um eine kranke Person zu erneuern, um ungesunde Ausdünstungen von Lunge und Haut durch Erhaltung einer ungehemmten Ventilation zu beseitigen, gerade so nothwendig ist es, die Poren der Haut von allen sie verstopfenden Absonderungen frei zu halten.

Ventilation und Reinlichkeit der Haut haben so ziemlich denselben Zweck, nämlich so schnell als möglich schädlichen Stoff von dem Körper zu entfernen.

Wäscht man den Kranken mit einem Schwamm ab, wäscht man ihn, oder reinigt man sonstwie seine Haut, so soll man bei allen hier nöthigen Operationen dafür sorgen, daß nicht zugleich eine allzugroße Oberfläche entblößt werde, wodurch der Schweiß gehemmt wird, und so das Uebel in einer andern Form erneuert werden würde.

Hier brauchen wir die verschiedenen Arten, einen Kranken zu waschen, nicht näher zu bezeichnen, und zwar um so weniger, als die Aerzte selbst angeben müssen, welche Art man anwenden solle.

Bei verschiedenen Formen der Diarrhöe, Dysenterie etc., wo die Haut hart und rauh ist, erlangen die Kranken durch Waschen mit viel Seife eine unberechenbare Erleichterung. In andern Fällen wird angeordnet werden, daß man die Kranken blos mit einem Schwamme abwische, wobei Seife und laues Wasser, dann nur laues Wasser, gebraucht wird, worauf man sie mit einem durchwärmten Handtuch abtrocknet.

Jede Krankenwärterin soll darauf bedacht sein, ihre Hände im Laufe des Tages sehr häufig zu waschen; kann sie eben so oft ihr Gesicht waschen, so ist es um so besser.

Nun ein Wort über Reinlichkeit an und für sich.

Abdampfen und Reiben der Haut.

Wascht euch mit kaltem Wasser ohne Seife, mit kaltem, aber mit Seife, ein andermal wieder mit warmem und Seife, und vergleicht dann die Schmutzigkeit des Wassers. Im ersten Falle werdet ihr sehen, daß das Wasser beinahe gar keinen Schmutz von euch weggenommen hat, im zweiten hat es etwas mehr entfernt, im dritten bedeutend mehr. Haltet jedoch eure Hände über eine mit warmem Wasser angefüllte Schale, und ihr werdet dann durch bloßes Reiben mit dem Finger ganze Flocken von Schmutz oder schmutziger Haut herabbringen. Nach einem Dampfbad könnt ihr sogar auf diese Art euer ganzes Selbst rein schälen. Damit will ich sagen, daß ihr durch bloßes Waschen mit Wasser, oder durch bloßes Abwischen mit einem in Wasser getauchten Schwamm eure Haut nicht wirklich reinigt. Nehmt ein rauhes Handtuch, taucht einen Zipfel desselben in heißes Wasser und reibt dann mit euren Fingern darauf los, als wolltet ihr das Handtuch in eure Haut hineinreiben. Die schwarzen Flocken, die nun hervorkommen, werden euch überzeugen, daß ihr zuvor, so viel Seife und Wasser ihr auch angewendet haben mögt, keineswegs rein wart. Schüttet man bei dem genannten Verfahren etwas Weingeist in das Wasser, so wirkt es noch besser. Eben die erwähnten Flocken müssen nothwendig entfernt werden. Ihr könnt euch auch mit so viel heißem Wasser, als in einem Trinkglase Raum hat, einem rauhen Handtuch und Reiben wirklich viel reiner halten, als mit einem ganzen Bad-Apparat, Schwamm und Seife, wenn ihr das Reiben unterlaßt. Es ist baarer Unsinn, zu sagen, daß irgend Jemand schmutzig sein müsse. Durch die angegebenen Mittel wurden Patienten auf einer langen Seereise, wo man kein Waschbecken voll Wasser erhalten konnte, und wo man sie von ihren Lagerstätten nicht zu entfernen im Stande war, so rein gehalten, als ob all' das Zugehör, worüber man zu Hause verfügen kann, vorhanden gewesen wäre. Miß Nightingale erinnert sich hier an den Transport der Verwundeten und Fieberkranken von der Krim nach Scutari, England etc., wo diese von ihr angegebenen Reinigungsmittel angewendet wurden. Anm. d. Uebersetzers. Das Waschen mit einer großen Menge Wasser bringt eine ganz andere Wirkung, als die bloße Reinlichkeit hervor; denn die Haut absorbirt da das Wasser und wird sanfter, und mehr ausdünstend. Das Abwaschen mit Seife und weichem Wasser ist daher von andern Gesichtspunkten, als denen der Reinlichkeit, wünschenswerth.


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