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VIII. Bettstellen und Betten

Fieberhaftigkeit, ein Anzeichen eines verwahrlosten Bettes.

Nun einige Worte über Bettstellen und Betten, wobei hauptsächlich jene Patienten in Betracht kommen, welche gänzlich oder fast gänzlich auf ihr Bett beschränkt sind.

Fieberhaftigkeit ist, wie man gewöhnlich voraussetzt, ein Anzeichen (Symptom) von Fieber, aber in neun Fällen von zehn ist sie ein Anzeichen eines (verwahrlosten) Bettes. Ich sagte einst einer sogenannten »sehr guten« Krankenwärterin, die Schlaflosigkeit ihres Patienten erkläre sich hinlänglich durch die Verwahrlosung seines Zimmers. Sie antwortete in völlig guter Laune: das überrasche sie keineswegs. Sie schien zu glauben, daß sie so wenig Macht über den Zustand des Zimmers, als über den Stand des Wetters habe. In welchem Sinne konnte man dies Weib eine Wärterin nennen? Die Ausdünstungen des Kranken, welche Tag für Tag und Woche um Woche seine ungelüfteten Betten durchdrangen, waren wieder in seinen Körper zurückgeführt worden. Wie kann da Fieberhaftigkeit ausbleiben?

Unreinlichkeit der gewöhnlichen Betten.

Betrachtet das gewöhnliche Bett, in welchem in einem Privathause der Patient liegt, und ich brauche nicht nach einem Beispiel zu suchen, um deutlich zu machen, was man hier unterlassen muß.

Krankenwärterinnen meinen oft, sie brauchten sich nur um den Kranken, nicht aber um sein Zimmer zu kümmern.

Dies Bett besteht aus einer hölzernen Bettstelle, auf welcher zwei oder drei Matratzen zu mehr als Tischhöhe über einander aufgestapelt sind, und um das Gestell ist ein Faltensaum befestigt. Nur durch ein Wunder kann ein derartiges Bett durch und durch getrocknet und gelüftet werden. Aus der warmen Feuchtigkeit, in welcher der Kranke darin liegt, geräth er, nachdem man sein Bett gemacht, abwechselnd wieder in kalte Feuchtigkeit, und die eine wie die andere ist mit organischer Materie gesättigt. Seid ihr, wenn ihr euren Kranken gewaschen habt, genöthigt, ihm wieder dieselbe Nachtkleidung anzulegen, so wärmt sie vorher stets am Feuer.
Der Schlafrock, den er getragen hat, mußte nämlich in einem gewissen Grade feucht sein, als er das Bett verließ, und wurde kalt, weil er durch einige Minuten von seinem Körper entfernt war. Das Feuer wird ihn trocknen und zugleich lüften. Beides ist hier viel wichtiger, als bei reiner Wäsche oder Kleidung.
Diesem Wechsel bleibt er unterworfen von der Zeit, in der man ihn zuerst zu Bett brachte, bis zur Zeit, wo man seine Matratzen – falls dies überhaupt geschieht – gehörig auseinander legt.

Lüftet eure schmutzigen Bettlaken und nicht blos eure reinen.

Wenn ihr erwägt, daß ein erwachsener, gesunder Mensch im Lauf der 24 Stunden des Tages wenigstens drei Pinten Feuchtigkeit ausdünstet, die, mit organischer Materie beladen, leicht in Fäulniß übergeht, und daß in Krankheit die Menge dieser Feuchtigkeit sich oft sehr vergrößert, während ihre Schädlichkeit dann immer gesteigert ist: so müßt ihr euch sogleich fragen: wohin geht denn alle diese Feuchtigkeit?

Vornehmlich in die Betten, weil sie nicht anderswohin gehen kann. Dort bleibt sie auch; denn überzieht man auch vielleicht das Bett jede Woche neu, so versucht man doch kaum, es noch auf andere Art zu lüften. Eine Wärterin, die, unruhig umhertrippelnd, Sorge trägt, daß reine Bettlaken durch Lüftung ihre reine Feuchtigkeit verlieren, kommt nie auf den Gedanken, schädliche Feuchtigkeit aus schmutzigen Bettlaken zu entfernen. Hier ist auch zu beachten, daß die gefährlichsten Ausdünstungen, welche wir kennen, von den Absonderungen der Kranken kommen, welche wenigstens für eine Zeit lang dahin gestellt werden, wo sie nothwendig ihre Ausdünstungen in den untern Theil des Bettes werfen. Der Raum aber unter dem Bette wird nie gelüftet, und kann bei unsern Einrichtungen auch nicht gelüftet werden. Muß nicht ein derartiges Bett mit solchen Dünsten gesättigt sein? muß es nicht das Mittel sein, jene unfläthige Materie, zu deren Ausstoßung aus dem Körper die Krankheit eigens bestimmt ist, wieder in den Körper des unglücklichen Kranken zurückzuführen?

Mein Herz wird stets aufs Tiefste bewegt, wenn ich in allen Schichten der Gesellschaft die gute Hausfrau sagen höre: »Ich versichere Ihnen, man hat stets in diesem Bett gut geschlafen,« und ich kann dann nur hoffen, daß dies nicht wahr ist. Wie! ist das Bett bereits mit den Ausdünstungen eines Andern gesättigt, bevor noch mein Patient dazu gelangte, es mit seinen eigenen zu erfüllen?

Wurde es nicht durch einen glücklichen Zufall wenigstens ein Mal ausgelüftet? Nein, nicht Ein Mal! »Man hat jede Nacht darin geschlafen.«

Eiserne Bettstellen mit Springfedern sind die besten.

Will man einen wirklichen Kranken in der That pflegen, so muß er nothwendig eine eiserne Bettstelle haben, die der Luft bis zu der dünnen Matratze von Haar hinauf den Durchzug gestattet, nicht über 3½ Fuß breit ist, und selbstverständlich keinen Faltensaum haben darf. Muß der Kranke stets im Bett sein,

Zwei Betten befördern Erfrischung und Reinlichkeit.

so sollte man zwei solche Bettstellen haben, in deren jeder das Bett vollständig mit Matratze, Betttüchern, wollenen Decken etc. gemacht ist, damit der Kranke in jedem Bette zwölf Stunden verbringe, wobei er beim Wechseln auf keinen Fall die gebrauchten Betttücher mitnehmen darf. Im Lauf der zwölf Stunden, die er in einem Bette liegt, müssen alle Betten des andern zum Lüften ausgehängt werden. Es gibt natürlich viele Fälle, in welchen dies keineswegs thunlich ist, und noch mehrere, wo man es nur annäherungsweise auszuführen vermag. Ich deute aber nur das Ideal der echten Pflege an, so wie das, was ich selbst ausgeführt habe. Auf jeden Fall muß aber die Bettstelle, ob man deren eine oder zwei erlangen kann, wie oben bemerkt, beschaffen sein.

Das Bett darf nicht zu breit sein.

Man hat eine Vorliebe für ein breites Bett, was, wie ich glaube, auf einem Vorurtheil beruht. Alle Erfrischung, die ein Kranker dadurch erhält, daß man ihn von einer Seite seines Betts auf die andere legt, erlangt man in höherm Maaße, wenn man ihn in ein frisches Bett bringt, da ohnehin ein Patient, der in der That sehr leidet, in seinem Bett nicht viel herumirrt. Wendet man hier ein, bei einem schmalen Bett sei kein Raum, um ein Schüsselbret darauf zu setzen, so antworte ich, eine gute Wärterin wird nie ein Schüsselbret auf ein Bett setzen.

Kann sich der Kranke umwenden, so wird er bequemer von einem Tische an seinem Bett essen. Auf keinen Fall soll ein Bett auch höher, als ein Sopha sein, sonst fühlt sich der Patient »wie abgeschlossen von der Menschheit,« kann selbst zu Nichts gelangen und nichts bewegen. Kann der Patient sich nicht umwenden, so wird ihm eine über seinem Bett angebrachte Tafel besser dienen. Ich brauche wohl kaum zu erwähnen, daß das Bett eines Kranken nie an die Wand stoßen soll. Die Wärterin muß nämlich im Stande sein, leicht zu beiden Seiten des Bettes zu gelangen, und muß jeden Theil des Kranken, ohne sich zu strecken, erreichen können, was, wenn das Bett zu breit oder zu hoch ist, nicht bewirkt werden kann.

Das Bett soll nicht zu hoch sein.

Seh' ich in einem 9 bis 10 Fuß hohen Zimmer einen Patienten auf einem 4 bis 5 Fuß hohen Bette, wobei sein Haupt, wenn er aufrecht sitzt, nur zwei oder drei Fuß vom Plafond entfernt ist, so frage ich mich, ist es dabei ausdrücklich darauf abgesehen, jenes den Kranken eigenthümliche beängstigende Gefühl hervorzubringen, in welchem es ihnen scheint, als ob sich Wände und Decke des Zimmers über ihnen zusammenschlössen, und sie selbst nur kaltes Fleisch zwischen Fußboden und Decke wären, eine Vorstellung, die hier in der That von der Wahrheit nicht sehr entfernt ist? Wenn noch dazu das Fenster viel zu weit vom Plafond entfernt ist, so kann der Kopf des Patienten buchstäblich, selbst bei offenem Fenster, über die frische Luftschicht des Zimmers erhoben sein. Kann menschliche Verkehrtheit weiter gehen, um den Wiederherstellungsprozeß, zu dem Gott die Krankheit machte, zu vernichten? Bei Schläfern und Kranken sollen, wie ich hier bemerke, die Köpfe nicht höher, als der Schlund des Kamins liegen, weil sie sich alsdann in der besten Luftströmung befinden.

Dabei setzen wir voraus, daß ihr nicht so thöricht wäret, euer Kamin mit einem Kaminbret zu verschließen.

Ist ein Bett höher, als ein Sopha, so wird die Schwierigkeit, in dasselbe und aus demselben zu gelangen, es sehr oft dem Patienten, der überhaupt fähig ist, selbst in sein Bett zu gehen oder es zu verlassen, unmöglich machen, sich für einige Minuten in freier Luft oder in einem anstoßenden Zimmer Bewegung zu machen.

Es ist sehr sonderbar, daß die Leute nie an so was denken, oder erwägen, daß ein Patient, der auf sein Bett beschränkt ist, in den 24 Stunden des Tages viel öfter als sie sein Bett verlassen und es wieder suchen muß, wobei wir hoffen wollen, daß sie selbst in diesen 24 Stunden sich nur Ein Mal niederlegen und aufstehen.

Es soll nicht auf einem dunkeln Platz stehen.

Das Bett eines Patienten sollte stets auf dem lichtesten Platze des Zimmers stehen, wobei er aus dem Fenster sehen könnte.

Soll nicht nach alter Weise vier Pfosten und Vorhänge haben.

Es braucht hier kaum bemerkt zu werden, daß das alte vierpfostige Bett mit Vorhängen für Kranke, wie Gesunde gleich unzulässig ist. An den Bettstellen in Spitälern findet man in vielfacher Beziehung weniger auszusetzen, als an denen in Privathäusern.

Scropheln oft die Folge des Schlafes unter der Bettdecke.

Man hat Grund zu glauben, daß nicht wenige der seltsamen Fälle von Scropheln unter Kindern von der Gewohnheit erzeugt werden, mit dem Kopf unter der Bettdecke zu schlafen, wobei das Kind eine Luft einathmet, die es bereits geathmet hat, und die durch Ausdünstungen der Haut noch mehr verunreinigt ist. Erwachsene Patienten verfallen oft in dieselbe Gewohnheit, aber es kommt auch oft vor, daß die Bettdecken so angeordnet sind, daß der Patient gezwungen ist, Luft einzuathmen, die durch Ausdünstungen seiner Haut mehr oder weniger verunreinigt ist. Eine gute Wärterin wird dies beachten. Es ist so zu sagen ein wichtiger Theil der Auslüftung (Ventilation.)

Wunden durch Aufliegen.

Es ist hier wohl am Platz, zu bemerken, daß, wo durch Aufliegen Wunden entstehen können, nie eine wollene Decke unter den Patienten gelegt werden soll. Sie behält nämlich die Feuchtigkeit des Körpers, und wirkt wie ein erweichender Umschlag.

Schwere und undurchdringliche Bettdecken.

Zur Bedeckung der Kranken im Bette verwende man nie etwas Anderes, als wollene Bettdecken ( Whitney blankets). Die schwere baumwollene, gesteppte Bettdecke, welche der Luft keinen Durchgang gestattet, ist schlecht, weil sie eben die Ausdünstungen des Kranken behält, während sie durch eine wollene Decke passiren können. Schwache Patienten werden stets durch schwere Bettdecken beängstigt, und oft durch sie gänzlich verhindert, in einen gesunden Schlaf zu fallen.

Hier noch ein Wort in Betreff der Kopfkissen. Jeder schwache Patient, habe er was immer für eine Krankheit, leidet mehr oder weniger von Beschwerlichkeit beim Athemholen. Wenn daher die Wärterin die Kopfkissen ihres Patienten ordnet, so muß sie darauf bedacht sein, der armen Brust, die kaum ihrer Arbeit gewachsen ist, die Last des Körpers abzunehmen. Was thut sie aber, und was sind die Folgen davon? Sie schichtet ein Kissen über das andere, wie zu einer Mauer von Backsteinen auf. So wird der Kopf des Patienten auf seine Brust geworfen, werden seine Schultern so vorwärts gestoßen, daß sie die Ausdehnung der Lunge hemmen. In der That lehnen sich da die Kopfkissen an den Patienten, statt daß er sich an sie lehnen sollte. Es ist unmöglich, hierüber eine Vorschrift zu geben, weil sie nach der Verschiedenheit der Gestalt des Patienten wechseln müßte. Große Patienten leiden bei dem geringsten Versehen weit mehr, als kleine, weil größere Gliedmaßen durch ihr Gewicht den Rumpf des Körpers mehr herabziehen. Man muß also darauf sehen, daß die Kopfkissen den Rücken unterhalb der Lunge unterstützen, daß die Schultern genug Raum haben, um rückwärts zu fallen, und daß auch das Haupt, ohne es vorwärts zu werfen, eine Stütze finde. Durch Vernachlässigung dieser Punkte werden die Leiden sterbender Patienten unendlich vergrößert. Viele Kranke, die zu schwach sind, um selbst ihre Kopfkissen zweckmäßig zusammenzerren zu können, schieben ihr Buch, oder was sie sonst zur Hand haben, hinter den untern Theil ihres Rückens, um ihn zu stützen.


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