Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

I. Lüften und Erwärmen

Erste Regel der Krankenpflege ist die Luft in den Zimmern so rein zu halten, wie die Luft im Freien ist.

Die erste Regel der Krankenpflege, das Erste und Letzte, worauf die Aufmerksamkeit der Krankenwärterin gerichtet sein muß, der Hauptpunkt für einen Kranken, ohne welchen alles Uebrige, was ihr auch für ihn thun könnt, so viel wie Nichts ist, bei dessen Beobachtung ihr alles Uebrige, möchte ich beinahe sagen, unterlassen könnt, besteht darin: die Luft, welche er athmet, so rein zu halten, wie sie im Freien ist, ohne ihn zu erkälten. Doch wie wenig wird dies beachtet? Selbst, wo wirklich daran gedacht wird, herrschen die auffallendsten Mißverständnisse darüber. Wenige Leute bedenken sogar, wenn sie Luft in das Krankenzimmer oder in den Krankensaal einströmen lassen, woher diese Luft kommt. Sie mag von einem Korridor kommen, in welchen bereits andere Krankensäle ihre verdorbene Luft abgaben; von einer Halle, die nie gelüftet, stets voll von den Dünsten des Gases, des Mittagsmahles und von verschiedenen Arten muffiger Gerüche ist; sie mag ferner kommen von einer unterirdischen Küche, Rinne, einem Waschhaus, Abtritt, oder gar, wie ich selbst schon die traurige Erfahrung gemacht habe, von einem offenen Abzugs-Kanal, voll von Unrath; und damit wird das Krankenzimmer oder der Krankensaal gelüftet, wie man es heißt, oder wie man richtiger sagen sollte, vergiftet.

Immer komme die Luft aus dem Freien, und zwar durch jene Fenster, durch welche sie am frischesten eindringt. Von einem abgeschlossenen Hofraum, besonders, wenn der Wind nicht auf jener Seite weht, kann ebenso verderbte Luft kommen, als von irgend einer Halle oder einem Corridor.

Warum sind unbewohnte Zimmer verschlossen?

Ich erwähne ferner eines Umstandes, den ich sowohl in Privathäusern, als auch in öffentlichen Anstalten wahrnahm: ein Zimmer bleibt unbewohnt, die Kaminfeuerstelle ist sorgfältig mit einem Brette verschlossen, die Fenster werden nie geöffnet, wahrscheinlich bleiben die Fensterladen stets geschlossen, vielleicht werden irgend welche Vorräthe in dem Zimmer aufbewahrt; kein Hauch frischer Luft, kein Sonnenstrahl kann in dies Zimmer dringen. Die Luft in demselben ist so stockend, dumpfig und verdorben, als sie möglicherweise gemacht werden kann. Sie ist reif genug, die Blattern, das Scharlachfieber, Diphteria oder irgend eine andere Krankheit auszubrüten. In unbewohnten Zimmern, glaubt man allgemein, könne man in aller Sicherheit Thüren, Fenster, Fensterladen und Kamin verschließen – wo möglich gar hermetisch – um, wie es heißt, den Staub von ihnen fern zu halten, und daraus entstehe kein Nachtheil, wenn nur die Thüre eine Stunde, bevor die Bewohner wieder einziehen, offen gehalten wird. Ich bin oft gefragt worden, wie es mit unbewohnten Zimmern zu halten sei. – Wann sollen da die Fenster geöffnet werden? Die Antwort lautet: Wann sollen sie geschlossen werden? –

Doch das anstoßende Kinderzimmer, der Krankensaal oder das Krankenzimmer wird gewiß gelüftet werden (?), indem man die Thüre öffnet, die zu jenem Zimmer führt. Oder Kinder werden in jenes Zimmer zum Schlafen gelegt, ohne daß es hiezu erst vorbereitet wurde.

Neulich drang ein Mann in eine Kellerküche auf Queens Square und schnitt einer mit der Auszehrung behafteten Creatur, die dort beim Feuer saß, den Hals ab. Der Mörder läugnete die That nicht, sondern sagte einfach: »Es ist Alles in der Ordnung.« Natürlich war er wahnsinnig. Aber in unserem Falle ist das auffallend, daß das Opfer sagt: »Es ist Alles in der Ordnung,« und daß wir nicht wahnsinnig sind. Obschon wir die Mörder in dem dumpfigen, ungelüfteten, von der Sonne nie beschienenen Zimmer wittern und ebenso das Scharlachfieber, das hinter der Thüre lauert, oder das Fieber und den kalten Brand, welche zwischen den dicht an einander gedrängten Betten eines Spitalsaales einherschreiten, so sagen wir doch: »Es ist Alles in der Ordnung.«

Ohne Erkältung.

Bei angemessener Anzahl von Fenstern und der nöthigen Menge von Brennmaterial in der offenen Feuerstelle könnt ihr leicht frische Luft erlangen, wenn eure Kranken zu Bette sind. Seid alsdann nie in Angst über offene Fenster. Niemand erkältet sich im Bette. Dies ist ein beim Volk beliebter Trugschluß. Mit geeignetem Bettzeug und, wenn nöthig, mit heißen Flaschen, könnt ihr jedoch den Kranken im Bette immer warm halten und ihn zu gleicher Zeit der frischen Luft aussetzen. – Aber eine unbedachtsame Pflegerin, von was immer für einem Range, wohl oder schlecht erzogen, wird jede Ritze verstopfen und eine Treibhaushitze unterhalten, während ihr Kranker im Bette liegt – und wenn er fähig ist, aufzustehen, ihn verhältnißmäßig ungeschützt lassen.

Die Zeit, in welcher Kranke sich erkälten (und man kann sich, den Schnupfen ungerechnet, auf vielfältige Art erkälten), tritt ein, wenn sie zuerst aufstehen, denn sie sind dann doppelt erschöpft, theils durch das Ankleiden, theils, weil durch das Liegen im Bette, das viele Stunden, vielleicht viele Tage lang anhielt, die Haut erschlaffte und dadurch noch ungeeigneter für die Gegenwirkung (Reaktion) wurde. Dann kann dieselbe Temperatur, welche den Kranken im Bette erfrischt, dem eben aufgestandenen Kranken tödtlich werden. Gesunder Menschenverstand weist darauf hin, daß, während reine Luft wesentlich nothwendig ist, eine Temperatur erzielt werden muß, die in dem Kranken nicht das Gefühl des Frostes erregt. Sonst wird im besten Falle, den man erwarten kann, eine fieberhafte Reaktion eintreten. – Um die Zimmerluft so rein, wie die Luft im Freien zu haben, ist es nicht, wie man oft zu glauben scheint, nothwendig, daß man sie ebenso kalt machen müsse. Am Nachmittag dagegen findet der Kranke, dessen Lebenskräfte sich dann gesteigert haben, oft, wo die nöthige Sorgfalt fehlt, sein Zimmer so verschlossen und bedrückend, als er es am Morgen kalt gefunden hatte. Doch die Wärterin wird erschrecken, wenn man ein Fenster öffnet. Es ist wünschenswerth, daß die Fenster in einem Krankenzimmer so eingerichtet sind, daß der Kranke, wenn er sich umherbewegen kann, im Stande sei, sie leicht selbst zu öffnen und zu schließen. Ist dies nicht der Fall, so ist in der That das Krankenzimmer sehr selten gehörig gelüftet – so wenige Menschen begreifen, was gesunde Atmosphäre für die Kranken ist. Der Kranke sagt oft: »Dieses Zimmer, in dem ich von 24 Stunden 22 zugebracht, ist frischer, als das andere, worin ich nur 2 Stunden verweilt habe, weil ich hier die Fenster selbst handhaben kann.« Und es ist wahr. –

Offene Fenster.

Ich kenne einen verständigen, humanen Spital-Wundarzt, der gewohnt ist, die Fenster der Krankensäle offen zu halten. Die Aerzte und Wundärzte schließen sie regelmäßig, wenn sie die Runde machen, doch jener Wundarzt öffnet sie ganz zweckmäßig und beharrlich wieder, sobald die Doktoren ihm den Rücken gekehrt haben.

In einem kleinen Buche über Krankenpflege, das kürzlich erschien, wird uns gesagt, »daß bei gehöriger Sorgfalt es selten vorkomme, daß die Fenster nicht auf wenige Minuten zweimal des Tages geöffnet werden könnten, um frische Luft hereinzulassen.« Ich sollte denken, zweimal in einer Stunde würde auch nicht schaden. Die oben angeführte Bemerkung zeigt, wie wenig man den Gegenstand erwogen hat. –

Welche Art Wärme ist wünschenswerth?

Von allen Methoden, Kranke warm zu halten, ist sicher die schlechteste diejenige, welche das Zimmer blos durch den Athem und die Ausdünstung der Kranken erwärmt. Ich habe einen Spitalarzt gekannt, welcher die Fenster der Krankensäle luftdicht verschlossen hielt; auf diese Weise setzte er die Kranken allen den Gefahren einer verpesteten Atmosphäre aus, weil er befürchtete, durch Zulassung frischer Luft die Wärme des Saales allzusehr zu vermindern. Dies ist ein verderblicher Trugschluß. Der Versuch, einen Krankensaal damit warm zu halten, indem man die Kranken ihre eigene heiße, feuchte, faule Atmosphäre wieder und wieder einathmen läßt, ist ein sicheres Mittel, die Genesung zu verzögern oder das Leben zu zerstören.

Schlafzimmer beinahe überall unrein.

Ein Lufterprober von wesentlichen Folgen.

Geht ihr je in die Schlafzimmer von irgend welchen Personen jeden Standes, die eine, zwei oder auch zwanzig Personen, Kranke oder Gesunde beherbergen, zur Nachtzeit oder am Morgen, ehe die Fenster geöffnet wurden, ohne die Luft darin anders, als ungesunderweise drückend und unrein zu finden? Und warum soll es so sein? Und von welch' großer Wichtigkeit ist es, daß es nicht so sein sollte! Während des Schlafes wird der menschliche Körper, selbst im gesunden Zustande, weit mehr als im Wachen durch den Einfluß verderbter Luft benachteiligt. Warum könnt ihr deshalb nicht die ganze Nacht über in euern Schlafzimmern die Luft so rein halten, wie sie im Freien ist? Aber zu diesem Zwecke müßt ihr für die reine Luft aus dem Freien hinlänglichen Eingang und für die unreine Luft, die ihr ausathmet, hinlänglichen Ausgang haben. Ihr bedürft offener Kamine, offener Fenster oder Ventilatoren; beseitigt dichte, anliegende Vorhänge um eure Betten, verseht eure Fenster weder mit Laden, noch mit Gardinen, gebraucht keine jener Erfindungen, womit ihr eure eigene Gesundheit untergrabt oder die Möglichkeit der Wiedergenesung eurer Kranken vernichtet. Dr. Angus Smith's Lufterprober würde in jedem Schlaf-, oder Krankenzimmer von unschätzbarem Nutzen sein, wenn er eine leichtere Anwendbarkeit erhielte. Gerade so, wie keine Krankenwärterin ohne Anwendung des Wärmemessers einen Kranken in's Bad setzen sollte, so sollte keine Wärterin, keine Mutter und kein Spital-Inspektor im Kinderzimmer, Schlafzimmer oder Krankensaal des Luft-Erprobers entbehren. – Wenn die hauptsächlichste Pflicht einer Krankenwärterin darin besteht, die Luft innerhalb des Zimmers in derselben Reinheit zu erhalten, wie die Luft im Freien ist, ohne die Temperatur übermäßig abzukühlen, so muß sie mit einem Thermometer versehen sein, der ihr die Wärme, mit einem Lufterprober, der ihr die organischen Bestandtheile der Luft anzeigt. Aber um gebraucht werden zu können, müßte dieser ein ebenso einfaches, kleines Instrument sein, wie jener, und wie der Thermometer selbst registriren. Die Sinne der Wärterinnen und Mütter werden nach und nach so abgestumpft gegen die unreine Luft, daß sie zuletzt ganz und gar nicht inne werden, in welcher Atmosphäre sie ihre Kinder, Patienten oder Dienstleute schlafen lassen. Wenn jedoch der schwatzhafte Lufterprober am Morgen den Wärterinnen sowohl, als den Kranken und dem die Runde machenden Spital-Direktor anzeigte, wie die Atmosphäre während der verflossenen Nacht war, so zweifle ich, ob irgendwie eine größere Sicherheit gegen die Wiederholung solcher Pflichtverletzung gewährt worden könnte. Und oh, welche Geschichte würde der Lufterprober in der dicht gedrängten National-Schule erzählen, wo so viele ansteckende Kinder-Krankheiten entstehen! Eltern würden dann sagen und mit Recht sagen: »Ich will mein Kind nicht in jene Schule schicken; der Lufterprober zeigt auf »Schauerlich.« – Und die Schlafsäle unserer großen Boarding-Schulen! Scharlachfieber würde nicht mehr der Ansteckung zugeschrieben werden, sondern der wahren Ursache, da der Lufterprober auf »Unrein« zeigte.
Wir würden nicht länger mehr von »geheimnißvollen Heimsuchungen, von Weh und Pestilenz aus der Hand Gottes« hören, wenn er sie, so viel wir wissen, in unsere eigenen Hände gelegt hat. Der kleine Lufterprober würde ebenso die Ursache dieser »geheimnißvollen Pestilenzen« verrathen, als auch uns auffordern, sie zu beseitigen.

Wann für größte Aufmerksamkeit gesorgt werden muß.

Eine sorgfältige Wärterin wird beständig ihre Kranken bewachen, namentlich die schwachen, sowie langwierige und erschöpfende Krankheitsfälle aufmerksam beobachten, um die Patienten vor den Wirkungen des Verlustes ihrer eigenen Lebenswärme zu bewahren.

In gewissen krankhaften Zuständen wird viel weniger Wärme erzeugt, als im gesunden Zustand, und da zeigt sich denn eine beständige Neigung zur Abnahme und endlichen Erlöschung der Lebenskräfte, herbeigeführt durch die Anforderung, die an sie gemacht wird, die Wärme des Körpers zu erhalten. Fälle, bei welchen dies vorkommt, sollten mit der größten Sorgfalt von Stunde zu Stunde, fast hätte ich gesagt, von Minute zu Minute, bewacht werden.

Die Füße und Beine sind von Zeit zu Zeit zu befühlen und sobald als man entdeckt, daß eine Neigung zum Erkalten sich zeigt, so sind heiße Backsteine, warmer Flanell und ein warmes Getränk so lange anzuwenden, bis die Wärme wieder hergestellt ist. Wenn es nothwendig, so muß auch das Feuer geschürt werden. Kranke gehen häufig in den letzten Stadien der Krankheit aus Mangel an solchen einfachen Vorsichtsmaßregeln verloren. Während sich die Wärterin auf die Wirkung der Krankenkost, der Arznei oder der gelegentlichen Dosis eines Reizmittels verläßt, das sie nach Anweisung des Arztes dem Kranken gab, geht der Kranke in Ermangelung von ein wenig äußerer Wärme zu Grunde. Solche Fälle ereignen sich zu jeder Jahreszeit, selbst mitten im Sommer. Diese lebensgefährlichen Erkältungen finden meistens gegen Morgen statt, zur Zeit der niedrigsten Temperatur in den 24 Stunden, wo die Diät des vorigen Tages zu wirken aufgehört hat.

Allgemein gesagt, könnt ihr erwarten, daß schwache Kranke viel mehr am Morgen als am Abend von Kälte leiden werden. Die Lebenskräfte sind da viel schwächer. Wenn die schwachen Kranken bei Nacht fieberhaft, ihre Hände und Füße brennend heiß sind, so werden sie gewiß am Morgen vor Kälte schauern. Dennoch sind Wärterinnen sehr dafür eingenommen, den Fußwärmer des Nachts zu erhitzen und dies am Morgen, wenn sie sehr beschäftigt sind, zu vernachlässigen. Ich würde es umgekehrt machen.

Alle diese Dinge erfordern gesunden Menschenverstand und Sorgfalt und dennoch wird vielleicht in keiner einzigen Angelegenheit, in allen Schichten der Gesellschaft, so wenig gesunder Menschenverstand gezeigt, als in der Krankenpflege. Bei Kranken in Privathäusern, dächte ich, ganz gewiß aber in Spitälern, sollte sich die Wärterin nicht eher über die Reinheit der Atmosphäre zufrieden stellen, bis sie bei ruhigem Verhalten empfindet, daß ihr die Luft sanft über das Gesicht streicht. Allein man hat beobachtet, daß Wärterinnen, welche über ein offenes Fenster am meisten schreien, jene sind, die sich die wenigste Mühe geben, gefährliche Zugluft zu verhüten. Die Thüre des Krankensaales oder Krankenzimmers muß zuweilen offen stehen, um aus- und eingehenden Personen oder schweren Gegenständen, die aus- oder eingetragen werden, Raum zu geben. Die sorgfältige Wärterin wird die Thüre indessen geschlossen halten, während sie die Fenster zumacht und dann nicht zuvor die Thüren aufmachen, so daß ein Patient, der vielleicht schweißtriefend aufrecht im Bette sitzt, nicht in der Zugluft zwischen der offenen Thüre und Fenster gelassen wird. Auch sollte selbstverständlich kein Kranker, während er gewaschen oder sonst entblößt ist, in der Zugluft zwischen einem offenen Fenster und einer offenen Thüre verbleiben.

Kalte Luft ist nicht Lüftung, noch erkaltete frische Luft.

Ein Beispiel davon geben selbst gebildete Leute, welche auf ganz absonderliche Art die Begriffe von Abkühlung und Lüftung mit einander vermengen. Um ein Zimmer abzukühlen ist es keineswegs nothwendig, es zu lüften, und um ein Zimmer zu lüften ist es nicht nothwendig, es abzukühlen. Dennoch wird eine Wärterin, wenn sie ein Zimmer dunstig findet, um die Ventilation zu verbessern, das Feuer ausgehen lassen und es dadurch noch dunstiger machen, oder sie wird die Thüre öffnen, die in ein kaltes Zimmer, ohne Feuer oder offenes Fenster, führt. Die dem Kranken heilsamste Atmosphäre erlangt man, die Extreme der Temperatur ausgenommen, bei einem guten Feuer und einem offenen Fenster. (Das läßt sich aber keiner Krankenwärterin begreiflich machen.) Das Auslüften eines kleinen Zimmers ohne Luftzug erfordert natürlich mehr Sorgfalt, als das Auslüften eines großen.

Nachtluft.

Luft von außen.

Oeffnet die Fenster, schließt die Thüren.

Nach einer andern außerordentlichen Täuschung fürchtet man sich vor der Nachtluft. Was für andere Luft können wir Nachts einathmen, als Nachtluft? Die Wahl ist nur zwischen reiner Nachtluft von außen und unreiner Nachtluft von innen. Die meisten Leute ziehen die letztere vor. Eine unverantwortliche Wahl. Was werden sie sagen, wenn sie hören, daß es bewiesen ist, daß die volle Hälfte aller unserer Krankheiten durch Leute veranlaßt wird, die bei geschlossenen Fenstern schlafen? Ein offenes Fenster kann in den meisten Nächten des Jahres Niemanden schaden. Damit will ich nicht sagen, daß Licht zur Genesung nicht nothwendig ist. In großen Städten ist oft die Nachtluft die beste und reinste, welche man in den 24 Stunden des Tages athmen kann. Daß man in Städten der Kranken wegen die Fenster am Tage schließt, könnte ich eher begreifen, als daß man sie des Nachts schließt. Die Abwesenheit von Rauch, die Ruhe, alles macht die Nachtzeit für den Kranken zum Luftschöpfen am geeignetsten. Eine unserer höchsten medizinischen Autoritäten über Auszehrung und Klima, hat mir mitgetheilt, daß die Luft in London nie so gut ist, als nach 10 Uhr Nachts. Lüftet also euere Zimmer womöglich immer mit äußerer Luft. Die Fenster sind gemacht, daß man sie öffne, die Thüren, daß man sie schließe – eine Wahrheit, deren Verständniß, wie es scheint, große Schwierigkeiten im Wege stehen.

Ich sah eine sonst sorgsame Wärterin das Zimmer ihrer Kranken durch die geöffnete Thüre lüften, nahebei waren zwei Gaslichter, deren jedes so viel Luft als elf Menschen konsumirt; ferner gab es da eine Küche, einen Korridor voll verderbter, nie erneuerter Luft, die auch von einer schlecht angebrachten Senkgrube in einem fortwährenden Strom die Wendeltreppe empor stieg und in das geöffnete Zimmer der Kranken drang. Hätte man hier das Fenster geöffnet, so hätte man alles gethan, was zu einer guten Lüftung gehörte. – Nochmals, jedes Zimmer muß von Außen gelüftet werden, ebenso jeder Durchgang; doch je weniger Durchgänge in einem Spital, desto besser.

Rauch.

Wenn es unser Bestreben sein soll, die Luft innerhalb der Zimmer so rein zu halten, als die Luft im Freien ist, so ist es wohl nicht nöthig, zu sagen, daß das Kamin nicht rauchen darf. Beinahe allen rauchenden Kaminen ist abzuhelfen, von unten herauf, nicht von oben herab. Oft bedarf es nur einer Oeffnung zum Einlaß der Luft, um das Feuer zu unterhalten, welches sich sonst, wo eine solche fehlt, von der Kaminluft selbst nährt. Hingegen kann wieder eine nachlässige Wärterin machen, daß jeder Kamin raucht, indem sie das Feuer sinken läßt und dann mit Kohlen überladet; sie thut dies nicht, wie wir gerne glauben, um sich Mühe zu ersparen, denn Unfreundlichkeit gegen Kranke ist sehr selten, aber aus Mangel an Ueberlegung.

Trocknen feuchter Wäsche in einem Krankenzimmer.

Nachdem wir den Grundsatz festgestellt haben, daß es die erste Sorge der Krankenwärterin sein muß, den Kranken nur solche Luft athmen zu lassen, die der freien an Reinheit gleichkommt, so darf nicht vergessen werden, daß Alles, was außer dem Patienten im Zimmer, schädliche Ausdünstung erzeugt, in seine Luft ausdampft. Daraus folgt, daß außer ihm Nichts im Zimmer geduldet werden soll, was schädliche Ausdünstungen oder Feuchtigkeit hervorbringen kann. Fort mit den nassen Handtüchern etc., die in dem Zimmer trocknen, wobei die Feuchtigkeit natürlich in die Luft des Kranken übergeht. Daran scheint man freilich so wenig zu denken, als ob es ein abgedroschenes Märchen wäre. Wie überaus selten trefft ihr eine Wärterin an, die durch die That anerkennt, daß in des Kranken Zimmer gar nichts getrocknet, bei des Kranken Feuer gar nichts gekocht werden soll. In der That, die vorhandenen Einrichtungen machen die Befolgung dieser Regel oft unmöglich. Ist die Wärterin sorgsam, so wird sie, sobald der Kranke das Bett verläßt, jedoch im Zimmer bleibt, das Leintuch weit aufdecken und die Bettdecke zurückschlagen, um das Bett zu lüften; sie wird die nassen Handtücher oder Flanelle sorgfältig auf Böcke ausbreiten, um sie zu trocknen. Nun werden aber entweder Bettzeug und Handtücher nicht gelüftet und getrocknet, oder sie werden es im Zimmer des Kranken, wobei sich der Dunst mit seiner Luft vermengt. Ob ihm nun die Feuchtigkeit und schädlichen Ausdünstungen in seiner Luft oder in seinem Bett mehr schaden, überlasse ich euch zu entscheiden, denn ich kann es nicht.

Ausdünstung von Absonderungen.

Selbst im gesunden Zustande kann Niemand ohne Nachtheil für die Gesundheit eine und dieselbe Luft wieder einathmen, weil diese mit ungesunden Stoffen aus der Lunge und der Haut beladen ist.

In Krankheiten, wo Alles was vom Körper abgeht höchst verderblich und gefährlich ist, muß nicht allein vollständige Auslüftung die schädlichen Ausdünstungen entfernen, sondern es muß auch Alles, was vom Kranken abgegangen, augenblicklich fortgetragen werden, weil diese Ausleerungen noch weit verderblicher sind, als seine Ausdünstungen.

Es wäre unnöthig, von der höchst schädlichen Wirkung der Ausdünstung solcher Ausleerungen zu sprechen, wenn sie nicht gar so häufig unbeachtet blieben. Die Behälter unter das Bett zu verstecken, scheint alle Vorsicht zu sein, die man in einem Privathause nöthig erachtet. Würdet ihr nur einen Augenblick nachdenken über die Luft unter jenem Bette, über die Sättigung der untern Seite der Matratze mit den warmen Dämpfen, ihr würdet bestürzt werden und erschrecken.

Behälter ohne Deckel.

Macht eure Krankenzimmer zu keinem Abzugkanal.

Der Gebrauch irgend eines Zimmergeschirrs ohne Deckel Nie und nimmermehr sollte dieser durchaus nothwendige Deckel euch in der Gewohnheit bestärken, mit dem Ausleeren des Geschirrs bis zur Zeit des Bettmachens zu warten, das alle 24 Stunden einmal stattfindet. Ja, so unmöglich es auch scheinen mag, ich habe die besten und aufmerksamsten Wärterinnen gekannt, die dagegen gefehlt haben; noch mehr, ich habe einen Kranken gekannt, der 10 Tage an der Diarrhöe litt, und die Wärterin (eine sehr gute) wußte nichts davon, weil der Behälter (mit einem Deckel versehen) nur einmal in 24 Stunden von der Hausmagd, die dem Kranken jeden Abend das Bett machte, ausgeleert wurde. Ihr möget ebensowohl einen Abzugskanal unter dem Zimmer haben, oder es für genügend halten, die Klappe im Abtritte des Tags nur einmal zu öffnen. So seht auch darauf, daß die Deckel der Geschirre immer rein seien.
Sollte sich eine Wärterin weigern, diese Dinge für ihren Kranken zu besorgen, »weil es nicht ihr Geschäft ist,« so ist auch die Krankenpflege nicht ihr Beruf. – Ich habe barmherzige Schwestern gesehen, welche sich der Pflege Verwundeter widmeten, Frauen, die mit ihren Händen 2-3 Guineen per Woche verdienen konnten, wie sie auf den Knieen rutschend, Zimmer oder Hütten scheuerten, weil sie sie sonst nicht für geeignet hielten, ihre Kranken zu beherbergen.
Ich bin weit davon entfernt, zu wünschen, daß Krankenwärterinnen den Boden scheuern; es ist Kräfte-Verlust. Aber ich sage, daß diese Frauen ihren wahren Beruf zur Krankenpflege dadurch an den Tag legten, daß sie zuerst an das Wohl der Kranken und zuletzt an ihre »Stellung« dachten, ich sage, daß diejenigen Frauen, welche, während der Kranke leidet, auf die Hausmagd oder die Scheuerfrau warten, zur Krankenpflege nicht taugen.
sollte bei Kranken und Gesunden durchaus abgeschafft werden. Ihr könnt Euch von dieser Nothwendigkeit überzeugen, wenn ihr die untere Seite des Deckels prüft. Ist der Behälter noch nicht geteert, so werdet ihr dann finden, daß sich eine übelriechende Feuchtigkeit daran angesetzt hat. Wohin zieht sich diese, wenn kein Deckel vorhanden ist?

Die einzigen zum Gebrauch im Krankenzimmer tauglichen Geschirre sind die aus Thon verfertigten; sind welche von Holz vorhanden, so müssen sie gut polirt oder lackirt sein. Schon der Deckel des alten abscheulichen Nachtstuhls kann Pestilenz erzeugen. Uebelriechender Stoff wird in die Holzporen eindringen, welcher kaum durch tüchtiges Scheuern wieder daraus entfernt werden kann. Ich ziehe einen thönernen Deckel vor, weil er immer rein gehalten werden kann. Jedoch gibt es jetzt verschiedene gute neue Einrichtungen.

Beseitige Spülicht-Eimer.

Ein Spülicht-Eimer sollte nie in's Krankenzimmer gebracht werden. Es sollte unabänderliche Regel sein, und zwar mehr noch in Privathäusern als sonst irgendwo, daß das Geschirr sogleich in den Abtritt getragen, dort ausgeleert und gereinigt und dann erst zurückgebracht werde. Zu diesem Zwecke sollte in jedem Abtritte ein Behälter mit Wasser, der mit einem Hahn versehen, angebracht sein. Wo diese Einrichtung fehlt, müßt ihr Wasser zum Spülen dahin tragen. Ich habe es mit angesehen, wie in Krankenzimmern die Geschirre in die Fußwärmpfanne ausgeleert und ungespült wieder unter das Bett gestellt wurden. Ich weiß nicht, ob es abscheulicher ist, dies zu thun, oder das Geschirr im Krankenzimmer zu spülen. In den besten Spitälern ist es jetzt Vorschrift, daß kein Unrath-Eimer in die Krankensäle gebracht werden darf, sondern daß die Geschirre unmittelbar, um ausgeleert und gespült zu werden, an den dazu geeigneten Ort zu tragen sind. Ich wollte es wäre in Privathäusern ebenso. –

Räucherungen.

Niemand verlasse sich, wenn er die Luft reinigen will, auf Räuchern, auf sogenannte »Luftreinigungsmittel« und ähnliche Dinge. Der widerwärtige Stoff, nicht sein Geruch, muß entfernt werden, Ein berühmter Professor der Heilkunde begann eines Tages seine Vorlesung wie folgt: »Räucherungen, meine Herren, sind von wesentlicher Wichtigkeit; sie verursachen einen solchen Gestank, daß man genöthigt ist, die Fenster zu öffnen.«

Ich wünsche, alle die erfundenen flüssigen Luftreinigungsmittel machten einen solchen Gestank, daß ihr gezwungen wäret, frische Luft einzulassen. Das wäre eine nützliche Erfindung.

Gesundsein der Kutschen.


 << zurück weiter >>