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X. Reinlichkeit der Zimmer und Wände

Reinlichkeit der Teppiche und Hausgeräte.

Da eine Wärterin sieht, daß der größere Theil der Krankenpflege in der Aufrechthaltung der Reinlichkeit besteht, so ist es nicht nothwendig, ihr zu sagen, daß sie selbst reinlich sein, oder daß sie ihren Patienten reinlich halten soll. – Keine Ventilation kann ein Zimmer oder einen Krankensaal erfrischen, wo nicht auf das Gewissenhafteste für Reinlichkeit gesorgt ist. Wenn nicht der Wind mit einer Geschwindigkeit von zwanzig Meilen in einer Stunde durch die Fenster bläst, so werden staubige Teppiche, schmutzige Schränke, muffige Vorhänge und Hausgeräthe einen übeln Geruch von sich geben. Ich habe in einem großen, verschwenderisch meublirten Londoner Hause allein längere Zeit hindurch zwei Zimmer bewohnt, aber obgleich sie sehr geräumig waren, und ihre Fenster einander gegenüber lagen, so konnte doch, weil es an muffigen Vorhängen, schmutzigen Schränken und staubigen Teppichen darin nicht fehlte, kein Oeffnen der Fenster den übeln Geruch aus jenen Zimmern vertreiben. Als aber die Teppiche und Vorhänge fortgeschafft wurden, war augenblicklich die Luft in denselben so rein, als gewünscht werden konnte. Es ist reiner Unsinn, zu sagen, daß in London kein Zimmer rein gehalten werden könne. Viele unserer Spitäler beweisen das gerade Gegentheil.

Staub wird heutzutage nie entfernt.

Bei dem gegenwärtigen System des Abstäubens ist oder wird nie ein Staubtheilchen entfernt oder wirklich beseitigt. Abstauben, wie es heutzutage vorgenommen wird, bedeutet nichts weiter, als den Staub bei verschlossenen Thüren und Fenstern von einem Platze zum andern wedeln. Ich kann mir nicht denken, wozu ihr dies thut. Ihr thätet besser, wenn ihr den Staub liegen ließet, falls ihr ihn nicht ganz und gar fortschaffen wollt. Denn von der Zeit an, wo ein Zimmer anfängt, Zimmer zu heißen, bis zur Zeit, wo es aufhört, eins zu sein, kommt kein Atom Staub je wirklich aus dem ganzen Raum desselben hinaus. Ein Zimmer aufräumen bedeutet heutzutage nichts anderes, als ein Ding von einer Stelle, die es für sich selbst rein gehalten hatte, auf eine andere, schmutzigere Stelle versetzen. Reinigt ihr gerne euer Hausgeräthe dadurch, daß ihr eure saubern Kleider auf eure schmutzigen Stühle und euer Sopha legt, so ist dies sicherlich ein Mittel, das diesen Zweck erfüllt. Da ich viele Jahre lang mit immer zunehmendem Erstaunen Zeuge jener Morgenverrichtung war, die man »Zimmer aufräumen« nennt, so kann ich beschreiben, was sie bedeutet. Von den Stühlen, Tischen oder dem Sopha, worauf die »Sachen« während der Nacht gelegen haben, und also nur wenig von Staub oder Ruß bedeckt wurden, werden dieselben armen »Sachen,« nachdem sie den Staub von den Stühlen u. s. w. angenommen, auf andere Stühle, Tische oder Sophas gebracht, auf deren staubige und rußige Oberfläche ihr euern Namen mit dem Finger schreiben könnt. So ist also die andere Seite der »Sachen« gleichmäßig beschmutzt oder bestaubt. Alsdann klopft die Hausmagd Alles oder einige Gegenstände, die sie zu erreichen vermag, mit einem Ding, Abstäuber genannt, – de Staub fliegt auf, fällt mit mehr Gleichmäßigkeit vertheilt, als vorher der Fall war, nieder, und das Zimmer ist »in Ordnung gebracht.«

Mit dem schlaff herabhängenden Lappen soll man nur Gemälde oder Gegenstände von Papier reinigen. Sonst kenne ich nur ein Mittel, um Staub, die Plage aller Liebhaber frischer Luft zu beseitigen, und das besteht darin, daß man Alles mit einem feuchten Tuche abwischt. Alle Stücke der Einrichtung sollten auch so beschaffen sein, daß man sie, ohne sie zu beschädigen, mit einem feuchten Tuch abwischen könnte; auch sollten sie so polirt sein, daß man sie, ohne Andern dadurch Nachtheil zuzufügen, zu befeuchten vermöchte. Bei der Art und Weise, wie man jetzt abstäubt, vertheilt man nur den Staub gleichmäßiger im Zimmer.

Fußboden.

Der einzige, wirklich reine Fußboden, den ich kenne, ist der Berbner lackirte Fußboden, der jeden Morgen, um ihn von Staub zu reinigen, naß und trocken gerieben wird. Der französische Fußboden ( Parquet) ist stets mehr oder weniger staubig, aber in Bezug auf Reinlichkeit und Gesundheit unendlich besser, als der einsaugende englische. Ein Teppich im Krankenzimmer ist vielleicht das Nachtheiligste, was man erfinden konnte. Müßt ihr dort einen Teppich haben, so könnt ihr euch nur dadurch gegen dessen Schädlichkeit sichern, daß ihr ihn statt einmal des Jahres, zwei- bis dreimal des Jahres abnehmt. Ein schmutziger Teppich vergiftet nämlich buchstäblich das Zimmer. Dies kann auch keineswegs überraschen, wenn ihr erwägt, welch eine enorme Menge von organischer Materie, die von den Füßen der das Zimmer betretenden Menschen kommt, ihn nach und nach anfüllen muß.

Mit Tapeten, Mörtel, Oelfarbe überzogene Wände.

Ganz verschiedene Luft in mit Oelfarbe getünchten und mit Tapeten bekleideten Zimmern.

Was Wände betrifft, so ist die schlechteste Wand jene, die mit Papiertapeten bekleidet, und die zunächst schlechteste, die mit Mörtel überzogen ist. Den Mörtel kann man jedoch durch häufiges Uebertünchen mit Kalk (Weißen) unschädlich machen. Die Tapete muß oft erneuert werden. Eine glasirte Tapete ist viel weniger gefährlich, als die gewöhnlich in Schlafzimmern angewendete, die durchaus schlecht ist.

Ich weiß gewiß, daß eine Person, welche ihre Sinne daran gewöhnte, gute Luft für Kranke und Kinder von schlechter zu unterscheiden, mit verbundenen Augen den Unterschied der Luft in vor langer Zeit mit Oelfarbe oder Tapeten überzogenen Zimmern, caeteris paribus, angeben könnte. Letztere werden stets, selbst wenn alle ihre Fenster geöffnet sind, staubig sein.

Der enge Zusammenhang, in welchem Ventilation und Reinlichkeit mit einander stehen, zeigt sich auch darin, daß eine gewöhnliche lichte Tapete sich viel länger rein halten wird, wenn Arnott's Ventilator im Kamin des Zimmers angebracht ist, als sonst der Fall sein würde.

Beste Wand für ein Krankenzimmer oder einen Krankensaal.

Die beste Wand, die wir jetzt haben, ist die mit Oelfarbe überstrichene, denn von ihr kann man die animalischen Absonderungen, die sich dort festsetzen, abwaschen.

Diese Absonderungen machen ein Zimmer muffig. Die beste Wand, die man in einem Krankenzimmer oder Krankensaal herstellen könnte, gäbe reines, nicht absorbirendes Cement oder Glas; auch aus glasirten Ziegeln, wenn sie hinlänglich angenehm für das Auge gestaltet würden, ließe sich eine treffliche Wand herstellen.

Luft kann ebenso wie Wasser verunreinigt werden. Blast ihr in das Wasser, so werdet ihr es mit dem animalischen Stoff in eurem Athem verunreinigen. Dasselbe gilt von der Luft. In einem Zimmer, in welchem Wände und Teppiche mit animalischen Ausdünstungen gesättigt sind, ist die Luft stets unrein.

Unreinlichkeit kann in Krankenzimmern und Krankensälen, die ihr davor bewahren sollt, auf folgende Arten entstehen:

Schlechte Luft von außen.

1) Es dringt schlechte Luft von außen ein, die durch Ausdünstungen von Abzugskanälen oder schmutzigen Straßen verunreinigt ist; oder es kommen Rauch, kleine Stückchen von unverbranntem Brennmaterial, von Stroh oder Pferdedünger herein.

Wollten nur die Leute die äußern Mauern ihrer Häuser mit einfachen oder encaustischen Ziegeln bekleiden, so würden sie in Bezug auf Licht, Reinlichkeit, Trockenheit, Wärme, sonach in Bezug auf ihre ganze ökonomische Einrichtung, eine unberechenbare Vervollkommnung erlangen. Eine Feuerspritze würde dann mit ihrem Wasserstrahl die Außenseite eines Hauses nachdrücklich waschen. Solche Mauern würden zur Verbesserung des Gesundheitszustandes in Städten fast ebenso viel beitragen, als gutes Steinpflaster.

Schlechte Luft von innen.

2) Schlechte Luft erzeugt auch der Staub im Innern des Hauses, wo man ihn, wie erwähnt, eben nur von einer Stelle zur andern versetzt, statt ihn gänzlich zu entfernen. Dies erinnert mich an eine Regel, ohne deren Beobachtung ihr keine reine Luft erlangen werdet. Euer Zimmer oder Saal enthalte so wenig hervorragende Ränder oder Leisten an den Wänden, als möglich; auch duldet unter keinem Vorwand eine Leiste, die ihr nicht übersehen könnt; denn da sammelt sich Staub an, der nie abgewischt wird. Durch Ränder und Leisten wird die Luft gewiß verunreinigt werden. Ueberdies dringen die animalischen Ausdünstungen eurer Hausgenossen in eure Möbeln, und wenn ihr diese nie auf die gehörige Weise reinigt, so müssen eure Zimmer und Krankensäle in Spitälern stets muffig sein. Lüftet solche Zimmer, so viel ihr wollt, sie werden doch nie angenehm werden. Noch eins. Alle Gegenstände in euren Zimmern, polirte und glasirte ausgenommen, verlieren beständig durch Verringerung ihrer Stärke oder Verderbniß. So lösen sich z. B. von gewissen grünen Tapeten, zu deren Färbung Arsenik verwendet wird, Bestandtheile ab. Nun hat man gerade in dem Staub, welcher in Zimmern, die mit solchen grünen Tapeten bekleidet sind, herum liegt, ganz deutlich Arsenik entdeckt. Ihr seht sonach, daß euer Staub nichts weniger als unschädlich ist, dennoch aber werdet ihr solchen Staub auf den hervorragenden Rändern oder Leisten der Wände durch Monate, und sonst in eurem Zimmer für immer herumliegen lassen (weil man eben nicht auf den Gebrauch solcher Tapeten verzichtet.)

Dazu kommt noch Kohlenstaub, mit welchem das Feuer das Zimmer erfüllt.

Schlechte Luft vom Teppich.

Gegenmittel.

3) Schlechte Luft kommt auch vom Teppich. Sorgt daher bei euren Teppichen vor Allem, daß der animalische Schmutz ( dirt), welchen die Füße eurer Besucher dort zurücklassen, nicht in denselben verbleibe. Gewöhnliche Fußböden sind gerade so schlecht, es sei denn, daß ihre Oberfläche keine Unebenheiten hat und stets gehörig abgerieben ist. Der Geruch vom Fußboden in einem Schulzimmer oder Krankensaal, wenn irgend eine Feuchtigkeit die organische Materie, womit er gesättigt ist, herausbringt, könnte an und für sich hinreichen, uns wissen zu lassen, welches Unheil sich dort entwickelt.

Die Luft im Freien kann nur durch zweckmäßige, allgemeine Sanitätsmaßregeln und durch Beseitigung von Rauch rein erhalten werden. Durch diese letzte Verbesserung allein würde man eine unberechenbare Summe ersparen, die jetzt für Seife ausgegeben werden muß. Miß Nightingale hat hier das raucherfüllte London und andere, vom Rauch geplagte englische Städte im Auge; aber was sie sagt, kann auch auf andere angewandt werden, z. B. auf Pittsburg in Pennsylvanien, wo Rauch consumirende Erfindungen ebenfalls sehr viel Seife ersparen würden. Anm. d. Uebersetzers.

Die Luft im Innern kann blos durch außerordentliche Sorgfalt – durch welche Wände, Teppiche, Einrichtungsstücke, Leisten etc. von organischer Materie und Staub zu befreien sind – rein gehalten werden.

Ventilation ohne Reinlichkeit bringt nicht die volle Wirkung hervor, und ohne Ventilation könnt ihr wieder keine vollständige Reinlichkeit erlangen.

Sehr wenige Personen aller Stände haben einen Begriff, welche ganz außerordentliche Reinlichkeit im Krankenzimmer nothwendig ist. Vieles, was ich hier erwähnte, hat auch weniger auf Hospitäler, als auf Privathäuser Bezug. Das rauchende Kamin, die staubigen Einrichtungsstücke, und die nur einmal täglich ausgeleerten Geschirre machen oft in den besten Privathäusern die Luft im Krankenzimmer beständig unrein.

Die Gesunden sind auffallender Weise gewohnt, zu vergessen, daß das, was für sie eine unbedeutende, leicht geduldig zu ertragende Unbequemlichkeit ist, für den Kranken eine Quelle des Leidens wird, welche die Genesung verzögert, wenn sie nicht selbst den Tod beschleunigt. Sie können sich stets auch nur für einige Minuten eine Veränderung schaffen. Selbst in den acht Stunden, die sie, wie wir annehmen, in ihrem Bette zubringen, können sie ihr Bett verlassen oder ihre Situation im Zimmer verändern. Doch der kranke Mensch, der nie sein Bett verläßt, der durch keine selbstständige Bewegung seine Luft, sein Licht, den Grad seiner Wärme verändern kann; er, der nicht Ruhe erlangen oder aus dem Rauch, dem übeln Geruch oder Staub herauszukommen vermag; er wird durch das, was für euch Gesunde eine ganz unbedeutende Kleinigkeit ist, vergiftet oder niedergedrückt.

»Man muß ertragen, was man nicht ändern kann,« ist die schlimmste und gefährlichste Maxime bei einer Krankenwärterin. Nachläßigkeit oder Gleichgültigkeit, die, wo sie sie allein betreffen, verwerflich, wo sie gegen die Kranken wirken, strafbar sind, beliebt sie Geduld und Ergebung zu nennen.


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