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VIII.
Die Warnung.

Durch ganz Tyrol heulte die blutige Treibjagd auf die unglücklichen Männer, die bis jetzt die Helden ihres Vaterlandes gewesen, die man aber jetzt, seit ihre Sache unterlegen war, die Aufrührer und Landesverräther nannte. Durch ganz Tyrol hetzten und pirschten die feindlichen Soldaten, nach dem Edelwild suchend, für das man ihnen hohen Geldlohn geboten. Schon war es ihnen gelungen, den Einen der Helden Tyrols zu erfassen, Peter Mayer war in ihre Gefangenschaft gerathen, und vom Kriegsgericht zum Tode verurtheilt, war er erschossen worden. Aber die übrigen Helden und Anführer des Freiheitskampfes hatte man noch nicht entdecken, ihrer hatte man noch nicht habhaft werden können, trotz des hohen Blutgeldes, das man auf ihren Kopf gesetzt. Joseph Speckbacher, auf den die feindlichen Soldaten am meisten fahndeten, den sie in allen Thälern und auf allen Höhen suchten, um dessentwillen sie die Hütten seiner Freunde durchsuchten, und diese Freunde hohen Geldbußen und Martern unterzogen, weil sie den geliebten Commandanten nicht verrathen wollten, Joseph Speckbacher war und blieb verschwunden, eben so Pater Haspinger Speckbacher hatte sich lange unter unsäglichen Gefahren in den Bergen umher getrieben, immer gefolgt von den Feinden, immer durch Kühnheit und List ihnen entfliehend. Zuletzt war er Wochen lang in der furchtbarsten Kälte in einer Sennhütte gewesen. Da fanden ihn eines Tages zwei Freunde, die ihm Nahrung bringen wollten, mit erfrornen Gliedern, halb schon erstarrt von der Kälte, am Boden liegen. Sie trugen ihn daher in der Nacht auf einsamen Seitenwegen zwei Stunden weit hinab nach seinem Hause am Rinn und legten ihn dort in dem unweit vom Hause befindlichen Stallgebäude nieder, und entfernten sich dann eilig. Morgens früh kam Speckbacher's getreuer Knecht Zoppel in den Stall und fand dort seinen todesmatten, kranken Herrn. Er grub nun in dem Stall eine Gruft, legte sie mit Stroh aus, bettete darin Speckbacher, überdeckte die Gruft mit Brettern, und warf auf diese Dünger und Stroh, nur ein Luftloch für den lebendig Begrabenen übrig lassend. Sehr oft kamen bairische Patrouillen und Soldaten, die in Speckbacher's Haus ihr Standquartier genommen, und visitirten nebst den andern Gebäuden auch den Stall, ohne den Versteck zu finden. Sechs Wochen lag Speckbacher in diesem Grabe, ohne daß Zoppel auch nur seinem Weibe den Aufenthalt ihres Mannes vertraut hätte, aus Furcht, sie möchte sich in ihrer Angst verrathen. Dann, da die Ruhe und Wärme seine erfrornen Glieder geheilt hatte, ging Speckbacher aus seinem Grabe wieder hervor, es gelang ihm nun über die vom Schnee befreiten Alpen zu entfliehen, und er gelangte glücklich nach Wien.
Pater Haspinger flüchtete unter vielen Gefahren mit Hülfe treuer Freunde nach der Schweiz, woselbst er ein Jahr lang blieb, und dann nach Oesterreich und Wien sich begab.
und Anton Wallner.

Gegen diesen Letztern, den gefürchteten Commandanten von Windisch-Matrey, hatte sich der Zorn des Generals Broussier besonders gerichtet, und er hatte einen Preis von tausend Ducaten Demjenigen versprochen, der den »gefährlichen Aufwiegler und Räuberhauptmann Anton Aichberger Wallner« verhaften und an die französische Behörde ausliefern werde.

Aber Wallner war und blieb verschwunden, ebenso seine beiden Söhne, welche, obwohl sie fast noch Knaben waren, den französischen Behörden auch gefährlich genug schienen, um einen Preis auf ihren Kopf zu setzen. Der treue Knecht Schröpfel aber hatte die Knaben mit hinauf geführt in die Berge, dort blieb er mit ihnen, behütete sie, und ging in den Nächten hinunter nach Matrey, um neue Nahrung hinauf zu schleppen zu den einsamen Flüchtlingen.

In dem stattlichen Hause Anton Aichberger Wallner's war jetzt Alles öde und still. Nur Wallner's Weib und seine Tochter Elise bewohnten dasselbe, und in trostloser Einsamkeit und Stille, in beständiger Sorge und Angst vergingen ihnen die Tage.

Elise Wallner war jetzt ganz allein, allein und freudlos. Ihre geliebte Elza hatte sie seit ihrer Vermählung nicht wiedergesehen. Sie selber war ja in jener Nacht noch mit Pater Haspinger von dannen gewandert, nach ihrem Vater hin. Elza war mit ihrem jungen Gemahl in Innsbruck geblieben, dort war schon am nächsten Tage der alte Baron gestorben, und Elza war, nachdem man ihren Vater begraben, mit ihrem jungen Gemahl nach München abgereist. Von dort aus schrieb sie zuweilen voll inniger Zärtlichkeit an ihre geliebte Freundin Elise, – diese Briefe waren jetzt der einzige Freudenstrahl, der Elisen die düstere Gegenwart erhellte, diese Briefe erzählten ihr von dem Glück der Freundin, von ihrer Liebe zu dem jungen Gemahl, der sie durch seine Güte und Liebe an jedem Tage neu beglückte.

Auch heute in der Abendstunde hatte Elise einen Brief von ihrer Freundin erhalten; mit einem trüben Lächeln las sie Elza's Schilderung ihres häuslichen Glückes, und ihr selber unbewußt hatten sich ihre Augen mit Thränen gefüllt, die langsam über ihre bleichen Wangen niederrollten.

Sie wollte sie rasch abtrocknen, aber ihre Mutter, die ihr gegenüber bei der Lampe saß, und emsig zu nähen schien, hatte sie schon gesehen.

Was weinst, mein Liesel? fragte sie. Hast schlimme Nachrichten von der Elza?

Elise schüttelte traurig lächelnd ihr Haupt. Nein, lieb Mutterle, sagte sie, mein' Elza ist, Gott sei Dank, gesund und glücklich, und das ist meine einzige Freud'!

Und doch weinst, Elise?

Hab' ich denn geweint? fragte sie. Es war wohl eine Freudenthräne über das Glück meiner Elza, mein' ich.

Nein, Liesel, es war keine Freudenthräne, rief ihre Mutter schmerzlich. Ich seh' Dich oft weinen, wenn Du meinst, daß ich's nit merk' und kein Acht darauf hab'. Du grämst Dich, Liesel, streit's nit, Du grämst Dich. Hast Deiner Elza Deine Lieb' und Dein Glück geopfert, und sie weiß es nit einmal, und dankt Dir's mit, und Du wirst Dich still zu Tode grämen, ich seh's ja, wie Du Dich härmst, und alle Tag' blässer wirst und magerer, und gar nit mehr lachen kannst. Ja, ja, zu Tode wirst Du Dich grämen, denn Du liebst ihn noch, den Herrn Ulrich von Hohenberg.

Nein, rief Elise heftig und mit erglühenden Wangen, ich lieb' ihn nit! Ich hab' meine Lieb' eingesargt in meinem Herzen, und da ruht sie wie eine Reliquie im Heiligenschrein, ich denk' wohl an sie, ich bet' zu ihr, aber ich hab' keine unheiligen Gedanken und keine sündigen Wünsche. Ich freu' mich, daß mein' Elza so glücklich ist, gewiß, ich freu' mich und dank' Gott dafür. Aber wie kann ich denn heiter sein und lachen, Mutterle, so lang' mein herzlieber Vater nit daheim ist? Wie ein Verbrecher muß er sich verstecken, wie ein wildes Thier hetzen sie ihn umher, und immer ist er in Gefahr, und immer müssen wir in Sorge um ihn sein. Und ich kann Nichts für ihn thun, kann seine Gefahren nit mit ihm theilen, nit bei ihm sein in der schrecklichen Einsamkeit da droben auf der Alp, muß meine Hände in den Schooß legen, und Alles ruhig geschehen lassen, kann Nichts thun und Nichts helfen, bin Niemandem Etwas nütze, nicht dem Vater, nicht den Brüdern, und nicht Dir, mein Mutterle! Dem Vater und den Brüdern kann ich nicht helfen, Dich kann ich nicht trösten und aufrichten, denn ich bin selber ohne Trost und ohne Hoffnung, und darum gräm' ich mich, und darum wollt' ich – Was war das, Mutter, hat's da nit an die Fensterlade geklopft?

Still, still, flüsterte die Mutter, laß uns hören!

Mit angehaltenem Athem horchten sie, ja, es war keine Täuschung, da klopfte es zum zweiten Mal, und eine Männerstimme flüsterte: Frau, seid Ihr drin? macht auf!

Es muß ein guter Freund sein, denn die Hunde haben nit angeschlagen, sagte Elise, wir wollen ihn einlassen!

Sie nahm die Lampe und schritt beherzt hinaus, den Riegel von der Hausthür aufzuschieben und sie zu öffnen.

Ja, sie hatte sich nicht getäuscht, es war ein guter Freund, der da eintrat, einer von den wenigen Freunden, der Anton Wallner nicht verleugnete, und von seiner Familie sich nicht abwandte, seit sie geächtet und in Unglück war.

Ihr bringt schlimme Nachrichten, Peter Siebermeier? fragte Elise angstvoll, in das bleiche, entsetzte Antlitz des Tyrolers blickend.

Ja, leider, schlimme Nachrichten, seufzte Siebermeier, hastig in das Wohnzimmer eintretend und Frau Wallner die Hand darreichend. Frau Wallner, sagte er in athemloser Eilfertigkeit, Euer Mann ist gar in großer Lebensgefahr, und nur die eiligste Flucht kann ihn retten.

Die Frau sank mit einem lauten Schrei auf ihren Sessel nieder, und rang die Hände, und weinte laut. Elise weinte nicht, sie war ganz gefaßt und muthig. Sagt mir, Siebermeier, was können wir thun für den Vater? fragte sie. Was für eine Gefahr bedroht ihn?

Ein böser Mensch, ich glaub' der Gerichtsschreiber, hat's den Franzosen verrathen, daß der Anton Wallner noch in der Näh' sei, und auf einer Alp hause. Der General Broussier will ihn fangen lassen, und morgen früh zieht ein ganzes Bataillon Executionstruppen hinaus, um den Berg bei Ober-Peischlag zu besetzen und einzunehmen.

Herr Gott, erbarm' Dich, mein Mann ist verloren, jammerte die Frau, jetzt kann ihn Nichts mehr retten!

Still, Mutter, still, sagte Elise fast gebieterisch, wir dürfen jetzt nit weinen, wir müssen auf Rettung denken. Sagt, Freund Siebermeier, giebt's eine Rettung?

Es gäb' wohl eine, sagte Siebermeier, aber wie soll's zu ihm gelangen. Ein Freund aus dem Gericht hat mir die Nachricht gebracht, ganz heimlich, und hat mir gesagt: wenn der Aichberger sich noch retten kann, so muß es diese Nacht geschehen. Nun hört, was ich mir ausgedacht hab'. Ich wollt' morgen früh von Haus wandern, und mit meinen Teppichen und Decken hinauswandern zum Handel, denn das Geld ist knapp in diesen schlimmen Zeiten. So hab' ich mir denn einen Paß schreiben lassen für mich und meinen Buben, der mir das Pack trägt. Hier ist der Paß, und schaut nur, die Beschreibung paßt so ziemlich auf den Wallner. Er ist von meiner Statur und meinem Alter, hat mein Haar und meinen Bart, so könnt' er ganz gut für mich gelten. Ich wollt' ihm gern meinen Paß leihen, und derweil mich zu Hause verstecken, und thun, als läg' ich krank im Bett. Der Paß gäb' ihm Sicherheit, und damit könnt' er fliehen, müßt' freilich immer auf der Höh' bleiben, denn hier unten kennt ihn Jedermann. Aber der Paß kann ihm doch nicht helfen, wenn Niemand da ist, der ihn hinaufträgt. Ich thät's gern, aber die Wunde, die ich da in der Seit' im letzten Scharmützel mit den Baiern bekommen hab', die hindert mich am Bergsteigen, und es würd' ihm auch nit viel nützen, wenn ich käm', denn wir Zwei könnten doch nit zusammen wandern, der Paß lautet auf zwei Personen, auf den Teppichhändler Siebermeier und seinen Buben, der den Ballen trägt.

Der Bub' ist mit keinem Signalement bezeichnet, d'rum dacht' ich wenn Ihr einen von Euren Söhnen in der Nähe hättet, so könnte der mit dem Paß hinaufgehen, dem Vater die Warnung bringen, und mit ihm fortwandern über die Höhen.

Sie sind aber Beide fort, die Buben, klagte die Frau, der Schröpfel hat sie hinaufgebracht in die Sennhütt' bei Ober-Lindau und ist bei ihnen. Wir Zwei sind ganz allein, und keine Hülf' ist da, und keine Rettung für meinen lieben Mann.

Ja, Mutter, es ist Rettung da, rief Elise, glühend vor Aufregung, ich geh' hinauf zum Vater! Ich bring' ihm die Warnung und den Paß, und ich flieh' mit ihm!

Du! rief die Mutter entsetzt. Aber das ist ja unmöglich armes Kind. Du kommst nit hinauf, es ist ein harter Weg für Männer, wie sollt' ein Mädel ihn machen können, zumal bei Nacht und bei dem Sturm und Schneegestöber.

Ihr werdet's nit können, Liesel, sagte der Bauer, der Weg ist steil und weit, Ihr werdet versinken im Schnee, und Eure Schuh' werden stecken bleiben, und Eure Kleider wird der Wind fassen!

Kein Weg ist zu steil für mich, wenn ich den Vater retten kann, rief Elise begeistert. Ich muß zu ihm hinauf und Gott wird mich schützen, daß ich's kann. Wartet hier einen Augenblick, ich komm!' gleich wieder, mach' mich nur fertig zu der Reise, dann gebt mir den Paß!

Sie geht in den Tod, wimmerte Frau Wallner hinter der Enteilenden her, oh ich unglückliches Weib, ich verliere meinen Mann, die Buben, und nun auch noch das Mädel! Und Alles für Tyrol, und Alles umsonst, denn Tyrol ist doch zu Grund gegangen und wir sind All' umsonst in's Unglück und Elend gekommen!

Und der Feind wüthet im Land, wie ein rechter Blutrichter und Henker, sagte Siebermeier ingrimmig, ganze Dorfschaften steckt er in Brand, wenn er meint, daß da ein Flüchtling verborgen ist; hohe Kriegssteuern schreibt er aus, die nit zu erschwingen sind, und wenn's Geld nit da ist, läßt er's Vieh forttreiben, und pfändet die Wirthschaft aus. Nichts als Wehklag' und Jammer dringt durch die Thäler hin, und das ist der blutige Gewinn für all unser Kämpfen und Ringen.

Die Thür öffnete sich eben, und Elise kehrte zurück, aber nicht in ihren Mädchengewändern, sondern in der Tracht eines Tyroler Bauerburschen.

Herr Gott, sie hat die Sonntagskleider von ihrem Bruder Wilm angezogen, rief die Mutter mit einem schmerzlichen Lächeln, und wie sie ihr passen, als wenn er's selber wär'!

Jetzt, Siebermeier, sagte Elise, ihm die Hand entgegenstreckend, jetzt gebt mir den Paß. Der Mond geht auf, ich muß fort.

Horch nur, Mädel, wie der Wind heult, jammerte ihre Mutter, hör', wie er gegen die Fenster schlägt, als wollt' er uns warnen nit hinaus zu gehen! Oh Liesel, meine letzte Herzensfreud', geh nit von mir! Ich hab' Nichts mehr, als Dich, bleib' bei mir, mein Liesel, verlaß Deine Mutter nicht! Du gehst in den Tod, mein Liesel! Bleib' hier, sei barmherzig und bleib' hier!

Ich muß zum Vater, rief Elise, sich sanft den Armen ihrer Mutter entwindend. Gebt her den Paß, Freund Siebermeier.

Ihr seid ein tapfer Mädel, sagte Siebermeier gerührt, der liebe Herrgott und die heilige Jungfrau werden Euch beschützen! Da, nehmt den Paß, Ihr seid's werth, ihn zum Vater hinauf zu tragen.

Und ich trag' ihn zu ihm, oder ich sterb' unterwegs, rief Elise begeistert, das Papier hoch emporschwingend. Nun, mein lieb Mutterle, nun weine nicht, sondern gieb mir Deinen Segen mit auf die Reise!

Sie kniete vor ihrer Mutter nieder, und diese legte segnend ihre Hand auf ihr Haupt.

Herr, mein Gott, rief sie feierlich, nimm sie gnädig in Deinen Schutz, und behüte sie auf dem frommen Weg, den sie wandeln will. Nimm den Segen Deiner Mutter, mein Liesel, und denk', daß ihr Herz und ihre Liebe mit Dir geht.

Sie neigte sich und drückte einen langen Kuß auf das Haupt ihres Kindes.

Nun muß ich fort, es ist die höchste Zeit, sagte Elise, mit der Kraft ihres Willens ihre Thränen zurückdrängend. Lebt wohl, Freund Siebermeier, der Herr und seine Heiligen werden Euch lohnen, was Ihr Gutes für uns gethan habt!

Der beste Lohn wird sein, wenn der Wallner gerettet ist, sagte Siebermeier, ihr die Hand drückend.

Nun noch einen Kuß, Mutterle, den letzten! rief Elise, und sie schlang ihre beiden Arme um ihrer Mutter Nacken und küßte sie innig. Bet' für mich, und behalt mich lieb, flüsterte sie, und wenn ich nit wieder heimkomm', und wenn ich um's Leben komm', Mutterle, so schreib's an Elza, und an ihn, und schreib', daß ich gestorben sei in Lieb und Treu'! Leb' wohl!

Sie machte sich hastig los, und flog durch das Gemach hin, nicht achtend des Schmerzensrufes ihrer Mutter, nicht zurückblickend nach ihr. Vorwärts mußte sie, vorwärts! Es war die höchste Zeit!

Nun stand sie draußen auf der Straße. Der Schnee schoß ihr wirbelnd in's Gesicht, der heulende Wind fegte und peitschte ihre Wange, daß sie brannte und schmerzte, aber der Mond stand am Himmel und beleuchtete ihren Weg. Denselben Weg, den sie damals mit Ulrich gewandelt, als sie ihn rettete! Jetzt war sie allein, aber ihr Muth war bei ihr, und ihr Gottvertrauen; gehoben und gestählt durch die Liebe zu ihrem Vater, wanderte sie den steilen Bergpfad hinan. Zuweilen wohl versetzte der schneidende Wind ihr den Athem, zuweilen faßte er sie mit solcher Gewalt, daß sie taumelnd sich an irgend einem Felsvorsprunge anklammern mußte, um nicht hinunterzustürzen von dem schmalen Weg in den Abgrund, der zu ihren Füßen gähnte. Zuweilen fuhren auch dicht neben ihr mit donnerndem Krachen Lawinen nieder, und hüllten sie ein in eine Wolke von Schnee, aber der Mond stand immer noch hell am Himmel, und leuchtete ihr auf ihrem Wege, und muthvoll schaute Elise empor, und nicht achtend der eigenen Gefahr, betete sie nur leise in ihrem Herzen: gieb, mein Gott, daß ich den Vater retten kann! Laß mich nicht sterben, ehe ich bei ihm bin!


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