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Im Wirthshaus des Anton Steeger zu Lienz war heute ein reges Leben gewesen, und viel war da geredet und gesprochen, viel gejammert und geflucht worden. Die angesehensten Anführer der Tyroler waren dort, gehorsam dem Ruf Andreas Hofer's, zusammen gekommen, und nach Hofer's Vorschlag hatten sie gemeinschaftlich eine Bittschrift aufgesetzt an den Kaiser Franz, der sich jetzt in Ungarn auf einem Schloß des Fürsten Liechtenstein befand. Der Schlacht von Wagram war nach wenigen Tagen eine nicht minder schlimme Kunde gefolgt. Der Erzherzog Carl hatte zu Znaym am zwölften Juli einen Waffenstillstand mit Napoleon geschlossen. Bis zum zwanzigsten August sollten demnach alle Feindseligkeiten eingestellt werden, aber die Oesterreicher sollten während dieser Zeit ihre Truppen aus Tyrol, Steiermark und Kärnthen ganz herausziehen, und die von ihnen besetzten festen Plätze wieder den Baiern und Franzosen übergeben.
Diese schmerzlichen Bedingungen des Waffenstillstands waren es gewesen, welche Andreas Hofer veranlaßt hatten, einige seiner Freunde in Lienz um sich zu versammeln, und mit ihnen eine Bittschrift an den Kaiser zu richten, in welcher sie in treuer und rührender Demuth ihn baten, sich ihrer Noth und ihrer Liebe zu erbarmen, und sein treues Tyrol nicht zu verlassen. Man habe ihnen gesagt, daß die österreichischen Truppen, den Bedingungen des Waffenstillstands gemäß, Tyrol verlassen sollten, aber damit sei noch nicht gesagt, daß die Franzosen und Baiern nun wieder das Recht haben sollten, Tyrol zu besetzen, und dies möchte der Kaiser verhüten, und möchte es nicht dulden, daß seine getreue Grafschaft Tyrol wieder vom Feind besetzt werde.
Das war der Inhalt der Bittschrift, welche Andreas Hofer und die Anführer der Tyroler heute beim Anton Steeger zu Lienz aufgesetzt und unterzeichnet hatten, und welche, als den letzten Nothschrei des geängsteten Tyrols, Jacob Sieberer nach Totis zum Kaiser tragen sollte, während Eisenstecken eine Abschrift der Bittschrift an den General Buol, den Anführer der österreichischen Truppen in Tyrol, übergeben sollte.
Nun war die Nacht gekommen, die Freunde und Kampfgenossen hatten lange schon das Haus Anton Steeger's verlassen, und nur Andreas Hofer war noch bei demselben zurückgeblieben, um mit dem treuen Freunde die Noth der Zeiten und die schlimmen Aussichten in die Zukunft zu besprechen.
Ich kann's nit glauben, daß es Alles so sich verhält, wie sie's uns vorreden, sagte Andreas Hofer seufzend. Der Kaiser, hat uns ja feierlich versprochen, er wollt' nimmer wieder sein getreues Tyrol aufgeben und verlassen, und 's wäre Hochverrath zu denken, daß der Kaiser nit sein Wort halten und getreulich erfüllen wird. Nein, nein, ich sag' Dir's, Anton, der Kaiser und der liebe Erzherzog Hannes die wollen uns sicher nit verlassen, und nur die österreichischen Generäle die haben keine Lust mehr an dem Krieg, und die sehnen sich hinaus aus unsern Bergen, weil sie sich fürchten vor dem Bonaparte, und meinen, er würd's ihnen gedenken, wenn sie dahier bleiben und ihm's Landel nit auf Gnad' oder Ungnad' übergeben.
Ich kann's auch nimmer denken, daß der Franzel uns verlassen sollt', sagte Anton Steeger, beifällig mit dem Kopfe nickend. Der Kaiser liebt uns ja, und er wird uns nit dem Bonaparte dahin geben wollen, dem Gottesleugner Bonaparte, der jetzt erst wieder ein neues Greuel verübt, und den heiligen Papst zu Rom hat gefangen nehmen und aus seiner Hauptstadt hat fortschleppen lassen.
Aber dafür hat ihn der heilige Vater auch in den Bann gethan, rief Andreas Hofer mit flammenden Blicken, dafür hat er den Fluch Gottes und der Menschen herniedergerufen auf das Haupt des Antichristen, und hat es jedem frommen Christen zur heiligen Pflicht gemacht, den Verbrecher zu bekämpfen, der seine frevelnde Hand selbst an die heilige Kirche und den Statthalter Gottes legt. Anton Steeger, ich will Dir etwas sagen: ich kann's nit gutwillig hinnehmen, daß der Franzos wieder in's Land kommen soll, und ich will's nun und nimmermehr leiden, daß die Oesterreicher uns verlassen und von dannen ziehen.
Und wie willst Du's hindern, Anderl? fragte Anton Steeger achselzuckend.
Ich hab's Euch ja heute schon gesagt, wie ich's, wie wir Alle es hindern wollen! Wir lassen die Oesterreicher nit zum Land hinaus, wir halten sie fest mit Bitten, mit List oder mit Gewalt. Hab's ja allen Commandanten aufgetragen, daß sie's so machen sollen, habe Jedem meinen schriftlichen Befehl mitgegeben, den sie den anderen Freunden mittheilen sollen, und worin ich ihnen gebiete, die Oesterreicher nit abmarschiren zu lassen! Denk' doch, ich bin noch immer der Ober-Commandant, und sie werden mir gehorchen, und werden thun, was ich ihnen befehl'.
Wenn sie's können, Anderl, ja gewiß, dann werden sie thun, was Du sagst, aber wenn sie's nun halt nit können? Wenn die Oesterreicher sich nun durch Bitten oder durch List nit bewegen lassen, dahier zu bleiben?
Dann bleibt uns noch das Letzte, dann bleibt uns die Gewalt, rief Hofer stürmisch aus. Dann müssen wir sie zwingen bei uns zu bleiben, dann muß ganz Tyrol wie ein Mann sich erheben, und muß mit seinen starken Armen die österreichischen Soldaten festhalten und sie nimmer lassen. Ja ja, Tonerl, so muß es sein, und so wird es das Richtige und Beste sein. Es muß halt aussehen, als wenn wir die Oesterreicher mit Gewalt zwingen, bei uns zu bleiben, und das wird auch dem Kaiser Franzel das Liebste sein, denn was kann er dafür, daß die Tyroler ihn hindern das zu thun, was er dem Bonaparte in dem Waffenstillstand versprochen hat? Es ist doch halt dann nit des Kaisers Schuld, wenn die Oesterreicher dahier bleiben und wir sie nit hinaus lassen aus den Bergen. Wir müssen sie festhalten, wir müssen's! Und gleich jetzt will ich an den Rothbart, den Pater Haspinger, an den Joseph Speckbacher und den Anton Wallner schreiben. Sie sollen daher kommen zu mir, und mitsammen wollen wir überlegen, wie's zu machen ist, daß Tyrol wieder aufsteht. Gieb mir's Schreibzeug und Papier, Tonerl, ich will zuerst an den Rothbart schreiben, und Dein Sepperl soll den Brief heut Nacht noch zu ihm in's Kloster tragen.
Anton Steeger beeilte sich, das Geforderte herbeizuschaffen, und während Hofer dann seine großen schwerfälligen Schriftzüge über das Papier hinmalte, stand der Freund hinter ihm, und folgte mit aufmerksamem Auge jedem Wort, das Andreas mühsam vollendete.
So vertieft waren sie Beide, der Eine beim Schreiben, der Andere beim Zuschauen, daß sie gar nicht gewahrten, wie hinter ihnen die Thür sich aufthat und der Baron von Hormayr im bestäubten Reiseanzug eintrat. Einen Moment blieb er an der Thür stehen, und blickte neugierig forschend zu den beiden Männern hin, dann schritt er rasch vorwärts, gerade zu Andreas Hofer hin, und ihm die Hand auf die Schulter legend, sagte er: Gott grüß Dich, Anderl, was schreibst denn da?
Andreas schaute empor, und die unerwartete Ankunft des Barons schien ihn dennoch gar nicht zu überraschen. Ich schreib' an den Rothbart, sagte er, ich schreib ihm, daß er sogleich zu mir daher kommen soll. Und wenn ich den Brief an den Rothbart fertig habe, so werde ich auch noch an den Speckbacher und den. Anton Wallner schreiben, daß sie auch hierher kommen, Herr Intendant von Tyrol!
Nenn' mich nicht mehr so, Anderl, sagte Hormayr mit einem leichten Stirnrunzeln. Ich bin nicht mehr Intendant von Tyrol, denn Du weißt ja, wir müssen Tyrol verlassen, und es den Franzosen und Baiern wieder übergeben.
Ich weiß das nit, Herr Intendant von Tyrol, rief Andreas mit einem düstern Zornesblick. Ich weiß blos, daß der Erzherzog Johann Euch zum Militär-Intendanten von Tyrol ernannt hat, und daß Ihr feierlich geschworen habt, uns zu helfen, daß wir wieder österreichisch werden, und es auch bleiben.
Ich denk' auch, Anderl, daß ich mein Wort getreulich gelöst habe, sagte Hormayr ernst. Ich habe mit aller meiner Kraft Euch beigestanden, bin überall aufmunternd, organisirend, fechtend, streitend und vermittelnd unter Euch gewesen, und ich denk', Du wirst mir's zugestehen, daß ich auch meinen kleinen Antheil an der Befreiung Tyrols gehabt, und daß ich mich bewährt habe als gutes und getreues Landeskind.
Nun ja, es ist wahr, murrte Andreas Hofer, Ihr habt viel Gut's gethan, habt namentlich den österreichischen Generälen, die nichts mit uns Bauernvolk zu thun haben, und nicht mit uns gemeinschaftliche Sach' machen wollten, für unsere Sach' gewonnen, denn eine gar gewandte und beredte Zunge habt Ihr, und was sich mit der Zunge ausfechten läßt, das fechtet Ihr aus. Aber jetzt, Herr, wird's nit genug mit der Zung' sein, sondern es muß auch gefochten werden mit dem Schwert!
Behüte der Himmel, Anderl', rief Hormayr, weißt ja, daß der Kaiser Waffenstillstand gemacht hat mit dem Bonaparte, und so lange der dauert, da darf gar nicht gefochten werden mit dem Schwert.
Waffenstillstand hat der Kaiser gemacht? Nun gut denn, so laßt es denn Waffenstillstand sein! Aber Ihr wollt ja nit still stehen blos mit Euren Waffen, sondern Ihr wollt mit ihnen weiter gehen, wollt mit ihnen zum Tyrolerlandl hinausmarschiren. Das scheint mir kein richtiger Waffenstillstand und drum will ich an den Rothbart und die andern zwei Getreuen schreiben, daß sie hieherkommen, und mit mir zusammen überlegen, wie wir's verhüten können, daß Ihr einen unrichtigen Waffenstillstand macht, und uns verlaßt.
Und Recht hat der Anderl, daß er das thun will, rief Anton Steeger. Wir dürfen die Oesterreicher nit zum Land hinaus lassen, und wir wollen's nun und nimmermehr.
Narren seid Ihr, alle Beide, sagte Hormayr achselzuckend. Der Kaiser Franz hat's ausdrücklich versprochen, daß das österreichische Militär Tyrol während des Waffenstillstandes verlassen soll, und also muß es geschehen, damit der Kaiser nicht wortbrüchig werde.
Aber, wenn es geschieht, dann ist der Kaiser uns wortbrüchig, rief Anton Steeger heftig.
Hör' Du, Anton Steeger, sagte Hormayr streng, ich bin hieher gekommen, um mit dem Andreas Hofer zu sprechen, und ich hab' ihm etwas Wichtiges zu sagen. Sei also so gut, und geh' hinaus, und laß mich allein mit ihm.
Ich denk' wohl, der Anderl hat kein Geheimniß vor mir, und ich könnt' also hier bleiben. Sag', Anderl, ist's nit so?
Es ist so! Sprecht immerhin, Herr Intendant, der Tony darf Alles hören.
Nein, Anderl, ich werd' nit sprechen, wenn ich nicht allein mit Dir bin, und was ich Dir zu sagen habe, ist sehr wichtig für Dein Tyrolerland. Aber nur Du allein darfst es erfahren!
Wenn's so ist, so geh' hinaus und laß mich allein mit dem Herrn Intendanten, sagte Hofer, dem Freunde die Hand zum Abschiedsgruß darreichend.
Anton Steeger verließ mit einem zornigen Blick auf Hormayr das Zimmer. Ich weiß wohl, weshalb er mich fort haben wollte, brummte er, als er draußen auf dem Hausflur stand. Er will den Andreas Hofer bearbeiten, will ihn bereden, daß er mit den Oesterreichern fortzieht und Tyrol im Stich läßt. Er denkt, wenn er den Anderl allein hat, so wird er eher nachgeben, weil er ein schwacher und gutherziger Mann ist, der Jedem möcht' zu Willen leben. Denkt, wenn ich dabei wär', würd' ich dem Andreas in's Gewissen reden, und würd's nit leiden, daß er unsere Sach' im Stich läßt, und den Andern ein schlimmes Beispiel giebt! Nun, ich werd' mich auf der Lauer halten, und wenn der Herr Intendant mir den Anderl mit fortnehmen will, so halt' ich ihn mit Gewalt hier fest. –
Drinnen im Zimmer waren also jetzt der Herr von Hormayr und Andreas Hofer allein mit einander geblieben. Als die Thür sich hinter Anton Steeger geschlossen hatte, reichte Hormayr mit freundlichem Kopfnicken Andreas Hofer seine Hand dar.
Jetzt sind wir allein, Anderl, sagte er, und jetzt wollen wir ein vertraulich Wort mit einander reden, das Niemand hören soll, als wir Zwei.
Bedenket aber immerhin, daß auch der Herrgott zugegen ist, und uns zuhört, sagte Andreas Hofer mit einem frommen Blick gen Himmel.
Wir wollen ja auch nichts reden, was den lieben Herrgott ärgern könnt', rief Hormayr lachend. Wir wollen von Dir reden Anderl, von Dir und von Tyrol. Bitten wollt' ich Dich Anderl, daß Du Dein Herz nicht verstocken und gegen guten Rath verschließen sollst, bitten wollt' ich Dich darum im Namen des Erzherzogs Johann, der mich zu Dir schickt, und seinen lieben und getreuen Anderl schön grüßen läßt.
Was hat der Erzherzog gesagt? Was will er von mir? fragte Andreas schnell.
Er will, daß Andreas Hofer still und geduldig, wie er selber es thut, sich den Befehlen des Kaisers fügt; er will, daß Andreas Hofer sich in das Nothwendige schickt, und nicht mehr Hader und Zwietracht säet, sondern sich in Demuth und Gehorsam, wie ein guter Christ, dem Willen seines Herrn unterordnet. Er will, daß Andreas Hofer allen Tyrolern mit gutem Beispiel vorangeht, und nichts unternimmt, was gegen die Artikel des Waffenstillstands verstößt, und endlich will der Erzherzog Johann, daß sein lieber Andreas Hofer für sich und die Seinen sich sein Leben und seine Freiheit sichere, deshalb mit den österreichischen Truppen zugleich Tyrol verlasse und sich auf einige Zeit in den Schutz des österreichischen Heeres begebe.
Nie und nimmermehr werde ich das thun, rief Andreas heftig, nie werde ich mein liebes Landel verlassen! Hab's geschworen in die Hand des Priesters und in meinem eigenen Herzen, daß ich, so lang' ich lebe, will treu sein meinem Gott, meinem Kaiser und meinem Tyrolerland, daß ich meinen letzten Blutstropfen will hingeben für unsere Freiheit, unsere Verfassung und unseren Kaiser, und nimmer werd' ich meinen Schwur brechen, nimmer als ein ungetreuer Soldat meine Fahne verlassen!
Aber Anderl, Du sollst sie auch nicht verlassen, sollst sie nur auf eine Zeit lang in Sicherheit bringen! So hör' mich doch an, Anderl, laß Dir doch sagen, wie es steht! Du denkst, es ließe sich noch Alles ändern, und es wär' noch zu machen, daß ihr die Oesterreicher in Euren Bergen zurückhieltet. Aber es ist leider schon zu spät. Schon hat der General, Freiherr von Buol, die zerstreuten österreichischen Corps zusammengezogen, und ist in dieser Nacht von Brixen nach Schabs marschirt. Dort könnt Ihr ihm nichts anhaben, sein Geschütz und seine Munition ist dort in Sicherheit, und Ihr werdet's nicht hindern können, daß er mit seinen Truppen heut noch nach Kärnthen abmarschirt.
Aber wir können's verhindern, daß der General Schmidt die Festung Sachsenburg an den General Rusca übergiebt, rief Andreas triumphirend.
Meinst, weil Du den Commandanten Joseph Türk in Ober-Kärnthen geschrieben hast, daß er die Festung Sachsenburg überfallen und besetzen soll, ehe der Rusca da ist, so sei's auch schon geschehen? Schaust mich verwundert an, Du großes Kind? Sieh hier, da ist Dein Handschreiben an den Joseph Türk! Die Unsrigen haben's aufgefangen und angehalten, und der Joseph Türk hat also die Festung nicht überfallen, und der General Rusca ist schon in dieselbe eingezogen.
Es ist wahrhaftig meine Handschrift, seufzte Andreas, das Papier anstarrend, das Hormayr ihm dargereicht. Sie haben's dem Joseph Türk nit zukommen lassen, sie respectiren nit mehr, was ich sag' und thu'!
Sie dürfen's nicht respectiren, Anderl, denn ein Höherer als Du hat andere Befehle ertheilt, der Kaiser hat befohlen, daß seine Soldaten Tyrol räumen sollen. Es ist dem Kaiser gewiß hart gefallen, daß er's hat thun müssen, und ich weiß, daß der Erzherzog Hannes geweint hat vor Schmerz und vor Wuth, als er's dem General von Buol melden müssen, daß er mit den Truppen Tyrol verlassen sollt. Aber er hat sich doch der Nothwendigkeit gefügt, und Du wirst ihm nacheifern, Anderl und wirst Dich auch fügen.
Was soll ich denn thun, was verlangt Ihr von mir? fragte Andreas mit Thränen in den Augen.
Der Erzherzog Johann, der verlangt von Dir, daß Du Dich aufsparst für bessere Zeiten, Anderl. Er läßt Dich beschwören, Dein Leben und Deine Person in Sicherheit zu bringen, nicht blos um Deines Weibes und Deiner Kinder willen, sondern um Dein Vaterland, um Deine Heimath, Andreas. Glaube mir nur, Mann, es werden schwere Zeiten kommen, und dunkle Unwetter werden hereinbrechen über Tyrol. Schon rückt von allen Seiten der Feind heran, Franzosen und Baiern haben in dieser Stunde schon die Grenzen Tyrols überschritten, um es auf's Neue zu besetzen.
Und all' unser Blut ist umsonst vergossen, rief Hofer in Thränen ausbrechend. Alle die treuen Tyroler, die in der Schlacht gefallen sind, haben ihr Leben umsonst dahin gegeben. Wir haben tapfer gestritten und gekämpft, der liebe Herrgott hat uns seinen Beistand verliehen in der Schlacht, aber die Menschen haben uns verlassen, und selbst der Kaiser, für den wir gekämpft haben, der will uns nit Wort halten, und will uns seinen Beistand nit schenken in der Noth.
Der Kaiser wird niemals sein getreues Tyrol verlassen, sagte Hormayr, nur müßt Ihr Geduld haben. Er kann jetzt nichts thun, kann nicht sein ganzes Reich gefährden, um die kleine Grafschaft Tyrol sicher zu stellen. Es ist ja für den Augenblick unmöglich, Widerstand zu leisten, aber der Kaiser benutzt jetzt die Zeit des Waffenstillstands, um eine neue Armee zu sammeln, und dann, wenn der Krieg wieder beginnt, wird er zuerst an Tyrol gedenken, und wird es wieder befreien vom Feind.
Bis daß diese Zeit aber gekommen ist, müßte Tyrol selber sich frei halten, sich selber beschützen, rief Andreas Hofer mit blitzenden Augen. Hört, was ich Euch sagen will, Herr Intendant, und was mir der liebe Gott selber eingiebt, Euch zu sagen. Ich seh's ein, daß der Kaiser in diesen Tagen nit selber für Tyrol sprechen, und nit befehlen kann, daß seine Truppen im Land zurückbleiben, seh's ein, daß der Kaiser, der jetzt eben in großen Nöthen, und vom Bonaparte hart bedrängt ist, nit öffentlich und frei für uns sprechen und handeln kann. Aber bis er's wieder kann, sollt' Einer den Muth haben, seine Stelle zu vertreten, und als der Statthalter des Kaisers Tyrol beschützen und vertheidigen gegen den Feind. Ihr, Herr Intendant, Ihr seid der Mann, der das thun muß! Ihr habt uns oft geschworen, daß Ihr Tyrol liebt, Ihr habt Euch uns immer als patriotisch und muthig darstellen wollen, jetzt beweiset, daß Ihr es wirklich seid! Statt in dieser großen Gefahr Tyrol zu verlassen und es dem Feinde Preis zu geben, nehmt es an Euch, beschützt es vor dem Feind, bewahret es dem Kaiser! Macht Euch zum Herzog von Tyrol, übernehmt die Regierung und die oberste Leitung der Vertheidigung! Ruft als vorläufiger Herzog das getreue Volk zu den Waffen, und es wird aufstehen wie Ein Mann, und wird seine Grenzen vertheidigen gegen jeden Feind. Beherrschet Tyrol an des Kaisers Statt, bis der liebe Kaiser wieder selbst im Stand' sein wird, sich öffentlich und förmlich um unser liebes Tyrol zu bekümmern, und uns wieder an sein Herz zu nehmen. Gallerie der Helden: Hofer. S. 103.
Unsinn ist's, Anderl, was Du da sprichst, rief Hormayr achselzuckend. Zum Herzog von Tyrol sollt' ich mich machen, damit die ganze Welt mich verlachte, und der Kaiser mich als einen Rebellen bestrafen ließe?
Nun denn, rief Andreas Hofer mit mächtiger Stimme, wenn Ihr's nit wollt, so werd' ich's selber thun! Werd' mich ohne Weiteres dem Regiment unterziehen, und mich halt nennen: »Andre Hofer, Sandwirth zu Passeyr, so lange es Gott geliebt, Graf von Tyrol.« Andreas Hofer's eigene Worte. Siehe: Hormayr: Andreas Hofer.
Das wirst Du nicht thun, Anderl, sagte Hormayr ernst, wirst vielmehr Vernunft annehmen, und nicht aus irdischem Hochmuth Dein Land, Deine Freunde, und Dich selber in Gefahr bringen. Bedenk', Andreas, das Blut, was vergossen würd', wenn Du jetzt Aufruhr und Empörung machst, es würd' auf Dein Haupt fallen, und Du würdest der Mörder sein aller Derer, welche im Kampf fielen, den Du so trotzig und wider Deines Kaisers Befehl angeregt hättest. Beuge Dein Haupt, Anderl, und füge Dich, wie wir Alle es thun. Uebergieb Deine und unsere Sache Gott; da sie gut ist, wird er sie nicht fallen lassen, sondern sie zu rechter Zeit wieder in seine Hand nehmen.
Ich glaub's wohl, seufzte Andreas, aber wie kann ich ruhen, da ich doch, wie Ihr mir oft gesagt habt, das Werkzeug Gottes bin, durch welches er das liebe Tyrol frei machen, und es vom Feinde erlösen will? Und was würden meine tapferen Unter-Commandanten sagen, wenn der Ober-Commandant Andreas Hofer jetzt in dieser schweren Noth das Land verließe, da er doch geschworen, es zu vertheidigen, so lange er lebt? Würden sie nit mit Fingern auf mich weisen, und mich einen hartherzigen Verräther schelten, einen Judas Ischarioth, der sein Land verkauft um seiner eigenen Sicherheit willen?
Siehst, Anderl, wie sehr Du Dich irrst? Meinst, Deine Freunde, die Unter-Commandanten und Hauptleute, mit denen Du gekämpft und gestritten hast für die Freiheit Tyrols, die würden Dich verachten, wenn Du jetzt mit den Oesterreichern davon zögst, und Dein Leben in Sicherheit brächtest? Nun merk' wohl auf, Mann! Deine liebsten Freunde, die tapferen Tyroler Hauptleute, denen Du am meisten vertrauest, die werden heute noch aus freier Wahl Tyrol verlassen, und mit unseren österreichischen Truppen nach Kärnthen ausmarschiren.
Das ist nit wahr, das ist nit möglich! rief Andreas heftig. Der Speckbacher thut's nimmer.
Der Joseph Speckbacher thut's wohl, Anderl. Hab' ihn heute in der Frühe gesehen und gesprochen. Er hat sich gewehrt und vertheidigt, so lang' er konnte, aber jetzt, da der Waffenstillstand ihn zwingt das Schwert aus der Hand zu legen, da überdies die Baiern und Franzosen wieder in's Land einrücken, jetzt fühlt er, daß es besser ist, sein Leben in Sicherheit zu bringen, als hier von dem rachsüchtigen Feind gefangen und gehangen zu werden. Der Speckbacher hat also das Anerbieten der österreichischen Offiziere angenommen und wird mit ihnen ziehen.
Der Joseph Speckbacher wandert aus und verläßt Tyrol, murmelte Andreas kummervoll vor sich hin.
Und nicht Er allein, Andreas, sondern auch der Aschbacher, der Püchler, der Sieberer und viel andere brave Tyroler Hauptleute ziehen mit den Oesterreichern fort. Sie lassen Dich Alle beschwören durch meinen Mund, ihrem Beispiel zu folgen, und gleich ihnen, der Todesgefahr zu entfliehen, die Euch Alle bedroht. Oh, glaube ihnen, glaube mir, Mann, wenn Du hier bleibst, werden die Baiern nicht eher ruhen, bis sie Dich eingefangen haben, bis sie den verhaßten Feind, den gefürchteten Barbone in ihre Gewalt bekommen. Lieber Anderl, denk' an Dein Weib daheim, an die treue gute Anna Gertrud Ladurnerin, die Abends und Morgens für Dich betet, und vom lieben Herrgott erfleht, daß er ihrem herzlieben Mann das Leben erhalte, denke an Deine lieben Kinder, deren einziger Beschützer und Ernährer Du bist, mache dein liebes Weib nicht zur Wittwe, Deine guten Kinder nicht zu Waisen! Andreas Hofer, dem Vaterlande kannst Du jetzt nichts nützen, so rette Dich denn für Weib und Kind!
Mein gutes Weib, meine lieben Kinder, seufzte Andreas gerührt, es ist wahr, sie haben mich sehr lieb, und sie würden recht allein und verlassen sein auf der Erden, wenn ihnen der Vater fehlte!
So erhalte ihnen den Vater, Andreas, und zugleich erhalte Dich dem Vaterlande! Nimm Dir ein Beispiel an Deinen tapferen Freunden, mach' es wie Speckbacher, wie Aschbacher, wie Sieberer und all' die Andern, komm mit uns, verlasse Tyrol auf eine kurze Zeit, um dann, wenn die Zeit gekommen ist, wieder zurückzukehren und auf's Neue für das Vaterland zu streiten!
Der Speckbacher geht, und all' die Andern auch, murmelte Andreas vor sich hin. Tyrol fällt wieder in Feindes Hand, und Alles ist umsonst gewesen!
Er senkte sein Haupt auf seine Brust, und seufzte tief auf.
Komm, Andreas, sei vernünftig, denk' an Dich selber und an Deine Familie, bat Hormayr. Ich bin hierher gekommen, blos um Dich zu holen, laß mich nicht vergebens den weiten Weg von Brixen hierher gemacht haben. Komm, Andreas, komm! Mein Wagen steht angespannt vor der Thür, laß uns zusammen nach Matrey fahren. Dort erwarten uns Speckbacher, die andern Freunde und die Oesterreicher; noch heute ziehen wir mit ihnen über die Grenze Tyrols, und Du und Ihr Alle seid gerettet. Zaudere also nicht länger, sondern komm!
Es geht nit so hastig, Herr, sagte Hofer, sanft die Hand Hormayr's, der ihn emporziehen wollte, zurückwehrend. Es ist ein gar gewichtiger und folgenreicher Schritt, den ich da machen will, und eh' ich's thun kann, muß ich mich erst mit Gott berathen, und inbrünstig zu ihm beten! Ich bitte Euch also, laßt mich ein Bissel allein, daß ich mir Rath's erholen kann vom lieben Herrgott und von meinem Gewissen!
Nun gut denn, Anderl, ich geb' Dir eine Viertelstunde zum Nachdenken und Ueberlegen, rief Hormayr, sich der Thür nähernd.
Eine Viertelstund' ist nit genug, sagte Andreas kopfschüttelnd. Es ist spät am Abend, und die Nacht ist gemacht, um zu ruhen und zu beten. Bleibet also hier, Herr Intendant, schlaft ein paar Stunden, und morgen früh, wenn die Sonne aufgegangen, so kommt an meine Kammer und weckt mich, dann will ich Euch sagen, was der Herrgott da droben mir befohlen hat, zu thun.
Du giebst mir Dein Wort, Andreas, daß Du die Nacht nicht von dannen gehst?
Ich geb' Euch mein Wort, ich bleib' dahier, Und nun gute Nacht also! Mein Herz ist erschüttert, und ich sehne mich nach Ruhe! Dies hier ist meine Kammer, die ich mir vom Anton Steeger erbeten hab', droben im ersten Stockwerk hat er gar feine Herrenzimmer, und davon wird er Euch eins anweisen. Gute Nacht also, Herr!
Er nickte dem Freiherrn freundlich zu, und ihm die Hand reichend, geleitete er ihn bis zur Thür.