Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

IV.
Die Trauung.

Der Abend war gekommen, und noch immer herrschte Jubel und Freude in Innsbruck. Alle Straßen waren festlich erleuchtet, im Theater gab man eine glänzende Festvorstellung, und die Säle im Schloß begannen schon sich zu füllen mit den geladenen Ballgästen.

Aber während das Schloß heute zum ersten und einzigsten Mal während der Herrschaft Andreas Hofer's im Glanz der Kerzen strahlte, war doch ein Flügel desselben düster, geräuschlos und still geblieben. Es schien, als ob die lauten Stimmen der Welt sich scheuten, hierher zu dringen. Selbst die Schildwacht, die auf dem langen, öden Corridor auf- und abging, trat leiser auf und bekreuzigte sich jedes Mal, wenn sie am Ende dieses Corridors anlangte. Das macht, auf diesem Flügel des Schlosses, am Ende jenes Corridors, lag die kaiserliche Kapelle, und durch die hohen Fenster, welche den Corridor abschlossen, konnte man gerade hinab schauen zu dem Altar mit der ewigen Lampe.

Die Schildwacht war eben wieder langsam und träumerisch den Gang hinauf geschritten, da sah sie auf einmal zwei Gestalten daher schreiten, und ehrfurchtsvoll blieb sie stehen und schulterte das Gewehr. Es war der Ober-Commandant Andreas Hofer im glänzenden Festornate, und neben ihm ging der Rothbart Joachim Haspinzer in seinem braunen Gewande, mit den schweren Lederschuhen an den Füßen.

Als sie nahe zu der Schildwacht gekommen waren, blieb Andreas Hofer stehen und nickte dem Soldaten freundlich zu. Ist nit nöthig, Sepperl, sagte er, daß Du hier in der Einsamkeit stehst und Dein Gewehr schulterst. Ich weiß, bist einer von den flinksten Tänzern im Passeyrthal und weil denn doch einmal getanzt wird im Schloß, so geh' auch hin und tanz'! Der liebe Herrgott wird wohl selber über seine Kapelle hier wachen!

Ich dank' Euch, Ober-Commandant, ich dank' Euch schön, rief der Soldat freudig, und so hastig, wie ihn seine Füße tragen konnten, rannte er den Corridor hinunter.

Wie lustig und wohlgemuth das junge Blut ist, seufzte Hofer.

Und warum bist Du nicht auch wohlgemuth, Bruder Anderl? fragte der Kapuziner. Ist Dir ja doch heut' gar mächtig große Ehr' widerfahren, geehrt haben sie Dich und angejubelt, als wärst Du der Messias. Die ganze Stadt ist heut' Abend erleuchtet um Deinetwillen, und im Theater haben sie drei Mal Tusch geblasen, und das ganze Publikum ist aufgestanden, als der Ober-Commandant eingetreten ist. Aber kaum ist er eine Viertelstunde drin, so schleicht er sich wieder fort, der griesgrämliche Held. Ich schleich' ihm nach, und da finde ich ihn endlich in seinem Schreibzimmer, und während die ganze Stadt um ihn jubelt und juchheit, sitzt er da vor dem Tisch mit Papieren und weint seine dicken Thränen in seinen Bart nieder.

Ich sagt' Dir ja, Bruder, es waren Couriere angekommen von da drunten aus dem Etschland und sie melden, daß es gar traurig dort unten aussieht. Es ist keine Einigkeit und kein Friede da, die Einen wollen nit, was die Andern wollen. Wie hätt' ich mich nun freuen können über all' die große Ehre, die man mir erzeigte, wenn es hin und wieder im Landl doch nit gut aussieht? Andreas Hofer's eigene Worte. Siehe: Bilder und Erinnerungen aus Tyrols Freiheitskämpfen von 1809. Von Loritza S. 13.

Denk' jetzt nicht daran, Anderl. Der Herr hat uns bis hieher geholfen und er wird uns schon weiter helfen, denn unsere Sach' ist gut, und kein Feind kann ihr was anhaben.

Und meinst auch, Bruder Joachim, daß die Sach' gut ist, die wir jetzt vorhaben? fragte Hofer nachdenklich.

Ja, das mein' ich, Barbone, eine gute, Gott wohlgefällige Sach' ist's. Die Liesel Wallner ist ein gar tapfer und hochherzig Mädel, und der liebe Gott und alle Englein müssen ihre Freud' an ihr haben.

Nun, wenn Du's sagst, Bruder Kapuziner, da muß es recht sein, denn Du bist ja ein Diener des Herrn und würdest gewiß nit einwilligen, an geweiheter Stelle den lieben Herrgott zu betrügen.

Gott läßt sich nicht betrügen, sagte der Pater feierlich, nur die kurzsichtigen Menschen! Liesel Wallner aber hat ein helles Auge und einen reinen Sinn, und darum schaut sie hinein in die Zukunft und sieht, was der kurzsichtige Baier nicht sehen kann, und hilft ihm und sich selber vom Abgrund weg, in den sie sonst Beid' hineinfallen würden. Sie ist ein gar prächtig Heldenmädel, und meine rechte Herzensfreud' hab' ich an ihr. Würd' sonst heut' nicht daher gekommen sein, hab's blos um ihretwillen gethan, ihr zu Lieb' und weil sie mich rief. Wir haben sonst gar viel zu thun bei den Verschanzungen am Paß Lueg, und alle Tage erwarten wir, daß der Baier uns angreift. Muß darum gleich heut' Abend wieder den Rückweg antreten, damit ich morgen wieder bei den Unsern bin, wenn's vielleicht zum Kampf kommt.

Der liebe Herrgott verleih' Euch den Sieg, seufzte Andreas. Aber horch, da schlägt's neun Uhr, und der Meßner zündet schon die Lichter vor dem Altar an.

Soll aber nur zwei Lichter anzünden, damit es nit gar so hell ist, rief der Kapuziner. Nun komm hinunter, Bruder Andreas, und vergiß nicht, was Du zu thun hast. Wenn die Braut durch die kleine Seitenthür hereinkommt, so gehst Du ihr entgegen, giebst ihr die Hand, und führst sie zum Altar. Nach der Trauung reichst Du ihr die Hand, und bittest, daß sie Dir erlauben möcht', sie bis in ihr Zimmer zu geleiten.

Es ist schon recht, ich werd's thun, sagte Andreas. Komm, laß uns hinunter gehen, in die Kapell'! –

Ein trübes Dämmerlicht herrschte in der kleinen Kapelle. Nur zwei von den hohen Wachskerzen brannten am Alter, und warfen ihren flackernden Schein auf die kräftige Gestalt des Kapuziners, der vor dem Altar stand, und die Hände in einander gefaltet, leise betete. Ihm ganz nahe, an den Stufen des Altars, stand Andreas Hofer, das Haupt tief geneigt, beide Hände auf das kleine Crucifix gelegt, das neben der goldenen Ehrenkette des Kaisers um seinen Hals hing.

Jetzt hörte man Schritte in dem Mittelgang der Kapelle, und eine hohe männliche Gestalt in dunklem Civilgewande näherte sich dem Altar. Andreas Hofer richtete sich empor und schritt ihr entgegen.

Seid gegrüßt, Herr Hauptmann Ulrich, sagte er freundlich, ich hoff', Ihr nehmt mich an als Zeuge bei Eurer Trauung.

Ich dank' Euch, Ober-Commandant, daß Ihr unser Zeuge sein wollt, sagte Ulrich herzlich, und ich dank' auch Euch, Pater Haspinger, daß Ihr soweit hergekommen seid, um unsere Ehe einzusegnen.

Ich komm immer, wenn Elise Wallner mich ruft und mein bedarf, sagte der Pater feierlich.

Jetzt öffnete sich knarrend da drüben eine kleine Seitenthür, und eine weibliche Gestalt im langen weißen Seidengewande trat herein. Ihr Haupt bedeckte und verhüllte ein weißer Schleier, der wie eine Wolke ihre ganze Gestalt umhüllte und bis zur Erde niederwallte. Aber über dem Schleier trug sie auf ihrem Haupt das Diadem der Jungfrau und der Braut, den blühenden Myrthenkranz.

Während Andreas Hofer ihr entgegenschritt, und ihr die Hand reichte, um sie zum Altar zu führen, blickte Ulrich mit hochklopfendem Herzen zu ihr hin, und unaussprechliche Wonne erfüllte seine Brust.

Sie hat Wort gehalten, dachte er, sie hat die Tracht der Tyrolerin abgeworfen, und damit wirft sie ihre ganze Vergangenheit hinter sich. Oh, wie herrlich diese Gestalt in diesen Gewändern erscheint, größer scheint sie und stolzer, und doch so reizend und so hold.

Er schaute sie an, wie sie langsam an der Hand Andreas Hofer's daher schwebte, er sah nur sie! Er hörte nicht, wie da drüben in der vergitterten, mit Fenstern umgebenen Sacristei die Thür leise knarrend sich öffnete, er sah nicht die dunkle Frauengestalt, die sich den Fenstern näherte, und deren bleiches Gesicht einen Moment hervorschaute, um dann schnell wieder zu verschwinden.

Er sah nur sie, seine Geliebte, seine Braut, die jetzt neben ihm stand, deren zitternde heiße Hand jetzt in der seinen ruhte und die leise den Druck seiner Hand erwiederte.

Und jetzt erhob Pater Haspinger die Stimme, und mit frommen und kräftigen Worten sprach er zu dem Brautpaar von dem Ernst dieser heiligen Stunde, von der hohen Bedeutung des Bundes, den sie jetzt eben vor Gott einzugehen bereit seien, von den heiligen Pflichten, die zu erfüllen sie vor dem Altar Gottes beschwören sollten.

Und jetzt frage ich Euch, Herr Hauptmann Ulrich von Hohenberg, rief er mit lauter Stimme, wollt Ihr Eure hier anwesende Braut zu Eurer Gemahlin erwählen, und sie hoch halten, lieben und ehren Euer Leben lang?

Er antwortete mit einem lauten freudigen Ja!

Und Ihr, Jungfrau Braut, fuhr der Pater fort, wollt Ihr Euren hier anwesenden Bräutigam zu Eurem Gemahl annehmen, ihn lieben, hoch halten und ehren Euer Leben lang?

Ein leises und schüchternes Ja! tönte von ihren Lippen. Von der Sacristei her erklang es wie unterdrücktes Schluchzen und schmerzliches Seufzen.

So reicht mir Eure Hände, rief Pater Joachim feierlich, und laßt mich Eure Ringe wechseln zum Zeichen Eures einigen Bundes. Ich vermähle Euch im Namen Gottes, des Erlösers, als Mann und Weib. Eure Hände ruhen in einander zum ewigen Bunde, und was Gott zusammenthut, das soll der Mensch nicht scheiden! Nun knieet nieder und empfanget den Segen des Herrn!

Hand in Hand, knieete das neuvermählte Paar vor dem Altar, einsam, bebend und zuckend in tiefer Qual, knieete die verhüllte Frauengestalt in der Sacristei.

Als der Segen gesprochen war, und das junge Paar sich erhob, richtete auch sie sich von ihren Knieen empor. Heilige Jungfrau, flehte sie leise, jetzt gieb mir Kraft. Du schaust in mein Herz und siehst, was ich leide, oh sei bei mir mit Deiner Gnade und stärke mich, daß ich standhaft sei.

Die Ceremonie war jetzt beendet, und Andreas Hofer näherte sich der Braut.

Erlaubt, sagte er, daß ich, da Euer Vater nit hier sein konnt', bei Euch Vaterstelle vertrete und Euch in Euer Brautgemach führe. Ihr seid's doch zufrieden, Herr Hauptmann Ulrich?

Ich danke Euch vielmehr, Ober-Commandant, daß Ihr meiner holden Braut den fernen Vater ersetzt. Geht also voran, ich folge!

Nein, Herr, bleibt noch einen Augenblick, rief Pater Haspinger feierlich. Ich habe noch ein paar Worte im Geheim mit Euch zu reden.

Und ich habe Euch noch zu danken für Euren Liebesdienst, sagte Ulrich, vor dem Altar stehen bleibend und nur mit den Augen seiner Braut folgend, die jetzt eben an der Hand Andreas Hofer's durch die Thür dort drüben dahin schritt.

Herr Hauptmann Ulrich, sagte der Pater, als die Thür sich hinter den Beiden geschlossen, ich habe gethan, was Elise Wallner von mir verlangt hat, ich habe Eure Ehe mit Eurer Braut eingesegnet. Ihr seid jetzt vermählt, und nur der Tod kann Euch von Eurem Weibe scheiden. Das vergeßt nicht, Herr. Wollt Ihr nun aber auch thun, was ich von Euch verlangen will?

Ich verspreche es zu thun, wenn es in meiner Macht steht.

Da drinnen in der Sacristei ist Jemand, der Euch zu sprechen wünscht. Gehet zu ihr! Versprecht mir aber bei Allem, was Euch heilig ist, daß Ihr sie ruhig anhören, daß Ihr, was sie Euch auch sagen wird, ihr keine Vorwürfe machen, daß Ihr Euer Herz überwinden und Euch in das Unabänderliche fügen wollt, wie ein tapferer Mann?

Ich verstehe und begreife Eure Worte nicht, sagte Ulrich lächelnd, aber ich verspreche Euch, daß ich das Unabänderliche tragen will, wie es einem Manne geziemt.

So gehet denn da hinein in die Sacristei, sagte Pater Haspinger, ich verlasse die Kapelle, denn Niemand als Gott allein darf hören, was die dort in der Sacristei Euch zu sagen hat!

Er nickte Ulrich zu und schritt hastig den Gang hinunter zur großen Ausgangsthür der Kapelle. Ulrich aber eilte nach der Sacristei hin, und indem er die Thür öffnete, murmelte er vor sich hin: welch ein seltsames Geheimniß! Wer erwartet mich denn hier?

Ich, Herr, ich erwarte Euch, sagte eine leise bebende Stimme.

Ulrich blickte empor und starrte zu der Gestalt hin, die mit gefaltenen Händen vor ihm stand und mit flehenden Blicken zu ihm aufschauete.

Elise, rief er, mit einem Schrei des Entsetzens zurücktaumelnd, Elise, Du hier?

Ja, ich bin hier, sagte sie, ich bin hier, um Eure Vergebung anzuflehen.

Meine Vergebung? fragte er bebend und beide Hände gegen seine Schläfen drückend. Mein Gott, es schwindelt in meinem Hirn, ich glaube, ich werde wahnsinnig werden. Elise ist hier, sie steht vor mir in ihrer Bauerntracht, und so eben ist sie von mir gegangen im weißen Brautgewande, mit dem Myrthenkranz im Haar. Was bedeutet diese schnelle Verwandlung, und wie war sie möglich?

Es ist keine Verwandlung, Herr, sagte Elise schüchtern. Ich bin Elise Wallner, die Bauerndirn', Jene dort, die von Euch ging, ist Eure angetraute Gemahlin, die junge Baronin von Hohenberg –

Das bist Du, Du allein, rief er ungestüm.

Nein, Herr, das bin nicht ich!

Nicht Du, schrie er heftig, und wer ist Jene denn?

Es ist Euer Weib, das Euch von ganzer Seele liebt, sagte Elise feierlich; es ist das Weib, daß Euch Eure Aeltern bestimmt haben, von frühester Kindheit auf, es ist Elza von Hohenberg.

Ulrich stieß einen Schrei der Wuth, der Verzweiflung aus, und mit gehobener Hand, bleich wie eine Leiche mit zornblitzenden Augen, stürzte er zu Elisen hin. –

Sie neigte vor ihm ihr Haupt und ihre ganze Gestalt. Schlagt mich, ich verdiene Euren Zorn, sagte sie demüthig.

Ulrich ließ ächzend seinen Arm sinken.

Du hast mich also betrogen, Elende, rief er ingrimmig. Du wolltest Dich rächen an mir, und Du hast mich belogen, verrathen, mit heuchlerischen Lügenworten mich umgarnt, ein nichtswürdiges Spiel mit mir getrieben. Nun, warum lachst Du nicht? Dein Werk ist Dir gelungen, Du hast Dich gerächt. Ich leide, mein Herz möchte zerspringen vor Schmerz, vor Wuth, vor Jammer und Entsetzen. Warum lachst Du nicht?

Ich lache nicht, Herr, weil ich sehe, daß Ihr leidet, und weil der liebe Herrgott weiß, daß ich mein Herzblut hingeben möchte, um Euch eine Stunde des Leid's zu ersparen.

Er brach in ein lautes höhnisches Lachen aus. Und darum hast Du mich schmachvoll betrogen? Darum hast Du eine elende Komödie mit mir gespielt? Darum hast Du einen Meineid geschworen?

Herr, ich habe keinen Meineid geschworen, rief Elise. Ich habe treu meinen Schwur erfüllt, den ich Euch geleistet, als Ihr damals von mir Abschied nahmt, und hinginget, meine Elza zu befreien.

Du hast ihn erfüllt? Lügnerin, wiederhole mir Deinen Schwur, damit ich Dich mit Deinen eigenen Worten überführe.

Ich sagte: bringt mir meine Elza wieder, und ich schwöre Euch, am Tage Eurer Wiederkehr, sei's früh am Morgen, sei's spät in der Nacht, sollt Ihr aus den Händen des Priesters Euer Weib empfangen, Euer Weib, das Euch grenzenlos liebt.

Nun also, hast Du Deinen Schwur erfüllt? Bist Du keine Meineidige?

Ich habe meinen Schwur erfüllt, ich bin keine Meineidige! Elza liebt Euch, Herr, sie liebt Euch grenzenlos!

Oh, die elende, arglistige Sophisterei, rief Ulrich, ganz gebrochen auf einen Stuhl niedersinkend. Eure Worte waren doppelsinnig, wie Euer Herz, und ich, ich armer, kurzsichtiger Mensch, ich glaubte Euren Worten! Und nicht Ihr allein, auch Elza hat mich betrogen, sie, die ich liebte, wie eine Schwester, die ich höher noch geliebt haben würde, wenn Ihr nicht dazwischen getreten wär't, wenn ich Euch nicht gesehen hätte. Elza auch hat mich verrathen, sie ist nicht davor zurückgebebt, diese unwürdige Rolle zu spielen! Oh, wie das schmerzt, wie weh es da in meinem Herzen ist! Alles, was ich geliebt habe, verliere ich in dieser Einen Stunde! Nichts bleibt mir, als Verachtung, Hohn und fürchterliche Einsamkeit!

Er schlug seine beiden Hände vor sein Angesicht und weinte, weinte bitterlich.

Herr, rief Elise mit einem herzzerschneidenden Wehelaut, vor ihm auf ihre Kniee niedersinkend, Herr, Ihr weint?

Ja, ich weine, schluchzte er, ich weine um meine gefallenen Engel, um mein verlorenes Paradies. Ich bin ein Mann, darum schäme ich mich meiner Thränen nicht!

Elise hob ihre Blicke, ihre gefalteten Hände zum Himmel empor. Heilige Jungfrau, rief sie, nun gieb meinen Worten Kraft, daß er mich hört, daß er mich versteht!

Sie erhob sich von ihren Knieen, und trat zu Ulrich hin und legte ihre Hand auf seine Schulter. Herr, sagte sie, erinnert Ihr Euch noch, was ich damals zu Euch sagte, als wir Abschied nahmen droben auf der Alp? Ich hab' erst neulich Euch dran erinnert, aber Ihr habt's wieder vergessen. Ich sagte zu Euch: Ihr seid ein vornehmer Herr, ich bin eine Bauerndirn, Ihr seid ein Baier, ich bin, Dank sei's dem lieben Gott, jetzt wieder eine Oesterreicherin. Wir Zwei passen nicht zusammen und können nimmer Mann und Weib werden! Das hab' ich Euch gesagt, und ich hab's Euch neulich wiederholt, aber Ihr wolltet es nicht begreifen.

Weil ich Dich liebte, Elise, weil ich fühlte, daß meine Liebe die Kraft haben würde, Alles zu überwinden, Alles zu ebnen!

Hatte Eure Liebe die Kraft, Herr, daß Ihr nur jetzt hättet hingehen mögen zu meinem Vater, dem Anton Wallner, und ihn um seinen Segen bitten als sein Schwiegersohn? Seht, ich fragte Euch darnach, weil ich wußt', daß Ihr's nicht könntet, weil ich dachte, das müßte Euch zur Erkenntniß führen, daß wir Zwei nimmer ein Paar sein könnten, daß wir uns trennen müßten. Denn ohne Segen von Vater und Mutter könnt ich nimmer einem Manne folgen in die Welt hinaus, und auch Ihr möchtet keine Frau, die Euch nicht den Segen von ihren Aeltern und von den Euren in's Haus brächte, denn Ihr seid ein guter, braver Mensch. Darum, Herr, konnten wir nimmer ein Paar werden, wenn auch unsere Herzen darüber brächen.

Unsere Herzen! rief er stürmisch. Sprich nicht von Deinem Herzen, es ist kalt und hart.

Was wißt Ihr von meinem Herzen? fragte sie. Ich trag's nicht auf der Lipp' und nicht in meinen Augen! Es ruht da drin tief und still in meiner Brust, und nur Gott schaut's und kennt's. Aber ich, Herr, ich kenn' ein ander Herz, und hab' hinein geschaut und darin tiefe und heilige Lieb' zu Euch gesehen, Herr. Dies andere Herz, ist meiner Elza Herz und Elza liebt Euch! Und daß ich Elza lieb', das wißt Ihr, und darum müßt Ihr mir glauben, wenn Ihr sonst mir mißtraut. Ich lieb' mein' Elza, so lang' ich leb', und ich hab's ihr geschworen, daß ich nimmer von ihr lassen, nimmer sie betrügen wollt'. Sie vertraut mir, Herr, keine Falt' in ihrem Herzen hat sie mir verhüllt! Sollt' ich sie täuschen? Sollt' ich ihr sagen, Herr Ulrich, den Du liebst und den Dein Vater Dir zum Mann geben will, Herr Ulrich, der liebt mich, und ich, die Du Deine beste Freundin nennst, obwohl sie nur eine Bauerndirne ist, und Du ein vornehmes Fräulein bist, ich will Dir Deinen Geliebten nehmen und ihn zu meinem Mann machen? Nein, Herr, nimmer hätte ich das sagen können, nimmer hätte ich Elza's Herz brechen können, – lieber, oh, viel lieber mein's!

Sie weiß nicht, daß ich Dich liebe? Sie mußte es doch wissen, da sie diese unwürdige Rolle gespielt und statt Deiner mit mir zum Altar trat.

Nichts weiß sie, Herr, ich hab' sie betrogen. Hab' ihr gesagt, daß Ihr mich schicktet als Euren Liebesboten, daß ich es übernommen, sie zu bereden, daß sie möchte einwilligen, heute Euer Weib zu werden, heimlich, ganz in der Stille, weil Ihr in dieser Nacht schon fort nach München zu Eurem König müßtet, und weil Ihr die Gewißheit mit Euch nehmen wolltet, daß sie Euer sei für das ganze Leben, damit Ihr ein Recht hättet, sie zu Euch zu fordern, wenn Gott ihr ihren Vater genommen und sie zur Waise gemacht. Herr, Elza liebt Euch, und so willigte sie ein und ward Euer Weib.

Und ihr Vater? Auch er willigte in den Betrug!

Ihr Vater, Herr, ist krank und nah am Sterben. Elza sagt' ihm nichts, denn die Gemüthsbewegung, die Freude hätte ihn tödten können. Ich sagt' ihr, Euer Wille sei's, daß sie schweige, und weil sie Euch liebt und Euch Alles zu Willen thun möchte, schwieg sie und folgte Eurem Ruf, und kam ganz allein zum Altar, um Euer Weib zu werden.

Mein Weib! Sie ist es nicht! Die Ehe ist nicht gültig, kann nicht gültig sein, und nie werde ich sie anerkennen!

Elza ist Euer Weib, Herr, Euer Weib vor Gott und den Menschen. Der geweihete Priester segnete sie ein, und vor dem Altare Gottes habt Ihr geschworen, sie zu ehren und zu lieben als Euer Weib. Oh, Herr, ich bitt' Euch, verstoßt mir mein' Elza nicht, denn sie liebt Euch, und wenn Ihr sie verstoßt, so verstoßt Ihr mich, denn Elza ist der beste Theil von meinem Herzen, und wenn Ihr sie glücklich macht, so denkt, Ihr macht mich glücklich, und wenn Ihr sie liebt, so denkt, ich fühl', Ihr liebtet mich!

Oh, Elise, rief Ulrich sie anschauend, wie sie mit einem verklärten, strahlenden Antlitz vor ihm stand, Elise, Engel, der Du bist, warum kann ich Dich nicht besitzen!

Weil's nicht der Wille Gottes ist, Herr! Der Segen der Aeltern baut den Kindern Häuser, und wir konnten also kein Haus bauen, Herr, denn wir brachten den Segen unserer Aeltern nicht mit. Jetzt habt Ihr ihn, Elza bringt ihn Euch, und sie bringt Euch Liebe, Herr, und Glück. Nein, schüttelt nicht Euer Haupt, sie bringt Euch Glück. Jetzt glaubt Ihr's nicht, denn's Herz thut Euch weh, und wenn man da eine Wunde hat, meint man, daß sie niemals heilen kann. Aber die Lieb' ist ein guter Wundarzt! Elza wird Euer Herz verbinden und wird's heilen.

Und Dein Herz, Elise, auch Deins wird heilen? Denn auch Dein Herz hat eine Wunde, und was Du auch sagen magst, Du hast mich geliebt, Elise!

Ich habe Euch geliebt, rief sie strahlenden Angesichts. Nein, sagt, ich lieb' Euch noch! Wenn ich Euch nicht liebte, würde ich dann die Kraft gehabt haben, Euren Bitten zu widerstehen, die Kraft, mein eigenes Herz zu bezwingen, um Euer Glück zu begründen? Oh, seid also glücklich, seid es durch mich und um meinetwillen. Nehmt Eure Elza an Euer Herz, liebt sie und laßt Euch lieben, und wenn Ihr dann in späteren Tagen, glücklich in Elza's Armen, umspielt von ihren Kindern, lächelnd der Vergangenheit gedenkt und der überwundenen Schmerzen, so denkt auch mein, und thut's mit gutem Sinn und sagt: »die Liesel hat's doch gut gemacht! Sie hat mich treu geliebt!«

Treu? fragte er unter Thränen. Auch Dein Herz wird heilen, Elise, und Du wirst mein vergessen in eines andern Mannes Armen.

Nein, Herr! Mein Herz wird heilen, das hoff' ich, aber Gott allein wird's heilen, kein anderer Mann! Bin nit mehr geschaffen zu einer andern Lieb', und ich mein' auch, daß ich Anderes zu thun hab'. Das Vaterland braucht wackere Hände, und ich gehör' meinem Vaterland und meinem Vater. Wir werden wieder Krieg haben, Herr, Krieg mit den Baiern. Gott sei gelobt, daß Ihr nicht dabei sein dürft. Ich werd' die Verwundeten von den Unsrigen aus der Schlacht holen, um sie zu pflegen, und wenn mich dabei eine Kugel trifft, nun so sterbe ich für's Vaterland, und auch Euch wird's freuen, wenn Ihr hört, daß Liesel Wallner starb, als ein treu Tyroler Kind. Ich bitt' den lieben Gott, daß er mir solchen Tod schickt! Amen! Aber jetzt, Herr, jetzt geht zu Eurem jungen Weib. Sie wird sich wundern, wo Ihr bleibt. Oh geht zu ihr, Herr, und seid freundlich und liebevoll, laßt sie niemals ahnen, was zwischen uns gewesen, und daß Ihr sie nicht freiwillig zum Weib genommen.

Ich kann nicht heucheln, Elise, ich kann mein Herz nicht wie einen Handschuh umwenden.

Sollt Ihr denn das? Habt Ihr mein' Elza nicht immer geliebt? So liebt sie jetzt, liebt sie um meinetwillen und mich in ihr. Geht, Herr, Elza erwartet Euch. Auch ich geh'! Der gute Haspinger erwartet mich, und mit ihm geh' ich zu meinem Vater. Wir werden' uns nimmer wiedersehen, und darum will ich Euch zum Angedenken heute mein Hochzeitsgeschenk machen. Heut' Morgen batet Ihr mich darum, und ich verweigert' es! Jetzt gebe ich's Euch freiwillig. Schließt Eure Augen, Herr, denn sehen dürft Ihr's nicht, was ich Euch gebe! Und öffnet Eure Augen erst, wenn ich's Euch sage!

Ich schließe meine Augen, Elise, aber drin in meinem Herzen, da seh' ich Dich doch!

Sie schwebte zu ihm hin, unhörbar leise. Er hatte, treu seinem Wort, die Augen fest geschlossen. Nun trat sie zu ihm, schaute ihn an mit einem langen Blick, als wollte sie sein Bild tief in ihr Herz eingraben, dann neigte sie sich und drückte einen Kuß auf seine Stirn.

Gott segne Dich, Ulrich! flüsterte sie, und leise noch einmal küßte sie seine Stirn. Gott segne Dich! Leb' wohl!

Und ehe er's hindern und ahnen konnte, schlüpfte sie nach der kleinen Pforte hin, die aus der Sacristei nach der Straße hinaus führte.

Ulrich hörte die Thür knarren und öffnete die Augen.

In der offenen Thür stand Elise und schaute zu ihm hin mit einem letzten Abschiedsblick, und hinter ihr stand Joachim Haspinger, der Kapuziner.

Elise, rief Ulrich zu ihr hineilend, Du willst mich verlassen?

Er wollte ihre Hand fassen, aber Joachim trat vor sie hin und wehrte ihn zurück. Geht zu Eurem Weibe, Herr, sagte er gebieterisch. Elise kommt mit mir! Sie geht zu ihrem Vater!


 << zurück weiter >>