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III.
Der Schwur des Kapuziners.

Zu Brixen feierte man heute ein großes Fest. Es war der zweite August, der Tag des heiligen Cassianus, und die Gebeine dieses Heiligen, die in der großen, mit zwei herrlichen Thürmen gezierten Domkirche ruhten, sollten heute nicht blos, wie alljährlich, zur frommen Andacht der Gläubigen gezeigt werden, sondern der fromme Bischof hatte beschlossen, daß man diese heiligen Reliquien heute in feierlicher Prozession durch die ganze Stadt tragen solle, um allem Volk Gelegenheit zu geben, die heiligen Gebeine zu sehen, und laut zu Gott zu beten um Beistand in diesen schweren Zeiten, von denen Tyrol abermals heimgesucht werden sollte. Seit der Frühe des Morgens strömte daher das Landvolk von allen Seiten den Thoren von Brixen zu, Weiber und Kinder, Männer und Greise kamen von nah und fern, um Theil zu nehmen an der heiligen Prozession, um Theil zu nehmen an den frommen Gebeten für das Wohl des Landes!

Unter Denen, die aus der Ferne die Straße nach Brixen dahin wanderten, befand sich auch ein Mönch von seltsam martialischem kühnem Aussehen. Seine hohe, breitschultrige Gestalt hatte eine vollkommen militairische Haltung, sein langer wohlgepflegter rother Bart und der in kühnen Locken ausgeschweifte Bart der Oberlippe paßten wenig zu der Tonsur, die, von dünnen röthlichen Locken umgeben, von seinem Haupt erglänzte, und eben so wenig paßte dazu seine breite rothe Narbe, die quer über sein sonnenverbranntes kräftiges Angesicht hinlief, und der helle trotzige Blick seiner Augen, die viel mehr Kühnheit und Trotz, als Demuth und Frömmigkeit verriethen. Sein braunes Kapuzinergewand hatte er mit dem Gürtel hoch aufgeschürzt und unter demselben hervor kam ein kräftiges Bein, das der weichlichen Sandalen zu spotten schien, welche die breiten mächtigen Füße des Mönchs bedeckten. In seiner Hand hielt er einen langen braunen Stab, der an seiner obern Spitze mit einem aus Holz geschnitzten Bildniß des heiligen Franciscus geschmückt war, und diesen Stab trug der Kapuziner nicht, um sich darauf zu stützen, sondern er trug ihn frei in der Hand, schwang ihn zuweilen, als sei's ein Schwert, oder hielt ihn hoch und triumphirend empor, als sei's eine Siegesfahne.

Aber so seltsam und ungewöhnlich die Erscheinung des Kapuzinermönchs auch sein mochte, so lachte und verwunderte sich doch Niemand über ihn, sondern überall begrüßte man ihn mit Liebe und Ehrfurcht, und wenn er mit seinem rüstigen, weitausgreifenden Schritt an einzelnen langsamen Wandernden vorüber kam, so schauten sie ihm mit freudiger Ueberraschung nach und riefen einander zu: schaut den Rothbart, den tapfern Pater Haspinger. Er hat oft genug gekämpft für's Vaterland. Jetzt will er beten für's liebe Tyrol.

Beten und auch wieder kämpfen, wie's eben kommt, sagte der Pater, sich den Sprechenden zuwendend.

Ihr meint also, Ehrwürdiger, daß es wieder zum Kampf kommt? fragten viele Stimmen durcheinander, und große Trupps umringten den Pater, und fragten ihn im hastigen Durcheinander, ob er rathe, daß man den Feind ruhig in's Land lassen sollte? Ob es nicht besser sein würde, ihn mit Gewalt zurückzudrängen? Ob er meine, daß man sich ruhig verhalte, und demüthig geschehen lasse, was man vielleicht nicht ändern könne?

Ich meine, daß Alles seine Zeit haben muß, das Ruhigsein, wie das Kämpfen, das Beten, wie das Politisiren, sagte Pater Haspinger achselzuckend. Wenn Ihr beten, und Eure Sünden beichten wollt, so kommt zu mir, ich bin der Mann dazu, Euch beten zu lehren, und Euch die Hölle tüchtig heiß zu machen. Wenn Ihr aber kämpfen, und den Feind zum Land 'nausschlagen wollt, weshalb geht Ihr da nicht hin, und fragt Eure Commandanten, und holt Euch vor allen Dingen Rath vom tapfern und gottgetreuen Andreas Hofer?

Der ist nirgends zu finden, riefen mehrere Stimmen. Er ist nit in seinem Haus, und selbst sein Weib weiß nit, wo er sich verborgen hat.

Meint Ihr gottlosen Teufelsbraten, der frommste und gottesfürchtigste Mann im ganzen Tyrolerland, der Andreas Hofer, habe sich verborgen, weil er Furcht hab' vor dem Feindesgesindel, das jetzt von allen Seiten wieder in's Land 'reinbricht? fragte der Pater mit donnernder Stimme.

Nein, Ehrwürden, wir meinen das nicht. Wir wissen wohl, daß der Andreas Hofer es nit machen wird, wie der Aschbacher, der Sieberer, der Teimer, der Eisenstecken und der Speckbacher es gethan haben, daß er mit auswandern wird aus dem Land und uns in der Trübsal und Noth verlassen wird.

Wer sich nicht selbst aus der Trübsal und Noth errettet, den errettet auch kein Anderer, rief der Pater unwillig. Kennt Ihr's elfte Gebot nicht, Ihr feigen Memmen, die Ihr meint, wenn kein Anführer da ist, der Euch ruft, so seid Ihr verloren, und könnt nit kämpfen. Kennt Ihr's elfte Gebot nicht, das da sagt: »wer Gott vertraut, brav um sich haut, kommt nimmermehr zu Schanden.« Aber Ihr wollt zu Schanden werden, Ihr vertraut nicht auf Gott, und darum könnt Ihr auch nicht brav um Euch hauen.

Aber wir wollen's ja gern thun, Ehrwürden, riefen die Männer mit kühnen, trotzigen Blicken, wir wollen um uns hauen, nur fehlt's uns an unsern Anführern. Es kann doch nit Jeder für sich allein kämpfen aufs bloße Ungefähr, wir müssen doch einen Anführer haben! Wenn der Andreas Hofer also nit da ist, so stellt Ihr Euch doch an unsere Spitze, seid unser Anführer, Ehrwürden!

Das ist kein so dummes Begehr, sagte der Kapuziner schmunzelnd und sich seinen rothen Bart streichelnd. Ihr wißt wohl, daß der Rothbart nit daheim bleibt, wenn es gilt, das Vaterland zu retten, und vielleicht kann ich Euch bald beim Wort nehmen, und Euch anrufen zur Vertheidigung des Vaterlandes!

Thut's, nehmt uns beim Wort, riefen und jubelten die Männer durcheinander. Wir wollen's nit dulden, daß der Baier und Franzos wieder seine schändliche Mordbrennerwirthschaft anfang', wie er's im Mai gethan hat, wir wollen lieber kämpfen, bis wir ihn zum Land 'nausgejagt oder all' mitsammt gestorben sind.

Das sind gar tapfere und fromme Gedanken, sagte Pater Haspinger mit freudeblitzenden Augen, und wir wollen weiter davon sprechen. Kommt morgen nach der Kirche von Latzfons hinauf, und hört meiner Predigt zu, und nach der Predigt wollen wir weiter mit einander berathen. Jetzt aber seid stille, denn sehet, da stehen wir vor dem Thore von Brixen, wendet also Eure Seele zu Gott, und bittet den heiligen Cassianus, daß er sich gnädig Eurer erbarmen, und Euer Fürsprecher sein mög' bei Gott und dem Erlöser!

Und der Pater Haspinger nahm auf einmal eine sehr ernste, andächtige Miene an, hob den von seinem Gürtel herniederhängenden Rosenkranz empor, und begann, während er durch das Thor in die Stadt einschritt, mit halblauter Stimme ein Paternoster zu beten.

In der Stadt war indessen schon Alles in Bewegung, die Glocken hatten schon ihr feierliches Geläute begonnen, und alle Andächtigen, und man muß sagen, daß die ganze Stadt zu denselben gehörte, strömten dem Dome zu. Auf einmal thaten die Pforten des Domes sich weit auf, und unter dem goldgestickten Baldachin, den vier Priester daher trugen, erschien auch der fromme Bischof, hoch in seiner Rechten das goldene Kästchen tragend, welches die Reliquien des heiligen Cassianus enthielt. Hinter dem Bischof folgten die Priester, brennende Wachsfackeln tragend, und mit lauter Stimme fromme Lieder singend. Dann kam die Schaar der Chorknaben mit den dampfenden Weihkesseln, und ihnen schlossen sich die Gläubigen an, mit Fackeln in den Händen, und die frommen Lieder nachsingend, welche die Priester angestimmt hatten. Mit jedem Schritt, den die Prozession vorwärts that, mehrte sich der Zug, bald hatte die ganze Bevölkerung der Stadt, und alle die hunderte frommer Landleute sich ihr angeschlossen, die von nah und fern zur heiligen Feier nach Brixen gewallfahrtet waren.

Auch der Kapuzinerpater Haspinger war unter den Wallfahrern; inmitten der rüstigen und beherzten Bauern, mit denen er vorher sich besprochen hatte, schritt er daher, hochgehobenen Hauptes und voll feierlichen Ernstes die Gesänge intonirend, mit denen man die heiligen Reliquien anrief. Nur schien es den Bauern, die seine mächtige Stimme vernahmen, als wenn er an der Stelle, wo der fromme Gesang den heiligen Cassianus anflehte um Beistand und Schutz, um Ruh' und Frieden, den Text ein wenig verdrehte, und vielleicht in einer Art Zerstreutheit gerade das Gegentheil von dem erflehte, was das heilige Lied begehrte. Der Text lautete: »erbarm' Dich unsrer Schwächlichkeit, gieb Frieden uns und Ruh'« – Pater Haspinger aber sang mit frommer Inbrunst, den Stab mit dem heiligen Franziskusbild hoch emporschwingend: »erbarm' Dich unserer Tapferkeit, gieb Unruh' uns und Krieg.« Denen, welche ihn verwundert über diese Abänderung des Textes anschauten, nickte er mit einem listigen Zwinkern der Augen zu und murmelte: kommt morgen nach der Kirche von Latzfons, da wollen wir uns weiter besprechen!

Die Procession hatte noch nicht die Hälfte des Weges zurückgelegt, und war eben auf dem Marktplatz angelangt, als ein Reiter die Straße, welche von der Thorstraße gerade auf den Platz ausmündete, daher gesprengt kam. Wahrscheinlich war es ein verspäteter Gläubiger, welcher den frommen Umzug mitzumachen gedachte, und sich verspätet hatte. Er sprang eilig von seinem Pferd und band es an den Messinggriff einer Hausthür an, dann schritt er vorwärts, dicht zu den Wallfahrern heran. Aber er mischte sich nicht unter sie, sondern er blieb stehen, und betrachtete mit spähendem Auge jeden der Vorüberschreilenden. Jetzt schien er gefunden zu haben, was er suchte, denn ein Lächeln erhellte sein sonnengebräuntes Angesicht, und er schritt rasch vorwärts, gerade auf Pater Haspinger zu, der eben wieder mit heller Stimme intonirte: »erbarm' Dich unsrer Tapferkeit, gieb Unruh' uns und Krieg.« Aber als er jetzt des Bauerburschen gewahr ward, der auf ihn zuschritt, verstummte er in seinem Lied, und es flog über sein Angesicht hin, wie ein heller Freudenschein.

Andreas Hofer's Knecht, der Anton Wild, murmelte Pater Haspinger freudig, indem er dem Burschen lebhaft die Hand entgegenstreckte. Sag', Tonerl, kommst Du, um mir Botschaft zu bringen vom Bruder Andreas?

Ja, Ehrwürden, der Sandwirth sendet mich zu Euch, und da ich Euch in Eurem Kloster Seeben bei Klausen nit mehr traf, so bin ich Euch hieher nachgeritten, denn mein Herr hat mir's auf die Seel' gebunden, daß ich so schnell als möglich Euch meine Botschaft übergeben und Antwort daheim bringen soll.

Was bringst mir denn, Tony?

Den Brief hier, Ehrwürden.

Der Pater nahm ihn und schob ihn rasch in seinem Gürtel. Wo ist Bruder Andreas? fragte er.

In der Höhle, die Er, Ihr und ich allein kennen, flüsterte Anton Wild, sich dicht an das Ohr des Paters neigend. Da wartet er auf Eure Antwort, Ehrwürden.

Und Du sollst sie heut' noch haben, Tony. Aber jetzt laß uns den heiligen Dienst nicht vergessen, sondern Gott dienen und zu ihm beten. Stell' Dich hinter mir, und wenn wir mit der Procession fertig sind, so gieb Acht, wohin ich gehe, und dahin folg' mir nach.

Und der Pater begann wieder zu singen aber er hielt mit seiner Hand nicht mehr den Rosenkranz, sondern legte sie fest auf den Brief, der in seinem Gürtel stak und dessen möglicher Inhalt jetzt seine Gedanken ganz und gar beschäftigte.

Endlich war die Procession wieder an den Pforten des Doms angelangt; Pater Haspinger gab dem hinter ihm daherschreitenden Knecht des Sandwirths einen Wink, und statt mit den übrigen Wallfahrern in die Kirche einzutreten, ging er rasch den Zug der Gläubigen entlang, bis zu jenem großen, hochgewachsenen Jüngling hin, mit dem er schon während der Procession zuweilen einen Blick, ein Zeichen des Einverständnisses gewechselt hatte.

Herr Kreuzwirth Martin Schenk, fragte der Pater, gehst heim in Dein Haus?

Ja, und ich bitt' Ew. Ehrwürden, mit mir heim zu gehen, sagte der junge Mann hastig. Werdet da gute Gesellschaft treffen, denk' ich. Der Wirth von Shabs, Peter Kemnater, und der Wirth an der Mahr, Peter Mayer, werden auch da sein. Ich hab' sie eingeladen, und hätt' ich gewußt, daß Ihr daher kämt, so hätte ich Euch auch geladen, Ehrwürden.

Du siehst, daß ich auch ungeladen komme, denn ich denk', uns Alle hat das Vaterland geladen, und ich glaube, wir wollen heut' beim Kreuzwirth kein leckeres Frühstück einnehmen, sondern wir wollen uns berathen über die Kreuzwirthschaft, die jetzt wieder über uns All herein gebrochen ist. Wollen die Köche sein, die dem Franzosen und Baiern ein Frühstück bereiten, wobei ihnen aber die Suppe gehörig soll versalzen werden. Ich bring' dazu vom Andreas Hofer auch ein bissel Salz und Pfeffer mit, wie ich hoff'. Schau, Martin Schenk, da im Gürtel neben dem Rosenkranz, da steckt ein Brief vom lieben Bruder Andreas Hofer.

Und was schreibt er Euch? Doch nit, daß wir uns ruhig verhalten und den Feind wieder in's Land lassen sollen, wie's die klugen und vorsichtigen Leut' jetzt Alle meinen?

Still, still, Martin, versündige Dich nicht an unserm Ober-Commandanten. Ich hab' den Brief noch nicht gelesen, aber mein Herz weiß ihn doch schon auswendig, und ich mein', ich könnt' Euch jedes Wort im Voraus sagen, das der gute und getreue Andreas geschrieben hat. Ach, da sind wir an Deinem Haus, Herr Kreuzwirth, und jetzt bitt' ich Dich um Eins. Der Bursch hier, der uns nachfolgt, ist des Andreas Hofer treuer Knecht, Anton Wild, der mir eben den Brief seines Herrn gebracht hat, und auf die Antwort warten muß. Gieb ihm einen Platz zum Ausruhen und ein gutes Frühstück zur Stärkung, denn er muß heute noch den Heimweg machen.

Tritt ein in mein Haus, Anton Wild, und sei willkommen, sagte der junge Kreuzwirth, dem Knecht freundlich die Hand darreichend.

Dank' schön! Muß aber zuerst das Pferd holen, das ich da unten angebunden hab'. Bin scharf geritten und muß zuerst für's liebe Vieh sorgen, nachher bitt' ich Euch um's Frühstück für mich selber.

Und mit einem raschen Kopfnicken sprang der Knecht die Straße hinunter. Der Kreuzwirth aber und der Pater traten in das Haus und in die große Gaststube ein. Zwei Männer kamen ihnen in derselben entgegen.

Der Eine von ihnen, ein Mann von ungefähr fünfundvierzig Jahren, in einfacher, schlichter Tyrolertracht, groß und mächtig von Gestalt, war Peter Mayer, im ganzen Tyrolerland bekannt als einer der treuesten und feurigsten Patrioten, als ein Mann von unbeugsamem Muth, von unerschütterlicher Willenskraft.

Der Zweite, ein Jüngling von kaum zweiundzwanzig Jahren, von schöner schlanker Gestalt, weit und breit berühmt wegen seiner Schönheit, seiner Kühnheit und seiner Wohlhabenheit, war Peter Kemnater, der treueste und innigste Freund des schönen, gleichgesinnten jungen Kreuzwirths Martin Schenk.

Die beiden Männer reichten den Eintretenden ihre Hände dar, und nickten ihnen zu, aber ihre Mienen waren düster, und nicht der leiseste Schimmer eines Lächelns erhellte ihre Züge.

Seid Ihr hieher gekommen, Pater Joachim Haspinger, blos um die Friedensgebet' mitzumachen? fragte Peter Mayer in seiner kurzen, scharfen Weise, die dunkelglühenden durchdringenden Augen auf das Antlitz des Paters richtend.

Nein, Peter Mayer, sagte der Kapuziner ernst, bin hieher gekommen, weil ich Euch Drei hier sprechen wollt', und weil ich Euch viel zu sagen hab'. Aber eh' wir davon sprechen, laßt mich erst lesen, was der Andreas Hofer, mein Bruder in der Liebe zu Gott und zum Vaterland, mir geschrieben hat.

Einen Brief habt Ihr vom Andreas Hofer? riefen Mayer und Kemnater freudig.

Da ist er, sagte der Pater, ihn aus dem Gürtel ziehend. Nun gönnt mir einen Augenblick Zeit, daß ich den Brief lese, und dann wollen wir weiter sprechen.

Er trat näher zum Fenster und entfaltete den Brief, und während er ihn dann las, schauten die drei Männer ihn mit gespannter Erwartung an, bemüht, in seinen Zügen den Eindruck zu lesen, den die Worte Andreas Hofer's auf das Herz des tapfern Kapuziners machten. In der That, das Antlitz des Paters erhellte sich immer mehr, eine dunkle Gluth flog ihm über Stirn und Antlitz hin, und ein Lächeln durchleuchtete seine harten Züge.

Hört, Ihr drei Männer, rief er jetzt triumphirend, das Blatt Papier wie eine Fahne hoch emporschwingend, hört, was der Andreas schreibt!

Und mit einer Stimme, die wie eine Kriegsdrommete schallte, las der Pater: »Lieber Bruder Rothbart! Vielgetreuer Pater Joachim Haspinger! Du weißt es, Bruder, es ist Alles umsonst gewesen, die Oesterreicher ziehn zum Landl 'naus, und der Kaiser, oder vielmehr nit der Kaiser, sondern seine Minister und Schreiber, die haben's festgesetzt in ihrem Waffenstillstand mit dem Bonaparte, daß die Franzmänner und die Baiern nun sollen wieder in's Landl einmarschiren, und die alte schändliche Wirthschaft wieder von vorne anfangen. Aber ich denk', wenn der Kaiser uns auch verlassen hat, so wird's doch der liebe Herrgott nit thun, und wenn auch die österreichischen Soldaten über die Grenz' zurückgehen, so bleiben doch unsere Berg' und unsere Gletscher da stehen, und die hat Gott dahin gestellt, daß sie unsere Grenzen beschützen, und uns hat er starke Arme und gute Stutzen gegeben, und ein scharfes Aug', daß wir den Feind erkennen und ihn sicher treffen können. Wir sind die Bewohner von Tyrol, und nit die österreichischen Soldaten, uns kommt es daher zu, unsere Grenzen zu schützen, und den Feind nit hinüber zu lassen über die Berg'. Wenn Du so denkst, wie ich, so sammle die tapfern Schützen um Dich, biet', wo Du kannst, den Landsturm auf, sag's in meinem Namen den andern Commandanten, und rücket, wenn es noch thunlich, gegen den Brenner vor, wo Ihr mich hoffentlich treffen oder Weiteres von mir hören sollt. Der Joseph Speckbacher ist auch nit über die Grenz' gegangen, sondern im Land geblieben, und sammelt auch in seiner Gegend die Schützen und bietet den Landsturm auf. Tyrol soll anjetzo nur von Tyrolern beschützt werden, so will's der liebe Herrgott! Darnach richtet Euch und geht an's Werk. Dein vielgetreuer Andreas Hofer, dermalen unwissend wo.« Diese seltsame Unterschrift gab Andreas Hofer, während er sich in seiner Höhle verborgen hielt, allen seinen Briefen und Erlassen.

Nun, fragte der Pater frohlockend, als er zu Ende gelesen, meint Ihr, daß Andreas Hofer Recht hat, und daß wir den Feind nit zum Land hinein lassen sollen?

Ich mein', daß er Recht hat, sagte Peter Kemnater jauchzend, ich mein', daß es eine Lust und eine Freud' sein wird, wenn wir den Franzmann und den Boarfok mit Schimpf und Schand' von unsern Grenzen verjagen!

Oder, wenn sie schon hinüber sind, sie mit Schimpf und Schanden wieder zum Land hinaustreiben, fügte Peter Mayer hinzu.

Bin in diesen Tagen durch's ganze Pusterthal gezogen, sagte Martin Schenk, hab' überall die Männer entschlossen gefunden, lieber mit dem Stutzen in der Hand und im blutigen Kampf zu sterben, als friedlich und still daheim zu bleiben, und ihren Nacken zu beugen vor dem Feind. Es ist ein Unglück, sagen die Männer, daß die Oesterreicher uns verlassen in der Noth, aber ein noch viel größer Unglück wär's, wenn wir uns selber verließen, und uns auf Gnad' und Ungnad' ergeben wollten.

Und ich sag', es ist gar kein Unglück, daß die Oesterreicher uns verlassen haben, rief der Kapuziner eifrig. Die Sache des Vaterlandes hat sich gar wenig verschlimmert durch den Abzug der Oesterreicher. Wer hat uns denn beigestanden in der Schlacht am Berg Isel? Wer hat uns denn geholfen, den Feind zwei Mal zum Land hinaus zu jagen? Kein Oesterreicher hat uns dabei geholfen, wir selber haben's gethan, und was Großes und Herrliches geschehen ist in diesen Tagen, das haben die Tyroler durch sich allein vollbracht. So ist's denn gut, daß wir auch jetzt für uns allein bleiben, und daß wir wissen: Niemand hilft uns, als Gott, und wir selber! Aber nit blindlings und tollkühn dürfen wir uns hineinstürzen in den Kampf, und überlegen müssen wir freilich, ob wir dabei auch die Möglichkeit des Sieges haben. Der Feind kommt in ungeheuren Massen von allen Seiten herangezogen, und furchtbare Streitkräfte will er aufbieten gegen unser armes Tyrol. Ich will's Euch nicht verhehlen, daß ich weiß: es ist ein gefährlich Ding, was wir da unternehmen wollen, und wozu der Andreas Hofer uns antreibt. Ihr sollt also wissen, daß der Mordbrenner, der Lefebvre, den sie den Herzog von Danzig nennen, von Norden her mit fünfundzwanzigtausend Mann im Anzug ist, und daß er beinahe schon bis Innsbruck vorgerückt ist. Auch der General Deroi ist im Anmarsch, und will durch's ganze Pinzgau und über's Gerlosgebirge gen Innsbruck ziehen. Außerhalb Lienz aber sind die Franzosen mit ihrem wilden General Rusca über die Crysanten-Schanze schon in's Land eingebrochen, vom Süden her kommt der General Pery mit den italienischen Truppen, und in Salzburg steht schon wieder der bairische General Wreden und der General Arco mit ihren wüthigen Schaaren. Es sind ihrer mehr als funfzigtausend Mann, die von allen Seiten herangezogen kommen, das arme Tyrol zu zertreten. Sie sind kriegsgeübt, sie haben Kanonen und bessere Waffen als wir, sie sind uns also überlegen an Zahl, an Mitteln und an Kraft. Ueberlegt also in Eurem Herzen, Ihr Männer, ob Ihr dennoch gewillt seid, das schwere Werk zu beginnen, überlegt, daß Ihr Euer Eigenthum, Euer Blut, Euer Leben wagt, und daß, wenn Ihr das Unglück habt, als Gefangene in Feindes Hände zu fallen, sie vielleicht Euch als Aufrührer und Verbrecher richten und strafen werden. Es ist wahr, Ihr wollt Euer Eigenthum, Euer Blut und Leben wagen für das Höchste und Heiligste, für das Vaterland, für die Freiheit Tyrols, aber Ihr habt doch auch Pflichten gegen Eure Familien, gegen Weib und Kind, gegen Aeltern und Bräute, Ihr habt die Pflicht gegen Euch selber, Euer. Leben nicht muthwillig in Gefahr zu bringen. Es ist wahr, wenn der Feind Euch immerhin auch als Verbrecher straft und richtet, so werdet Ihr doch des schönsten Todes sterben, des heiligen Märtyrertodes für's Vaterland, und Eure Namen werden verklärt werden von dem Heiligenschein Eurer Tugend und Eurer Vaterlandsliebe, aber überlegen müßt Ihr auch, ob Euer Märtyreriod dem Land nützen könnt', und ob Euer Blut, das Ihr für's Vaterland dahin gebt, nicht umsonst vergossen sein wird. Greift in Euren Busen, Ihr Männer, nehmt Euer Herz in Eure Hand, und fragt's, ob es den Muth hat und die Kraft, allem Unglück und allem Mißgeschick standhaft und freudig zu trotzen, und ob es wirklich, ohne zu zagen und zu zittern, den Tod, die Gefangenschaft, die Schande des Verbrechertodes wagen will? Das ist's, was ich Euch zu sagen hatte, ehe denn wir unsere Pläne machten, und ehe ich dem Andreas Hofer Antwort schick'. Nun also überlegt, Ihr Männer, überlegt und sprecht!

Unser Herz sollen wir fragen, ob es nit zagt und nit zittert? sagte Peter Mayer fast verächtlich. Als im Mai der Feind wieder in's Land kam, da hat er mir acht Häuser, die mein Eigenthum waren, niedergebrannt, und eine Zeit lang wußt' ich nit, ob mein Weib und die Kinder nit in den Flammen, welche die Mordbrenner an mein Wohnhaus gelegt, umgekommen wären. Habt Ihr mich zittern, habt Ihr mich klagen gehört? Bin ich nicht frohen Muthes in der Schlacht gestanden am Berg Isel, ohn' zu weinen und zu klagen, nur gedenkend, daß ich kämpfen wollt' für die Freiheit, das Vaterland und den Kaiser? Erst nach der Schlacht, als wir frei waren, da ging ich heim, und wollt' klagen und weinen auf der Brandstätt' meines Hauses. Aber da fand ich mein Weib und meine Kinder, die bis dahin ein Freund verborgen und gepflegt hatte, und nachdem ich Gott gedankt für den Sieg, dankte ich ihm, daß er mir Weib und Kind erhalten hatte, und erst jetzt, da wir glücklich waren und frei, jetzt weint' ich. Aber nun, da der Feind und das Unglück wieder hereinbricht, nun sind meine Thränen wieder getrocknet, und mein Herz ist voll Muth und Standhaftigkeit, und ich mein', daß wir das Letzte wagen müssen, weil sonst Alles, was wir bisher gewagt haben, vergeblich gewesen ist. Ich lieb' mein Weib, aber wenn sie jetzt zu mir kam', und wollt' mir abrathen vom Kampf, und ich merkt' in mir, daß mein Herz schwach werden und ihr nachgeben wollt', so würd' ich mein Weib mit meinen Händen erdrosseln, damit sie mich nit abwendig machen könnt' von der großen Sach' des Vaterlandes! Die Sach' ist schwer, das ist wahr, aber sie ist nit unmöglich, und was nit unmöglich ist, das muß man versuchen für's Vaterland! Ich hab' meine Meinung gesagt, jetzt ist an Euch die Reih', Ihr beiden jungen Leut'! Sag' Du zuerst, was Du zu sagen hast, Peter Kemnater. Sag's dem Pater Rothbart, ob Dein Herz zagt und zittert, und ob Du meinst, daß wir uns lieber ruhig verhalten sollten, weil der Feind gar mächtig ist und uns weit überlegen?

Ich hab' eine Braut, welche ich gar sehr liebe, sagte Peter Kemnater mit glühenden Wangen und blitzenden Augen, ein Mädel, das ich mehr lieb' als Vater und Mutter, als Alles in der Welt, und mit der ich in vierzehn Tagen wollt' Hochzeit machen, aber ich schwör' zu Gott und der heiligen Jungfrau, daß ich nit früher will Hochzeit machen und meine Braut als mein Weib daheim führen, als bis Tyrol wieder frei ist, als bis wir den Feind zum Land hinaus gejagt haben! Und sollt' meine Braut darüber bös werden, und verlangen, daß ich mehr an sie, als an's Vaterland denken, es vorziehen sollt', für sie allein zu leben, statt vielleicht für's Vaterland zu sterben, so würd' ich mit ihr brechen, und nimmer sie wieder anschauen, nimmer ein Wort mit ihr reden. Ich hab' viel Ländereien und Häuser, aber wüßt' ich, daß meine Aecker und Wiesen verwüstet, meine Häuser niedergebrannt würden, wie die vom Peter Mayer, so würd' ich doch sagen: Wir wollen kämpfen für's Vaterland! Wir wollen den Feind besiegen, und müßten wir darüber auch All' mitsammen zu Bettlern werden, und wüßt' ich auch, daß ich sterben sollt', ehe ich meine Braut wiedergesehen, und daß sie mir fluchen würd' in meinem Grab! Das ist, was ich zu sagen hab'! Jetzt sprich Du, Martin Schenk, und sag's dem Pater, ob Dein Herz zagt und zittert!

Ja, mein Herz zagt und zittert, rief Martin Schenk, aber blos, wenn ich mein', es wär' möglich, daß die Männer von Tyrol so kleinmüthig und erbärmlich wären, sich ruhig zu verhalten, und die Schmach zu erdulden, blos weil der Feind übermächtig und an Zahl uns überlegen ist! Ich hab' ein junges Weib, das ich vor einem Jahr erst geheirathet hab', und das mir vor acht Tagen ein Knäblein geboren, und ich hab's Weib und 's Kindel lieb von Herzensgrund. Aber wüßt' ich, daß ihr Tod dem Vaterland nützen und zu seiner Errettung beitragen könnt', so würd' ich Weib und Kind mit meinem eigenen Stutzen erschießen, und würd' nit weinen, wenn ich sie todt zu meinen Füßen säh', sondern würd' freudig sein, und rufen; ich hab's für's Vaterland gethan! Hab' mein Liebstes und mein Bestes geopfert für's liebe Tyrolerland! Mag auch der Feind übermächtig sein und stark, mag auch der Kaiser uns verlassen haben, der alte Gott ist geblieben, und der kämpft mit uns! Die Berge stehen noch fest, und das sind unsere Festungen, und in ihnen wollen wir kämpfen, bis wir entweder Alle todt sind, oder bis wir den Feind besiegt, und Tyrol zum dritten Mal frei gemacht haben. Nun wißt Ihr meine Meinung, Pater Joachim Haspinger!

Der Pater antwortete nicht. Er stand da mit gefalteten Händen, schaute zum Himmel empor, und zwei große funkelnde Thränen rollten über seine gebräunten Wangen nieder in den rothen Bart.

Lieber Herrgott da droben, rief er leise, und mit vor Rührung zitternder Stimme, ich danke Dir, daß Du mich diese Stund' hast erleben lassen, und hast mich hören lassen, was diese Männer gesprochen haben. Was kann denn ich nun noch sagen, was hab' ich denn, das ich dem Vaterlande opfern könnt'? Ich hab' nicht Weib, nicht Kind, nicht Hab' und Gut, bin nur ein armer Kapuzinermönch! Hab' nichts als mein Leben und mein Blut! Aber das geb' ich meinem Vaterland, und wollt' mich auch der Herr Bischof und der Abt darüber in den Bann thun, und meine Seele verdammen, daß sie im ewigen Fegefeuer brennen müßt'! Besser, eines armen Kapuzinermönchleins Seele brennt in der Höll', als daß das Vaterland daliegt in Schmerzen und das Brandmal der Schand' und der Sclaverei sitzt ihm auf der Stirn. Besser, dem Bischof und dem Abt ein ungetreuer Sohn zu sein, als ein ungetreuer Sohn des Vaterlandes! Besser, ein schlechter Christ, als ein schlechter Patriot sein! Und so mög' denn kommen, was da will, ich theil' mit Euch Gefahr und Sieg, Noth und Tod, wie's eben kommt! Ich bin von heute an nicht mehr der Kapuzinermönch, sondern der Rothbart Joachim Haspinger, der Vaterlandsvertheidiger. So schwör' ich denn, daß ich will nicht eher mein Haupt wieder zur Ruh' niederlegen, nicht eher will rasten und des Leibes pflegen, als bis das Vaterland befreit ist vom Feind und wir ehrenvollen Frieden haben durch eigene Mittel und eigene Kraft. Ist das auch Eure Meinung, so schwört es hier vor Gott, daß Ihr von dieser Stund' an kämpfen wollt für's Vaterland, ihm alle Eure Kräfte weihen, und lieber sterben wollt und verderben, als nachlassen im Kampf, oder Frieden machen mit dem Feind und Euch ihm unterwerfen.

Und die drei Männer hoben ihre Hände und ihre Blicke zum Himmel empor, und mit lauter, feierlicher Stimme, in Einem Klang, in Einem Geist und Gedanken, riefen sie: Wir schwören bei Gott dem Allmächtigen, bei Allem, was uns heilig und theuer ist auf Erden, daß wir von dieser Stund' an kämpfen wollen für's Vaterland, ihm alle unsere Kräfte weihen, und lieber sterben wollen und verderben, als Nachlassen im Kampf, oder Frieden machen mit dem Feind und uns ihm unterwerfen! Das schwören wir!

Benedictus! Benedictus! rief Pater Haspinger, seine Hände segnend auf die drei zum Schwur in einandergeschlossenen Hände der Männer legend. Der Herr hat Euren Schwur gehört und angenommen, der Herr segne Euch, die heilige Jungfrau beschütze Euch! Amen!

Und nun lasset uns Pläne schmieden für den Kampf, und lasset uns überlegen, was wir thun wollen, sagte der Pater nach einer Pause. Zuerst wollen wir dem Andreas Hofer vermelden, daß sein Wille geschehen soll, und daß wir den Landsturm und alle unsere Kraft aufbieten wollen. Lasset mich also schreiben, und dann wollen wir Kriegsrath halten! –

Der Kriegsrath dauerte bis tief in die Nacht, und während ganz Europa zitterte vor dem »unüberwindlichen Kaiser Napoleon«, während ganz Deutschland ihm demüthig zu Füßen lag, und alle Fürsten buhlten um seine Gunst und seine Gnade, überlegten vier arme, nicht gelehrte, nicht feingebildete Männer, drei Bauern, und ein Mönch, wie sie dem »Kronenräuber Bonaparte« trotzen und seine mächtigen Heere aus ihren Bergen verjagen wollten!

Ganz Deutschland war unterjocht, und gab den Widerstand gegen den Allgewaltigen auf, nur das kleine Tyrol wollte sich nicht unterjochen lassen, nur die tapferen Söhne der deutschen Berge wollten es noch wagen, dem Tyrannen zu trotzen, und der Freiheit und Selbstständigkeit, die sonst überall aus Deutschland von Napoleon war vertrieben worden, an den Grenzen Deutschlands, inmitten seiner Berge und Gletscher, eine Zuflucht zu gewähren.

Und am andern Morgen schon ertönten in allen Thälern und auf allen Höhen die Sturmglocken und riefen die Männer auf zum Kampf für das Vaterland. In der Nacht noch hatten die drei tapferen Männer sich aufgemacht; Jeder nach einer anderen Seite hin waren sie in's Land gegangen, um die Männer aufzurufen zum Widerstand, um ihnen Andreas Hofer's Befehl mitzutheilen, und sie im Namen des Vaterlandes zu beschwören, den Stutzen wieder zur Hand zu nehmen, für die Befreiung des Vaterlandes ihr Blut und Leben noch einmal zu wagen.

Pater Haspinger aber war die Nacht hindurch gewandert gen Latzfons hin, und dort in der Kirche predigte er am anderen Morgen dem Volke in begeisterter Rede den heiligen Krieg, versprach Jedem, der mindestens ein Dutzend Franzosen erschlagen würde, vollkommenen Ablaß seiner Sünden für ein Jahr, Demjenigen, der zwei Dutzend Franzosen erschlagen würde, Ablaß seiner Sünden auf fünf Jahre. Der Mann vom Rinn. Von Jos. Mayr. S. 151.

Und hingerissen von den Worten, den Versprechungen des Kapuziners, voll heiligen Eifers, dem Vaterland zu dienen und sich Ablaß für alle Sünden zu erwerben, strömten die Männer zu den Waffen, und selbst eine Schaar von Frauen bildete sich zum heiligen Dienst für's Vaterland.

Am Abend dieses Tages hatte sich um den kriegerischen Pater schon eine Schaar von dreihundert Streitern gesammelt, und mit ihnen zog er gen Unterau, unterwegs immer neue Verstärkungen erhaltend, denn von allen Bergen und aus allen Thälern stürzten die Männer herbei, um sich dem tapferen Pater anzuschließen, und unter seinem heiligen Commando zu siegen oder zu sterben.

Und frohe Kunde kam von allen Seiten, und meldete, daß überall im ganzen Tyrolerland sich das Volk erhoben habe. Schon hatten Peter Mayer und Peter Kemnater alle Schützen der nahen Ortschaften um sich gesammelt, und ihre vier tapferen Compagnien vereinigten sich jetzt mit den Truppen des Paters. Auch von Andreas Hofer kam Botschaft; er war aus seiner Höhle wieder hervorgegangen, und auf seinen ersten Ruf hatten alle Schützen des Passeyrthals sich wieder um ihn versammelt, waren ganze Schaaren von nah und fern herbeigeströmt, um aufs Neue unter dem geliebten Ober-Commandanten zu kämpfen. Mit ihnen war Andreas Hofer fortmarschirt über den hohen Jaufen hin, und wie eine Lawine vergrößerte sich seine Schaar bei jedem Schritt vorwärts. All' die tapferen Schützen von Passeyr, Meran und Algund kamen herbei, und die läutenden Sturmglocken und der Ruf des allgeliebten Andreas Hofer schlugen mahnend und begeisternd an jedes Herz und machten aus jedem Tyroler einen Soldaten, aus jedem Weib eine Heldin.

Tyrol war zum dritten Mal aufgestanden, und zum dritten Mal wollte es sich seine Freiheit erkämpfen.


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