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III.
Elza's Rückkehr.

Man feierte heute, am dritten Oktober, ein herrliches Fest zu Innsbruck, und Freude und Jubel war in der ganzen Stadt. Eine Botschaft war vom Kaiser Franz aus Totis nach Innsbruck gekommen, eine Botschaft der Liebe und des Glücks. Drei der frühern Anführer des Tyroler Aufstandes, die sich bei dem zweiten Einbruch der Baiern nach Oesterreich mit den abziehenden Truppen gerettet hatten, die drei Anführer Sieberer, Frischmann und Eisenstecken waren jetzt als Couriere vom Kaiser nach Innsbruck gekommen. Mitten durch das vom Feinde besetzte Steiermark und Kärnthen hatten sie sich hindurchgeschlichen, und unter lautem Jubel der Bevölkerung waren sie in Innsbruck angelangt. Freudenbotschaft brachten die Drei vom Kaiser Franz! Er sandte dem Ober-Commandanten von Tyrol, dem lieben und getreuen Andreas Hofer, eine schwere goldene Gnadenkette, an der die goldene Verdienst-Medaille mit dem Bildniß des Kaisers hing, dazu dreitausend Gulden zur Unterstützung der tapfern Streiter. Das beste von Allem war aber ein eigenhändiges Schreiben des Kaisers, in welchem er die Tyroler belobte wegen ihrer Tapferkeit, sie zum ferneren Widerstand aufforderte, ihnen versprach, daß sie von Oesterreich kräftig mit Geld und Mannschaft unterstützt werden sollten. Zu diesem Zweck, meldete das Schreiben, werde der Kaiser den Herrn von Reschmann als Oberlandes- und Armee-Commissarius mit weitern Weisungen und Geldmitteln baldigst nach Tyrol senden, und möchten sich alle tapfern Tyroler nur auf den nahen Krieg gefaßt machen.

Unendlich war der Jubel der Landesvertheidiger über diese glücklichen Nachrichten, und Andreas Hofer's Antlitz strahlte vor Wonne und Entzücken, als er beim feierlichen Hochamt in der Hofkirche aus den Händen des Abtes von Wiltau, vor dem Altar knieend, die kaiserliche Ordenskette empfing. Die Orgel rauschte dazu ihre Jubelhymnen, und das Volk jauchzte ihm entgegen, und alle Behörden und alle Bürger der Stadt leiteten Andreas Hofer im Triumph durch die festlich geschmückten Straßen hinein nach der Kaiserburg. Er war prächtig anzuschauen in seiner stattlichen goldgestickten Uniform, die er heute zu Ehren des Tages statt seines Tyrolergewandes trug, die schwere goldene Kette mit dem Kaiserbildniß blitzte unter dem schönen schwarzen Bart auf seiner Brust hervor, sein Haupt bedeckte ein goldverbrämter schwarzer Hut, den ihm die Ursulinernonnen geschenkt, und auf dem sie mit goldenen Buchstaben eingestickt hatten: » Andreas Hofer, Ober-Commandant von Tyrol.« Andreas Hofer's Angesicht leuchtete vor Freude, während er so, umjubelt von der ganzen Bevölkerung, unter dem Geläute der Glocken einherschritt, aber sein Herz war doch voll Demuth, und die strahlenden Blicke gen Himmel erhebend, sagte er leise vor sich hin: oh mein Herr und Gott, Du allein hast Alles zu Stande gebracht, hast uns behütet und beschützt, und uns den Sieg verliehen! Dir allein sei die Ehre! Behüt' mich, Herr, vor Hochmuth und laß mich immerdar erkennen, daß ich doch nichts bin als Dein armseliger Knecht, und daß Du allein uns den Sieg giebst und den Segen für unsere Sach'.

Auch die kaiserliche Hofburg war heute festlich geschmückt, und ein großes Banket sollte dort stattfinden zu Ehren des Tages, alle Behörden von Innsbruck waren eingeladen zu einem festlichen Mahl, und am Abend sollte im großen Prunksaal ein glänzender Ball gegeben werden, und zum Schall der schmetternden Musik sollten die schönen Mädchen von Innsbruck tanzen, zu Ehren des festlichen Tages. Zum ersten Mal hatte Andreas Hofer heute seine Einwilligung gegeben zu Musik und Tanz, und alle schönen Mädchen von Innsbruck rüsteten sich daher, um die seltene Freude mit genießen zu können und Theil zu nehmen an dem glänzenden Fest.

Alle Gesichter strahlten und glänzten, auch das holde Angesicht Elisens war heute wie von einem Sonnenschein des Glückes durchleuchtet. Große Freude war ihr heute geworden, denn in der Frühe des Morgens war Ulrich von Hohenberg angelangt und mit ihm sein Oheim, der alte Baron von Hohenberg und seine Tochter Elza. Ulrich hatte Wort gehalten, genau vierzehn Tage waren seit seiner Abreise vergangen, und jetzt, nach diesen bangen, fürchterlichen Tagen der Erwartung, die Elise in Thränen, in Schweigen und zugleich in geheimnißvoller Thätigkeit hingebracht hatte, war Ulrich wiedergekehrt, und mit ihm Elza, die geliebteste Freundin Elisens.

Mit einem stillen, glückseligen Ausdruck hatte Ulrich zugeschaut, wie Elise mit Thränen der Freude immer und immer wieder ihre Elza umarmte, wie sie immer und immer wieder neben dem Ruhebett niederknieete, auf welchem man den alten, von der Reise, den Aufregungen und der Gefangenschaft tieferkrankten Baron gebettet hatte, wie sie zärtlich und demüthig zugleich seine Hand an ihre Lippen drückte und Gott dankte, daß ihr lieber alter Herr, und die beste Hälfte von ihrem Leben, ihre Elza, ihr wiedergegeben sei.

Endlich aber, nach diesem freudigen und stürmischen Wiedersehen, waren die Kräfte des alten Barons erschöpft, er bedurfte der Ruhe und Stille, und Elza mußte ihn in das für ihn bestimmte Schlafgemach geleiten.

Elise und Ulrich blieben nun allein. Erbebend wollte sie diesem Alleinsein entfliehen und schlüpfte leise nach der Thür hin, aber Ulrich eilte ihr nach und faßte ihre Hand.

Elise, sagte er feierlich, ich habe all' Eure Wünsche erfüllt. Ich habe Euch meinen Oheim und Eure Elza wiedergebracht, der König von Baiern hat die angebotene Auswechselung angenommen, er hat den Baron und seine Tochter freigegeben, und Andreas Hofer entläßt mich dafür aus der Gefangenschaft. Ich bin also nun frei, ich bin kein Gefangener mehr, und als freier Mann frage ich Euch jetzt: erinnert Ihr Euch des Schwurs, den Ihr mir geleistet habt am Tage meiner Abreise?

Ja, ich erinnere mich, flüsterte sie leise.

Wiederholt ihn mir, sagte er gebieterisch. Wie lautete Euer Schwur?

Er lautete: »bringt mir meine Elza hierher, und an dem Tage Eurer Wiederkehr, sei's früh am Morgen, sei's spät in der Nacht, sollt Ihr aus den Händen des Priesters Euer Weib empfangen, das Euch grenzenlos liebt.«

Ihr habt die Worte nicht vergessen, Elise. Werdet Ihr sie aber auch jetzt erfüllen?

Ihr besteht darauf? fragte sie, schüchtern und traurig zu ihm aufblickend.

Ja, ich bestehe darauf, sagte er mit einem glückseligen Lächeln.

Nun denn, flüsterte sie kaum hörbar. Ich werde mein Wort erfüllen.

Er stieß einen Freudenschrei aus, und drückte ihre Hand an seine Lippen, und schaute ihr mit einem Ausdruck unaussprechlicher Zärtlichkeit in das erröthende zuckende Angesicht.

Oh, bebe nicht, Liebe, sagte er, schaue nicht zagend und bang in die Zukunft. Ich werde mein Weib vor jedem Kummer und Unglück, meine Gemahlin vor jeder Demüthigung zu schützen wissen. Dich glücklich zu machen soll meine süßeste Freude, Dich geehrt und anerkannt von aller Welt zu sehen, meine heiligste Pflicht sein. Du willst Deinen Schwur erfüllen, und Du mußt es noch heute. So laß mich gehen und einen Priester suchen, und Du, mein holdes Mädchen, Du geh' und flechte den Myrtenkranz in Dein Haar, denn bald komme ich Dich zu holen, Dich im Triumph in die Kirche zu führen, denn öffentlich vor aller Welt soll unsere Trauung sein.

Nein, Herr, sagte sie, leise ihr Haupte schüttelnd. Ich will mein Wort erfüllen, aber ich bitt' Euch, ich beschwör' Euch, erlaubt mir, daß ich Alles einrichte, laßt mich gewähren, und macht's dies Eine Mal, so wie ich's wünsche.

Und was wünschest Du denn, meine holde Braut?

Ich wünsche, daß Niemand von dem erfährt, was wir vorhaben, ich wünsche, daß Ihr heute den ganzen Tag unser Vorhaben vor Jedermann geheim haltet, mit Niemanden davon redet, weder mit Eurem Oheim noch mit Elza, noch mit Andreas Hofer, noch mit sonst Jemanden.

Aber wie soll ich alsdann eines Priesters habhaft werden, der unsere Trauung vollführt?

Ueberlaßt das Alles mir, Herr. Ich schaffe den Priester. Meinem lieben alten Freund, dem Kapuziner Joachim Haspinger, der in dieser Zeit hier in Innsbruck war, dem allein habe ich anvertraut, was geschehen sollte, im Fall Ihr mit meiner Elza wiederkehret, und er hat mir versprochen, daß er selbst die Trauung vollziehen will. So habe ich denn gleich heute morgen, als der Courier Eure baldige Ankunft meldete, einen reitenden Boten an Pater Joachim gesandt, und ich weiß gewiß, daß er heute noch kommen wird.

Du hast also aus freiem Willen Dein Wort erfüllen wollen, rief Ulrich freudig, Du hast daran gedacht, auch ohne meine Mahnung. Oh, ich danke Dir, meine Elise, denn nun sehe ich, daß Du mich wirklich liebst!

Ja, Herr, ich liebe Euch wirklich, sagte Elise feierlich. Ihr sollt das heute wohl noch erkennen müssen. Wollt Ihr mir nun versprechen, was wir vorhaben, vor Jedermann geheim zu halten, zu Niemanden davon zu sprechen, und mich in allen Dingen walten zu lassen?

Ich verspreche es Dir, mein holdes Mädchen. Sag' nur, was ich thun soll, und ich gelobe Dir schweigenden, unbedingten Gehorsam.

Nun denn, lieber Herr Ulrich, sagte sie mit bebender Stimme, so kommt heute Abend um neun Uhr in die Kapelle hier im Schloß. Da werdet Ihr als Zeugen, wie ich hoffe, den lieben Ober-Commandanten Andreas Hofer finden, und der Pater Joachim wird vor dem Altar stehen, und vor dem Altar wird Eure Braut knieen, bereit, Euer Weib zu werden, und Euch zu lieben und Euch zu dienen ihr Lebelang.

Und da werde ich meine Braut finden, die ich vor dem Altar Gottes zu meiner Gemahlin erwählen, die ich lieben, hochschätzen und in Ehren halten will, mein ganzes Leben lang, rief der Hauptmann tief bewegt.

Sie neigte leise ihr Haupt, als nähme sie damit sein feierliches Gelübde an. Ihr kommt also um neun Uhr in die Schloßkapelle? fragte sie.

Ich komme, sagte er lächelnd, und sei gewiß, ich werde pünktlich sein. Pünktlich, wie der Schatzgräber, der zur festgesetzten Stunde seinen Schatz heben muß, wenn er ihn nicht auf immer verlieren will. Um neun Uhr bin ich in der Kapelle.

Wohl, um neun Uhr! Und jetzt lebt wohl bis dahin, Herr. Gar Vieles habe ich noch zu thun und zu schaffen, muß den Brautstaat noch in Ordnung bringen, denn heut' will ich Euch keine Schand' machen, Herr Ulrich. Eure Braut darf nit als eine Bauerndirn' dastehen, sie muß schön und vornehm gekleidet sein, wie eine Dame, wie Elza, so schön und vornehm.

Kleide Dich, wie Du willst, sagte er lächelnd, nur glaube nicht, daß ich mich jemals der Bauerndirne schämen werde, daß ich jemals verbergen und bemänteln will, von welchem Herkommen meine holde schöne Gemahlin ist.

Und werdet Ihr morgen mit mir in meine Heimath fahren? fragte sie. Werdet Ihr Euch meinem Vater, dem Commandanten vom Pusterthal, Anton Wallner, als sein Schwiegersohn vorstellen? Oh, Ihr wißt wohl, er ist ein tapferer Held, der Anton Wallner, nicht blos Tyrol, ganz Deutschland kennt die Heldenthaten, die er bei Taxenbach im Gefecht gegen die Baiern vollbracht. Auch jetzt ist er wieder zu Feld gegangen, und wird, mit Joseph Speckbacher und Pater Haspinger vereint, die Baiern am Passe Lueg angreifen und so Gott will besiegen. Nit wahr, Herr Ulrich, Ihr kommt mit mir zu meinem Vater, dem Anton Wallner, und fordert seinen Segen als sein Schwiegersohn?

Aber Du sagst ja selbst, Elise, daß er nicht daheim ist?

Nun denn, rief sie lebhaft, so fahren wir ihm nach zum Passe Lueg!

Ulrich schwieg und blickte verlegen zur Erde nieder, und sah nicht, wie Elisen's Augen mit einem forschenden, schmerzlichen Ausdruck auf ihm ruhten.

Elise, sagte er dann nach einer Pause, langsam sein Haupt erhebend, Du hast ein großmüthiges Herz und eine zarte Seele. Dein Herz wird mir daher vergeben, wenn ich Deinen Wunsch nicht erfülle, Deine Seele wird verstehen, daß ich ihn nicht erfüllen kann. Dein Vater ist Commandant der Tyroler, welche im Aufruhr sich gegen Baiern erhoben haben, er kämpft gegen die Baiern, meine Landsleute, meine Waffengefährten. Ich habe meine Freiheit wiedererhalten, aber ich habe den Eid leisten müssen, in diesem Krieg nicht wieder die Waffen gegen Tyroler zu führen. Der König von Baiern hat mir erlaubt, diesen Eid zu leisten, und befohlen, daß ich nach München komme, wo ich bis zur Beendigung des Krieges bleiben soll. Ich muß schon morgen dahin abreisen, und meine holde geliebte Gemahlin begleitet mich. Wenn aber der Krieg beendet ist, wenn wieder Friede ist im schönen Tyrol, dann kehre ich mit meiner Elise in ihre Heimath zurück, dann fordere ich von Anton Wallner als sein Schwiegersohn seinen Segen, und dann ist es mir erlaubt, ihn laut zu preisen wegen seiner Heldenthaten, und ihn zu ehren und zu lieben als den Vater meiner Gemahlin. Begreifst Du, daß ich nicht anders handeln kann, Geliebte?

Ja, ich begreife, rief sie, ich begreife, daß der bairische Hauptmann Herr Ulrich von Hohenberg jetzt nicht zum Tyroler Commandanten Anton Wallner gehen kann, und von ihm, der eben gegen die Baiern zu Felde zieht, seinen Segen fordern und ihn seinen Schwiegervater nennen kann. Ueberlassen wir der Zukunft, daß sie uns Allen Frieden geb' und Glück.

Du siehst wohl ein, daß ich nicht anders kann, sagte er ängstlich, aber Du bist traurig? Ich sehe da eine Wolke auf Deiner Stirn, Elise?

Nein, keine Wolke, rief sie, ihr Haupt schüttelnd. In mir ist's ganz hell, Herr, und ganz deutlich seh' ich, was ich thun muß. Kommt also heut' Abend um neun Uhr in die Schloßkapelle, Ihr sollt da Alles bereit finden.

Ich soll da Dich finden, Dich, meine holde Braut, rief Ulrich ganz beseligt, seine Arme nach ihr ausbreitend. Oh, weiche mir nicht aus, Elise, Du bist jetzt mein, Dein Platz ist an meinem Herzen, entziehe Dich ihm nicht. Sieh, ich bin demüthig und gehorsam, ich will nicht nehmen, was Du mir nicht freiwillig giebst. Aber gieb mir jetzt Dein Brautgeschenk, Elise, gieb mir den ersten Liebeskuß!

Nein, Herr, sagte sie fast ängstlich, am Tag der Hochzeit, da sie zum Altar des Herrn treten soll, darf keine ehrbare, fromme Braut durch Unheiliges ihre Lippen entweihen, darf keinen Kuß geben, und keine Speise über ihre Lippen lassen. Nur fromme Gedanken sollen in ihr sein, nur beten soll sie und zu den Heiligen flehen um Gnade und um Glück. So laßt mich denn gehen, meine heiligen Pflichten zu erfüllen.

Ja, meine holde, süße Unschuldstaube, ich lasse Dich gehen, sagte Ulrich sanft. Bete zu Gott und flehe zu den Heiligen für Dich und mich, aber sei pünktlich heute Abend neun Uhr in der Schloßkapelle.

Gewiß, Herr, ich werde pünktlich sein. Nun lebt wohl! Geht hier hinaus. Ich bleibe hier, denn ich erwarte meine Elza, und gar Vieles habe ich ihr noch zu sagen.

Sie wird also um Dein Geheimniß wissen? Ihr wirst Du verrathen, was ich sonst Niemanden verrathen darf?

Nein, Herr, ich werde ihr Nichts verrathen, und nur Gott darf mein Geheimniß kennen. Nun zum letzten Mal, lebt wohl, Herr!

Lebe wohl, Elise! Oh gieb mir Deine Hand! Laß sie mich einmal an's Herz drücken. Oh fürchte Nichts, Elise, nicht einmal Deine Hand sollen meine unheiligen Lippen heute entweihen! Nun geh' ich, Kind, leb' wohl bis heute Abend, meine holde Braut!

Er nickte ihr zu mit einem heiteren, glücklichen Lächeln und verließ rasch das Gemach. Elise schaute ihm nach, unbeweglich, athemlos horchend auf seinen enteilenden Schritt, und schmerzlich aufseufzend, als er in der Ferne verklang. Dann legte sie mit einer raschen, zuckenden Bewegung ihre beiden Hände auf ihr Herz.

Oh, es thut weh, sehr weh, murmelte sie. Hab' vorhin gemeint, es riß da drinnen was entzwei, und ich müßt' sterben auf der Stelle. Aber ich darf nit sterben und auch nit weinen. Ich muß mein Herz steif halten zwischen meinen Händen, und will's lieber todt drücken, als daß es schreien sollt'. Und ich fühl' auch, daß der liebe Herrgott mir beisteht, und daß er segnet, was ich thun will. Gott selber war's vorher der mir die Frage auf die Lippen legt', ob der Ulrich mit mir zum Vater kommen wollt'? Er mußt' antworten, daß er das nicht könnt', nicht könnt' hingehen zum Feind, der doch sein Schwiegervater sein sollt'. Als er das sagte, da richtete mein Herz sich auf in meiner Brust, und steift sich empor ganz freudig und stark. Ich wußt' in dem Augenblick, daß ich recht thu', und so will ich's auch getreulich zu End' führen! – Aber still, still, da kommt Elza! Nun gilt's, ein heiter Gesicht zu machen!

Liesel, mein Liesel, bist hier? fragte Elza, die Thür öffnend.

Ja, da bin ich, Elza, rief Elise, und mit lachendem Gesicht eilte sie zu der Freundin hin.

Und wo ist denn Ulrich? Warum ist er nicht hier? Oh, ich saß mit solchem Herzklopfen beim Vater, ich sehnte mich so sehr, daß er einschlafen möchte. Mein Gott, Liesel, ich habe Dir so Vieles zu sagen, so Vieles anzuvertrauen. Ach, Du glaubst nicht, wie glücklich ich war auf dieser schönen, prächtigen Reise. Immer neben Ulrich zu sein, welch ein Glück! Und wie zärtlich und aufmerksam er für meinen lieben alten Vater sorgte, recht wie ein guter dankbarer Sohn, der seinem Vater jeden Wunsch an den Augen ablauschen möchte. Mir kamen oft die Thränen in die Augen vor Rührung und Wonne, wenn ich ihm zusah, wie er meinen lieben Papa unterstützte, ihn fast in den Wagen trug, und ihm seinen Sitz bequem machte; wenn ich ihm zuhörte, wie er mit so schönen, milden und doch so mannhaften Worten ihn tröstete in seinen Schmerzen. Er sprach nicht von Gott und den Heiligen, und doch war's fromm, was der Ulrich sprach, fromm wie ein Gebet der heiligen Menschenliebe. Oh, wie edel, gut, tapfer und milde ist Ulrich!

Und Du liebst ihn, Elza, nicht wahr, Du liebst ihn?

Ja, ich liebe ihn von ganzer Seele, und für alle Ewigkeit. Aber, wo ist er nur? Wo ist Ulrich? War er nicht bei Dir?

Ja, Elza, er war hier, er war eben erst fortgegangen, als Du kamst.

So lange war er hier? Und wovon spracht Ihr? Oh, sage es mir, Elise, wovon spracht Ihr?

Von Dir, Elza, sagte Elise mit einem wunderbaren, strahlenden Ausdruck.

Ach, von mir, rief Elza freudig. Oh sag', Liesel, glaubst Du, daß er mich liebt?

Ich glaube es nicht, Elza, ich weiß das ganz gewiß. Er hat mir einen wichtigen Auftrag an Dich gegeben, und fordert von Dir einen großen Liebesbeweis. Komm, mein' Elza, laß uns auf mein Zimmer gehen! Da sind wir sicher, daß uns Niemand hört, da will ich Dir Alles sagen!


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