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Döninger ging zur Thür hin und öffnete sie, und sofort schlüpfte ein junges schönes Tyrolermädchen herein. Still, still, flüsterte sie Döninger zu, sagt ihm nichts.
Und leis auf den Zehen schlich sie zu Andreas Hofer hin, der die Verordnung, welche er Döninger dictirt hatte, mit ernster Aufmerksamkeit noch einmal durchlas.
Jetzt neigte sie sich und küßte die Hand, mit welcher Hofer das Papier hielt, Grüß' Dich Gott, herzlieber großer Vater und Volksbefreier, sagte sie mit silberheller Stimme.
Liesel Wallner! rief Andreas freudig, das Papier bei Seite werfend. Ja bei Gott, sie ist's! Es ist Liesel, meines Herzfreundes bestes Kind! Das Tyrolerheldenmädel. Komm, Liesel, umarme Deinen zweiten Vater, den Anderl, und gieb mir einen schönen Kuß von Vater und Mutter, und von Dir selber, mein herzliebes Mädel.
Elise schlang ihre Arme fest um Hofer's Nacken und drückte einen zärtlichen Kuß auf seine Lippen. Gott grüß' Dich, lieb Vaterle, bist ja jetzt der Vater von ganz Tyrol, flüsterte sie, und darfst nit schelten wenn ich Dich auch Vater nenne!
Im Gegentheil, eine große Freud' ist's mir, rief Andreas, sie zärtlich an sich drückend. 's kommt mir so vor, als ob ich da eins von meinen eigenen Mädchen im Arm halt' und ihre liebe Stimm' hör', die mich Vater nennt. Liesel, Dir kann ich's sagen, ich sehn' mich oft nach den schmucken Mädels und nach ihrer Mutter, der Anna Gertrud, und recht einsam ist's mir zuweilen im Sinn.
Und warum schickst Du nicht hin, Vater Anderl, und läßt Dir Dein Weib und Deine Kinder daher kommen? Platz habt Ihr doch in dem großen Haus hier?
Nein, sie sollen daheim bleiben, rief Andreas eifrig. Die Mutter muß die Wirthschaft führen und Alles in Ordnung halten, und die Mädels müssen ihr brav dabei helfen. Es würd' ja sonst alles dabei zu Grund' gehen, und wenn ich nit mehr nöthig hab' hier für den Kaiser zu arbeiten, und ich käm' heim, so wär' die ganze Wirthschaft ruinirt, und wir hätten gar nichts, wovon wir leben könnten, und wären arme Bettler. Auch will ich halt nit, daß die Mädels hoffährtig werden, und dächten, sie wären jetzt vornehm, weil ihr Vater der Ober-Commandant von Tyrol und der Stellvertreter des Kaisers ist. Bauern sind wir und Bauern wollen wir bleiben. Aber reden wir jetzt nit mehr von mir, sondern von Dir, mein Liesel. Wo kommst denn her, was willst hier, und wie kommst denn da hinein in den Saal, zu den fremden Leuten?
Ich kam, um Dich zu sprechen, Vater Andreas, und die Schildwacht, die auf dem Gang steht, die fragt' ich, wo Du seist, ich müßt' Dich gar nothwendig sprechen. Da hieß sie mich in den Saal eintreten, und viel Leute waren schon darin, die Alle Dich sprechen wollten, und sie erzählten mir, daß Einer nach dem Andern hineingelassen würde zu Dir; als sie aber hörten, daß ich von Windisch-Matrey komme, und zwei Tag' und zwei Nächt' gewandert sei, um Dich zu sprechen, da hatten sie Mitleid und wollten mich nit warten lassen, bis daß ich an die Reih' käm', sondern ließen mich vortreten, bis dicht an die Thür, so daß ich die Erste sein sollt', die zu Dir hinein käm'.
Es sind doch gute und brave Leute, meine lieben Innsbrucker, rief Andreas freudig. Also von Windisch-Matrey kommst, Liesel? Und wo ist Dein Vater?
Der ist mit seinen Schützen beim Joachim Haspinger und Joseph Speckbacher, und die Drei zusammen sind mit ihrer Mannschaft gegen die Baiern zu Felde gezogen. Der Vater hat mit seinen siebenhundert Schützen das Unkenthal von den Baiern frei gemacht und liegt mit ihnen bei Berchtesgaden und Reichenhall. Der Speckbacher steht bei Neuhäuser und Schwarzbach, und der Joachim Haspinger steht jetzt noch bei Werfen. Aber jetzt wollen sie sich alle Drei miteinander vereinigen, um den Baiern entgegenzurücken, und wollen sehen, daß sie ihnen den Paß Lueg, den sie stark besetzt halten, abgewinnen können.
Und Du bist nit bei Deinem Vater, Liesel, und nit bei Deinem Freund, dem Kapuziner, der immer von Dir als von einer Heldin spricht? Holst nit mehr die Verwundeten aus der Schlacht, um ihre Wunden zu verbinden, und sie zu pflegen?
Ich hab' jetzt eine andere Liebespflicht zu erfüllen, und darum komme ich mit der Erlaubniß des Vaters zu Dir, herzlieber Vater Andreas Hofer. Ich bin gar traurig und unglücklich, und Du allein, lieber und allmächtiger Statthalter von Tyrol, Du allein kannst mir helfen.
Sag's schnell, mein Liesel, was kann ich für Dich thun? fragte Andreas eifrig. Bin Dir noch Belohnung schuldig für Deine Heldenthat damals mit dem Heuwagen, und möcht' Dir gern vergelten im Namen des Vaterlandes. Also sag', mein Mädel, was kann ich für Dich thun?
Du kannst mir die liebste Freundin, die ich auf Erden hab', wiedergeben, sagte Elise flehend. Kannst eine gute Patriotin aus bairischer Gefangenschaft, und einen braven Edelmann, der nichts gethan hat, als daß er ein gut tyrolisch Herz hat, von Kummer und Herzeleid befreien.
Ich will's ja von Herzen gern thun, rief Andreas, nur sag' mir, von wem Du redest, Liesel.
Ich rede von dem Baron von Hohenberg, der auf seinem Schloß bei Windisch-Matrey wohnte, und von seiner Tochter, meiner lieben und einzigen Freundin Elza. Der alte Baron war immer ein gar gottesfürchtiger und lieber Herr, ein Wohlthäter und Vater der Armen, und kein Armer und Nothleidender hat sich an ihn gewandt, dem er nicht geholfen hätte. Seit zwanzig Jahren hat er sich in Tyrol niedergelassen und wohnt in seinem Schloß bei Matrey, und so ist er ein treuer Tyroler worden, obwohl er aus Baiern gebürtig ist, und seine ganze vornehme Familie in München wohnt. Seine Tochter Elza ist meine liebste Freundin, wir sind mitsammen aufgewachsen, und so sehr lieb' ich sie, daß ich mein Herzblut für sie hingeben könnt'. Nun denke, lieb' Anderle, den lieben alten Baron und meine Elza, die Beiden haben die Baiern, als sie vor zwei Monaten wieder in's Land eingebrochen waren, gefangen genommen und nach München fortgeschleppt als Geißeln, und sie haben sie da angeklagt als Verräther, weil sie Beide treu zu Tyrol gehalten, und weil damals gleich zu Anfang in ihrem Schloß die bairischen Soldaten und ihr Hauptmann eingesperrt und gezwungen wurden, die Waffen niederzulegen.
Ja, ja, ich kenn' die Geschicht', rief Andreas vergnügt, es war eine rechte und echte Heldenthat von Anton Wallner, und damit fing unser glorreicher Befreiungskrieg an. Und jetzt wollen die schlechten Baiern dafür den guten Herrn von Hohenberg einen Verräther schelten, und er kann ja nichts dafür, und war ja nit einmal daheim als das geschah. Sie sagen, er sei mit guter Absicht damals aus seinem Schloß fortgereist, weil er die Tyroler hab' nit hindern wollen, die Baiern gefangen zu nehmen, und er hab's gewußt, daß die Tyroler das vorhatten, und hätt' die Baiern warnen müssen.
Er hat gehandelt als guter Patriot, daß er's nit gethan hat, rief Andreas, und dafür sollen sie ihn nit einen Verräther schelten, und sollen ihn mit seiner Tochter nit gefangen halten.
Ach, und sie sehnen sich alle Beide so sehr nach ihrem lieben Tyrol und nach ihrem Schloß. Die Elza hat's mir geschrieben, hab' vor acht Tagen einen Brief von ihr gehabt, und die Schrift war von Thränen halb verlöscht. Sie fühlen sich Beid' so unglücklich in der großen Stadt München, und die vornehmen Verwandten machen ihnen so harte Vorwürf' und der alte Herr ist schon krank worden von der Stubenluft und der Gefangenschaft, und Elza meint', er würd' sicherlich sterben vor Gram, wenn er nit bald erlöst würd' und in seine Berge zurückkäme. So bitte ich Dich denn, lieber mächtiger Ober-Commandant von Tyrol, erhalt' dem alten Baron das Leben, gieb mir meine Elza wieder, mach' sie Beide frei aus der Gefangenschaft. Darum bin ich gekommen, Vater Anderl, um Dich das zu bitten, und wenn Du meinst, daß ich jemals ein bissel für's Vaterland gethan und mir 'n Dank und Lohn verdient hab', so laß es mein Dank und Lohn sein, daß Du Elza und ihren Vater aus der Gefangenschaft erlösest und sie heimkehren läßt.
Ich will thun, was ich kann, rief Andreas tiefbewegt, und der liebe Gott ist mit Dir und hat gemacht, daß Du grad' heute kommst und grad' heute mir Deine Bitt' sagst, denn grad' heute kann ich Dir helfen. Nit wahr, Döninger.
Der bairische Offizier, den Ihr nach München absendet? fragte Döninger lakonisch.
Ja, der bairische Offizier, der soll sie frei machen, rief Andreas. Schau, Liesel, wie sich das trifft! Wir haben da unter den Gefangenen, die wir in der letzten Schlacht am Berg Isel gemacht, einen bairischen Hauptmann, einen gar lieben und verständigen Mann, der, wie mir scheint, viel herzige Theilnahme hat für uns Tyroler Leut'. Den wollten wir jetzt auf Ehrenwort aus der Gefangenschaft entlassen, und wollten ihn nach München schicken, daß er mit dem König unterhandele, ob wir nit unsere Gefangenen auswechseln wollten, und uns nit im Guten verständigen könnten. Der bairische Hauptmann, – ich denk' Ulrich heißt er –
Ulrich? fragte Elise erbebend und tief erröthend.
Ich mein', daß das sein Nam' ist, sagte Hofer gelassen, aber seinen zweiten Namen, den hab' ich vergessen, wir nennen ihn halt immer nur Hauptmann Ulrich, wie Ihr mich Andreas nennt. Nun, der Hauptmann Ulrich hat schon seine Instructionen erhalten, und die Liste von den Gefangenen, für deren Auswechselung er sprechen soll. Nun haben wir weiter nichts zu thun, als daß wir den Namen noch auf die Liste setzen, und Du selber, mein Liesel, sollst dem Hauptmann Ulrich es recht an's Herz legen, daß er Dir den alten Herrn und Deine Freundin wieder herbeischafft. Ich bitt' Dich, liebster Cajetan, geh' und hol' den Hauptmann, er sollt' ja erst in einer Stund' abreisen, muß also noch hier sein.
Ist gewiß noch hier, denn da liegen seine Papiere, die ich ihm bringen wollt', und ohne die er nit abreisen kann, sagte Döninger. Und hier ist auch die Liste von den Gefangenen, die er frei machen soll.
So schreib den Namen vom alten Herrn Baron und seiner Tochter d'runter, Cajetan, und schreib' dabei dringend empfohlen.
Aber gegen wen sollen sie ausgewechselt werden? fragte Cajetan.
Ja freilich, gegen wen? Nun, gegen Herrn Ulrich selber! Wenn er sie befreit, und wie er's feierlich geschworen, wieder hierher kommt, und die Antwort bringt, und vielleicht den alten Herrn und seine Tochter gleich mit herschafft, so soll er frei sein, und gehen können, wohin er will. Geh', Cajetan, sag' das dem Hauptmann und bring' ihm die Papiere, und sag' ihm nochmals Bescheid von Allem, was er zu thun hat. Und Du, Liesel, willst ihm nit ein Briefel mitgeben für Deine Freundin? Aber freilich, hast kein Briefel fertig. So ist's besser, Du sagst ihm mündlich, was er Deiner Freundin von Dir bestellen soll, und was Du ihr nit schreiben konntest. Geh' also, Cajetan, bring' dem Hauptmann die Papiere, und führ ihn hierher zur Liesel. Aber nit hier herein, denn es warten da d'rin noch gar viele Leut', die ich anhören muß, eh' ich weiter mit Dir plaudern kann. So führ' ihn denn in's andere Zimmer, und wenn er d'rin ist, so komm' wieder hierher, Cajetan. Dann kann die Liesel da hinein gehen, und mit dem Hauptmann sprechen, und wir sprechen mit den armen Leuten da d'rin, die schon so lange heut warten müssen. – Aber fort laß ich Dich nit wieder, mein Liesel, fuhr Hofer fort, als Döninger hinaus gegangen war, nein, fort laß ich Dich nit. Mußt bei mir bleiben hier im Schloß und mußt mein herzlieb Töchterlein sein, bis daß der Hauptmann zurückkommt von seiner Sendung, bis daß Du weißt, ob er Dir Dein' Freundin mit heimbringt und ihren Vater dazu. Willst das, mein Liesel?
Ja, das will ich, lieber Vater Andreas, will bei Dir bleiben bis dahin, will Dich hegen und pflegen als Dein lieb Töchterlein, bis daß mein' Elza so Gott will kommt, und ich mit ihr zusammen nach Windisch-Matrey heimkehr'.
Eben trat Döninger wieder herein. Der Hauptmann ist drin in dem Zimmer da, sagte er, auf eine Seitenthür deutend, er erwartet Euch, und wenn er mit Euch gesprochen hat, reist er ab. Der Wagen steht schon bereit. Geht also, Jungfer Elise Wallner.
Ich geh' schon, sagte Elise, und sie nickte Andreas mit einem süßen Lächeln ihren Abschiedsgruß zu und öffnete die Thür zu dem Seitengemach, während Döninger eben eine neue Person aus dem Audienzsaal in Hofer's Cabinet herein ließ.
Das Gemach, in welches Elise eintrat, war eins der größeren Prunkzimmer des Schlosses, die Andreas nicht bewohnte und nur zu besonderen Gelegenheiten benutzte. Es war ein breiter Raum mit schweren Seidentapeten an den Wänden, und vor den hohen Fenstern mit eben solchen Vorhängen, die, lang herab wallend, das Tageslicht dämpften und ein mattes Dämmerlicht in dem weiten Raum verbreiteten. An den Wänden standen prachtvolle vergoldete Meubles, zwischen den Fenstern große venetianische Spiegel in breiten geschnitzten Goldrahmen, und von der Decke hernieder hingen große Kronleuchter von Bergcrystall.
War's die Pracht und Herrlichkeit, welche sie auf einmal umgab, die Elise so scheu und ängstlich machte? Ganz beklommen lehnte sie einen Moment an der Thür, als wage sie nicht, vorwärts zu schreiten auf dem glänzenden Parquet. Fast ängstlich schweiften ihre großen glänzenden Augen durch den weiten Raum, und jetzt sah sie da drüben in der Fensternische, halb verborgen von den dunkeln Vorhängen, eine hohe männliche Gestalt; das Haupt von ihr abgewandt, schien er eifrig zum Fenster hinaus zu spähen.
Ich kenn' ihn nicht, ich kenn' ihn gewiß nicht, sagte Elise leise zu sich selber. Es ist eine Thorheit, so etwas zu denken, raff' Dich also zusammen, mein Herz, und sei ruhig und klopf' nicht gar so ungestüm.
Und mit mutigem Willen ihre Schüchternheit überwindend, schritt sie vorwärts, grad' zu dem Offizier hin, der, von ihr abgewandt, in der Fensternische stand.
Jetzt war sie dicht hinter ihm, und mit leiser, schüchterner Stimme sagte sie: Herr Hauptmann, ich –
Er wandte sich rasch um, er schaute sie an mit einem Blick voll glühender Freude, voll unendlicher Liebe.
Elise stieß einen Schrei aus, und ganz unwillkührlich hoben sich ihre Arme, und ganz unwillkührlich that sie einen Schritt vorwärts, und lag in seinen Armen, ehe sie's wußte, und fühlte seinen brennenden Kuß auf ihren Lippen, in ihrem Herzen, und dachte nichts, und wußte nichts als: Er ist's! Er ist's! Ich seh' ihn wieder! Er liebt mich noch!
Siehst Du, meine Elise, flüsterte Ulrich, sie fest in seine Arme pressend, so mußte ich es machen, um Dir Dein himmlisches Geheimniß zu erpressen. Ich wußte, daß Du es warst, die mich sprechen wollte, und ich wollte Dich überraschen, und jetzt ist es mir gelungen, die Ueberraschung hat mir verrathen, was die schüchternen und keuschen Lippen meiner Elise mir nicht gestehen wollten. Ja, Du liebst mich! Oh, leugne nicht mehr, denn Dein Herz hat Dich verrathen, vorher, als Du mich erkanntest, als die Freude wie ein heller Sonnenstrahl von Deinem Antlitz leuchtete. Nun bist Du mein, Elise, und nichts auf Erden darf und soll uns mehr trennen! Nein, suche Dich nicht meinen Armen zu entwinden, meine holde, süße Braut! Ich lasse Dich nicht, und käm' die ganze Welt, Dich mir abzutrotzen, ich ließe Dich nicht, nicht um die ganze Welt und alle ihre Schätze!
Die ganze Welt kommt nit, sagte Elise, sich sanft seinen Armen entwindend, die Welt kümmert sich nit um das arme Bauernmädel. Aber ich selber will mich Euch abtrotzen, und ich will, daß Ihr mich gehen laßt, Herr, und daß wir vernünftig mit einander sprechen, wie's zwei ehrbaren Leuten geziemt. Laßt mich los, Herr Hauptmann von Hohenberg, es schickt sich nit, daß Ihr mich im Arm haltet, da wir allein sind. Würdet Euch doch schämen, wenn Jemand Euch sehen könnt', wie Ihr die Bauerndirn' im Arm habt.
Nein, Elise, ich würde mich nicht schämen, ich würde meinen Arm fester um Dich schlingen, und mit Stolz würde ich der ganzen Welt entgegenrufen: Elise Wallner, das Bauernmädchen, ist meine Braut, und ich liebe sie, und ich bete sie an, als das treueste, edelste und schönste Herz, und sie soll mein Weib werden, und ich will sie lieben und hochhalten mein Lebelang!
Und wenn Ihr so sprächt, so würde die Welt Euch auslachen. Eure Aeltern aber und meine liebe Elza, die würden um Euch weinen. Um mich aber soll mein' Elza niemals weinen, und nimmer sollen Eure vornehmen Aeltern sich schämen müssen über die Schwiegertochter, die Ihr ihnen in's Haus bringt. Ich kann ihnen ja nimmer gefallen als Schwiegertochter, und also könnten auch sie mir nimmer gefallen als Schwiegerältern.
Oh, Elise, Deine Schönheit, Deine Engelsreinheit und Güte würde ihren Widerstand besiegen, denn kein Herz kann Dir widerstehen, und wenn meine Aeltern Dich erst näher kennen, wenn sie sich erst in das Unabänderliche gefügt haben, so werden sie bald dahin kommen, Dich zu lieben und als Tochter an ihr Herz zu nehmen!
Vorher müßten sie sich aber erst in das Unabänderliche fügen, und aufgedrängt müßt' ich ihnen erst werden, damit sie mich nachher lieben lernten. Ich dank' schön, Herr, bin nur eine Bauerndirn', aber hab' auch meinen Stolz, und möcht' nimmer mich einer Familie aufdrängen, sondern würde nur einen Mann nehmen, dessen Aeltern mir mit Liebe entgegenkommen und mir ihren Segen gleich mit hinein geben in meine neue Wirthschaft. Und nun laßt's gut sein, reden wir nit mehr davon. Reden wir von Euch, und sagt mir, wie's Euch ergangen ist, all die Zeit her.
Du siehst es, Elise, wie's mir ergangen ist, sagte Ulrich traurig. Ich kam damals, als Deine himmlische Großmuth mich befreite, glücklich durch das insurgirte Land bis zu den bairischen Truppen und trat wieder in ihre Reihen. Wir haben viel gekämpft und viel gelitten, und endlich am vierzehnten August bin ich in der Schlacht am Berge Isel von den Tyrolern gefangen genommen und hier in Innsbruck als Gefangener gewesen. Sie kennen mich hier aber nicht unter meinem Namen, denn ich wollte nicht, daß das Gerücht meiner Gefangenschaft bis zu meinen Aeltern gelangen könnte, und lieber sollten sie mich als einen in der Schlacht Gefallenen, denn als einen Gefangenen beweinen. Jetzt aber hat das Schicksal anders über mich beschlossen, ich soll mein trauriges Incognito nicht länger bewahren dürfen; man schickt mich nach München, damit ich dort über die Auswechselung der Gefangenen und der Geißeln, welche unsere Truppen mit fortgeführt, unterhandeln soll.
Und Euer Oheim und meine Elza sind auch unter den Gefangenen, rief Elise. Oh, Herr, wenn Ihr wirklich meint, daß Ihr mir Dank schuldig seid, wenn Ihr nicht vergessen habt, daß ich Euch das Leben gerettet hab', so bitt' ich Euch, macht Euren lieben alten Oheim frei, und führt ihn hieher, denn gar bittere und schlimme Tage hat er in München, wo sie ihn einen Verräther schelten, und wo seine eigenen Verwandten ihm harte Vorwürfe machen. Das stößt ihm das Herz ab, und er wird sterben vor Gram, wenn er nicht bald erlöst wird.
Ich wußte gar nicht, daß ihn ein so hartes Loos getroffen, sagte Ulrich weich, erst heute früh durch Döninger, der mir die Papiere brachte, und mich hierher führte, erfuhr ich davon. Aber ich gesteh's, in der Freude über Euch, meine holde, liebe Elise, hatte mein undankbares Herz sogar des alten Onkels vergessen, der mir so viel Beweise seiner Liebe und Güte gegeben, und mich Monate lang wie einen Sohn in seinem Hause gehalten hat. Ich werde suchen, ihm zu vergelten, ich werde alle Mittel meiner Beredsamkeit, meiner Verbindungen aufbieten, um ihn zu erlösen, ich werde selbst bis zum König gehen, um für ihn zu sprechen, und seine Sache zu führen.
Aber auch meine Elza müßt Ihr mir heimbringen, Herr, rief Elise. Oh, ich bitt' Euch bei Allem, was Euch heilig und theuer ist –
Dann bitte mich bei Deinem Namen, bei Deinem holden Angesicht, unterbrach er sie glühend.
Ich bitt' Euch aus tiefster Seele, fuhr sie, ohne seine Worte zu beachten, in feurigem Eifer fort, bringt mir meine Elza wieder. Sie ist die beste Hälfte von meiner Seele, wir sind zusammen aufgewachsen, haben alle Freud' und alles Leid mit einander getheilt, haben uns geschworen, Eine für die Andere das Leben und das Herzblut zu lassen, wenn's nöthig wär', und in treuer Freundschaft an einander zu hängen, so lang' wir leben. Ich leb' aber nur halb, wenn meine Elza nicht bei mir ist. So führt mir denn meine Elza wieder her, lieber Herr Ulrich und ich will Euch danken und Euch segnen und Euch lieben, wie einen Bruder.
Wie einen Bruder! rief er mit einem schmerzlichen Hohnlachen. Aber ich will diese Liebe nicht annehmen, ich will nicht von Euch geliebt werden, wie ein Bruder. Ich will Euer Herz, Euer ganzes Herz, Elise; es ist auch mein, wider Euren eigenen Willen mein, aber Ihr seid rachsüchtig, Ihr könnt nicht vergessen und vergeben, und weil ich in meinem blinden Starrsinn Euch damals verkannte, wollt Ihr jetzt Eure Rache nehmen, wollt mich zur Verzweiflung treiben, mich lebenslang unglücklich machen!
Ich, rief sie schmerzvoll, ich sollte Euch unglücklich machen wollen!
Ja Ihr, sagte er bitter, Ihr seht, was ich leide, und Ihr freut Euch dessen, Ihr fühlt, daß ich Euch grenzenlos liebe, und mit kaltem, höhnendem Stolz wollt Ihr mir meinen früheren erbärmlichen Stolz vergelten! Meinem unsinnigen Ahnenstolz wollt Ihr Euren Bauernstolz entgegenstellen, mit kaltem Blute, ungerührt von meinen Schmerzen, wollt Ihr mich in den Tod treiben, um dann hohnlachend sagen zu können: Ich habe als treue Tyrolerin gekämpft für mein Vaterland! Ich habe einen Baiern getödtet, habe ihm lachend sein Herz zerbrochen.
Ihr lügt, das werde ich nicht sagen, rief Elise flammend vor Zorn, Ihr lügt, wenn Ihr mich so elender Rache fähig haltet, Ihr lügt, wenn Ihr meint, daß ich ein kaltes und grausames Herz habe. Ich wollte, ich hätt's, dann würde ich nicht leiden, was ich leide, dann würde ich wenigstens vergessen können. Ich ein kaltes und grausames Herz, ich Euch hassen, und Euch verachten? Seht Ihr denn nicht, was ich leide, ahnt Ihr denn nicht, daß ich um Euch leide? Schaut mich doch an, seht doch, wie meine Wangen bleich sind, und wie eingefallen meine Gestalt, und wie trübe meine Augen. Ich acht' nicht d'rauf, und schau mich nicht an im Spiegel – wozu sollt' ich's und für wen? – aber die Mutter wiederholt's mir alle Tage, und weint um mich. Und warum bin ich so blaß und so mager, und warum sind meine Augen so trübe? Weil ich mich gräme, weil ich Tag und Nacht keine Ruh' hab', weil was drin ist in meinem Herzen, das nimmer schweigen und nimmer still sein will, selbst dann nicht, wenn ich bete, oder im Beichtstuhl kniee. Meint Ihr etwa, ich gräme mich um's Vaterland und um den blutigen Krieg? Was kümmert mich's Vaterland, ich denke nicht mehr daran, und doch macht mich jede Schlacht zittern, und wenn die Kanonen donnern, so falle ich nieder auf meine Kniee und bete in Angst und Thränen zu der heiligen Jungfrau. Oh, Gott der Herr möge mir verzeihen, ich bete nicht für den Vater, nicht für die Unsrigen, oh Gott und Herr, ich bete für den Baiern, ich bete für Euch!
Elise, rief Ulrich freudestrahlend, und seine Arme nach ihr ausstreckend, Elise –
Still, sagte sie, ihn stolz zurückwehrend, redet nicht. Ich hab' Euch die Wahrheit gesagt, denn ich wollt' nicht, daß Ihr mich beschuldigt, ich wollt' nicht, daß Ihr zuletzt mir fluchen solltet, da ich doch Euch täglich segne. Aber nun geht, Herr, vergeßt, was ich gesagt habe, aber denkt an mich als Eine, die Euch nimmer gehaßt hat, die nimmer an Euch hat Rache nehmen wollen.
Elise, sagte Ulrich ernst, indem er ihre Hand nahm und ihr tief in's Auge sah, laß uns jetzt offen und ehrlich mit einander sein. Unsere Herzen haben zu einander gesprochen, und Gott hat sie gehört. Du liebst mich, und ich liebe Dich. Entsinnst Du Dich dessen, was ich zu Dir sagte, als ich droben auf der Alp von Dir Abschied nahm?
Ich weiß nicht, Herr, flüsterte sie, die Augen niederschlagend.
Ich aber weiß, fuhr er ernst und fest fort. Ich sagte zu Dir: »ich gehe jetzt, aber ich kehre wieder, und dann werde ich fragen: hast Du mein gedacht? Willst Du mein Weib werden?« Nun, Elise, bin ich zurückgekehrt und ich frage Dich, wie ich Dich auf der Alp fragte: Elise, willst Du mein Weib werden?
Und ich antworte Euch, was ich Euch oben auf der Alp antwortete, sagte sie feierlich. Wir Zwei können niemals zu einander gehören als Mann und Weib, aber wir können einander gedenken als gute Freunde! Und so, Herr, will ich immer an Euch gedenken, und freuen wird's mich allzeit, wenn ich höre, daß es Euch gut geht.
Das ist Euer letztes Wort? fragte Ulrich mit flammendem Zorn.
Ja, Herr, es ist mein letztes Wort.
Du willst also unser Unglück? rief er schmerzlich. Oh du Herz von Crystall, so durchsichtig und klar, so hart und spröde, willst Du Dich denn niemals erweichen lassen von den Sonnenstrahlen der Liebe? Soll denn Dein Herz davon nur härter werden und spröder?
Ich kann nicht anders, Herr, gewiß, ich kann nicht anders, sagte sie flehend.
Nun wohl denn, auch ich kann nicht anders, rief er. Ich werde diese Sendung nicht annehmen, ich werde nicht nach München gehen. Ich bleibe.
Nein, nein, ich beschwöre Euch, geht! rief Elise. Rettet meine gefangenen Landsleute, rettet mir vor allen Dingen meine Elza und ihren Vater. Oh sie ist unglücklich, sie sehnt sich nach der Heimath, sie weint um mich, um Euch, Herr! Eilt, eilt, habt Mitleid mit Elza und mit mir.
Weshalb sollte ich Mitleid haben, da Ihr keins habt? fragte er rasch. Mögen die Gefangenen sterben vor Gram, ich bin auch Gefangener, und ich werde auch zu sterben wissen. Ich gehe nicht von hier, es sei denn, daß Ihr mir versprecht, daß, wenn ich wiederkehre, Ihr mein Weib werden wollt, mir vor dem Altar und vor dem Priester Gottes Eure Hand reichen wollt. Ich schwöre bei Allem, was mir theuer ist, ich gehe nicht, wenn ich nicht Euer Wort mit mir nehme, daß Ihr Euren Stolz bezwingen, daß Ihr mein Weib werden wollt.
Nun wohl denn, sagte sie mit einem tiefen Erröthen, so geht. Befreit mir meine Elza, bringt sie mir heim, und dann –
Und dann? fragte er, als sie stockte.
Dann sollt Ihr aus den Händen des Priesters ein Weib empfangen, das Euch liebt, grenzenlos liebt, sagte sie leise.
Er stieß einen Freudenschrei aus und drückte sie fest in seine Arme. Sie aber wehrte ihn sanft zurück. Eilet jetzt, sagte sie, je früher Ihr fort seid, desto früher kehrt Ihr zurück.
Ich eile, ich reise ab, rief er freudetrunken. Aber schwöre mir, Elise, schwöre mir, daß ich gleich an dem Tage meiner Heimkehr, sei's früh am Morgen, sei's spät in der Nacht, aus den Händen des Priesters mein Weib empfangen soll, mein Weib, das mich grenzenlos liebt.
Ich schwöre Euch das bei der heiligen Jungfrau, sagte Elise feierlich. Bringt mir meine Elza hierher, und an dem Tage Eurer Wiederkehr, sei's früh am Morgen, sei's spät in der Nacht, sollt Ihr aus den Händen des Priesters Euer Weib empfangen.
Herr Hauptmann Ulrich, rief Cajetan Döninger, die Thür aufreißend, es ist die höchste Zeit zu Eurer Abreise, der Wagen hält schon eine Stund' vor der Thür.
Und ich bin bereit, sagte Ulrich, Elisen mit einem strahlenden Lächeln die Hand darreichend. Lebe wohl, Elise, in vierzehn Tagen kehre ich heim und bringe Dir Deine Elza!