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II.
Hofer und Speckbacher.

Die Sonne war am nächsten Morgen kaum aufgegangen, als der Freiherr von Hormayr sich schon von seinem Lager erhoben hatte, und rüstig Alles zur Abreise anordnete. Dann, nachdem er gesehen, daß sein Wagen zur Abfahrt bereit vor der Thür stand, schritt er die Treppe hinunter, um sich zu Andreas Hofer zu begeben.

Anton Steeger ging mit düsterm Angesicht hinter ihm her, und beobachtete jede Bewegung des Freiherrn mit aufmerksamem Auge. Wenn er nur im Geringsten Miene macht, den Anderl fortzuführen, sagte er zu sich selber, so erwürg' ich ihn. Er hat mir zwar schon gesagt, der Hofer würd' mit ihm davonfahren, aber ich glaub's nimmer, und er soll ihn mir nit mehr beschwatzen. Diesmal will ich dabei sein, und will sehen, was es giebt.

Sie standen jetzt vor Hofer's Thür, und Hormayr legte seine Hand auf den Griff, um sie zu öffnen, aber sie war von innen verschlossen.

Andreas Hofer, Andreas Hofer! rief er fast gebieterisch, die Zeit ist um, komm zu mir, Andreas Hofer!

Die Thür that sich auf, und in derselben erschien die hohe, mächtige Gestalt des Sandwirths.

Hier bin ich, sagte er, ruhig lächelnd, und Ihr seht, ich bin zur Abreise bereit.

Du gehst also mit mir, Anderl? fragte Hormayr freudig.

Du verläßt uns? rief Anton Steeger trotzig.

Ich erwartete Euch, Herr, sagte Andreas ruhig, und wärst Du nit mit gekommen, Tony, so hätt' ich gerufen, denn Du sollst hören, was ich dem Herrn Intendanten zu sagen habe. Tretet also ein, Ihr Zwei, und lasset uns ein letztes Wort mit einander reden! Anton Steeger, der Herr von Hormayr, unser Landsmann, kam hierher, um mich zu bereden, daß ich mit ihm davon fahren, und Tyrol verlassen sollt'. Die Freunde machen es auch so, denn der Baier und der Franzos ziehen schon in's Land ein, und darum wollen der Speckbacher und der Sieberer, und Andere mehr, ihr Leben retten, und mit den Oesterreichern fortziehen, und das sollt' ich auch thun, um mich für Weib und Kind zu erhalten, meint der Herr Intendant. Ich wollt' mich aber erst berathen mit meinem lieben Herrgott, und das hab' ich diese ganze Nacht gethan, hab' viel gebetet, viel gedacht und überlegt, und es ist mir gewesen, als hab' der Herr zu mir gesprochen, und hab' meine Seele erleuchtet, das Richtige zu finden und zu wählen. So höret denn, Herr Intendant von Tyrol, und höre auch Du, Freund Anton Steeger, was ich mit Gott berathen und beschlossen hab'. Ich hab's einmal geschworen, daß ich dem Vaterland will dienen, so lange ich lebe, daß ich nimmer will von ihm lassen, und so muß ich mein Wort halten, als redlicher, schlichter Mann, muß daheim bleiben im Tyrolerland!

Anton Steeger jauchzte laut auf, das Antlitz Hormayr's verdüsterte sich. Du willst also nicht sehen, daß Du in Dein Verderben rennst? fragte er. Willst Dein Weib und Deine Kinder unglücklich machen? Willst Dich unnöthig in Todesgefahr bringen?

Muthwillig nicht, Herr, aber muthig will ich ihr entgegen gehen, sagte Hofer freundlich. Ich weiß wohl, daß das nit vernünftig und nit klug gehandelt ist, aber ich seh' doch, daß es recht ist. Als der Heiland auf dem Berg stand und das Land überschaute, da trat der Versucher zu ihm, und bot ihm die Welt an, wenn er ihm nachfolgen wollt'. Aber der Heiland nahm sie nicht, und blieb getreu sich selber und besiegelte seine Lehre mit dem Tode. Daran will ich mir ein Exempel nehmen, und getreu will ich sein, wie es der Heiland gewesen ist, und die Liebe, die ich dem lieben Tyrol geschworen hab', die will ich ihm halten mein Lebelang, und will es nimmer aufgeben, und verlassen, sondern bei ihm bleiben und ihm dienen, so lang' ich lebe. Reiset also immerhin ab, Herr von Hormayr, ich kann nit mit Euch kommen, denn das Landl hält mich fest mit meiner Lieb' und meiner Treu, und nimmer will ich's verlassen, es komme, was da wolle! Gallerie der Helden. Band III. Andreas Hofer. 104.

Ist das Dein letztes Wort, Andreas? fragte Hormayr düster.

Es ist mein letztes, sagte Hofer sanft. Aber ich bitt' Euch, Herr, seid mir deshalb nit bös, und geht nit von mir mit zürnendem Herzen. Wär' ich klüger und verständiger, so würd' ich gewiß Eurem Rath folgen, aber ich bin nur ein einfacher, schlichter Bauersmann, und so kann ich nur thun, was mein Herz mir räth. Mögen die Oesterreicher Tyrol verlassen, der Andreas Hofer, der kann's nit, und er kann's auch nit gelassen mit anschauen, daß der Feind wieder in's Land einzieht. Viel brave Männer, und viel wackere Schützen bleiben im Land zurück, und die werd' ich zu mir rufen. Wir haben zwei Mal das Land vom Feinde befreit ohne andere Hülfe, als unsere eigene Kraft, so mags uns auch zum dritten Mal gelingen.

Wenn's aber mißlingt, rief Hormayr, wenn die Verführten Dir fluchen, wenn Deine Familie mit ihren Thränen und ihrem Jammer Dich verklagt, wenn Du Dich in's Verderben stürzest und Dein Land mit Dir, dann denk' an diese Stunde, und daran, daß ich Dich gewarnt habe, und Dich retten wollt'!

Ich werd' daran denken, Herr Intendant von Tyrol, sagte Andreas ruhig. Es muß ein Jeder seine Schuldigkeit thun auf seine Weise. Ihr meint sie zu thun, wenn Ihr Tyrol verlaßt, ich mein' sie zu thun, wenn ich bleibe. Der liebe Herrgott wird entscheiden, wer von uns Beiden das Rechte getroffen hat. Und somit Gott befohlen, Herr! Grüßet den Speckbacher und all' die Andern auch, und wenn Ihr den Erzherzog Hannes seht, so sagt ihm, mein Herz thät nit wanken im Glauben an ihn, und ich wüßt' es wohl, daß Er nimmer das arme Tyrol würd' aufgegeben haben, wenn er's hätt' ändern können. Und nun, Herr, schaut mich nit so bös' an, gebt mir die Hand und lasset uns in Frieden scheiden!

Er reichte ihm die Hand dar, aber Hormayr, überwältigt von Rührung, breitete seine Arme aus und schlang sie mit einem Ausdruck leidenschaftlicher Zärtlichkeit um Hofer's Nacken.

Leb' wohl, Anderl, leb' wohl, sagte er leise, ich kann's nicht billigen, was Du thust, aber lieben und bewundern muß ich Dich darum! Leb' wohl, leb' wohl!

Er riß sich hastig los, eilte der Thür zu und sprang über den Flur nach der Hausthür; noch einige Minuten, und sein Wagen rollte mit donnerndem Geräusch von dannen.

Er ist fort, rief Anton Steeger fröhlich, der Versucher hat uns verlassen, und Du bist treu geblieben, Anderl, hast Dich nit verführen lassen von seinen Schmeichelreden! Tyrol wird's Dir lohnen, und wird Dich ewig dafür lieben!

Wenn Du die Wahrheit sprichst, so ist es gut, wenn nicht, so ist's auch gut, sagte Andreas ruhig. Ich bin geblieben, weil ich bleiben mußt', und weil ich fühl', daß mich Tyrol gebraucht. Anton, der Feind kommt wieder in's Land, wir müssen ihn zum dritten Mal hinausschlagen, das ist meine Meinung.

Das ist meine Meinung auch, jubelte Anton Steeger. Haben wir's zwei Mal zu Stande gebracht, so wird's uns auch zum dritten Mal noch gelingen.

Schlimm und traurig ist's freilich, daß der Speckbacher uns verläßt, sagte Andreas sinnend, aber der Anton Wallner und der Kapuziner bleiben gewiß, und auch der Peter Mayr wird nit davon gehen. Nun bist Du da und ich, und wir fünf Männer wollen unsere Stimm' erheben, und das Land aufrufen, daß es aufstehe, und den Feind nochmals verjage. Ich denk', die tapfern Männer werden unsere Stimme hören, und Keiner wird daheim bleiben, Jeder wird zu uns kommen, und seinen Stutzen mitbringen, und mit uns streiten.

Ich denk's auch, Anderl. Wenn die braven Tyroler Deine Stimme hören, die sie ruft, so werden sie Alle kommen, und wir werden einen zweiten Triumph von Innsbruck erleben, und einen zweiten Sieg am Berg Isel.

Der Herr gäbe es in seiner Gnade, rief Andreas, die Hand an das Crucifix auf seiner Brust legend. Jetzt aber, Freund, muß ich von dannen ziehen. So lang' als wir dem Feind nit Widerstand leisten können, müssen wir ihm aus dem Wege gehen, müssen uns verbergen bis dahin, und heimlich und in der Stille Alles vorbereiten und uns rüsten zum Kampf. Ich sag' Dir also nit, wohin ich geh', und Niemand soll's erfahren, bis daß die Zeit gekommen ist, daß ich mich wieder zeigen kann, und daß wir uns Alle wieder gesammelt haben zu einer starken und tüchtigen Armee. Thu' auch Du hier das Deinige, Tonerl, und wirb uns tapfere Schützen an für's Vaterland. Sag's heimlich allen Getreuen, was ich vorhab', und daß wir uns nit scheeren dürfen um den Waffenstillstand, den Oesterreich geschlossen hat, sondern daß wir weiter kämpfen müssen für unsere Freiheit und für unsern Kaiser! Laß mir mein Rössel vorführen, Freund, die Sonn' ist schon über die Berge hinüber, es ist Zeit, daß ich aufbrech'!

Anton Steeger eilte geschäftig von dannen; mit eigener Hand sattelte er des Freundes Pferd und führte es ihm vor. Andreas schwang sich leicht wie ein Jüngling auf den Rücken seines treuen Thiers, und reichte dem Freund zum letzten Abschiedsgruß die Hand dar.

Leb' wohl, Anton Steeger, sagte er, bald sollst Du von mir hören.

Dann drückte er dem Pferd die Sporen in die Weichen und sprengte von dannen, hinaus in den sonnigen Morgen, dahin auf der Landstraße, die durch das Pusterthal dahin führt.

Sein Rössel kannte den Weg gar wohl, Andreas Hofer hatte nicht nöthig es zu lenken, er konnte es ruhig dahin traben lassen, konnte ungestört seinen Gedanken und Plänen nachhängen. Er fühlte, und wußte nur das Eine, daß sein »liebes Landel« in Gefahr sei, und daß es seiner bedürfe.

Ob ich's retten kann, weiß ich nit, sagte er still vor sich hin, aber daß ich ihm nicht davon laufen darf, das weiß ich. Verbergen aber will ich mich so lang es Noth thut, und will mich vorbereiten in Andacht und Gebet. Vorwärts, mein Rössel, vorwärts.

Und vorwärts ging es das Thal entlang, über die Höhen dahin. Tiefe Stille herrschte ringsum, es war noch früh am Morgen, die Straße war öde und leer, und ungestört konnte Andreas sich seinem Sinnen überlassen, und seine Pläne entwerfen. Auf einmal indeß ward er in seinen Gedanken durch das Heranrollen eines Wagens unterbrochen, der auf der Straße ihm entgegen kam. Es war ein großer, mit vier Pferden bespannter Leiterwagen, und in demselben saßen viele Männer. Wer sie sein mochten, konnte Andreas noch nicht erkennen, aber an dem bunten, weißen und rothen Farbenschein, und dem Aufblitzen von goldenem und silbernem Glanz erkannte er, daß es Soldaten waren, die daher kamen. Jetzt, wie der Wagen sich näherte, erkannte er sie auch; es waren österreichische Soldaten, österreichische Offiziere. Aber wer war das, der da in der vordersten Reihe zwischen ihnen saß? Wer war dieser schlanke große Mann in der Tyrolertracht, mit dem spitzen grünen Hut auf dem Haupt? – Der Wagen rollte näher und näher. Andreas Hofer hielt sein Pferd an und schaute unverwandt ihm entgegen, schaute unverwandt auf den Tyroler, der da zwischen den österreichischen Offizieren saß. Herr Gott im Himmel, murmelte er jetzt zusammenschreckend, Herr Gott, ich glaub', es ist der Joseph Speckbacher, der daher kommt! Ja, ja, es ist –

Jetzt war der Wagen dicht neben ihm und wirklich, er war's, es war Joseph Speckbacher, und man sah's wohl, er hatte Andreas Hofer auch erkannt, denn er stieß einen Schrei aus, und tiefe Röthe bedeckte seine Wangen! Aber auch die österreichischen Offiziere hatten ihn erkannt, den tapfern Sandwirth, den allgeliebten Barbone, und sie schrieen dem Kutscher zu, er solle rascher fahren, solle auf die Pferde einhauen, daß sie im Galopp davon jagten. Und der Kutscher that es, und der Wagen rollte in schnellem Lauf vorwärts. Andreas Hofer hielt zur Seite des Weges seine Augen, die von Thränen umdüstert waren, schaute nur immer noch hin auf den Freund, und wie er jetzt an ihm vorüberfuhr, da rief Andreas mit lauter, vor Wemuth zitternder Stimme: Speckbacher, auch Du willst das Vaterland im Stich lassen? Sie führen Dich der Schand' zu, Sepperl. Andreas Hofer's eigene Worte. Siehe: Der Mann von Rinn, Joseph Speckbacher. Von Joh. Gg. Mayr. S. 143.

Rasselnd fuhr der Wagen vorüber, und in muthigen Sätzen sprang Joseph Speckbacher's Pferd, das man an dem Wagen angebunden, dahin. Andreas Hofer schaute ihm nach, bis eine Staubwolke den dahinrollenden Wagen einhüllte, und er nur noch in der Ferne das Geräusch der Räder vernahm. Dann seufzte er tief auf, wischte sich mit dem Rücken seiner Hand langsam eine Thräne aus den Augen, und setzte sein Pferd wieder in Trab. Aber sein Herz war traurig und schwermuthsvoll, und immer wieder, während er dahin ritt auf der einsamen Straße, wandten sich seine Gedanken zurück zu Joseph Speckbacher, der dem armen lieben Tyrolerland den Rücken kehrte, und es verlassen wollt' in seiner großen Noth. Da auf einmal war's ihm, als hörte er hinter sich seinen Namen rufen, noch einmal jetzt, noch lauter, noch dringender.

Andreas Hofer hielt sein Pferd an, und wandte sich um. Eine Wolke von Staub kam wie ein Wirbelwind den Weg hinauf, jetzt that sie sich auf, jetzt sah man aus derselben den Kopf eines Pferdes auftauchen, jetzt seinen Hals, und nun den Reiter, den schlanken Reiter, der auf dem Pferde saß. Noch hüllt die Wolke sein Gesicht ein, aber näher kommt er, und immer näher, und nun mit einem gewaltigen Sprung ist er mit seinem Pferd dicht neben Andreas Hofer, und er breitet ihm beide Arme entgegen, und ruft mit hellem Freudenjubel: Andreas, da bin ich! Hab' Deinen Ruf gehört, und da bin ich aus dem Wagen gesprungen, hab' mein Pferd losgebunden, mich rasch 'nauf geschwungen, und Dir nach, Dir nach, mein Anderl. Mußt' Dich wieder haben, mußt' Dir sagen, daß ich nit in die Schand' hinein, daß ich Tyrol nit verlassen will, wenn Du's nit auch thust!

Ich thu's nimmer, mein Sepperl, es müßte denn sein, daß ich sterbe, sagte Andreas Hofer feierlich. Der liebe Herrgott sei aber gelobt, daß ich Dich wieder hab', denn ein Stück von meinem Herzen wär' mit Dir fortgegangen in die Fremde. Aber Du bist halt wieder da, und das freut mich. Und einen Kuß muß ich Dir geben, im Namen Gottes, des Landls und des Kaisers Franzl. Sei wieder willkommen daheim, Du guter und getreuer Sohn Deines Vaterlandes!

Er schlang seinen Arm um Speckbacher's Nacken, und drückte einen Kuß auf seine Stirn. Lange hielten sie sich dann, ihre Pferde dicht an einander gedrängt, in inniger Umarmung umfaßt, und schauten einander an mit lächelnder, stolzer Freude.

Und nun sag', Anderl, was willst thun? fragte Speckbacher nach einer langen Pause. Wirst doch nit ruhig und friedlich zuschauen, wie die Baiern und Franzosen wieder in's Land rücken. Ich könnt's nit, und das eben war der Grund, weshalb ich nit im Landl bleiben wollt', weil die österreichischen Offiziers mir sagten, wenn ich dahier bleiben wollt', so müßt' ich mich fein ruhig und still verhalten, und dürft' gar nit mucksen, müßte es ruhig geschehen lassen, daß der Feind wieder Besitz nähm' von Tyrol, denn also habe es der Kaiser Franzl versprochen in dem Waffenstillstand. Und siehst, Anderl, das hat mein Herz empört, und darum wollt' ich fort, und wollt' außen bleiben bis der Waffenstillstand zu End ist, und wir wieder rechtschaffen kämpfen dürfen für unser Land und unsern Kaiser.

Es soll uns Niemand hindern, das schon jetzt zu thun, sagte Andreas ruhig. Was geht denn uns der Waffenstillstand an? Der Kaiser hat ihn gemacht, nit wir, und ich denk' wohl, der Kaiser wird's zufrieden sein, wenn wir keine Notiz davon nehmen, sondern auf unsere eigene Hand den Krieg fortsetzen, den wir auf eigene Hand begonnen haben.

Hast Recht, so soll's auch sein, rief Speckbacher freudig. Und jetzt will ich Dir auch gleich eine große Neuigkeit erzählen, welche die österreichischen Offiziers heute Morgen erhalten haben. Der Anton Wallner in Windisch-Matrey, der denkt grad' so wie Du, und will auch den Waffenstillstand nit anerkennen, und will nit Frieden machen mit dem Feind. Als die Baiern vor vier Tagen wieder über die Grenz' bei Windisch-Matrey einrücken wollten, ist ihnen der Anton Wallner und der Johann Panzl mit vierhundert Schützen, die sie in der Eil' zusammengebracht, entgegengezogen. An der Brücke bei Taxenbach haben sie sich dem Baier entgegengestellt, und wollten ihm den Uebergang wehren. Es waren ihrer siebentausend Baiern, und der Wallner hatte nur vierhundert Mann, aber sieben Stunden haben die Unsrigen doch die Brücke vertheidigt, über dreihundert Mann haben sie dem Baiern verwundet und getödtet, und dann erst, weil doch die Uebermacht gar zu groß war, hat sich der Anton Wallner mit den Seinen in den Bergwald zurückgezogen, und hat's dulden müssen, daß der Feind wieder zum Land einmarschirt. Peternader, Die Tyroler Landesvertheidigung im Jahre 1809. Th. II. S. 84.

Ich kenn' den Anton Wallner, und ich wußt's wohl, daß er nit gutwillig sich fügen würd', sagte Andreas freudig. Und das wollen wir auch nit thun, Sepperl. Der liebe Herrgott hat's einmal in unsere Hand gegeben, daß wir Tyrol vertheidigen sollen, und so wollen wir's denn getreulich thun!

Ja, das wollen wir, und gleich von dieser Stund' an soll's geschehen. Es kommt nur darauf an, daß wir wissen, ob die Männer im Land' alle denken, wie wir, ob sie Muth haben, gegen den Feind zu kämpfen, wenn auch die Oesterreicher uns wieder verlassen haben.

Was haben sie uns denn genützt, als sie noch hier waren? fragte Andreas gereizt. Ich will Dir was sagen, Sepperl, ich bin im Ganzen froh, daß die Oesterreicher abziehen. Es ist besser, daß wir allein bleiben, und sehen zu, was wir allein zu Stande bringen. Es thut niemals gut, daß Militär und Volk im Kampf zusammenstehen, denn wenn allda was Tappiches und Unrechts geschieht, so will sich Jeder ausreden, und Einer wirft's immer dem Andern vor, daß er die Schuld hab'! Wenn aber was Gut's geschieht, und ein Sieg erfochten wird, da will es Jeder allein zu Stand' gebracht haben, und will dem Andern gar keinen Theil gönnen an Ruhm und Sieg. Drum ist's besser, wir bleiben allein, und haben nur den lieben Herrgott, die Jungfrau Maria und ihren gebenedeiten Sohn zu Bundesgenossen. Andreas Hofer's eigene Worte. Siehe: Der Mann von Rinn. Von Joh. Mayr. S. 145.

Hast Recht, hast immer Recht, Anderl, sagte Speckbacher. So wollen wir denn muthig an's Werk gehen, und Du sollst sehen, mein Anderl, daß der Speckbacher noch immer derselbigte Mann ist, der er war, und daß er von nun an nimmermehr daran denkt, das Land zu verlassen, sondern ihm getreu bleiben, und kämpfen will, bis daß der Feind wieder verjagt ist, und wir wieder frei sind! Ich reit' gleich jetzt durch's ganze Pusterthal, dann von Brunnecken hinauf durch's Duxthal nach meiner Heimath, nach dem Rinn. Und überall will ich's Volk aufwiegeln, und will die Männer rufen, daß sie mir folgen, und noch einmal kämpfen für's liebe Vaterland, für die Freiheit in Berg und Thal.

Thu' das, mein Sepperl, und auch ich will's so machen. Will heimkehren nach dem Passeyrthal, und Ihr sollt Alle gar bald von mir hören, und meine Stimme will ich erschallen lassen weithin durch's ganze Tyrolerland. Der liebe Herrgott wird ihr ja Kraft geben, daß sie mächtig an jedes Ohr dringt, und jedes Herz bewegt zur rechten Liebe für's Landl, und den Kaiser! Leb' denn wohl, mein Sepperl! Tyrol und ich, wir haben Dich wiedergefunden, und deß ist mein Herz froh und danket Gott! Lebe wohl, bald sollst Du von mir hören!

Er nickte Joseph Speckbacher noch einmal freundlich zu, und dann sprengte er vorwärts, den Thalweg hinunter, während Speckbacher auf seinem muthigen Rössel auf dem Gebirgspfad dahin trabte.

Den ganzen Tag ritt Andreas Hofer durch das Land dahin. Ueberall sah er das Volk in Aufruhr und Bewegung, überall begrüßte man ihn mit Jauchzen und Freudengeschrei, überall schwuren die Männer, daß sie den Feind nicht gutwillig in's Land wollten hinein lassen, daß sie nicht glaubten an die Friedensversicherungen, die man auf gedruckten Blättern im Lande verbreitet hatte, daß sie vielmehr vermeinten, der Feind würde sich rächen, und abermals so grausam wüthen, wie er's auch im Mai schon bei seiner Wiederkehr gethan, daß sie daher entschlossen seien, zu kämpfen, und den Feind nochmals zu vertreiben.

So setzt Eure Gewehre in Stand, gießt Kugeln, und haltet Euch bereit, sagte Andreas Hofer überall zu den kampfbegierigen Männern. Bald sollt Ihr von mir hören und sollt erfahren, was Gott will, daß wir thun sollen!

Und auch in der Nacht gönnte Andreas sich keine Ruhe. Es trieb ihn mit Ungestüm vorwärts zum großen Werk, das er vorhatte, er durfte jetzt nicht ruhen, und nicht rasten, er mußte vorwärts. So benutzte er denn die schöne, mondhelle Nacht, um über den Jausen zu reiten, und als der Morgen empor dämmerte, da hielt sein freudewieherndes Roß am Ufer der rauschenden Passeyr, unweit von dem glänzend weißen Hause, das des Sandwirths Eigenthum war, seine Heimath, und das Alles umschloß, was er liebte, was sein Glück ausmachte: sein Weib und seine Kinder!

Aber Andreas Hofer wollte jetzt nicht zu ihnen, er wollte sein Herz nicht weich machen durch den Anblick seines Weibes, die gewiß weinen und klagen wurde, wenn sie erführe, was ihr Andreas beschlossen, und daß der Krieg auf's Neue beginnen solle, im armen, blutenden, von Wunden zerfetzten Tyrolerland. Er wollte sich auch nicht weich machen durch den Anblick seiner Kinder, deren liebe Gesichter ihn daran mahnen könnten, daß er ihnen den Vater, den Ernährer in Gefahr brächte, und daß sich bald vielleicht schon ihre hellen Augen mit Thränen füllen könnten vor Kummer und Leid.

Nur mit Gott wollte er sich besprechen, nur die Einsamkeit sollte sein Rathgeber sein! Mit einem langen, thränenfeuchten Liebesblick grüßte Andreas Hofer sein Haus und seine Lieben drinn, dann wischte er sich die Thränen aus seinen Augen fort, und stieg von seinem Rössel ab. Das Thier wieherte laut auf vor Freuden und sprang in muntern Sätzen den Berg hinauf, dem heimathlichen Stall zu. Andreas Hofer aber schlug einen Fußpfad seitab ein, und wanderte durch Wald und Gebüsch den Berg hinauf bis zur Kellerlahn, einer nur ihm, und wenigen Vertrauten bekannten Höhle, in welcher sein getreuer Knecht immer für ihn ein Lager bereit hielt, und in einem künstlich in dem Felsen angebrachten geheimen Behälter Wein und Nahrungsmittel, einige Gebetbücher, und Papier und Schreibegeräthe.

Hier in seiner Höhle von Kellerlahn wollte Andreas Hofer einige Tage in Einsamkeit und Stille verweilen, um sich mit Gott zu berathen.


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