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Kapitel XIV. Zwischen Rhoda und Robert

Die beiden waren allein, und alle einleitenden Schwierigkeiten für das, was er zu sagen hatte, waren Robert so prächtig aus dem Wege geräumt, daß es ihm so gut wie unmöglich schien, überhaupt etwas zu sagen. Dennoch hätte sie ein völliges Schweigen mißverstehen können. Ein einziges Zeichen einer zärtlichen Empfindung ihrerseits – und wie gern hätte er sie an sein Herz gezogen! Aber davon war nicht die Rede. Das Mädchen war wie zerrissen, in ihrem Schamgefühl aufs tiefste verletzt. Sie war die erste, welche sprach:

»Glauben Sie, was Vater von meiner Schwester sagt?«

»Daß sie –?« Robert verschluckte die Worte. »Nein!« und seine Paust fiel donnernd auf den Tisch.

»Nein!« Sie trank das Wort in sich hinein. »Sie glauben es nicht? Nein! Sie wissen, daß Dahlia unschuldig ist?«

Rhodas Blick lechzte nach seiner Versicherung, ihr bleiches Gesicht war ganz Eifer, wie ein Schrei nach Leben. Aber die Antwort kam nicht sofort, wie heiß ihr leidenschaftliches Sehnen auch danach verlangte. Sie wurde starr, mit schwacher Stimme murmelte sie: »Sprechen Sie! O, sprechen Sie doch!«

Seine Augen wichen den ihren aus. Ihre Liebe würde es vermocht haben, ihn denken zu lassen, wie sie dachte, aber sie verschloß ihr Herz vor ihm, und so stand er da, ein trauriger Richter, mit seinem eigenen Gewissen, daß ihm nicht erlauben wollte, Dahlia unschuldig zu heißen, denn er hatte schon lange das Gegenteil gedacht.

Rhoda preßte ihre Hände krampfhaft zusammen und stöhnte: »O!« – wie ein schwerer, kurz abgebrochener Seufzer klang's.

»Sagen Sie mir, was geschehen ist?« sagte Robert, denn die vorwurfsvolle Todtraurigkeit ihrer Stimme wahnsinnig machte. »Ich tappe völlig im Dunkeln. Ich kann es nicht übersehen, wie Sie alle. Wenn Rhodas Schwester eines Mannes bedarf, der für sie eintrete und sie verteidige, – was auch immer sie getan haben mag, verlassen Sie sich auf mich! Wenden Sie sich an mich, und ich will sie rächen. Hier bin ich, und ich weiß nichts, und Sie verachten mich, weil – O, halten Sie mich nicht für hart und unfreundlich. Diese Hand gehört Ihnen, wenn Sie nur wollen. Kommen Sie, Rhoda! Oder lassen Sie mich alles hören, und ich will versuchen, Sie zufriedenzustellen, so gut ich kann. Mitgefühl für sie haben? Ich hab' soviel Mitgefühl für sie, wie Sie selbst. Aber Sie verlangen doch nicht, daß ich Ihre Frage als ein Lügner beantworte. Wie kann ich denn sprechen?«

Der Instinkt eines Weibes in höchster Glut der Erregung erkennt sofort jede teilweise Unaufrichtigkeit, die Robert nur hätte vermeiden können, wenn er sich zu den Zweifeln, welche er hegte, bekannt hätte. Rhoda wünschte einfach durch seine Überzeugung von der Unschuld ihrer Schwester unterstützt zu werden, und sie empfand Verachtung für einen Mann, der das Risiko, ob Recht, ob Unrecht, nicht ritterlich auf sich zu nehmen willens war, der sich nicht blindlings zum unbedingten Beschützer eines betrogenen, abwesenden und darum hilflosen Weibes aufwarf. Überdies bestand nach Rhodas Überzeugung hinsichtlich Dahlias nur ein Ausweg, – nämlich der, wenn nötig, selbst Tatsachen entgegenzutreten, ihre Unschuld unbedingt zu behaupten und diejenigen bis aufs Blut zu bekämpfen die irgendwelche Verleumdung an das geliebte Haupt zu heften wagten.

So weit ging ihr scharfes, instinktives Urteil.

Das seine wurde lebendig bei ihrer Weigerung, ihm von den Geschehnissen während ihres Londoner Aufenthalts zu sprechen.

Sie fühlte, daß ein Mann die Tatsachen hart beurteilen werde. Ihr Vater und ihr Onkel hatten es getan, sie fühlte, daß Robert es auch tun würde. Hätte sie ihn geliebt, sie würde ihm unbedingtes Vertrauen geschenkt haben. Aber ihr Empfinden wurde durch keine Liebe gemildert, von ihrer Seite war kein Feuer vorhanden, ihre Empfindungen zu schmelzen und in einen Strom fließen zu lassen, – es gab kein Begegnen für sie.

»Wenn Sie's mir denn nicht sagen wollen,« begann Robert aufs neue, »wie stellen Sie sich dann zu dem Vorschlag Ihres Vaters? Er meinte, ich dürfe Sie bitten, mein Weib zu werden. Er hat bisher geglaubt, ich mache mir etwas aus Ihrer Schwester. Das ist ein Irrtum. Ich halte etwas von ihr – ja, so, als wäre sie auch meine Schwester: und hier haben Sie meine Hand darauf, daß ich mein Äußerstes für sie zu tun bereit bin, aber ich liebe Sie, und ich habe Sie bereits geraume Zeit geliebt. Ich würde stolz darauf sein, Sie zu heiraten und dem alten Hof weiter zu helfen. Sie lieben mich einstweilen nicht, – die Gewißheit hierfür zu sehen, ist schwer genug für mich. Aber ich liebe Sie, und ich habe Vertrauen zu Ihnen. Mir gefällt der Stoff, aus dem Sie gemacht sind, – 'n schöner Stoff, den ich da einem jungen Mädchen vorrede,« fügte er hinzu, indem er sich die Stirn trocknete, als er sich vorstellte, was für schöne und schmeichelhafte Ansprachen junge Mädchen erwarten, wenn einer um sie wirbt.

Wie die Sache lag, hörte Rhoda mit schrankenloser Verachtung auf sein törichtes Reden. Ihr Hirn hämmerte ob all dem Unverständlichen und Traurigen, darin Dahlia versunken lag. Sie hatte keinerlei Verständnis für Roberts Empfindungen, noch für ihres Vaters Verlangen. Da indessen irgendwelche Antwort erforderlich war, sagte sie:

»Es ist unwahrscheinlich, daß ich einen Mann heiraten sollte, welcher glaubt, etwas vergeben zu müssen.«

»Das glaube ich nicht,« rief Robert.

»Sie haben gehört, was Vater sagte.«

»Ich hab' gehört, was Ihr Vater sagte, aber ich bin nicht der gleichen Ansicht, wie er. Was hat Dahlia mit Ihnen zu tun?«

Gerade wollte er diesen unglücklichen Satz richtig stellen. Aber ihre ganze mühsam zurückgedämmte Feindseligkeit bemächtigte sich desselben:

»Meine Schwester? Was meine Schwester mit mir zu tun hat? Sie meinen – Sie meinen – Sie können nur Eins meinen, daß wir getrennt, daß wir als zwei verschiedene Personen gedacht werden können und wir sind Eins und werden Eins bleiben, bis wir sterben. Ich fühle meiner Schwester Hand in der meinen, mag sie auch fort und mag sie verloren sein. Sie ist mein Liebling, jetzt und in alle Ewigkeit. Wir sind Eins!«

Ein Krampf der Verzweiflung ließ sie innehalten.

»Ich meine,« nahm Robert mit Festigkeit das Wort wieder auf, »daß ihr Benehmen, ob es nun gut oder schlecht sein mag, Sie nicht berührt. Und selbst, wenn es das tun sollte, so wäre mir das einerlei. Ich frage Sie, ob Sie mich zum Manne haben wollen. Denken Sie doch wenigstens einmal über das nach, Rhoda, was Ihr Vater gesagt hat!«

Der schreckliche Ausspruch, dessen sich ihr Vater schuldig gemacht hatte, durchfuhr sie und erfüllte sie mit grenzenloser Feindseligkeit, nun sie ein Opfer vor sich sah.

»Ja, ich sollt' mir wohl gerad' einen Mann nehmen, der mich immer an das erinnern würde, was er gesagt hat!«

Robert blickte bewundernd auf ihren strengen Mund; ihre Verteidigung ihrer Schwester hatte seine Hochachtung herausgefordert, so eigensinnig sie seine ernste Geradheit auch zurückgewiesen hatte. Auch die zierliche Neigung ihres Nackens und die sichere Haltung ihres Körpers berührte ihn angenehm.

»Nun, schön!« stieß er mit wunderlich in die Höhe gezogenen Brauen, die es ihr unmöglich machten, einen bestimmten Schluß aus seinem Blick zu ziehen, hervor. Wie der Blick eines Halbwahnsinnigen erschien er ihr, so zornig und zugleich so voll hellen Eifers.

»Beim Himmel! Die Aufgabe, dich zu zähmen – um die Gnade möchte ich den Himmel wohl bitten! Und ob du auch so schwer zu bändigen bist, wie eine Wildkatz' – beim Himmel! Lieber möcht' ich dich zu zähmen haben, als so herumzurennen mit 'ner ganzen Koppel von ruhigen –« er riß sich zusammen – »Gefährten.«

So überraschend war es ihr, wie seine Zunge plötzlich mit ihm durchging, daß sie in stummem Staunen über die herrische Art, die plötzlich in ihn gefahren, verloren dastand und ihn anstarrte.

»Du bist grad' die Schönheit, die mir gefällt; wenn so 'n Teufel in 'ner Frau steckt, das paßt mir grad'! Aus 'nem Mädel wie du, da läßt sich doch noch was machen! Ja, Sie kennen mich noch nicht, Fräulein Rhoda. Sie denken, ich wär' so' 'n guter Mann, was?«

Robert richtete sich mit einem sehr harten Lächeln in die Höhe.

»Wollt' Gott, ich wär's! Verstehen Sie mich recht, ich hab' Mitgefühl genug für Ihre Schwester. Ich mag Sie nur um so lieber, weil Sie so durch dick und dünn zu ihr halten. Aber ich bin kein so gutmütiges Schaf, wie Sie denken, und ich sag' dir, haben will ich dich, ob du willst oder nicht! Ich kann dir helfen, und du kannst mir helfen; Ich habe hier gelebt, als wenn ich nicht mehr Feuer in mir hätte, als der alte Gammon, der da oben auf seinem Kissen schnarcht. Haben Sie wohl darauf geachtet, daß ich kein geistiges Getränk anrühre? Was haben Sie daraus für 'n Schluß gezogen? Daß ich 'n ruhiger, sanfter Kerl wär'? Das bin ich auch, aber anderswo hab' ich den Ruf nicht. Ihr Vater möchte, daß wir uns heirateten, und ich bin dabei. Wer hat mich zur Arbeit angehalten, so daß ich was von der Landwirtschaft gelernt hab', und daß ich 'n ganzer Mann geworden bin und in der Lage mir ein Weib zu nehmen? Ich bin hierher gekommen – ich will Ihnen sagen, wie ein fauler Hund war ich. Ich bin von zu Hause weggelaufen und hab' als gemeiner Soldat gedient. Und da hinterließ mir 'ne alte Tante ein bißchen Geld, davon wachte ich auf, und das bißchen Gewissen, das ich noch hatte, kam hoch, und da hab' ich mich losgekauft.

»Zufällig sah ich Ihres Vaters Inserat – kam her – sah mir Sie alle an und mochte Sie leiden – na, da bracht' ich meine Siebensachen her und ließ mich hier nieder und lebte wie 'n guter junger Mann. Und ich merke, daß mir Frieden und Ordnung angenehm sind. Das hab ich immer geglaubt, auch als ich noch so verrückt herumtanzte, wie 'n Höllenhund. Jetzt weiß ich 's aber, und Sie sind grade das Mädchen, das mich dabei festhalten könnte. Das hab' ich so nach und nach gelernt. Jede andere hätt' ich zum Narren gehalten, und es wäre schon längst die alte Geschichte gewesen. Ich würde sie ins Unglück gebracht haben. Sie sind mir gewachsen. Und allmählich werden Sie auch dahinter kommen, daß ich Ihnen gewachsen bin! Ich hab' Sie nie kokettieren sehen, weder mit mir, noch mit anderen.

»Wo ich nun 'mal angefangen hab', will ich mich auch aussprechen. Diesen Sommer dachte ich, Sie wären auch nicht anders, wie and're Mädchen. Eines Tages gingen Sie aus, um einen jungen Herrn zu treffen. Das mag Sie beleidigen oder nicht, ich sprech' mich jetzt aus, und Sie sollen mich anhören. Sie gingen nicht hin. Ich war schon damals in Sie verliebt. Ich sah, daß London Unheil gewirkt hatte. Ich war traurig darüber. Ich fühlte, daß er Sie geringachten würde, aber es paßte mir so, Sie davor zu schützen, seitdem haben Sie mich gehaßt.

»Jener Mr. Algernon Blancove ist 'n Schuft. Bitte! Sie können gleich so viel sagen, wie Sie Lust haben. Ich warne Sie – der Mann ist 'n Schuft. Ich hab' nicht an dem herumspioniert, was Sie taten, nur an Ihrem Aussehen. Ich kann ein Gesicht wie das Ihre lesen. Da bin ich drin zu Hause, ganz zu Hause, – bei Gott, das bin ich. So, Rhoda, nun wissen Sie 'n bißchen mehr von mir. Vielleicht bin ich doch 'n and'rer Kerl, als Sie geglaubt haben. Heiraten Sie 'nen andern, wenn Sie wollen, aber ich bin der Rechte für Sie, und das weiß ich, es geht Ihnen nicht gut, wenn Sie 'nen andern nehmen. Komm, Rhoda, laß deinen Vater ruhig schlafen! Gib mir deine Hand!«

Während dieser ganzen überraschenden Rede Roberts, die wie eine Offenbarung eines ihr bisher völlig dunklen Menschen wirkte, hatte Rhoda ihr Herz gestählt, denn es war ihr, als risse sie ein ungeahnter Strudel dahin, und sie staunte, als sie entdeckte, daß ihre Hand in der seinen ruhte.

Bestürzt, als sei sie in eine Falle geraten, sagte sie:

»Sie wissen, daß ich keine Spur von Liebe für Sie empfinde.«

»Keine, – zweifellos,« erwiderte er.

Sein Anflug von rednerischer Kraft war erschöpft, und er schaute gleichgültig, wenn auch frei zu ihr auf, indem er einen Frohsinn zur Schau zu tragen bemüht war, der ihm innerlich fern lag.

»Ich möchte bleiben, wie ich bin,« stotterte sie und staunte über die ihr ebenso überraschende Tatsache ihrer eignen Bescheidenheit ihm gegenüber, die wie ein Druck auf ihr lag. »Ich habe keinen Mut zu irgendwelcher Veränderung. Vater wird das schon verstehen. Ich bin völlig in Sicherheit.«

Sie schloß mit einem Aufschrei: »O, meine liebe, einzige Schwester! Wenn nur du in Sicherheit wärest! Schaffen Sie sie mir hierher, und ich will alles tun, was ich irgend kann, wenn Sie nur nicht hart gegen sie sein wollen! Sie ist so schön, sie kann kein Unrecht begehen. Meine Dahlia ist unglücklich. Herr Robert, könnten Sie wirklich ihr Freund sein?

»Lassen Sie das ›Herr‹ fallen,« sagte Robert.

»Auf Sie hört Vater,« fuhr sie flehentlich fort. »Sie werden doch nicht von uns gehen? Sagen Sie ihm, daß Sie wüßten, ich sei völlig sicher. Aber ich habe überhaupt kein Gefühl, solange meine Schwester fort ist. Ich will Sie auch Robert nennen, wenn Sie's gern wollen.« Sie streckte ihm die Hand hin.

»Das 's recht,« sagte er, indem er mit offener Herzlichkeit ihre Hand ergriff, »das ist immerhin ein Anfang, denk' ich.«

Sie schrak leicht zusammen bei seinem herzlichen Druck, und er fuhr fort: »Haben Sie keine Angst. Ich habe mich einmal ausgesprochen, und das tu' ich nicht oft. Jetzt kennen Sie mich, und das ist mir genug. Ich vertraue Ihnen, haben Sie auch Vertrauen zu mir. Mit Ihrem Vater werd' ich sprechen. Ich hab' selbst meinen Alten zu Haus, mit dem nicht leicht umzugehen ist. Sie und ich, Rhoda – wir würden ein gutes Paar abgeben. So, – haben Sie keine Angst! Ich dachte nur so – gleich laß ich Ihre Hand los. Wenn Dahlia zu finden ist, werd' ich sie schon finden. Danke für den guten Händedruck! Sie könnten einen Toten aufwecken, wenn Sie wollten. Morgen will ich an die Geschichte 'ran gehen. Das 's abgemacht. So, nun geb' ich Ihre Hand frei. Wollen Sie gute Nacht sagen? Ja, dazu muß ich Ihre Hand wohl noch 'mal wiederhaben. Was für 'n ungeschlachter Kerl schein' ich Ihnen wohl? Ein ganz and'rer Mann, als Sie dachten, was? Ich bin g'rade das, Rhoda, was Sie aus mir machen wollen, vergessen Sie das nicht. Um Gotteswillen, nun gehen Sie schnell, denn wenn ich Sie so anseh' –«

Sie ergriff ein Licht und schritt eilig zur Tür.

»Aha! Sie können ja so furchtsam wie 'n Reh aussehen! Hinaus! Sputen Sie sich.«

In ihrer durch seine drängenden Handbewegungen veranlaßten Hast fiel die Kerze zu Boden; sie wollte sie aufheben, aber als er herankam, trat sie erschrocken zur Seite.

»Einen Kuß, Mädchen,« sagte er. »Daß ich nicht rasend werde vor Eifersucht. Einen einzigen, dann bin ich ein gebundener Mann. Nur einen! oder ich schwöre, du weißt, was Küsse sind. Was hattest du den Kerl da zu treffen? Denkst du, dergleichen sei ohne Gefahr? Geht er vielleicht jetzt 'rum und protzt damit und sagt – ›ah, das Mädel!‹ Aber küss' mich, und es soll alles vergessen sein. Ich will es dir verzeihen. Küss' mich nur ein einzig Mal, und ich will ganz überzeugt sein, daß du dir nichts aus ihm machst. Der Gedanke macht mich rein verrückt. Ich halt's nicht aus, nun ich weiß, wie sanft du aussehen kannst. Ich bin stärker als du, das bedenke.« Er schlang den Arm um ihre Taille.

»Ja,« keuchte Rhoda, »das sind Sie. Ein Tier sind Sie!«

»Dann ist 'n Tier eine glückliche Kreatur, denn ich halt' dich fest!«

»Rühren Sie mich nicht an!«

»Du bist in meiner Gewalt.«

»Das ist erbärmlich, Robert.«

»Was wehrst' dich denn nicht, Mädchen? In einer Minute küss' ich dich!«

»Dann ist es aus mit der Freundschaft.«

»Meinst wohl, weil ich kein feiner Herr bin?«

»Niemals, nachdem Sie dies getan haben!«

»Ich hab ja noch gar nichts getan! Erst warst du wie 'ne weiße Rose, und nun bist du wie 'ne rote. Wirst du nachgeben?«

»O, schämen Sie sich,« stieß Rhoda hervor.

»Weil ich kein feiner Herr bin?«

»Nein, wahrhaftig nicht!«

»So, also wenn ich 'ne Dame aus dir machen könnte, dann wären deine Lippen für mich da im Handumdrehen, ja? Denkst du wirklich, es würd' einer 'ne Dame aus dir machen? 'ne richtige Dame?!«

Sein Arm ließ sie halbwegs fahren.

Sie machte sich völlig frei und sagte: »Wir sahen Mr. Blancove mit Dahlia im Theater.«

Es war ihre Art und Weise, seine Anschuldigung zurückzuweisen, als habe sie Träume weiblichen Ehrgeizes genährt.

Er bemühte sich unterdes, um der Verwirrung, die sich plötzlich seiner bemächtigte, Herr zu werden, darum, das Licht wieder in Ordnung zu bringen.

»Nun weiß ich, daß man sich auf Sie verlassen kann, Sie können sich selbst schützen,« sagte er, indem er es ihr angezündet reichte. »Sie bewahren Ihre Küsse für diesen oder jenen jungen Herrn. Das ist recht. Sie können sich wirklich wehren. Das wollt' ich nur wissen. Nun sagen Sie mir, daß Sie mir nicht böse sind. Die Tür ist offen. Ich werd' Ihnen nicht mehr lästig fallen. Hassen Sie mich nur nicht allzusehr.«

»Sie hätten lernen können, mir zu vertrauen, ohne mich zu beleidigen, Robert,« sagte sie.

»Bilden Sie sich wirklich ein, ich würd' mir so unglaublich viel Mühe machen um einen Kuß von Ihren Lippen, so süß sie auch sind?«

Sein prahlerischer Anfang endete mit einem durstigen Blick auf ihren Mund.

Sie sah, daß es das klügste sein werde, ihn zu nehmen, wie er eben war, und zu gehen, und mit einem sanften: »Gute Nacht,« das wie ein Wort der Verzeihung klingen mochte, schritt sie an ihm vorbei durch die offene Tür.


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