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Kapitel VI. Edward und Algernon

Boynes Bank gehörte zu jenen alten und festgegründeten Geschäften, deren Wurzeln gewissermaßen eins sind mit denen, aus welchen der Wohlstand des Landes herauswächst, – ehrenfest, wie Englands Name selbst, zuverlässig, wie sein Wohlstand, ihren Aktionären ein üppig grünender Baum: ein granitenes Haus. Boyne selbst hatte seit mehr als einem Jahrhundert das Zeitliche gesegnet: Kurt und Hamble wandelten noch unter den Lebenden, aber bedeutsamer als Kurt oder Hamble war Blancove, der bekannte Baron William Blancove, dessen Name bei städtischen Festlichkeiten und Wohltätigkeitsbestrebungen immer obenan stand, der – abgesehen davon, daß er ein sehr wohlhabender Kaufmann war, mit einem geradezu vorzüglichen Kopf für Bankgeschäfte – den Ruf eines hochgebildeten, seiner Reichtümer durchaus würdigen Mannes genoß. Sein Bruder war der Gutsherr Blancove von Wrexby; zwischen diesen beiden nahen Verwandten bestand indessen keine nähere Beziehung als die, welche sich in einem Zurschautragen offenkundiger Verachtung eines gänzlich in Geschäften lebenden Menschen einerseits und einer schweigenden Verachtung eines dem Müßiggang gewidmeten Lebens andererseits äußerten. Nichts destoweniger schickte der Gutsbesitzer seinem jüngeren Bruder, obschon es allgemein bekannt war, wie sehr er auf denselben um seines im Dienst der Stadt erworbenen Titels und seiner kommerziellen Tätigkeit willen herabsah, seinen Sohn Algernon, um demselben, wenn möglich, etwas gesunde Disziplin beizubringen. Dies geschah, nachdem der Stehauf Algernon, auf einen Wink seines Regimentskommandeurs hin, die militärische Laufbahn und seine Charge als Fahnenjunker aufgegeben hatte. Baron William nahm den hoffnungsvollen Jüngling ziemlich mit den gleichen Gefühlen auf, mit denen er Erzählungen zuhörte, durch welche dieser seine eigenen Lebensregeln zu kommentieren beliebte, das heißt, er sah darin einen Tribut, den man seiner intellektuellen Überlegenheit zollte. Herr Algernon wurde in dem Bankgeschäft eingestellt und begann damit eine nicht abzusehende Laufbahn voller Seufzer hinter dem Pult mit größerer Willfährigkeit, als man es von ihm erwartet hatte. Sir William übersandte seinem Bruder vorzügliche Berichte über die Führung des Erben seiner Güter. Das war seine Art, dem Gutsherrn eine kleine Zurechtweisung zu erteilen; und in Erwiderung derselben, behandelte der Gutsherr seinen Federfuchser von Sohn, obschon ihm dieses Zeugnis ein gewisser Trost war, mit einer Art von Geringschätzung, deren Ungerechtigkeit er indessen noch einsehen lernen sollte. Jünglinge, deren Geschmacksrichtung es entspricht, sich Extravaganzen hinzugeben, pflegen jeden Hauch von Veränderung als eine neue Form von Anregung zu begrüßen; jeder Wechsel ist ihnen eine Art Wollust. So wird sie die Sphäre einfachen Landlebens in den Formen strenger Schicklichkeit, mit Kirchengehen und dergleichen insofern entzücken, als sie ihnen gestattet, in ihrer eignen Unschuld zu schwelgen. Es gibt überhaupt kaum etwas, was sie nicht begeistern sollte, vorausgesetzt, daß man sie niemals bindet und ihnen gestattet, alles zu versuchen. Sir William ließ sich von seinem Neffen blenden. Er würde ihn in seinem Stadthause aufgenommen haben, aber sein eigner Sohn Edward, der die Rechte studierte, hatte eine möbelierte Wohnung im Temple, und so hatte Algernon, auf Edwards Aufforderung hin, diese Wohnung mit ihm zu teilen, eine bescheidene Vorliebe nach dieser Richtung hin geäußert. Der Zuschuß seines Vaters war, wie seine gereiftere Einsicht es für gut befand, derartig festgelegt, daß er ihm keinerlei Exzesse erlaubte, so sah Sir William keinen Grund, etwas gegen diesen Plan einzuwenden und ließ es geschehen. Zweimal im Monat etwa waren die beiden bei ihm zu Tisch.

Edward Blancove war dreiundzwanzig Jahre alt, studierte, je nachdem es ihm beliebte, und war ein junger Mann, der seine Launen hatte. Gelegentlich stand ihm eine Lustigkeit zu Gebote, die Algernons Frohsinn weit überflügelte, aber er war nicht ein so leichtherziger Sünder, eine so sorglos auf der Oberfläche treibende Seele. Er befand sich in dem seinen Jahren entsprechenden Gärungsprozeß, in welchem Tat und Reflexion abwechselnd die Herrschaft über die Seele behaupten, wo Gewissensskrupel auf Zeiten der Ausschweifung folgen, und eine etwas laxe Moral wiederum die Gewissensbisse einzulullen liebt. Freunde der beiden jungen Leute wollten wissen, daß Algernon seines Vetters böser Genius sei oder doch werden könnte. In Wahrheit war Edward der gefährlichere Kamerad. Er war aus edlerem Stoff geformt. Algernon war nichts weiter, als eine leichtherzige, jedem äußeren Anreiz leicht zugängliche Natur, seine Seele geriet sehr leicht in Wallung. Edward war als Persönlichkeit weit bedeutender und stand unter dem Druck einer verhängnisvollen Ernsthaftigkeit. Er konnte sich angesichts einer Welt der Opposition einreden, was er tue, sei korrekt, bis er selbst der Sache müde wurde; alsdann stand er ebenso mit Leib und Seele auf seiten der Welt, im Gegensatz zu seinem einstigen Ich. Es war denkbar, daß Algernon eine Zeitlang die Leidenschaften seines Vetters irreführen und ablenken konnte, gingen indessen ihre Wege eine kurze Strecke zusammen, so lag für Algernon die Gefahr nahe, zu einem Spielball ohne jedes Verantwortungsgefühl herabzusinken – zu einer Art Werkzeug, einem Sklaven, der sich unbewußt verführen ließ, im Ernst Sachen zu tun, die für Wesen seiner Art nichts anderes zu bedeuten hatten, als völliges Verderben.

Aber der Schlüssel zu dem Charakter eines jungen Mannes ist der Ehrgeiz oder – an dessen Stelle – die romantischen Gefühle, die er hegt. Edwards Absicht war es, Kronanwalt in seinem Vaterlande zu werden, – wohlgemerkt, nicht etwa Richter; denn jugendlichen Gemütern identifiziert sich der Begriff des Richters mit etwas, das stetig auf einem Punkte beharrt, als etwas sehr Ehrenwürdiges, aber nicht Tatenreiches, wohingegen ein Kronanwalt immer da ist, wo's am tollsten hergeht, dabei zumeist auf der gewinnenden Seite, – eine Tatsache, die der weisen Jugend seine Stellung sehr anziehend macht. Algernons Ansichten waren andere. Die Zivilisation hatte die Hände nach ihm ausgestreckt, – da hatte er versagt. Folglich verdammte er sie. Zudem fühlte er sich, Tag für Tag an sein Pult gefesselt, wie er war, als Sklave der Zivilisation. Was Wunder, daß er von Prairien, von Urwäldern und australischen Wildnissen träumte. Im tiefsten Herzensgrund war er davon durchdrungen, daß er dort drüben ein ganz neuer Mensch werden würde, so daß er einem Leben jenseits aller Kultur allzeit entgegensah, wie einem Bade, das ihn so völlig reinwaschen werde, daß es nicht allzuviel darauf ankomme, inzwischen etwas unsauber zu werden.

Die beiden jungen Leute hatten eine hübsche angeheiratete Cousine, eine Mrs. Margaret Lovell, eine Witwe. Mit siebzehn Jahren war diese mit ihrem Gatten nach Indien gegangen, wo Harry Lovell mit einem gewissen Sikh Lidar die Klingen kreuzen mußte und damit zum letztenmal seine viel gepriesene Fechtkunst auf die Probe stellte, die ihm in Verbindung mit einer großen Geschicklichkeit im Pistolenschießen bei zwei früheren Duells bessere Dienste zur Verteidigung der Ehre seines lieblichen und schrecklich jungen Weibes geleistet hatte. Er fiel in dem Zweikampfe, voll kritischer Bewunderung für den Streich, dem er den Tod verdankte. Eine Woche nach Harrys Beerdigung machte sein Oberst seiner Witwe einen Heiratsantrag. Mehrere Hauptleute und ebenso ein wahnsinnig verliebter Subalternoffizier versuchten Ansprüche auf sie geltend zu machen. Sie selbst indessen beschloß, weiteres Blutvergießen zu verhindern, indem sie das Regiment verließ. Sie sagte immer, sie hätte Indien verlassen, um ihren Teint zu schonen, »und die Leute wissen gar nicht, wie aufrichtig ich bin«, pflegte sie hinzuzufügen, denn der vorerwähnte Oberst war vermögend, ein Mann, der Ansprüche auf einen vornehmen Namen besaß, eine ausgezeichnete Partie, und man lachte sie aus, wenn sie so geringfügige Gründe für eine so schwerwiegende Entscheidung angab. Es ist ein Luxus, aufrichtig zu sein, und völlige Aufrichtigkeit vermag mehr für uns zu tun, als eine rätselhafte Maskierung.

Übrigens war Mrs. Lovells Teint ein derartiger, daß er einer Flucht vor den Verheerungen eines indischen Klimas, wie der Verfolgung von Seiten der Bewerber um ihre Hand wert war. Sie war golden und weiß, wie eine Birke im Herbstschmuck, – ihr gelbblondes Haar, mit seinen warmen Lichttönen, umschattete eine märchenhaft weiße Haut. Überdies war sie groß, rassig, in jeder Bewegung geschmeidig und stolz, eine hervorragende Reiterin und eine höchst distinguierte Erscheinung in dem eleganten Sessel eines Salons, – ein Ruhm, der – wie ich hervorheben möchte – nicht leicht zu erwerben ist. Es erzeugt ein verwirrendes, ein aus Befangenheit und Begeisterung eigentümlich gemischtes Empfinden, nachdem man stundenlang mit einer lieblichen Kameradin ausgeritten ist, die halbwegs den Mantel der Würde von den Schultern geworfen hat, dieselbe urplötzlich in umwölkter Majestät zu erblicken, wie auf rosenfarbenen Wolken hingegossen, in einem mystischen Zauberkreise der Zurückhaltung, – eine Königin, – ob sie auch vor zwei Stunden noch zu eines Witzen gelacht und sie übertrumpft hat.

Zwischen Margaret Lovell und Edward herrschte ein Mißverständnis, dessen Wesen niemand recht auf den Grund kam, denn vor der Welt sprachen sie mit vollendeter Hochachtung voneinander. Das Gerücht wollte wissen, daß sie sich einstmals sehr nah gestanden hätten, aber Liebende, die sich erzürnt haben, pflegen zu knurren, zu beißen, sich gegenseitig zu zerreißen, ihre Augen verhüllt kein Schleier, ihren Mund schützt kein Maulkorb. Margaret indessen sagte von Edward: »Er wird es sicher noch zu etwas bringen, er hat so tüchtige Grundsätze.« Edward sagte von Margaret: »Wessen sie bedarf, ist einzig ein Gatte, der sie zu nehmen weiß.« Diese Sätze enthielten kaum eigentliche Komplimente, wenn man die Menschen kannte, doch ist es nicht der Ton, in dem gekränkte Liebende, die miteinander gebrochen haben, voneinander zu sprechen pflegen. Möglich ist es, daß Margaret und Edward einen so scharfen Stachel widereinander zückten, wie es giftgeschwollene, zu erbitterten Gegnern gewordene Liebende nur je getan haben mögen. Einst hatte der Klatsch ihre Namen zusammengefügt, jetzt wußte er nicht recht, was er aus ihnen machen sollte. Die Dame besaß ein kleines Wittum und lebte teils bei ihrem Onkel, Lord Elling, teils bei dem Gatten ihrer Tante, Squire Blancove, teils für sich allein, – und zwar letzteres, wenn sie ihr Geld einmal überzählte und es ihr paßte, ihre unabhängige Stellung gelegentlich zu betonen. Sie hatte in der Welt einen Namen. Von Helena von Troja herab bis auf unsere Tage hat es Frauen gegeben, deren stetes Geschick es zu sein scheint, Blutvergießen zu verursachen. Anlaß zu einem Duell geboten zu haben, verleiht einer Frau einen gewissen Nimbus, zwei machen sie zu einer berühmten Persönlichkeit. Kann man sie für dieselben verantwortlich machen, wenn sie sehr jung ist? Naturgemäß legen wir sie ihrer Schönheit zur Last. Und Mrs. Lovell war zufällig schön. In dem Nimbus jener beiden Duells erstrahlte ihre Schönheit, wie von zwei Pechfackeln beleuchtet. Knaben beteten Mrs. Lovell an. Das sind Motten. Aber, was mehr bedeutet, die Vögel der Luft, ja, ernsthafte Eulen (die in diesem Bilde für bärtige Erfahrung gelten mögen) drängten sich um sie, geradeswegs sich auf die in so unheimlichem Glanze erstrahlende Erscheinung stürzend. War es ihre Schuld, daß sie einen Namen in der Welt hatte?

Mrs. Margaret Lovells Bild hing in Edwards Zimmer. Es war eine aufs zarteste kolorierte Photographie und hing zur Linken einer dunklen Judith, dunkel in düsterer Entschlossenheit. Dieser zur Rechten hing eine andere kolorierte Photographie von einer ebenfalls blonden jungen Dame, und es war Geschmacksache, welcher man den Vorzug geben mochte. Gefallen Ihnen schmale Lilienwangen besser, oder frische Rosenwangen? Ziehen Sie feines, golden herabwallendes Haar vor oder eine verschwenderische Fülle kastanienbrauner Locken? Mögen Sie Ihre Blondine lieber mit klaren Blauaugen, oder ist Ihnen ein sonniges Nußbraun ansprechender? Endlich, – bezaubert Sie eine Art kunstreicher Naivetät, die sich schlangengleich um die Fibern Ihres Herzens windet, oder dünkt Sie errötende Einfalt lieblicher? Mrs. Lovells Augenbrauen zeigten die schwach markierte Form eines vollkommenen Bogens. Diejenigen des anderen jungen Geschöpfes waren dicht und geradliniger, von dunkelbrauner Farbe. Sie sah aus, als sei es ihr noch nicht bewußt geworden, daß sie eine ausgesprochene Schönheit sei, während die hübsche Witwe augenscheinlich darauf ausging, einen zu fesseln, wie eine verschämte, lächelnde Koketterie verriet. Ihre reine, weiße Haut schmiegte sich glatt an die Backenknochen, die Lippen wölbten sich in einer leichten Kurve und waren – sofern hier die Kunst nicht nachgeholfen hatte, von entzückender Frische. In diesem Punkte schlug sie unbedingt ihre Rivalin, deren Mund den plebejischen Schönheitsfehler zu großer Gradlinigkeit hatte und sich augenscheinlich auf die Tricks lieblichen Schmollens nicht verstand.

Es war Morgen, und die Vettern bereiteten sich, nachdem sie sich durch köstliches, kaltes Wasser gründlich erfrischt hatten, auf ihre allmorgendliche Leibesübung vor. Sie kamen gleichzeitig ins Wohnzimmer, beide in leichten Hausschuhen und Flanellanzügen, und begrüßten einander durch ein flüchtiges Kopfnicken. Dann ging Algernon zu einem Schrank, dem er ein Paar lederne Handschuhe entnahm. Das Zimmer war geräumig und bot, wenn sie den Frühstückstisch ein wenig zur Seite rückten, Platz genug für ihr Vorhaben. Wenn man die beiden jungen Männer einander gegenüber sah, war es leicht zu erkennen, auf wessen Seite die größeren Chancen waren. Algernons rundliches Antlitz, seine vollen Lippen, sein zurückweichendes Kinn hielten den Vergleich mit den scharfen, klugen Augen Edwards, seinem zusammengepreßten Mund, seiner harten Ruhe nicht aus. Beide waren von kräftiger Muskulatur, aber Edward besaß zugleich eine scharf konzentrierte Gehirnkraft, die seine ganze Erscheinung zu durchdringen und zu beleben schien, und ohne welche ein Mensch tatsächlich einem führerlosen Schiffe gleicht. Beide sahen äußerst vorteilhaft aus, wie es Männer beim Boxen immer tun.

»Also nun,« sagte Algernon, indem er sich seinem Vetter gegenüber in Boxerpositur stellte, »nun ist es für den ungesunden alten Kerl unter uns wieder an der Zeit, mit seinem Stöhnen anzufangen.«

»Tritt möglichst leicht auf,« erwiderte Edward, während er ihm mit einer Bewegung seiner Boxerhandschuhe berührte.

»Ich werde so leichte Schritte machen wie ein französischer Tanzmeister. Laß uns doch mal nach Paris reisen und den Savate lernen, Ned. Es muß ein ganz eigenartiges Gefühl sein, auf einem Bein zu stehen und mit dem andern seinen Gegner den Hut vom Kopfe zu schlagen.«

»Mal los, mit deinen Fäusten!«

»Teufel auch! Ich wollte, deine Fäuste gingen nicht so auf mich los!«

»Du red'st zuviel.«

»Ach was, ich verlier' nicht halb so leicht die Puste wie du.«

»Ich brauche Landluft.«

»Du sagtest, du wolltest aus, alter Ned?«

»Ich hab's mir anders überlegt.«

Auf diese Äußerung hin biß Edward die Zähne fest aufeinander und redete während zwei oder drei heißer Minuten einzig und allein durch seine Fäuste. Die Stube erbebte unter Algernons Sprüngen nach rechts und links, bis ihn ein Schlag gegen den Frühstückstisch schleuderte, so daß eine Tasse zu Boden fiel und sein enganschließendes Flanellhemd mit düsterem Kaffeebraun besprengte.

»Zum Teufel auch, ich weiß wahrhaftig nicht, was ich gesagt hab', um das hervorzurufen,« bemerkte Algernon, während er wieder auf die Füße kam. »Ist dir irgendwas unangenehm, was mit dem Lande zusammenhängt? Komm, noch einen regelrechten Boxgang, nicht so 'n verfluchtes Draufloshauen, als wenn du es in irgendwelcher Gesellschaft von Raufbolden extra auf mich abgesehen hättest. Bist du gestern zur Kirche gewesen? Verflucht, nun geht die Geschichte noch mal los!«

Und Algernon fuhr fort, eine Flut unverständlicher Worte hervorzusprudeln, während ein Hagel von Schlägen auf ihn niederprasselte. Nun riß ihm die Geduld, und er begann blindlings drauf loszuschlagen. Da es ihm aber schnell klar wurde, daß sich ein Verlieren seiner Selbstbeherrschung an ihm selbst rächte, gewann er sie wohlweislich zurück, boxte, tanzte herum und erschütterte das Zimmer derart, daß Edward schließlich mit Rücksicht auf den beunruhigten Mieter im unteren Stock die Arme sinken ließ. Algernon nahm den Waffenstillstand an und schuf ihn zum Friedensschluß um, indem er einen seiner Handschuhe abstreifte.

»So! da hat man sich mal wieder ordentlich Luft gemacht,« sagte er und trat mit ein paar nachlässigen Bewegungen ans Fenster, um auf den Fluß hinunterzuschauen. »Ich entbehr' es doch jedesmal, wenn ich's nicht getan hab'. Lieber 'ne ordentliche Tracht Prügel, als den Tag anfangen, ohne die Boxerhandschuh' anzuziehen. Sieh mal die Schiffe! Stell dir das nur vor, daß ich jetzt in die Stadt muß. Es ist wahrhaftig, als ob einem das Blut verkehrt herum durch die Adern flösse. Wahrhaftig, mein Vater wird noch mal dafür zu brennen haben, daß er mich so verflucht knapp gehalten hat!«

Das stieß er mit prophetischer Wucht hervor.

»Ich kann nicht mal genug zusammenkratzen, um mich in irgendeinen Klub einzukaufen. Es ist zum Aus-der-Haut-fahren! Ich möchte wirklich wissen, ob ich mich jemals an dies Arbeiten auf der Bank werde gewöhnen können? Da ist solch 'n alter Kommis bei uns, der sagt, er würde krank werden, wenn er nur einen einzigen Tag aussetzen müßte. Und dann ist da ein alter Kassenbote, der ist noch toller. Ich glaube, der stürbe einfach, wenn er das Geschäft nicht auf die Minute geöffnet sähe. Es heißt, der alte Kerl hätte eine hübsche Nichte, aber sie kommt nie mehr aufs Kontor. Dem Verdienste seine Krone! Herr Anton Hackbutt soll jetzt zehn Pfund jährlich Zulage haben. Für seine Ehrlichkeit. Ich möchte wohl wissen, ob ich mir auch solch ein Renommee erwerben könnte, das mir zehn Pfund Zulage zu meinem Gehalt eintrüge. Hurra! ich bekomm' ein Gehalt! Aber wenn sie mich auf meine hundertundfünfzig das Jahr festnageln, dann sollen sie sich in acht nehmen, mir jeden Tag die schweren Geldbeutel anzuvertrauen, wie dem alten Kerl. Ein paar von den Leuten da sagen, er würde einem fünfzig Pfund leihen für 'n Ei und 'n Butterbrot. – Du, kommen die Hammelrippchen, Ned?«

»Die Hammelrippchen kommen,« sagte Edward, der einen leichten Rock übergeworfen und sich in ein Buch vergraben hatte. Er wiederholte die Worte gleichsam mechanisch.

»Da haben wir die kleine Peggy Lovell.« Algernon stand gerade vor dem Bild. »Es gibt sie nicht wieder. Sie hat viel mehr Leben, mehr Bewegung, mehr Feuer. Ich höre, sie will nach London kommen?«

»Sie will nach London kommen,« sagte Edward.

»Woher weißt du das?« Algernon drehte sich bei der Frage plötzlich herum.

Edward sah zu ihm auf: »Das schließe ich aus der Tatsache, daß du diese Woche nicht nach einem freien Tag geangelt hast. Wie war sie denn gestern, Algy? Hoffentlich ging's ihr gut?«

Das geistreiche Gesicht des jungen Mannes wurde dunkelrot.

»O, es geht ihr ganz gut,« sagte er. »Sieh mal an, brünette Frauen können doch auch etwas recht Anziehendes haben.«

»Du meinst die Judith? Gewiß, die ist als Ablenkung ganz gut.« Edwards Antwort hatte etwas Zweischneidiges. »Mit welchem Zuge bist du gestern abend zurückgekommen?«

»Mit dem letzten, der von Wrexby abging. Dabei fällt mir ein: gerade beim Aussteigen sah ich eine junge Judith. Sie brauchte 'ne Droschke. Ich rief ihr eine heran. Sie hängt mit dem alten Hackbutt auf der Bank zusammen, dem alten Kassenboten, weißt du. Wenn diese brünetten Frauen nicht immer so etwas an sich hätten, daß ich denken müßte, sie kriegten mal 'n Schnurrbart, so hätt' ich mich in das Gesicht wohl ein bißchen verlieben können.«

Edward stieß eine Verwünschung gegen die Frauen hervor.

»Was haben sie dir nur getan, was ist denn mit ihnen?« sagte Algernon.

»Mein guter Junge, sie sind nichts als äußerer Schein. Ihnen fehlt jedes Gewissen. Wenn sie dir in einem Augenblicke etwas schwören, brechen sie es im nächsten. Sie können eben nicht anders. Du verlangst ja doch von einer vergoldeten Wetterfahne auch nicht, daß sie irgend etwas anderem die Treue bewahrt, als dem Winde, nicht wahr? Wer einer schönen Frau traut, ist ein Schafskopf, überhaupt jeder, der irgendwas mit dem verfluchten Gelichter zu tun haben will. Cleopatra war schön, Delilah war auch schön, des Teufels Frau ist es sicher auch. Gib mir mal den Notizkalender her!«

»Donnerwetter!« schrie Algernon, »mein Magen sagt, daß, wenn nun nicht bald Provision angefahren wird, – Warum hältst du dir keinen französischen Koch, Edward? Laß uns mit den Frauenzimmern aufräumen und einen französischen Koch nehmen.«

Edward gähnte krampfhaft. »Alles zu seiner Zeit. Wird schon noch mal kommen. Da ist Philosophie drin, – mit deinem französischen Koch. Ich wollt', ich hätt' so was oder so wen. Ich bin nur bange, man greift seinen Lebensverhältnissen nicht ungestraft vor. So gut hat man's nicht.«

»Wahrhaftiger Gott, man muß vorm Frühstück Philosophie treiben,« rief Algernon aus. »Neun Uhr! Um zehn muß ich an meinen Pfahl gebunden sein, Ketten angelegt, Maulkorb vor, – armer kleiner Köter! Ich wollte wahrhaftig, ich hätte den bunten Rock nicht auszuziehen brauchen, Ned. Es war die reine Verschwörung da gegen mich. Der Teufel hol' all diese Krämerseelen! Sitz' ich da auf einem Kontorbock und rechne Zahlen zusammen. Man schuftet sich in solchem Kontor mehr ab, als wär' man ein Neger! So ist mein Leben nun; aber man muß ja sein Futter haben. Es hat gar keinen Zweck, so wütend aufs Kontor zu gehen.«

»Wie wär's noch mal mit den Handschuhen?« warf Edward milde hin.

Algernon dankte und entgegnete, er kenne ihn. Auf leeren Magen pflegten Edwards Püffe recht kräftig zu sein.

Nun fingierten beide Geduld, soweit Stillschweigen ein Element von so erhabener Qualität zum Ausdruck bringen kann. Als die Hammelrippchen kamen, warfen sie die Maske ab. Algernon schleuderte seinen Fechthandschuh gerade über des Kellners Kopf, und Edward redete dem Mann ins Gewissen; daraufhin setzten sie sich an den Frühstückstisch und aßen, ohne viel zu reden. Der Unterschied zwischen den beiden war der, daß Edward Algernons Gemütszustand ganz genau durchschaute, ganz klar wußte, was in ihm vorging, während Edward dem andern ein Buch mit sieben Siegeln war.

»Gehst du nach dem Frühstück aus, Ned?« fragte Algernon. »Wir könnten zusammen zur Stadt gehen, wenn du magst.«

Edward heftete einen seiner durchdringenden Blicke auf seinen Vetter: »Du gehst heute nicht zur Stadt?«

»Hol's der Teufel, nein!«

»Du willst Mrs. Lovell, die du Peggy zu nennen beliebst, wenn du dich einige Meilen außer ihrer Hörweite befindest, die Cour machen!«

Algernon bemühte sich vergebens, keine Miene zu verziehen. Er wandte sich rasch einem der Bilder zu und fragte: »Wer ist doch das Mädel da? Wie heißt sie doch? Da wir gerade von Mrs. Lovell sprechen, hat sie das Bild da mal gesehen?«

»Wenn du deinen Rock jetzt anziehen möchtest, lieber Algy, dann können wir ja meinetwegen gerne von Mrs. Lovell sprechen.« Edwards durchdringende Augen ließen Algernon nicht los. »Hör' mal, du: du könntest übrigens recht eklig dabei 'reinfallen.«

»Wenn ich denn zuhören muß, Ned, will ich in Hemdsärmeln zuhören, unbeschadet aller Hochachtung vor der gnädigen Frau.«

»Meinetwegen. Hemdsärmel haben immer noch etwas doppelt Herausforderndes. Also gut, du weißt, daß ich einmal, wie man so sagt, zu Mrs. Lovells Füßen gelegen habe. Hübsch ist sie. Bitte, du brauchst nicht gleich loszulegen. Sie ist 'ne schneidige Frau und hat so viel von 'nem Teufel im Leib, wie nur irgendeine, die mir je vorgekommen ist. Weißt du, wodurch wir auseinander gekommen sind? Ich will's dir sagen. Einfach, weil ich nicht glauben wollte, daß einer von ihren Anbetern sie beleidigt hätte. Du verstehst die Bedeutung davon. Ich lehnte es ab, eine Hauptrolle in einem Skandal zu spielen.«

»Lehntest es ab, den Kerl zu fordern?« warf Algernon dazwischen. »Um so schmählicher für dich!«

»Ich glaube, du bist ein Jahr jünger als ich, Algy. Das gibt dir das Vorrecht, mit etwas größerer Naivität zu urteilen. Mrs. Lovell wird mit dir das gleiche Spiel treiben, wie mit mir. Ich erkenne ihre Macht an und gehe ihr aus dem Wege. Ich bin keiner, der Wetten macht; ich hab' keine Passion für Walzer; Pferde kann ich mir nicht halten; so verliere ich nicht allzuviel durch diesen Verzicht, den ich mir auferlege.«

»Ich wette gern, ich tanze Walzer, ich reite,« sagte Algernon. »Somit würde ich unermeßlich viel verlieren.«

»Verlieren wirst du, darauf geb' ich dir mein Wort.«

»Die Vorlesung von seiten meines mir um ein Jahr überlegenen Seniors beendet?« fragte Algernon.

»Ich bin zu Ende,« antwortete Edward.

»Dann werd' ich mir einen Rock anziehen und eine Zigarre anzünden. Wenn irgend etwas dir die Versicherung geben kann, daß ich Mrs. Lovell nicht nahe zu kommen gedenke, so wird es das ja wohl tun.«

»Das gibt mir nur die Versicherung, daß Mrs. Lovell dir zugute hält, was sie im allgemeinen verabscheut,« erwiderte Edward, ohne eine Handbreit von seiner Überzeugung zu weichen, »und gibt mir infolgedessen die weitere Versicherung, daß sie dich augenblicklich für ihre Absichten besonders brauchbar finden muß.«

Algernon hielt ein brennendes Streichholz in der Hand. Er warf es ins Feuer. »Ich will verdammt sein, wenn du nicht die verfluchte Eitelkeit besitzt, anzunehmen, daß sie mich zum Spion gegen dich benutzt.«

Über Edwards Lippen huschte ein Lächeln: »Wenn sie es täte, so bezweifle ich, daß du es wissen würdest.«

»O, du bist zehn Jahre älter, zwanzig,« stieß Algernon aufs höchste entrüstet hervor. »Als ob ich nicht wüßte, was du für 'n Spiel triebst! Als wenn das nicht klar wie der Tag wär', daß du ein Auge auf ein anderes Frauenzimmer hast!«

»Es ist klar wie der Tag, mein guter Algy, daß du ein Bild in meinem Zimmer hängen siehst, und daß du gehört hast, welche Ansicht Mrs. Lovell dieser Tatsache gegenüber geäußert hat. Soviel ist vollkommen klar. Hier hast du meine Hand. Ich bin keineswegs böse auf dich. Sie ist 'ne kluge Frau und, wie viele ihrer Art, sehr gerissen darin, immer das Schlimmste zu erraten. Komm, gib mir die Hand. Ich sag' dir ja, ich verdenk's dir gar nicht. Ich bin selbst wie 'n Schoßhündchen hinter ihr hergelaufen, hab' ihr dies geholt und das getragen und mit dem Schwanz gewedelt. Es ist ganz schön, so lang's dauert. Na, willst du nun?«

»Deinen Schwanz, Mensch?« brüllte Algernon in fingiertem Mißverstehen.

Edward erleichterte ihm die Rückkehr zu einem freundlichen Ton durch Lachen: »Nein, meine Hand!«

Sie schüttelten einander die Hände.

»Na ja,« sagte Algernon, »du meinst es ja gut. Es ist ja ganz recht, wenn du solch 'nem armen Teufel Vernunft predigst, du bist los und ledig, oder du bist regelrecht verliebt.«

»Tugend! Himmel noch mal!« rief Edward, »ich wollt', ich hätte das Recht, irgendeinem Menschen auf Erden Tugend zu predigen!«

Ein glühendes Rot stieg ihm auf. »Na also, auf Wiedersehen, mein Alter,« fügte er hinzu.

»Geh' in die Stadt. Wir wollen heut' abend zusammen zu Mittag essen, wenn du Lust hast; komm und iß mit mir im Klub. Ich hab' nichts vor heut'.«

Algernon murmelte irgend etwas, was eine Annahme zu Edwards Klubeinladung bedeuten konnte oder nicht, kleidete sich mit besonderer Sorgfalt an, borgte sich ein Goldstück, für das er durch ein Kopfnicken quittierte und verließ ihn.

Edward stellte sein Gehirn auf ein juristisches Buch ein.

Etwa zwei Stunden mochten vergangen sein, nachdem er sich derart in sein zisterzienser Stillschweigen eingehüllt hatte, als ihm durch einen der Hotelbediensteten ein Brief gebracht wurde. Edward las die Aufschrift und fragte den Kellner, wer ihn gebracht habe. »Zwei junge Damen,« sagte der Kellner.

Dies war der Inhalt:

»Ich bin nicht sicher, ob Du mir je verzeihen wirst. Ich kann mir selbst nicht verzeihen, wenn ich an das eine Wort denke, was ich Dir in die kalte Straße hinabrufen mußte, ohne irgendwelche Erklärung und ohne Dir dabei zu sagen, wie lieb ich Dich habe. O, wie ich Dich lieb habe! Ich weine, während ich schreibe. Ich kann nicht anders. Ich bin die Nacht hindurch ganz aufgelöst gewesen in Tränen! O, wenn Du mein Gesicht gesehen hättest heute morgen! Aber ich freue mich, daß Du es nicht gesehen hast. Mutters Bibel hat mich nach Hause gebracht. Es muß eine Fügung gewesen sein, denn in meinem Bett lag meine Schwester, und ich konnte sie nicht verlassen, ich habe sie so lieb. Ich konnte nicht mehr hinunterkommen, nachdem ich sie da gesehen hatte, ich konnte nur das eine kalte Wort sagen und das Fenster zuschlagen. Darf ich Dich noch Edward nennen? O, lieber Edward, habe Nachsicht! Schreib mir freundlich! Sag, daß Du mir vergibst! Ich gehe wie ein Geist herum heute. Es kommt mir vor, als wäre mein Leben irgendwo anders, ganz weit von mir weg, und ich fühle kaum, wenn ich irgendwas anrühre. Ich versichere Dich, Liebster, ich hatte keine Ahnung, daß meine Schwester hier sei. Ich war ganz überrascht, als meine Wirtin ihren Namen sagte, und dann sah ich ins Bett, und plötzlich hatte ich gar keine Kraft mehr, und damit war all mein Denken plötzlich ganz anders. Ich hab' früher nie gewußt, daß Frauen so schwach wären, aber nun weiß ich's, und ich weiß auch, daß ich Dir auf Gnade und Ungnade gehöre; mein Edward, und daß ich töricht bin. O, so unglücklich und so töricht. Ich werde nichts essen, bis ich von Dir höre. O, wenn Du mir böse bist, schreibe es mir, aber nur schreibe! Wenn Du Dir mein qualvolles Warten vorstellen kannst, mußt Du Mitleid haben. Ich weiß, daß ich Deinen Zorn verdient habe. Es war nicht, weil ich kein Vertrauen zu Dir gehabt hätte, Edward. Meine Mutter im Himmel sieht in mein Herz, Edward, und daß ich Dir vertraue. Ich vertraue Dir mein Herz, und alles, was ich bin und habe, an. Ich möchte wohl heute im Park auf Dich warten, um Dich zu sehen, aber ich sehe so scheußlich aus von all dem Weinen, ganz gestreift. Wenn ich mein Gesicht mit einem Schrupper bearbeitet hätte, könnte ich nicht schlimmer aussehen, so wage ich mich Dir wirklich nicht zu zeigen. Ich könnt's Dir gar nicht verdenken, wenn Du mich dann hassen würdest. Aber Du tust es doch nicht? Ob er sie haßt? Sie liebt Dich. Sie würde für Dich sterben, lieber Edward. O, ich fühle es, daß es Seligkeit wäre, wenn man mir heute sagte, ich sollte für Dich sterben. Ich sterbe, ja, ich sterbe wirklich, bis ich von Dir höre.

Ich bin
Deine Dich zärtlich liebende, todtraurige
Dahlia.«

Ein Postskriptum war auch da:

»Darf ich noch weiter zu den Stunden gehen?«

Edward las den Brief mit ruhig kritischem Blick zu Ende. Er war bei zwei oder drei Ausdrücken, die er enthielt, ein ganz klein wenig zusammengezuckt, sie waren vielleicht zu Herzen gehend, aber sie waren nicht solcher Art, wie Mrs. Lovell, die dort von der Wand zu ihm herablächelte, sie gebraucht haben würde.

»Das arme Kind droht mir damit, kein Mittagessen anzurühren, wenn ich ihr nicht schreibe,« sagte er und antwortete in einem gütigen, großmütigen Ton, indem er schloß: »Geh auf alle Fälle zu den Stunden.«

Nachdem er dies vollendet hatte, stand er auf, und kam durch einen Zufall dazu, die beiden Rivalinnen-Porträts zu vergleichen, – ein melancholisch und komisch Ding, wie jedermann zugeben wird, der einmal so zwei gemalte Köpfe nebeneinander gelegt hat, um ihre Vorzüge gegeneinander abzuwägen und über deren Für und Wider nachgesonnen hat, sowie darüber, welchen Vorzügen der gewinnende Teil seinen Sieg verdankt, denen des Künstlers oder denen der eignen Persönlichkeit. Dahlias Bild war eine bewundernswerte künstlerische Leistung: der Charm ihrer reinen Einfalt ohne einen Stich ins Bäurische war in ihrem Gesicht wie in ihrer ganzen Haltung ausgeprägt. Wie das Bild dort an der Wand hing, war Dahlia Mrs. Lovell durchaus ebenbürtig.


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