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Dreiundzwanzigstes Kapitel.

Wieder saß der Kaiser Napoleon in seinem Kabinet in den Tuilerieen, aber seine müden und abgespannten Züge zeigten nicht den Ausdruck der Zufriedenheit und sicheren Ruhe. Ein kurzer Badeaufenthalt in Vichy hatte seine Gesundheit nicht gekräftigt, und die politische Situation hatte sich nicht gestaltet, wie er es wünschte. Finsterer Ernst lag auf seinem Gesicht, – er hatte die Ellbogen auf die Kniee gestützt, den Kopf vorgeneigt, und indem er mit der linken Hand leicht die Spitze seines Schnurrbarts drehte, hörte er den Vortrag des vor ihm sitzenden Ministers der auswärtigen Angelegenheiten an.

Herr Drouyn de Lhuys war lebhaft erregt, eine leichte Röthe lag auf seinem sonst so ruhigen Gesicht, seine lebendigen, klugen Augen glänzten im Feuer einer nur durch die starke Willenskraft unterdrückten Aufregung.

»Sire,« sagte er, »Eure Majestät sehen die Folgen der schwankenden und zögernden Politik, welche ich Sie schon so lange zu verlassen gebeten habe. Hätten Eure Majestät den Krieg zwischen Preußen und Oesterreich gar nicht erlaubt, – oder hätten Sie vor vier Wochen die Armee an den Rhein marschiren lassen, – so wäre entweder die jetzige schwierige Lage gar nicht entstanden, oder Frankreich hätte erhalten, was es bei der neuen Konstituirung Deutschlands erhalten mußte. Jetzt sind wir in eine sehr peinliche Lage gekommen und es wird doppelte Anstrengungen kosten, um die Interessen Frankreichs zur Geltung zu bringen.«

Der Kaiser hob ein wenig den Kopf empor und warf aus seinen verschleierten Augen einen langen Blick auf das erregte Gesicht seines Ministers.

»Glauben Sie,« sagte er, »daß man in Berlin wirklich jede Kompensationsforderung zurückweisen wird? – Mainz können wir ja vielleicht fallen lassen, wenn es aufhört fester Platz zu sein oder auf einen Platz zweiten Ranges reduzirt wird, aber sollte man wagen –?«

Er hielt inne.

»Ich bin überzeugt,« sagte Drouyn de Lhuys, »daß man gutwillig jetzt gar nichts zugestehen wird. – Der Frieden mit Oesterreich ist geschlossen, – die preußische Armee ist frei, zu marschiren wohin sie will, und befindet sich auf dem Kriegsfuß, hat also jedenfalls einen großen Vorsprung vor uns – und von Rußland lauten die Berichte sehr ungünstig – die unmuthige Stimmung in St. Petersburg hat einer großen Reserve Platz gemacht und Baron Talleyrand hat in den letzten Tagen auf alle seine Bemerkungen über die Gefahren eines militärisch konzentrirten Deutschlands nur ausweichende Antworten erhalten. – Benedetti's kurze Andeutung läßt übrigens über die Aufnahme seiner Propositionen in Berlin für mich keinen Zweifel übrig. – Wir werden große Anstrengungen machen müssen.«

Wieder sah der Kaiser mit langem, nachdenkenden Blick auf.

Er zog seine Uhr hervor.

»Benedetti muß heute Morgen angekommen sein; ich bin begierig, seinen persönlichen Bericht zu hören,« sagte er.

»Er wird nach dem Quai d'Orsay gegangen sein,« erwiederte Drouyn de Lhuys.

Der Vorhang, welcher die Thür zu dem Zimmer des geheimen Sekretärs verdeckte, bewegte sich, der feine und intelligente Kopf Pietri's wurde unter der Portière sichtbar.

»Sire,« sagte er, »Herr Benedetti ist hier und fragt, ob Eure Majestät geruhen wollen, ihn zu empfangen?«

»Sogleich!« sagte der Kaiser lebhaft, – »führen Sie ihn her!«

Eine Minute später trat der Botschafter durch die Portière in das Kabinet.

Er war im schwarzen Morgenanzug, – sein blasses Gesicht zeigte die Spuren der Ermüdung der Reise, seine Augen glänzten in nervöser Aufregung.

Er verneigte sich tief vor dem Kaiser und begrüßte Herrn Drouyn de Lhuys.

»Ich habe Sie mit Ungeduld erwartet,« sagte Napoleon, – »setzen Sie sich und erzählen Sie, wie die Sachen in Berlin stehen.«

»Sire,« sagte der Botschafter, indem er einen Stuhl nahm und sich dem Kaiser und Drouyn de Lhuys gegenüber setzte, – »ich war nach dem Quai d'Orsay gefahren, um mich bei dem Herrn Minister zu melden, und da ich erfuhr, daß derselbe hier sei, so habe ich mir erlaubt, sogleich hieher zu kommen –«

»Sie haben Recht gethan,« sagte der Kaiser, – »Sie finden jetzt den ganzen konstitutionellen Regierungsapparat beisammen,« fuhr er lächelnd fort, – »nun berichten Sie, – ich höre mit Ungeduld.«

Herr Benedetti athmete tief und sprach:

»Ich habe, wie Eure Majestät wissen, den Vertragsentwurf, den ich aus Vichy erhalten, dem Grafen Bismarck gleich nach seiner Rückkehr nach Berlin in einer vertraulichen Unterredung vorgelegt.«

»Und?« fragte der Kaiser.

»Er hat einfach und rund jede Kompensation – vor Allem die Cession von Mainz abgelehnt.«

»Eure Majestät sehen es,« sagte Drouyn de Lhuys.

Der Kaiser drehte den Schnurrbart und senkte das Haupt.

»Ich habe,« fuhr Herr Benedetti fort, »alle Gründe hervorgehoben, welche uns die gebieterische Pflicht auferlegen, in diesem Augenblick für Frankreich Kompensationen zu fordern, ich habe ihm dargelegt, welche Rücksichten wir auf die öffentliche Meinung in Frankreich zu nehmen hätten, ich habe hervorgehoben, wie gering die geforderten Kompensationen im Vergleich zu der großen Machterweiterung Preußens seien, wie das militärisch konzentrirte Deutschland Frankreich Garantieen des künftigen Friedens schuldig sei, – es ist Alles vergebens gewesen, – der Ministerpräsident beharrte auf seiner Weigerung und wiederholte nur, daß das Nationalgefühl Deutschlands solche Kompensationen niemals zugestehen werde.«

Der Kaiser schwieg.

»Zwei Tage darauf,« fuhr Herr Benedetti fort, »hatte ich eine zweite Unterredung mit dem Grafen Bismarck – sie hatte dasselbe Resultat. Ich habe in der vorsichtigsten Weise auf die Gefahr hingedeutet, welche aus der Verweigerung unserer gerechten Forderungen für die künftigen guten Beziehungen zwischen Preußen und Frankreich erwachsen müsse, – auch diese Andeutung hatte nur den Erfolg, daß Graf Bismarck mir in eben so vorsichtiger, aber nicht mißzuverstehender Weise zu erkennen gab, daß er auch im Hinblick auf diese Gefahren bei seiner Weigerung beharren müsse, und daß er selbst vor den äußersten Konsequenzen seiner Weigerung nicht zurückschrecken würde. Uebrigens muß ich bemerken,« fuhr der Botschafter fort, »daß unsere Unterredung keinen Augenblick aus den Grenzen der höflichsten, selbst freundschaftlichsten Formen heraustrat und daß Graf Bismarck wiederholt betonte, wie sehr ihm an der Erhaltung der guten Beziehungen zu Frankreich gelegen, und wie er überzeugt sei, daß die Interessen Deutschlands und Frankreichs in Europa auch unter den neuen Verhältnissen so viele gemeinsamen Punkte haben würden, daß eine auf gegenseitiger Freundschaft beruhende Politik das Resultat der Erwägungen beider Regierungen sein werde. – Ich habe unter diesen Umständen es für nothwendig gehalten,« sagte Herr Benedetti nach einer Pause, da der Kaiser noch immer schwieg, »diesen Unterhaltungen weiter keine Folge zu geben, sondern zunächst hierher zu kommen, um persönlich über jene Negoziation – und über die Lage der Dinge in Berlin Bericht zu erstatten.«

Drouyn de Lhuys biß sich auf die Lippe. Der Kaiser richtete langsam und forschend den Blick auf Herrn Benedetti.

»Und glauben Sie,« fragte er, »daß die öffentliche Meinung in Preußen und Deutschland dem Grafen Bismarck zur Seite stehen würde, wenn er es wagen sollte, einen Krieg mit Frankreich zu provoziren, – glauben Sie, daß der König –?«

»Sire,« sagte Benedetti lebhaft, »das ist es, was ich besonders Eurer Majestät persönlich mitzutheilen wünschte, damit jeder Entschluß nur in voller Kenntniß der Sachlage gefaßt werden möge. – Der Krieg gegen Oesterreich,« fuhr er fort, »war in Preußen selbst unpopulär, – und wäre er unglücklich ausgefallen, es hätte ernste Bewegungen im Innern geben können, – ich kann indeß Eurer Majestät nicht verhehlen, daß auch hier der Erfolg seine gewöhnliche mächtige Wirkung gehabt hat. Das ganze preußische Volk fühlt sich wie aus einem Schlummer erwacht, die Ziele des Ministerpräsidenten, die jetzt so klar vor Aller Augen hervortreten, die Festigkeit und rücksichtslose Energie, mit welcher er die militärischen Erfolge politisch ausbeutet, finden nicht nur Zustimmung – sie rufen allgemeine Begeisterung hervor, Graf Bismarck ist der populärste Mann in Preußen und wenn Etwas dazu beitragen kann, diese Popularität auf ihren Gipfel zu heben, so wäre es ein Krieg, den er unternähme, um die Abtretung deutschen Gebietes zurückzuweisen. – Die Armee, die Generale und die Prinzen des königlichen Hauses theilen vollständig diese Anschauungen, nur werden sie in militärischen Kreisen noch lebhafter, rücksichtsloser und entschiedener ausgesprochen. – Der König würde vor einem solchen Kriege nicht einen Augenblick zurückweichen. – Das ist die Lage, wie ich sie wahrheitsgemäß Eurer Majestät mittheilen muß.«

»Aber Deutschland, das übrige besiegte, aber nicht vernichtete Deutschland?« fragte Drouyn de Lhuys, da der Kaiser noch immer schwieg.

»Ich kann natürlich über das übrige Deutschland nicht so genau unterrichtet sein, als über die Zustände in Berlin,« sagte der Botschafter, – »indeß habe ich aufmerksam die öffentlichen Blätter verfolgt und mit verschiedenen über die Stimmung in Deutschland wohl orientirten Personen gesprochen, – das Resultat meiner Beobachtungen ist, daß in diesem Augenblick keine deutsche Regierung es wagen würde, Angesichts der so eben gemachten Erfahrungen mit Frankreich gegen Preußen zu gehen – und das deutsche Volk, davon bin ich überzeugt, würde mit Ausnahme einiger momentan wenigstens völlig zurückgedrängter Parteien sich auf die Seite Preußens stellen. – Wir würden das ganze Deutschland gegen uns haben.«

»Frankreich darf vor keinem Feinde zurückweichen, wenn es seine Ehre und seine Interessen gilt,« rief Drouyn de Lhuys stolz.

Benedetti senkte die Augen zu Boden und sprach nach einigem Zögern:

»Ich muß Eurer Majestät noch mittheilen, daß ich aus einer Quelle, welche mir seit lange sehr gute und wichtige Mittheilungen gemacht hat, und welche Eurer Majestät bekannt ist,« fügte er sich verneigend hinzu, – »erfahren habe, es sei zwischen Preußen und den süddeutschen Staaten ein geheimer Vertrag geschlossen, welcher die Armee dieser Staaten für den Fall des Krieges, unter preußisches Kommando stellt.«

»Unerhört!« rief der Kaiser lebhaft, sich emporrichtend, – »das würde ja den Friedenstraktat illusorisch machen!«

»Unsere Vertreter an den süddeutschen Höfen berichten Nichts darüber,« sagte Drouyn de Lhuys.

»Ich glaube meiner Sache gewiß zu sein,« sagte Benedetti ruhig.

Der Kaiser stand auf. Die beiden Herren erhoben sich gleichfalls. Mit lebhafter Spannung blickte Drouyn de Lhuys auf seinen Souverän.

»Mein lieber Benedetti,« sagte der Kaiser mit liebenswürdiger Freundlichkeit, »Sie werden müde sein nach der anstrengenden Reise, – ich bitte Sie, sich vollständig auszuruhen. Ich danke Ihnen für Ihre Mittheilungen und den Eifer, den Sie bewiesen haben, sie mir persönlich zu bringen. Ich werde Sie morgen sehen und Ihnen meine weiteren Instruktionen geben.«

Und mit verbindlicher Höflichkeit reichte er dem Botschafter die Hand.

Dieser verneigte sich und zog sich durch die Thüre nach dem Zimmer Pietri's zurück.

»Eure Majestät sind nun überzeugt,« sagte Drouyn de Lhuys, »daß unsere Propositionen zurückgewiesen sind.«

Der Kaiser richtete sich stolz empor, seine Züge nahmen den Ausdruck von Energie und Willenskraft an, seine Augen öffneten sich und ein Strahl muthiger Entschlossenheit leuchtete aus seinem klaren Blick.

»So werden wir handeln,« sagte er.

Freudig erglänzte das Gesicht des Ministers.

»Frankreich wird Eurer Majestät für diesen Entschluß danken!« rief er.

Der Kaiser klingelte.

»General Fleury!« rief er dem eintretenden Kammerdiener zu.

Die gedrungene, kräftige Gestalt des Generals mit dem lebhaften, ausdrucksvollen Gesicht, dem großen Schnurrbart und Henri quatre erschien einen Augenblick darauf in dem Kabinet.

»Sind die Marschälle versammelt?« fragte Napoleon.

»Zu Befehl, Sire.«

Drouyn de Lhuys blickte mit Erstaunen auf den Kaiser.

Dieser sah ihn lächelnd an.

»Sie sollen sich überzeugen, mein lieber Minister,« sagte er, »daß ich nicht unthätig bin und daß ich an meine Vorbereitungen zu der Aktion gedacht habe, die Sie für nothwendig halten. Sie werden mit mir zufrieden sein, wie ich hoffe. Ich bitte Sie, mich zu begleiten.«

Und er verließ das Kabinet, gefolgt von dem Minister, durchschritt einen Vorsaal und trat in einen größeren, mit reicher Einfachheit dekorirten Salon, in dessen Mitte ein großer Tisch, von Fauteuils umgeben, sich befand.

Hier waren die ersten Würdenträger der französischen Armee, die Träger dieses seit Jahrhunderten so heiß ersehnten, um den Preis so vielen Blutes errungenen Marschallstabes von Frankreich versammelt.

Da war der greise Marschall Vaillant, dessen Erscheinung mehr den Hofmann als den Soldaten vermuthen ließ, der schneeweiße, militärisch kühn blickende Graf Regnault de St. Jean d'Angely, Canrobert mit dem langen Haare, einem Mann der Wissenschaft ähnlicher als einem Krieger, der trotz seines Alters elegante, ritterliche Graf Baraguay d'Hilliers, der Kriegsminister Graf Randon, der schlanke, nur aus Muskeln und Nerven zusammengesetzte Mac Mahon mit dem feinen, sanften Gesicht und den hellen, vergißmeinnichtblauen Augen, da war Niel mit seinem ernsten, geistdurchleuchteten Gesicht mit dem kränklichen, leidenden Ausdruck, welchem aber die Herrschaft eines eisernen Willens den Stempel unbeugsamer Energie aufdrückte, – da war der Marschall Forey in seiner strammen militärischen Haltung.

Der jüngste der Marschälle, Bazaine, fehlte, – er war in Mexiko und bereitete sich vor, den unglücklichen Kaiser Maximilian seinem tragischen Schicksale zu überlassen. Alle Marschälle trugen einfachen schwarzen Civilanzug.

Der Kaiser erwiederte die tiefe Verbeugung der Versammelten mit einem Gruß voll anmuthiger Würde.

Festen Schrittes ging er an die Mitte des Tisches und setzte sich in den dort stehenden Lehnstuhl, mit einem Wink der Hand die Uebrigen auffordernd, gleichfalls Platz zu nehmen.

Dem Kaiser gegenüber setzte sich Drouyn de Lhuys, zu seiner Rechten der Marschall Vaillant, zu seiner Linken der Graf Baraguay d'Hilliers, die übrigen nach ihrer Anciennetät.

»Ich habe Sie hier um mich versammelt, meine Herren Marschälle,« begann der Kaiser mit fester Stimme, »und habe auch die Herren von den auswärtigen Kommandos – selbst Sie, Herr Herzog von Magenta, hieher gerufen, weil ich in einem ernsten Augenblick, wie der gegenwärtige, den Rath und die Ansicht der ersten und bewährten Vertreter der französischen Armee zu vernehmen wünsche.«

Die Marschälle sahen den Kaiser erwartungsvoll an.

»Sie kennen Alle,« fuhr Napoleon III. fort, »die Ereignisse, welche sich so eben in Deutschland vollzogen haben. Preußen will, die Erfolge des Sieges bei Sadowa mißbrauchend, einen deutschen Militärstaat schaffen, welcher sich als eine stete Drohung an den Grenzen Frankreichs erhebt. – Ich habe mich nicht für berechtigt gehalten, in die innere Entwickelung Deutschlands einzugreifen, – die deutsche Nation hat dasselbe Recht, sich frei zu konstituiren, welches Frankreich für sich selbst in Anspruch nimmt und allen übrigen Nationen zugesteht, aber ich habe als Souverän Frankreichs die Pflicht, im Verhältniß zu der drohenden Erstarkung Deutschlands für die Sicherheit unserer Grenzen zu sorgen, – ich habe deßhalb Verhandlungen eröffnen lassen, um Frankreich diejenigen Grenzen zu geben, welche die natürliche und strategische Verteidigung sichern; ich meine die Grenzen von 1814 – Mainz und Luxemburg.«

Der Kaiser ließ seinen Blick über die Versammelten schweifen; er schien eine freudige und begeisterte Zustimmung zu erwarten.

Aber ernst und schweigend blickten die Marschälle vor sich nieder, selbst das helle Auge Mac Mahon's leuchtete nicht auf vor Freude über die kriegerische Aussicht, welche in den Worten des Kaisers lag.

Napoleon fuhr fort:

»Es scheint, nach den ersten Sondirungen, welche ich habe vornehmen lassen, daß man in Berlin nicht geneigt ist, die gerechten Forderungen zu erfüllen, welche ich geglaubt habe, im Namen Frankreichs stellen zu müssen. Bevor ich nun weiter gehe und die Dinge bis zu einem Ultimatum kommen lasse, will ich Ihre Ansicht über einen Krieg mit Preußen hören, den größten und ernstlichsten Krieg, den Frankreich in dieser Zeit führen kann.«

Drouyn de Lhuys blickte mißmuthig vor sich hin. Dieß war nicht die Wendung, welche er der Sache gegeben zu sehen wünschte.

»Ich weiß,« sagte der Kaiser, dessen scharfem Blick die finstere Miene der Marschälle nicht entgangen war und der seiner Natur gemäß sich vorsichtig zurückhielt, »daß Frankreich immer stark und gerüstet ist, um jeden Angriff zurückzuweisen; bevor wir aber einen Krieg von großen Konsequenzen unsererseits beginnen, müssen wir uns über unsere Stärke und Schlagfertigkeit sehr klar sein. – Ich bitte Sie deßhalb, meine Herren Marschälle, mir Ihre Meinung über die Eventualität eines Krieges mit Deutschland zu sagen und über die Art, wie ein solcher Krieg zu führen sein würde.«

Der alte Marschall Vaillant blickte nachdenkend vor sich nieder.

»Sire,« sagte er dann mit ernster Ruhe – »vor zwanzig Jahren noch würde mein Herz hoch aufgewallt sein bei dem Gedanken an einen solchen Krieg – an eine Revanche für Waterloo – heute muß die Vorsicht des Alters über das Feuer der Jugend, über den raschen Schlag meines französischen Herzens den Sieg davon tragen. Bevor wir über eine so schwere, ernste Frage entscheiden, wird es nöthig sein, durch eine Kommission die Verhältnisse der Armee und der Kriegs- und Vertheidigungsmittel des Landes genau zu erforschen, den Einfluß der neuen preußischen Waffen auf die Taktik zu prüfen und danach ein begründetes Urtheil festzustellen. Ich wage heute nicht, über eine Frage zu entscheiden, die tief in Frankreichs Schicksal eingreift. – Bin ich zu vorsichtig,« fügte er hinzu, »so bitte ich Eure Majestät nochmals, es meinen Jahren zu Gute zu halten.«

Der Graf Baraguay d'Hilliers und der Marschall Canrobert stimmten der von Vaillant ausgesprochenen Ansicht bei.

Der Kriegsminister Graf Randon sagte:

»Ich glaube, daß der Zustand der Armee, welcher ich alle meine Sorgfalt gewidmet habe, ein vortrefflicher ist und daß die Vertheidigungsmittel des Landes sich im besten Zustande befinden, – indeß ich kann am wenigsten einer genauen Prüfung widersprechen, da sie gewissermaßen eine Kontrole meiner Amtsführung als Kriegsminister in sich schließt, – eine genaue Prüfung des Einflusses der neuen Waffen aber kann ich nur dringend befürworten.«

Mit fester Stimme sprach der greise Graf Regnault de St. Jean d'Angely:

»Sire, ich habe die Ehre, Eurer Majestät Garde zu kommandiren. Dieß Korps ist stets bereit, gegen die Feinde Frankreichs zu marschiren, und wenn Eure Majestät heute den Krieg erklären, so wird die Garde morgen auf dem Marsch nach den Grenzen sein, voll Eifer, neue Lorbeeren um die alten Adler zu winden. – Aber mit der Garde allein können wir nicht Krieg führen, – ich muß daher der Ansicht des Marschalls Vaillant durchaus beistimmen.«

Drouyn de Lhuys zuckte mit wenig verhehlter Ungeduld die Achseln, – der Kaiser blickte in schweigendem Nachdenken vor sich hin.

»Sire,« sprach der Herzog von Magenta, mit seiner in der Konversation so weichen Stimme, welche vor der Front der Truppen so metallisch wie ein Trompetenton aus seinem Munde hervordrang, – »Sire – Eure Majestät wissen, daß ich meinen Degen lieber im freien Sonnenlicht funkeln sehe, den Feinden Frankreichs gegenüber, als daß ich ihn in der Scheide trage – aber ich kann der weisen Vorsicht des Marschalls Vaillant nur meine volle Zustimmung aussprechen. Prüfen wir – aber prüfen wir schnell, und thun wir dann eben so schnell, was noth thut.«

Langsam erhob der Marschall Niel sein geistvolles Auge zum Kaiser.

Er zögerte einen Augenblick – dann sprach er mit ruhigem, festen Tone:

»Ich bitte unsern verehrten Doyen um Verzeihung, wenn ich – so viel jünger als er, es wage, anderer Ansicht zu sein.«

Erstaunt blickten die Marschälle auf den Sprecher, – Drouyn de Lhuys hing mit freudiger Erwartung an seinen Lippen, der Kaiser hob das Haupt empor und mit lebhafter Spannung blickte er zu dem Marschall hinüber.

»Sire,« fuhr dieser fort, indem seine Züge sich belebten, – »ich halte die Prüfung nicht für nöthig, weil auch ohne solche Prüfung meine Ansicht fest steht.«

»Und Ihre Ansicht ist?« fragte Napoleon III. lebhaft.

»Meine Ansicht ist, daß Eure Majestät nicht im Stande sind zu schlagen.«

Fast entsetzt blickte Drouyn de Lhuys auf den Marschall – der Kaiser zeigte keine Bewegung. Nur schlug er die Augen nieder und neigte den Kopf etwas zur Seite, wie er immer zu thun pflegte, wenn er mit besonderer Aufmerksamkeit zuhörte.

»Sire,« fuhr Niel fort, – »wenn ein Träger des Marschallstabes von Frankreich – in solcher Versammlung vor seinem Souverän eine Ansicht ausspricht, wie die meinige, so hat er die Pflicht, sie zu begründen. Ich werde mir erlauben, dieß in den Hauptpunkten zu thun, – ich bin stets bereit, meine Gründe in einem ausführlichen Memoire Eurer Majestät vorzulegen. – Zunächst,« fuhr er fort, – »bedarf ein Krieg gegen Preußen und Deutschland – denn ich glaube, daß in diesem Augenblick Deutschland sich auf die Seite von Preußen stellen wird – die volle und ganze Kraft der französischen Nation. Diese steht uns in jetzigem Augenblick nicht zu Gebot. Die Expedition in Mexiko zieht Kräfte an Menschen und Geld ab, die wir nicht entbehren können, und ich würde nicht wünschen, daß wir, dem Beispiele Oesterreichs folgend, auf zwei Kriegstheatern uns engagirten, einem solchen Gegner gegenüber, den wir vor allen Dingen in seiner ganzen gefährlichen Stärke richtig würdigen müssen, wenn wir des Erfolges sicher sein wollen. – Zweitens,« fuhr er fort, »bedarf es meiner Ansicht nach keiner Prüfung, um überzeugt zu sein, daß wir dem preußischen Zündnadelgewehr eine mindestens ebenbürtige, wenn nicht überlegene Waffe entgegenstellen müssen. Ich will dahingestellt sein lassen, ob es, wie man jetzt in Oesterreich behauptet, lediglich und ausschließlich das Zündnadelgewehr ist, dem Preußen seine großen und überraschenden Erfolge verdankt, – ich meinerseits möchte es bezweifeln, jedenfalls aber, abgesehen von der in der That doch nicht abzuleugnenden großen Wirksamkeit jenes Gewehrs, ist es für das moralische Bewußtsein der Soldaten, für ihr Selbstvertrauen absolut nothwendig, ihnen eine dem Zündnadelgewehr gleiche oder überlegene Waffe in die Hand zu geben, – nachdem nun einmal jenes Gewehr durch Zeitungen und öffentliche Reden fast mit dem Nimbus einer märchenhaften Zauberwaffe umgeben ist. Ich würde es für sehr gefährlich halten, die Armee in ihrer jetzigen Bewaffnung den preußischen Regimentern entgegenzuführen. – Eine neue Bewaffnung, Sire, aber bedingt auch eine neue Taktik, – ich will nur auf die ganz veränderte Bedeutung der Kavallerie, auf die neuen Aufgaben der Artillerie hinweisen, – welche Eurer Majestät noch klarer sein werden, als mir,« fügte er mit einer Verbeugung gegen den Kaiser hinzu. – »Dann,« fuhr er fort, »steht es ohne jede Prüfung vollständig fest, daß unsere festen Plätze an den Grenzen weder was die Fortifikationen, noch die Verproviantirung, noch die Munitionen betrifft, in wirklich und ernsthaft kriegsfähigem Zustande sind. – Dieß ist gewiß kein Vorwurf für die Militärverwaltung,« fügte er sich leicht gegen den Grafen Randon verneigend hinzu, »es ist eine Thatsache, welche ihre volle Erklärung in dem Umstande findet, daß die politische Lage der letzten Jahre unsere militärische Aufmerksamkeit nach andern Punkten richtete. – Endlich,« sagte er mit überzeugungsvollem Ton, »ist noch ein Punkt, ein nach meiner Ansicht hochwichtiger Punkt zu berücksichtigen. – Wir haben in Preußen eine Macht vor uns, durch deren Militärorganisation jeder Mann selbst bis zum hohen Alter hinauf Soldat ist. Im Nothfalle kann Preußen nach einer verlorenen Schlacht, selbst nach der Zertrümmerung seiner im Felde stehenden Armee, ein zweites Heer aus wirklichen, mit dem Dienst und allen seinen Erfordernissen bekannten Soldaten aufstellen. – Ich will nicht davon sprechen, welche Rückwirkung eine solche äußerste Kraftanstrengung auf die inneren Verhältnisse, auf den Wohlstand des Landes haben muß, – aber militärisch wird sie erfolgreich gemacht werden. – Wir aber haben nur unsere Feldarmee, – und würde sie erschüttert, geschlagen, – bei der ruhigen Erwägung der Verhältnisse ist es Pflicht, auch dieß für einen französischen Mund so harte Wort auszusprechen, – so haben wir Nichts – als vielleicht undisziplinirte Massen mit gutem Willen, welche ohne Erfolg geopfert würden. – Ich will nicht behaupten, daß es rathsam, oder für unsere nationale Eigenthümlichkeit möglich wäre, das preußische Wehrsystem bei uns einzuführen, – jedenfalls müssen wir etwas schaffen, wie eine wirklich militärische Nationalgarde, – um mich so auszudrücken, damit hinter unserer ersten eigentlichen Armee ein kriegsfähiges Material zur Bildung eines zweiten Heeres stehe, – wenn wir nicht mit ungleichen Kräften in den Kampf gehen wollen. – Ich fasse also meine Meinung kurz zusammen: Wir müssen zunächst uns in Mexiko vollständig degagiren, um die ganze Kraft Frankreichs auf einen Punkt konzentriren zu können. Wir müssen sodann der ganzen Armee das möglichst vortrefflichste Hinterladungsgewehr geben. Wir müssen der neuen Bewaffnung die Taktik anpassen. Wir müssen die Festungen in vollkommen kriegsfähigen Anstand bringen. Wir müssen endlich eine bewegungs- und schlagfähige Nationalgarde schaffen. – Diese Bedingungen halte ich für unerläßlich, um den so ernsten und entscheidenden Kampf beginnen zu können.«

Er verneigte sich gegen den Kaiser und schwieg.

Tiefe Stille herrschte einen Augenblick in dem Gemach.

Der Kaiser richtete den Blick auf den Marschall Forey, den Jüngsten in dieser Versammlung.

»Ich stimme vollkommen der Ansicht bei, welche der Marschall Niel so klar und überzeugend entwickelt hat,« sagte dieser.

Die übrigen Marschälle schwiegen. Ihre Mienen drückten deutlich aus, daß sie nichts gegen die Äußerungen Niel's einzuwenden hatten.

»Sire,« rief Drouyn de Lhuys lebhaft, »ich bin nicht Militär und bin überzeugt, daß der ehrenwerthe Marschall militärisch vollkommen Recht hat, – aber die Erfüllung der Bedingungen, welche er für den erfolgreichen Feldzug stellt, erfordert Zeit – viel Zeit, und ich glaube, wir haben deren nicht zu verlieren, wenn die Ehre und die Interessen Frankreichs gewahrt werden sollen. Der günstige Augenblick wird vorübergehen, Preußen wird sich mehr und mehr stärken, die militärischen Kräfte Deutschlands mehr und mehr organisiren und konzentriren – und wenn dann das Alles ausgeführt ist, was der Marschall verlangt, so würde der Zuwachs unserer Kraft einer eben so bedeutenden, vielleicht bedeutenderen Verstärkung der Macht des Gegners sich gegenüber befinden. – Sire,« fuhr er in lebhafter Erregung und mit blitzenden Augen fort, »ich bitte Eure Majestät um zwei Mann und einen Offizier mit der französischen Fahne, welche an den Grenzen stehend die notwendigen Forderungen unterstützen, die wir an Preußen stellen müssen, – wenn man in Berlin nur Ernst sieht, wird man nachgeben, – und thut man es nicht, in wenig Tagen wird ganz Frankreich in Bataillone formirt unsere Armee verstärken – es waren solche Bataillone, Sire, mit denen Ihr großer Oheim die Welt eroberte, aus denen er jene gewaltige Armee schuf, welche, nicht in den Kasernen erzogen, sondern auf den Schlachtfeldern geworden, Europa unterwarf!«

Ein tief schmerzlicher Zug zeigte sich einen Augenblick auf dem Gesicht des Kaisers.

Dann richtete er den Blick fragend auf den Marschall Niel.

»Was sagen Sie dazu, Herr Marschall?« sagte er.

»Sire,« erwiederte dieser, – »die Worte des Herrn Ministers müssen voll wiederklingen in jedem französischen Herzen, – und es gehört die ganze Ueberzeugung von meiner Pflicht gegen Eure Majestät und Frankreich dazu, um ihnen nicht zuzustimmen. – Unmittelbar nach der Schlacht von Sadowa, – als Deutschland noch unter den Waffen stand, als Oesterreich noch keinen Frieden geschlossen, als die preußische Armee noch schwer erschüttert war, von dem harten Stoß des gewaltigen Kampfes, – wäre es möglich gewesen, zu thun, was der Herr Minister räth. Heute wäre es ein hochgefährliches Spiel um Frankreichs Ruhm und Größe – und um mehr noch,« fügte er mit bedeutungsvollem Blick auf den Kaiser hinzu, »ein Spiel, das Eure Majestät vielleicht wagen könnten, – zu dem aber ein gewissenhafter General Ihnen nicht rathen darf.«

»Und wenn ich dieß Spiel wagte,« sagte der Kaiser, indem ein schneller Blitz in seinem Auge aufleuchtete, – »wer von Ihnen, meine Herren, würde an meine Seite treten, um die Armee Frankreichs in's Feld zu führen?«

Ein tiefes Stillschweigen antwortete auf die Frage des Kaisers.

»Sire,« rief endlich der Marschall Mac Mahon, indem sein lichtblaues, klares Auge sich fest auf den Kaiser richtete, – »wir würden Alle, wenn Eure Majestät es befehlen, bereit sein, an der Spitze der französischen Armeen zu marschiren – und zu sterben, – vorher aber würden wir Eure Majestät bitten, den Rath des Marschalls Niel zu hören und das Schicksal Frankreichs, – des kaiserlichen Frankreichs, nicht einem so ungewissen Erfolge anheim zu geben!«

Alle Marschälle neigten das Haupt, auf ihren Gesichtern las man die volle Zustimmung zu den Worten des Herzogs von Magenta.

Drouyn de Lhuys ließ traurig den Kopf auf die Brust niedersinken.

Der Kaiser richtete, ohne ein Zeichen von Bewegung, den Blick auf den Marschall Niel.

»Wie viel Zeit würden Sie bedürfen, Herr Marschall, um das auszuführen, was Sie als nothwendig bezeichnet haben?«

»Zwei Jahre, Sire,« erwiederte der Marschall ruhig, mit klarer Stimme.

»Meine besten Wünsche werden den Marschall bei seinem Werke begleiten, wenn Eure Majestät ihm dasselbe auftragen,« sagte der Kriegsminister Graf Randon, sich gegen den Kaiser verneigend.

Nach einigen Sekunden tiefer Stille erhob sich Napoleon.

»Ich danke Ihnen, meine Herren Marschälle,« sprach er einfach und ruhig, »für Ihre Ansichten, die Sie mir so freimüthig ausgesprochen haben, und die es mir sehr erleichtern werden, in diesem wichtigen Augenblick meine Entschlüsse zu fassen. Ich werde Sie alle heute beim Diner wiedersehen.«

Und mit der ihm eigenen würdevollen Höflichkeit grüßte er und kehrte allein in sein Kabinet zurück.

Er blickte nachdenklich und ernst vor sich hin und ging mehrmals langsam in dem Kabinet auf und nieder.

»Nur die Verwegenheit könnte es unternehmen, unter diesen Umständen zu handeln,« sagte er – »und warum? – wenn die Zeit die Frucht reifen kann, wenn das Warten sicherer zum Ziele führt? – Drouyn de Lhuys, dieser so ruhige, so vorsichtige Mann, spricht plötzlich wie ein Klubredner von 1793! – Er steht mit den Orleans in Verbindung,« sagte er düster, indem er stillstand und die Augen fest auf den Boden heftete.

Dann ging er an seinen Schreibtisch, setzte sich nieder und schrieb. Schnell eilte seine Hand über das Papier, – zuweilen blickte er auf, wie ein Wort suchend, dann schrieb er wieder weiter, eine Seite nach der andern anfüllend.

Als er geendet, rief er Pietri.

»Machen Sie mir eine Kopie hievon,« sagte der Kaiser, ihm die beschriebenen Bogen hinreichend, – »doch,« fügte er hinzu, – »lesen Sie zunächst und sagen Sie mir, was Sie davon denken.«

Pietri las ruhig und aufmerksam, während der Kaiser sich eine Cigarrette machte, dieselbe an der stets auf seinem Tische brennenden Kerze anzündete und dann langsam im Zimmer auf und nieder ging, von Zeit zu Zeit einen prüfenden Blick auf das Gesicht seines Sekretärs werfend.

Als er sah, daß dieser seine Lektüre beendet, sagte er:

»Nun – haben Sie etwas zu bemerken?«

»Sire,« sagte Pietri, – »Eure Majestät wollen also nicht handeln?«

»Vielleicht ist es besser, zu warten,« sagte der Kaiser.

»Aber dieß Programm,« sagte Pietri, – »denn es ist doch ein politisches Programm der Zukunft, das Eure Majestät da entworfen haben, – nimmt die Veränderungen, welche sich in Deutschland vollziehen, an –«

»Nimmt sie an« – sagte der Kaiser und halb zu sich selber sprechend fügte er hinzu: – »annehmen ist nicht anerkennen, – annehmen bezeichnet einen faktischen Zustand, der dauern kann, – den man dauern lassen, kann, so lange man will.«

»Ich bewundere, wie schon so oft, die Schärfe, mit welcher Eure Majestät die Worte wählen,« sagte Pietri. – »Aber,« fuhr er fort, »diese Theorie der Nicht-Intervention, diese Ausführung, daß die drei Theile, in welche Deutschland zerfällt, den französischen Interessen volle Beruhigung gewähren, dürfte nicht mit der Ansicht des Herrn Drouyn de Lhuys übereinstimmen, ich glaube nicht, daß er dieß Programm ohne Diskussion acceptirt.« –

Der Kaiser warf einen langen Blick auf seinen Sekretär.

»Dazu kann ich ihn nicht zwingen,« sagte er dann.

»Und Eure Majestät sind fest entschlossen, dieß Programm aufzustellen?«

»Fest entschlossen?« sagte der Kaiser sinnend, – »es ist eine seltsame Sache um den Entschluß in solchen Tagen – wissen Sie, Pietri« – sagte er, ihm die Hand auf die Schulter legend, – »der Entschluß ist etwas, das meinen Nerven weh thut, – ich kenne die Furcht nicht, die Gefahr macht mich kalt und ruhig, – aber ich bin stets Demjenigen dankbar, der mich durch irgend einen Impuls zwingt, zu thun, was ich thun möchte, – machen Sie die Kopie, ich will ausfahren.« – –


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