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Vierzehntes Kapitel.

Um fünf Uhr Morgens war der König in das stille Pfarrhaus auf der Höhe von Thamsbrück eingezogen und hatte sich zurückgezogen, um zu ruhen. Man erwartete nach den Dispositionen des Generalstabs einen mehrtägigen Aufenthalt mit Defensivgefechten, um das stets vorausgesetzte, aber durch keine positiven Nachrichten unterstützte Heraufkommen der Bayern abzuwarten.

Unter einem großen, mächtigen, uralten Lindenbaum auf dem Hofe des Pfarrhauses war das Gefolge des Königs mit einem sehr einfachen und bescheidenen Frühstück angelegentlich beschäftigt.

Ein großer Tisch mit weißem Linnen bedeckt trug ein blaugeblümtes Kaffeegeschirr von Fayence, wie es in den alten, einfachen Landhaushaltungen Norddeutschlands sich traditionell vorfindet, und es war durchaus kein Mokkaduft, welcher aus dem großen Topf heraufstieg, der in der Mitte auf einem alterthümlichen Kohlenbecken stand.

Ein Schinken und einige Würste, ein großes schwarzes Brod und ein kleines Stück Butter vervollständigten die Ausstattung der Tafel, deren Honneurs der Flügeladjutant Graf Erhardt Wedel, der Hofmarschall des Hauptquartiers, mit strenger Unparteilichkeit machte.

Die ganze Gesellschaft erwies dem Frühstück alle Ehre mit einem Appetit, wie er sich kaum jemals an der Marschallstafel in Herrenhausen gezeigt hatte.

»In diesem Getränk scheint ungeheuer viel Wasser enthalten zu sein,« sagte der General von Brandis bedenklich, indem er prüfend die bräunliche Flüssigkeit in seiner blaugeblümten Tasse betrachtete.

»Dann hat das Getränk zu viel, was der Wurst an Feuchtigkeit abgeht,« bemerkte Graf Ingelheim, indem er mit seinem Taschenmesser Versuche machte, ein Stück Wurst zu zerschneiden, deren steinharte Festigkeit ihm jedoch einen ernstlichen Widerstand entgegensetzte.

»Wenigstens ist das Getränk warm,« sagte Graf Platen, der bleich und fröstelnd eine Tasse des dampfenden Kaffees schlürfte.

»Ich weiß nicht, ob das warme Wasser zuträglicher ist als das kalte,« murrte der General Brandis, – ohne sich entschließen zu können, seine Tasse zum Munde zu führen, – »es hat seine Vorzüge für den äußerlichen Gebrauch – aber ohne vorsichtige Beimischung von geistigen Stoffen es innerlich zu nehmen, – das scheint doch bedenklich, – dazu am frühen Morgen.«

»Eure Excellenz theilen die Abneigung der alten Legionäre gegen das Wasser,« sagte Graf Wedel lachend, – »jene Herren pflegten zu sagen: das Wasser ist schon so unangenehm, wenn es in die Stiefel dringt, wie viel unangenehmer müßte es sein, wenn es in den Magen käme!«

»Wellingtons Legionäre lebten vor Erfindung der Hydropathie!« bemerkte der kleine Kabinetsrath, mit der Ueberwindung eines großen Stücks Schinken beschäftigt.

»Und sie hatten vollkommen Recht!« sagte der General Brandis mit komischem Ernst, – »das Feuer war ihr Element,« – setzte er hinzu, indem er seine Tasse wieder auf den Tisch stellte – »und sie führten auch den Krieg nicht mit Zuckerwasser, wie das heutzutage Mode zu werden scheint.«

»Vielleicht kann ich Eurer Excellenz ein besseres Getränk für diese flaue Morgenstunde schaffen,« sagte der Prinz Hermann Solms, indem er eine elegante, mit Stroh umflochtene Feldflasche hervorzog, »hier habe ich noch einen Rest vortrefflichen Cognac!«

»Sie sind ein Helfer in der Noth, mein kleiner Prinz!« rief der alte General freundlich lächelnd, »ich werde mich einmal revanchiren!«

Der Prinz eilte in's Haus, kam mit einem Kuchengefäß voll warmen Wassers zurück und bald stand vor dem General ein mit vorsichtigster homöopathischer Benützung des Wassers gemischtes Glas Grog, das dem alten Herrn seine vollständige Zufriedenheit und Heiterkeit wiedergab.

Ein lautes Hurrah ertönte aus den den Hof umgebenden Stallgebäuden und unmittelbar darauf eilte von jener Seite her der Kronprinz Ernst August zu der um den Frühstückstisch versammelten Gesellschaft.

Er trug ein zusammengeknüpftes Tuch in der einen, seine Feldmütze in der andern Hand.

»Rathen Sie, was ich hier habe, meine Herren!« rief er, vorsichtig das Tuch und die Mütze in die Höhe haltend. – »Frische Eier – soeben gelegt – ist das nicht ein herrlicher Fund?« – und er leerte das Tuch und die Mütze auf den Tisch, – »jetzt wollen wir sie kochen – oder sollen wir eine Omelette machen?«

»Wozu die langen Umstände?« sagte General Brandis, indem er ein Ei ergriff, es auf dem Knopf seines Säbels aufschlug und austrank, – »man sieht, die jetzige Generation gewöhnt sich schwer an den richtigen Krieg.«

Graf Ingelheim folgte seinem Beispiel.

»Es wäre aber doch so hübsch, einen Eierkuchen zu backen!« rief der Kronprinz, indem er die Hände über seinen Vorrath breitete.

»Leider haben wir Zeit dazu!« murmelte General Brandis.

»Horch!« rief der Regierungsrath Meding, indem er aufsprang.

»Ein Kanonenschuß,« sagte Graf Ingelheim, die Hand an das Ohr haltend.

»Unmöglich,« bemerkte der Generaladjutant, – »woher sollte das kommen? – der Generalstab erwartet keinen Angriff!«

Einige kurze, sehr entfernte dumpfe Detonationen ließen sich hören.

»Das sind doch in der That Schüsse!« rief Graf Wedel.

»Ich glaube wirklich, daß sie anfangen zu brummen,« sagte der General Brandis, indem er aufstand und mit zufriedener Miene den Rest seines Grogs austrank. – »Es wäre gut, zu Pferde zu steigen!«

»Soll Seine Majestät geweckt werden?« fragte Graf Wedel.

»Es würde eine Meldung da sein, wenn etwas Ernstes sich zeigte,« sagte der Oberst Dammers, – »ich werde auf den obersten Boden des Hauses steigen, von wo aus man die ganze Ebene übersehen kann.«

Und er ging in das Haus; der Prinz Hermann folgte ihm, während die übrige Gesellschaft in gespannter Erwartung den immer deutlicher hörbaren Detonationen lauschte.

»Ein Eierkuchen wird doch zu viel Schwierigkeiten machen,« sagte der Kronprinz, that seine Eier in das Gefäß, dessen Inhalt an heißem Wasser der General Brandis durch seinen Grog nur wenig vermindert hatte, und setzte dieß auf das Kohlenbecken. Dann blies er eifrig in die Kohlen und verfolgte aufmerksam den beginnenden Siedeprozeß des Wassers.

Nach kurzer Zeit kehrte der Oberst Dammers zurück.

»Es sind am äußersten Horizont starke Kolonnen sichtbar, man sieht die Waffen durch den Staub blitzen!« rief er, – »man muß Seine Majestät wecken!«

Graf Wedel eilte in das Haus.

Aus der Ebene drangen Signale herauf; man hörte den Generalmarsch in den verschiedenen Lagerplätzen.

Georg V. trat aus dem Pfarrhause.

Alle näherten sich dem Könige.

»Majestät,« rief der General Brandis, – »ich höre mit Freuden die alte wohlbekannte Stimme der Kanonen, – das macht mein altes Herz wieder jung!«

Des Königs Antlitz strahlte von hohem Muth und Entschlossenheit.

Er reichte dem General die Hand.

»Ich höre diese Stimme zum ersten Mal im ernsten Felde,« sagte er, »aber mein lieber General – auch mein Herz schlägt höher bei diesen Tönen, – jetzt ist keine Transaktion mehr möglich, – Gott sei mit uns!«

Und er faltete die Hände und richtete stumm sein Haupt zum Himmel.

Unwillkürlich fast folgten die Umstehenden seinem Beispiel.

Pferdegetrappel ertönte, ein Offizier der Garde du Corps sprengte heran, sprang vom Sattel und meldete dem Könige vom kommandirenden General, daß der Feind in starken Kolonnen auf der Straße von Gotha heranziehe und daß der General Seine Majestät bitten ließe, Thamsbrück sofort zu verlassen und sich nach der Höhe hinter Merxleben zu begeben.

Graf Wedel eilte fort, die Pferde wurden vorgeführt, die Wagen bespannt.

»Der Generallieutenant von Arentschildt läßt Eure Majestät ferner um Befehle und Instruktionen für eine im Laufe der Aktion etwa nöthig werdende Kapitulation bitten,« – sagte der Adjutant.

General Brandis biß in seinen Schnurrbart, – Graf Ingelheim stampfte auf den Boden.

»Was heißt das?« fragte der König ruhig.

»Der Generalstab,« fuhr der Offizier fort, »hat dem General vorgestellt, daß die erschöpften und schlecht genährten Truppen vielleicht das Gefecht nicht durchführen könnten, und er bittet deßhalb um Autorisation zu kapituliren, wenn dieß nach seiner Ueberzeugung nöthig sein sollte. Er hat eine Instruktion zu diesem Behuf aufgesetzt und bittet Eure Majestät, dieselbe allerhöchst vollzogen ihm zurücksenden zu wollen.«

Und er überreichte dem König ein Papier.

Der König hatte die Zähne über einander gebissen. Ein scharfer, zischender Athemzug fuhr aus seinem Munde.

Ohne irgend eine hastige Bewegung nahm er das Papier und riß es durch.

»Reiten Sie zum Generallieutenant von Arentschildt zurück,« sprach er mit kalter, ruhiger, metallisch tönender Stimme, »und bringen Sie ihm meinen Befehl, sich zu vertheidigen bis auf den letzten Mann!«

Das Gesicht des Offiziers leuchtete.

Mit militärischem Gruß wendete er sich scharf um, saß im Nu im Sattel und sprengte wie der Sturmwind davon.

»Und nun vorwärts, meine Herren!« rief der König.

»Papa, ein frisch gesottenes Ei!« und der Kronprinz eilte herbei und bot dem Könige einen Teller mit den Proben seiner Kochkunst.

»Nehmen es Eure Majestät!« sagte der General Brandis, »man kann nicht wissen, wann und wo es wieder etwas gibt,« und er reichte dem Könige ein Ei, nachdem er die Schale an seinem Säbelgriff zerschlagen.

Der König aß es und wendete sich zu den Pferden.

Man stieg auf und der Zug setzte sich in Bewegung, die Dragoner führten und schlossen als Deckung, – die Equipagen und Handpferde folgten.

Als der König aus dem Dorfe Thamsbrück herausritt, war der Geschützkampf bereits in vollem Gange.

Von der Höhe herab sah man die feindlichen Tirailleurlinien vor der Stadt Langensalza, – die feindlichen Batterieen waren jenseits der Unstrut aufgefahren und unterhielten ein lebhaftes Feuer, die hannöverischen Batterieen von der andern Seite antworteten. Vor der Stadt war die Infanterie engagirt, hannöverische Kavallerie war zur Seite sichtbar und zog sich langsam zurück.

»Wohin reiten wir?« fragte der König.

»Nach einer Höhe bei Merxleben, von wo man das ganze Gefechtsfeld übersehen kann, Majestät,« erwiederte der Generaladjutant.

»Wir entfernen uns von dem Kanonendonner!« sagte der König.

»Der Weg macht eine Biegung und zieht sich links herum nach jener Höhe,« antwortete der Oberst Dammers.

»Dann müssen wir rechts reiten, um uns dem Gefecht zu nähern,« sagte der König ruhig und wendete den Kopf seines Pferdes nach der Richtung, woher der Geschützdonner erklang. – »Schweppe,« sagte er zu dem Major der Gardekürassiere und Regimentsbereiter, welcher sein Pferd am Leitseil führte, – »ich befehle Ihnen, in jener Richtung zu reiten.«

»Es führt kein Weg da, Majestät,« erwiederte dieser.

»Dann reiten wir durch das Feld!« Und der königliche Zug bewegte sich in der That in der vom Könige angegebenen Richtung vorwärts.

Näher und näher hörte man die Detonationen der Geschütze und das Prasseln des kleinen Gewehrfeuers.

Der Zug des Königs und seines Gefolges bewegte sich auf der Höhe der die Ebene begrenzenden Hügelkette durch das Feld hin nach dem von dem Generaladjutanten bezeichneten Punkte, scharf hervortretend durch die bedeckenden Dragoner und die glänzenden Uniformen der Suite.

Einzelne Kugeln flogen über diesen Zug hin, die Pferde begannen zu schnauben.

Da schien plötzlich die feindliche Artillerie den Zug des Königs zum Zielpunkt zu wählen und die Granaten flogen dichter und dichter darüber hin, bald hinten, bald vorn in den Boden schlagend.

Der Generaladjutant sprengte an den König heran.

»Majestät,« rief er, »wir sind im lebhaftesten Feuer, ich beschwöre Eure Majestät –«

Graf Platen und General von Brandis baten den König ebenfalls dringend, sich aus der augenscheinlichen Gefahr zurückzuziehen.

Der König hielt sein Pferd an.

Die ganze Eskorte stand still.

»Können die Truppen mich hier sehen?« fragte Georg V.

»Zu Befehl, Majestät,« erwiederte der Generaladjutant, »Eurer Majestät Stellung ist von der ganzen Ebene aus sichtbar.«

»Gut,« sagte der König einfach.

Und er hielt ruhig auf der Stelle.

Die Granaten flogen mit zischendem Schlag durch die Luft, das kleine Gewehrfeuer knatterte herauf aus dem Thal, die Pferde hoben die Köpfe, schnaubten und zitterten, – unbeweglich, einem Marmorbilde gleich, hielt der blinde König dort oben auf der Höhe, – damit seine Truppen ihn sähen – den Welfenfürsten, der sein Leben einsetzte für das, was er als Recht erkannt in seines Herzens stolzem Gefühl.

Und mit brausendem Hurrah begrüßten die hannöverischen Kolonnen den König, wenn sie an ihm vorbeizogen, und tief senkten sich die wehenden Fahnen vor dem königlichen Herrn der ruhig und kalt ihren Gruß erwiederte, sobald er ihm gemeldet wurde.

»Wenn wir noch lange hier stehen,« sagte Graf Ingelheim zum General von Brandis, »so wird doch endlich eine Kugel Gelegenheit finden, die hannöverische Frage auf sehr einfache Weise zu lösen –«

»Ja, in der That,« bemerkte Graf Platen, auf eine in der Nähe des Königs einschlagende Granate deutend, »sie kommen dem Ziel immer näher, – aber macht man Vorstellungen, so bleiben wir nur um so länger hier.«

»Majestät,« sagte General Brandis, zum König heranreitend, »das Gefecht macht eine Wendung und ich glaube, daß Eure Majestät sichtbarer auf dem Hügel sein werden, der ursprünglich für Eurer Majestät Stellung bestimmt war.«

»Ist das gewiß, Brandis?« fragte der König.

»Ich glaube gewiß, daß Eure Majestät dort besser stehen,« erwiederte der General.

»Dorthin also!« rief der König, seinem Pferde die Sporen eindrückend, daß es in mächtigem Satze empor fuhr und der Major Schweppe Mühe hatte, die Leitung zu behalten.

In raschem Ritt erreichte der Zug den Hügel, neben welchem die Reserve-Kavallerie aufgestellt war.

Der König ritt an den äußersten Abhang vor, sein Gefolge umgab ihn, stieg zum Theil vom Pferde und folgte den Bewegungen der kämpfenden Truppen mit Doppelgläsern und Fernröhren.

Die Equipagen hielten im weiten Halbkreis.

Der König stand unbeweglich. Kein Zug seines edlen, bleichen Gesichts veränderte sich. Der Generaladjutant theilte ihm mit, was man vom Gange des Gefechts sehen konnte, die Herren des Gefolges äußerten zuweilen in lauten Rufen das Resultat ihrer Beobachtungen, meist aber theilten sie in leisem Gespräch einander ihre Hoffnungen oder Befürchtungen mit. –

Während dieß im königlichen Hauptquartier vor sich ging, hatte das Regiment Herzog von Cambridge-Dragoner vom frühen Morgen an in der Gegend des Dorfes Hennigsleben auf der Straße von Langensalza nach Gotha auf Vorposten gestanden.

Vor diesem Dorfe liegt ein Chausseeeinnehmerhaus, dessen schwarz und weiß gestrichener Schlagbaum hoch aufgezogen war und neben welchem sich die am weitesten vorgeschobene Feldwache befand.

Der Lieutenant von Stolzenberg kommandirte dieselbe und bei ihm war sein etwas jüngerer Kamerad, der Lieutenant von Wendenstein.

Die Morgensonne schien hell und die beiden jungen Offiziere standen neben ihren Pferden, hinausblickend in die Ebene, welche sich weit vor ihnen ausdehnte, durchzogen von dem grauen Band der Chaussee. Etwas Stroh lag am Boden, aber von den Vorräthen, aus denen sich am Abend des Einmarsches in Göttingen die jungen Leute ihr Souper zusammengesetzt halten, war nichts mehr zu erblicken.

Mit müdem, halb schläfrigem Blick zog Herr von Wendenstein seine Feldflasche hervor, that einen kräftigen Zug und reichte sie seinem Kameraden. Dann zog er ein Stück schwarzes Brod aus der Tasche und begann langsam dasselbe zu zerbrechen und einen Brocken nach dem andern zu verzehren.

»Wißt Ihr, Stolzenberg,« sagte er, sich leicht schüttelnd, – »daß diese Art von Krieg auf die Dauer sehr ungemüthlich wird. – So haben wir uns den Feldzug nicht gedacht, als wir auszogen!« – Und er reichte seinem Pferde ein Stück Brod, das er mit Branntwein befeuchtet hatte.

»Nein, das weiß Gott,« sagte Herr von Stolzenberg seufzend, indem er einen Schluck aus der Feldflasche nahm, – »wo zum Teufel habt Ihr denn diesen Fusel aufgetrieben?«

»Ich fand ihn im Wirthshause vor dem Dorfe, – was wollt Ihr, wenn der Cognac zu Ende ist, muß man Kartoffelspiritus trinken. – Es ist übrigens ein Skandal,« fuhr er fort, »daß wir nichts zu essen und zu trinken haben, – es ist genug da, aber die Proviantkolonnen kommen niemals heran, und wenn man einmal glaubt, etwas zu bekommen, so wird allarmirt und man muß wieder vorwärts.«

»Vorwärts?« rief Herr von Stolzenberg, – »nun, ich dächte, vorwärts gehen wir schon lange nicht mehr! – Und die schönen Hammelheerden, denen wir auf beiden Seilen des Weges begegneten, die wir aber bei Leib und Leben nicht anrühren durften! – Donnerwetter!« fuhr er mit dem Fuße stampfend fort, – »in Feindes Land sein und nicht einmal die nothwendigen Lebensbedürfnisse requiriren zu dürfen, das ist denn doch wirklich zu stark!«

»Wißt Ihr,« sagte Herr von Wendenstein lachend, »der Generalstab hat so viel zu thun, um dem Feinde aus dem Wege zu gehen, daß er nicht daran denken kann, die Leute zu verpflegen, – übrigens wäre es für die Proviantkolonnen auch schwer, unsern höchst eigentümlichen Märschen zu folgen!«

»Ich begreife nur nicht, wie der König sich eine solche Kriegführung gefallen läßt,« sagte Herr von Stolzenberg, – »er will doch gewiß vorwärts und dieß Hinundherzittern entspricht doch gewiß nicht seinem Charakter!«

»Der arme Herr,« sagte Herr von Wendenstein seufzend, – »was soll er machen? – Ja, wenn er sehen könnte, – aber so –! Es ist schon wahrhaftig alles Mögliche, daß er den Feldzug mitmacht und Alles mit uns theilt.«

»Was ist das?« rief Herr von Stolzenberg, indem er sein Glas an's Auge hob und aufmerksam in die Ebene hinausblickte. – »Seht einmal dorthin, Wendenstein,« sagte er, »dort ganz hinten an der Biegung der Chaussee, – seht Ihr nicht eine lange Staubwolke?«

Herr von Wendenstein blickte ebenfalls durch sein Glas nach der angegebenen Richtung.

»Ich sehe Bajonnette durch den Staub blitzen!« rief er lebhaft, »Stolzenberg, alter Freund, – ich glaube, das ist der Feind!«

»Ich glaube es auch!« sagte dieser, immer die fernen Staubsäulen verfolgend. – »Es ist kein Zweifel!« rief er, – »eine Kolonne Infanterie, – da, dort auch Artillerie! Wendenstein, reitet sofort zur Schwadron und meldet: eine Kolonne Infanterie und Artillerie im Vorrücken auf der Chaussee von Gotha!«

»Hurrah!« rief Herr von Wendenstein, sprang in den Sattel und galoppirte rückwärts dem Dorfe zu.

Herr von Stolzenberg und seine Dragoner waren im Nu zu Pferde. In dienstlicher Haltung hielten sie auf der Chaussee und blickten gespannt in die Ebene.

Langsam zog die Staubwolke näher, deutlicher zeigten sich in derselben blitzende Punkte.

Nach kurzer Zeit sprengten mehrere Reiter vom Dorfe her der Feldwache zu. Der Regimentskommandeur Oberstlieutenant Graf Kielmannsegge mit seinem Adjutanten begleitete den Lieutenant von Wendenstein.

»Dort, Herr Oberstlieutenant!« rief Herr von Stolzenberg und deutete mit der Hand auf die nahenden feindlichen Kolonnen.

Der Oberstlieutenant sah einen Augenblick scharf durch sein Glas hin.

»Das ist wirklich der Feind!« rief er, »und sehen Sie, da auf jener Höhe fährt eine Batterie auf! – Alle Feldwachen sollen sich auf die Schwadronen zurückziehen!« rief er seinem Adjutanten zu, welcher eilig davonsprengte.

Herr von Stolzenberg rangirte seine Wache.

»Und was wird das Regiment thun, – wenn es erlaubt ist, zu fragen?« sagte er, sich zu seinem Kommandeur wendend.

»Sich langsam mit Plänklern am Feinde zurückziehen, so lautet die Ordre!« antwortete dieser seufzend und achselzuckend und sprengte rückwärts dem Dorfe zu, wohin sich bereits die andern Feldwachen zurückzogen.

»Zurückziehen und immer zurückziehen!« rief Herr von Wendenstein wüthend, – »nun, schließlich wird man bei dieser Taktik ohne die Truppen rechnen!«

Von der Höhe im Süden blitzte es auf, krachend erfolgten einige Detonationen und eine Kugel zersplitterte den aufgezogenen Schlagbaum neben dem Chausseehause.

»Die Ouverture beginnt!« rief Herr von Stolzenberg und in raschem Trabe ritt er mit seiner Wache dem Dorfe zu.

Dieß waren die Schüsse, welche man im königlichen Hauptquartier zu Thamsbrück gehört hatte.

Das Regiment zog sich – immer mit Plänklern am Feinde – langsam auf Langensalza zurück.

Die Stadt war inzwischen geräumt, – die allgemeine Ordre des kommandirenden Generals lautete, daß die Armee sich fechtend zurückziehen solle.

Bei Langensalza trafen die Dragoner die Infanterie der Brigade Knesebeck, welche sich auf erhaltenen Befehl hinter die Unstrut zurückzog. Knirschend vollzogen die Truppen diesen Befehl und gaben Position um Position auf, welche sofort vom Feinde besetzt wurden, dessen Tirailleure auf dem Fuße folgten und dessen Artillerie von allen Hügeln ein immer näheres und immer mörderischeres Feuer unterhielt.

Die Dragoner hatten die Brücke über die Unstrut überschritten und standen vor dem Dorfe Merxleben, am Abhange des Kirchberges, von dessen Höhe aus die hannöverischen Batterieen ein Feuer unterhielten, das zwar langsamer war als das preußische, dessen wohlgezielte Schüsse aber jedesmal große sichtbare Verheerungen in den preußischen Reihen anrichteten.

Rechts von den Dragonern zog sich die Brigade des Generals von Knesebeck dem erhaltenen Befehl gemäß zurück. Jenseits der Unstrut lag eine Mühle an dem kleinen Salzabach, welche sofort nach dem Rückzug der Hannoveraner von den Preußen besetzt wurde und aus welcher ein dichtes Feuer unterhalten wurde.

An den Dragonern vorbei marschirten zwei Bataillone des Garderegiments zu Fuß. An der Spitze des ersten ritt der Oberstlieutenant von Landesberg, – der Oberstlieutenant von Alten führte das zweite.

Die Bataillone marschirten an der Unstrut her und sollten sich der Ordre gemäß auf die Höhen zu der übrigen Brigade zurückziehen.

Gedankenvoll ritt der Oberstlieutenant von Landesberg vor seinem Bataillon her, in dumpfem Schweigen folgten die Grenadiere.

Das Bataillon hatte links die Unstrut und war an dem Punkte angekommen, an welchem es sich rechts wenden mußte, um die ihm vorgeschriebenen Stellungen einzunehmen.

Die Unstrut hatte an dieser Stelle sehr niedrige Ufer und war augenscheinlich leicht zu überschreiten. Ein ebenes Terrain umgab den Hügel, auf welchem das Dorf Merxleben liegt, langsam zur Höhe aufsteigend. Die vordersten Tirailleurketten des Feindes nahten sich dem jenseitigen Ufer.

Der Oberstlieutenant von Landesberg überblickte prüfend die Umgebung.

»Wenn diese Stelle unvertheidigt bleibt,« sagte er zu seinem Adjutanten, »so dringt der Feind mitten in unsere Position und trennt unsere Kräfte.«

»Das scheint mir auch, Herr Oberstlieutenant!« erwiederte der Adjutant, »und ich begreife nicht, daß sie aufgegeben wird, – indeß der Generalstab –«

Der Oberstlieutenant biß in seinen Schnurrbart.

»Es ist unmöglich, diesen Platz und diesen Uebergang dem Feinde zu überlassen!« sprach er halblaut.

Ein Blitz sprühte aus seinem Auge. Mit plötzlichem Ruck hielt er sein Pferd an.

»Bataillon halt!« rief er mit schallender Stimme.

Das Kommando wiederholte sich durch die Reihen. Das Bataillon stand. Mit erregten Gesichtern voll gespannter Erwartung blickten die Grenadiere der vordersten Glieder auf ihren Führer.

»Front gegen den Feind!« rief dieser.

Ein donnerndes, jubelndes Hurrah wie aus einem Munde ertönte aus den Reihen und im Nu standen die Grenadiere in der befohlenen Stellung.

Die feindlichen Tirailleurs erschienen am gegenüberliegenden Ufer des Flusses.

»Tirailleurs vor!« rief Herr von Landesberg.

Die Linien entwickelten sich mit unerhörter Präzision und in kurzer Zeit standen die hannöverischen Tirailleurs am Flusse, empfangen vom feindlichen Feuer.

Mehrere Grenadiere stürzten, – aber das Feuer der hannöverischen Linien erfolgte so sicher und regelmäßig, daß die vordersten feindlichen Tirailleurs bald Deckung suchten und nur schwächer antworteten.

Das zweite Bataillon des Garderegiments war inzwischen herangekommen. Der Oberstlieutenant von Alten sprengte an den Herrn von Landesberg heran, welcher fast bis zum Ufer des Flusses vorgeritten war und sich in seinen Tirailleurlinien befand.

»Was gibt es hier?« fragte Herr von Alten, »ist die Disposition geändert?«

»Sehen Sie diese Stelle an,« erwiederte Herr von Landesberg, – »sie darf nicht genommen werden und ich will sie halten!«

»Haben Sie Befehl dazu?« fragte Herr von Alten.

»Ich bedarf keinen Befehl, wenn ich sehe, daß das Schicksal des Tages und der Armee auf dem Spiele steht!« rief Herr von Landesberg. – »Feuer!«

Und das Gewehrfeuer rollte die Tirailleurlinie hinab.

Der Oberstlieutenant von Alten warf einen kurzen, prüfenden Blick um sich her.

Dann sprengte er zu seinem Bataillon zurück, welches etwa hundert Schritt zurückstand.

»Front gegen den Feind!« rief er.

Das Bataillon antwortete wie das erste mit schallendem Hurrah.

In wenig Augenblicken entwickelten sich seine Tirailleurlinien bis an das Ufer der Unstrut und der vordringende Feind sah sich plötzlich einem verheerenden Feuer gegenüber.

Wohl fielen die hannöverischen Grenadiere, aber die Linien ergänzten sich lautlos und regelmäßig und wichen nicht einen Zoll breit vom Ufer des Flusses, – in der vordersten Reihe hielt der Oberstlieutenant von Landesberg ruhig und kalt wie auf dem Exerzirplatz.

Die feindlichen Bataillone, welche gegen den Fluß vorrückten, hielten an. Eine unruhige Bewegung wurde drüben sichtbar.

Ein Adjutant sprengte heran.

»Herr Oberstlieutenant!« rief er, »der General erwartet Sie in der vorgeschriebenen Stellung!«

»Melden Sie, ich sei engagirt!« sagte Herr von Landesberg kurz.

Der Adjutant warf einen Blick auf die Situation, salutirte, warf sein Pferd herum und sprengte zurück, ohne ein Wort zu sagen.

Das Feuer des Feindes wurde schwächer. Nach kurzer Zeit hörte man Signalhörner von drüben und die feindlichen Tirailleurlinien wurden außer Schußweite zurückgezogen.

Der Oberstlieutenant steckte den Degen ein.

»So,« sagte er, – »das Erste ist gethan. Glauben Sie, daß der Fluß passirbar ist?«

»Ohne Zweifel,« sagte der Adjutant, dicht an das Ufer vorreitend, »man kann fast überall den Grund erkennen.«

»Nötigenfalls können die Leute schwimmen,« sagte Herr von Landesberg ruhig. »Sie sollen zehn Minuten ruhen, dann gehe ich vor.«

In einiger Entfernung im Dorfe Merxleben stand die Brigade des Obersten de Vaux. Das Regiment Cambridge-Dragoner hielt in der Nähe des Ufers der Unstrut. Gespannt blickten die Offiziere auf die Bewegungen der Truppen, welche sich auf beiden Flügeln zurückzogen, während im Centrum ein lebhafter Artilleriekampf fortdauerte.

»Wir stehen schon überall hinter der Unstrut!« rief Herr von Wendenstein, »es ist ein wahrer Skandal, wo soll denn dieser Rückzug enden? Wir werden so lange rückwärts gehen, bis wir auch dort auf den Feind stoßen, der doch irgendwo vom Norden kommen muß und dann –«

»Dann können wir endlich kapituliren!« rief Herr von Stolzenberg bitter und ließ sein Pferd einen Satz machen, – »denn darauf muß doch diese Art Kriegführung endlich hinauslaufen.«

Der Oberstlieutenant Graf von Kielmannsegge kam in raschem Trabe an den Zug der jungen Offiziere herangeritten.

»Sehen Sie dort, meine Herren!« rief er und deutete hinüber nach dem entfernt in der Ebene liegenden Ufer, – »was ist das, – dort ist ein lebhaftes Feuer im Gange!«

»Man wechselt einige Schüsse beim Rückzuge, – die Brigade Knesebeck marschirt dort ab,« sagte Herr von Wendenstein. –

»Wir werden von dorther bald den Feind in der Flanke haben!« sagte Herr von Stolzenberg, – und beide Offiziere nahmen ihre Gläser zur Hand und blickten nach der Richtung, welche Graf Kielmannsegge aufmerksam verfolgte.

»Es ist das Garderegiment,« sagte Herr von Stolzenberg, – »wahrhaftig, sie gehen nicht zurück, sie stehen dicht am Ufer –«

»Die feindlichen Tirailleurs werden zurückgezogen!« rief Herr von Wendenstein lebhaft.

»Sie halten –« sagte Graf Kielmannsegge, fortwährend durch sein Glas blickend, – »unsere Bataillone formiren sich, – sie gehen an den Fluß vor – hinein, – hurrah!« rief er, »sie gehen vorwärts zum Angriff!«

»Und wir stehen hier still!« rief Herr von Wendenstein, seinen Säbel halb aus der Scheide ziehend und wieder mit hellem Klirren zurückstoßend.

In diesem Augenblick sprengte der Oberst de Vaux mit dem Brigadestabe heran.

»Das Garderegiment geht über die Unstrut vor!« rief ihm Graf Kielmannsegge entgegen.

»Ich habe es gesehen!« rief der Oberst, – »und der Teufel mag hier still stehen, – jetzt muß der Würfel fallen, – schlimm genug, daß wir alle die Positionen wieder nehmen müssen, die wir vorher so ohne Weiteres dem Feinde überlassen haben! – Was steht dort in der Nähe?« fragte er seinen Adjutanten.

»Es ist das erste Bataillon des zweiten Regiments und das erste Jägerbataillon!« erwiederte dieser.

»Bringen Sie sie schnell hieher!«

Der Adjutant sprengte zu den in der Nähe stehenden Kolonnen und führte sie im Geschwindschritt dem Obersten zu.

Dieser stieg vom Pferde und setzte sich an ihre Spitze.

»Und was soll ich thun?« rief Graf Kielmannsegge.

»Reiten Sie an der Unstrut herab,« sagte der Oberst, »überschreiten Sie den Fluß, wo Sie können, und handeln Sie nach den Umständen, – wo möglich fallen Sie in die rechte Flanke des Feindes und bringen Sie jene feindlichen Batterieen da drüben zum Schweigen!«

»Zu Befehl, Herr Oberst!« rief Graf Kielmannsegge. In wenig Augenblicken war das Regiment formirt zum Marsch und dahin ritt es im scharfen Trabe den Fluß entlang.

Von der Seite her, wo die zwei Bataillone des Garderegiments den Fluß überschritten hatten, drang wieder starkes Gewehrfeuer herüber. Das erste Bataillon unter dem tapfern Oberstlieutenant von Landesberg rückte langsam in gerader Linie gegen Langensalza vor, das zweite Bataillon wendete sich links der Mühle zu, welche hier den Mittelpunkt der feindlichen Position bildete und dem Obersten de Vaux schräg gegenüber lag.

»Jetzt ist es Zeit!« rief dieser, befahl seinem Adjutanten, der ganzen Brigade die Ordres zum Vorrücken geben zu lassen, und ließ Sturmmarsch schlagen.

Vor ihm lag eine völlig schutzlose Fläche von vier- bis fünfhundert Schritt, zum Theil mit hoher dichter Rapsfrucht bestanden. Diese ganze Fläche wurde von dem Feuer der feindlichen Linien und von dem der Artillerie auf den dahinterliegenden Höhen bestrichen.

Die Tambours schlugen, der Oberst hob seinen Degen und in regelrechter Ordnung wie beim Parademarsch stiegen die Bataillone die absinkende Fläche hinab.

Mächtige Lücken riß das feindliche Feuer in die Reihen, welche, durch das Rapskraut gehindert, nur langsam vorrücken konnten, – aber ruhig schlossen sich die Glieder und in kurzer Zeit standen die Bataillone hart an den Ufern der Unstrut, von wo sie nun ihrerseits ein mörderisches Feuer zum Feinde hinübersendeten, der seine Tirailleure zurückzog und seine ganzen Kräfte um die Mühle konzentrirte.

Der Uebergang des Garderegiments über die Unstrut und der kühne Vormarsch des Obersten de Vaux war inzwischen von allen Stellungen der Armee aus gesehen worden und hatte eine allgemeine Offensive zur Folge.

Kein Offizier erwartete einen Befehl; mit lautem Hurrah brachen die Mannschaften aus den Positionen auf, wo sie gerade standen, und rückten vor, wo sie am schnellsten an den Feind kommen konnten und wo sie am wirksamsten in den Gang des Gefechts eingreifen zu können glaubten.

Ueberall überschritt die Infanterie theils schwimmend die Unstrut und drang gegen die feindlichen Stellungen vor. Die Batterieen, welche vorher zurückgezogen waren, rückten vor und unterstützten den Angriff durch ein unausgesetztes Feuer, und die Kavallerie drang, wo sie konnte, über den Fluß und rückte der Gefechtsgegend zu.

Die ganze hier operirende feindliche Macht konzentrirte sich um die erwähnte Mühle und ihre Seitengebäude, welche zugleich den Schlüssel zur Stellung des Centrums der preußischen Armee bildete und von einem tiefen Mühlgraben umgeben war.

Gegen diese Mühle rückte das Garderegiment heran; ihr gegenüber lagen zwei Brücken über die Unstrut, welche durch Barrikaden geschlossen waren und stark vertheidigt wurden.

Von den Höhen herab rückte eine Kompagnie, von ihrem Hauptmann geführt; ohne aufzuhalten ging sie vor, nahm die Brücken im Sturm und drang von dieser Seite ebenfalls gegen die Mühle vor, – während unter einzelnen Lieutenants kleine Abtheilungen überall den Fluß durchwateten und durchschwammen und von allen Seiten gegen diese feste Position des Feindes heranstürmten.

Vor dieser Mühle entwickelte sich nun ein lebhaftes Gefecht. Truppen von allen Regimentern, theilweise in kleinen Abtheilungen, vereinigten sich zum Sturm gegen die Gebäude.

Dreimal stürmten die Lieutenants Köring, Lene und Schneider mit unerhörter Tapferkeit, von Kugeln durchbohrt fiel der Lieutenant Lene an der Spitze seiner Abtheilung, – aber ihre Zahl war zu gering, der Mühlgraben zu tief und das Feuer aus der Mühle zu verheerend.

Da erschien der Generaladjutant Oberst Dammers hier, um den Stand des Gefechts zu sehen und dem Könige Bericht zu erstatten. Neben ihm ritt der Prinz Hermann Solms, welcher von Ungeduld verzehrt sich die Erlaubniß erbeten hatte, den Generaladjutanten zu begleiten.

Eben schlossen sich die stark gelichteten Reihen wieder, um einen neuen Sturm gegen die Mühle zu unternehmen.

Da plötzlich fielen von einer vorgeführten preußischen Batterie her Granaten unter die zum Sturm Bereiten, während ein neues heftiges Zündnadelfeuer aus der Mühle gegen sie begann.

Die Abteilungen stutzten unter diesem mörderischen Kugelregen.

Mit zwei Sätzen seines Pferdes war der Prinz in dem Raum zwischen ihnen und der Mühle.

»Sie sind nicht so böse, wie sie aussehen!« rief er heiter zu den Leuten gewendet, und indem er ruhig sein Pferd anhielt, nahm er die Mütze ab und grüßte scherzend eine Granate, welche über seinen Kopf hinflog und dann seitwärts in den Boden schlug.

»Hurrah!« riefen die Soldaten und von Neuem stürmten sie, von den tapfern Lieutenants geführt, gegen die Mühle.

In diesem Augenblick aber rückten von den Brücken her zwei geschlossene Kompagnieen und unmittelbar hinter ihnen das Bataillon des Oberstlieutenants Flökher heran. Zugleich krachte es hinter den Stürmenden von der Höhe von Merxleben her und in schneller Folge schlugen die Vollkugeln einer schnell heraufgefahrenen hannöverischen Batterie in die Mühle, das Dach zersplitternd und die Mauern zerreißend.

Da sah man die tapfern Vertheidiger des Gebäudes, das in kurzer Zeit ein Trümmerhaufen sein mußte, auf der entgegengesetzten Seite herausbrechen und sich in dichten Haufen über die Chaussee nach der Stadt hin zurückziehen. Aber in demselben Augenblick erhielten die Fliehenden von dem nun herangekommenen zweiten Bataillon des Garderegiments ein mörderisches Flankenfeuer und zugleich brachen über die Brücken zwei Husarenschwadronen hervor und brausten mit hochgeschwungenen Säbeln heran.

Ein Theil der Fliehenden eilte über das Feld hin und erreichte glücklich die weiter zurückstehenden preußischen Abtheilungen, die letzten der Besatzung kehrten in das zerschossene Gebäude zurück und bald sah man an einem der Fenster desselben ein weißes Tuch wehen.

Sofort hörte das Feuer auf, der Oberstlieutenant Flökher ritt an das schon zerschossene und nunmehr schnell geöffnete Thor und die letzten der braven Vertheidiger, etwa hundert Mann vom fünfundzwanzigsten preußischen Infanterieregiment, streckten das Gewehr. Der Hof der Mühle war von Leichen und Verwundeten gefüllt – vor derselben lagen die gefallenen hannöverischen Soldaten. Das ganze Gehöft starrte mit seinen leeren Fensterhöhlen, mit seinen zerrissenen Mauern in den sonnigen Tag hinein, – ein Bild der Zerstörung, des Grauens, des Todes.

Der Generaladjutant ritt an den Prinzen Hermann heran.

»Ich mache Ihnen mein Kompliment, mein Prinz,« sagte er, »Sie haben sich die schönste Feuertaufe geholt, – nur haben Sie sich unnütz exponirt; was hätte ich dem König sagen sollen, wenn Ihnen ein Unglück widerfahren wäre?«

»Was bleibt mir übrig,« sagte der Prinz lächelnd und zupfte den keimenden Flaum auf seiner Lippe, – »der König hat mich in's Hauptquartier beordert, – sollte man sagen, daß ich mich vor dem Feuer fürchte?«

»Das hätte man wohl nicht gesagt,« erwiederte der Oberst, indem sein Blick freundlich auf dem noch fast knabenhaften jungen Mann ruhte.

»Es ist besser, wenn man es gar nicht sagen kann!« rief der Prinz und sprengte mit dem Generaladjutanten davon.

Von diesem Augenblick war der Rückzug des Feindes entschieden. Langsam und geordnet, in unaufhörlichem Feuer gingen die preußischen Truppen in Quarrés geformt in der Richtung auf Gotha zurück, gedeckt von ihren Batterieen, welche den unaufhaltsam vorrückenden Hannoveranern ihr mörderisches Feuer entgegensendeten.

Längst schon hatte der kommandirende General den Befehl zur allgemeinen Offensive gegeben, – aber dieser Befehl traf nur noch die wenigsten Truppen, und wenn er sie traf, war er überflüssig, denn die Offensive war allgemein und kein Befehl hätte sie aufgehalten.

Während so im Centrum die preußische Stellung gebrochen wurde, war Graf Kielmannsegge mit seinen Dragonern an der Unstrut entlang geritten, um den besten Ort zum Uebergang über dieselbe zu finden. Aber lange konnte ein solcher nicht entdeckt werden, das Ufer fiel steil ab und war mit Gestrüpp verwachsen. Man mußte stromabwärts bis zum Dorfe Nägelstedt reiten, wo man endlich eine Brücke vorfand und so in das freie Feld am andern Ufer gelangte.

In scharfem Trabe eilten nun die Dragoner durch das Feld hin, näher und näher ertönte das Gewehrfeuer, – weit hinaus war schon der Feind zurückgedrängt und das Gefecht wogte in der Ebene südlich von Langensalza.

Eine sanft aufsteigende Anhöhe erhob sich vor den Dragonern, das Regiment ritt hinauf und sah sich der offenen Flanke des Feindes gegenüber.

Hier standen zwei preußische Quarrés im langsamen Rückzuge begriffen, fortwährend anhaltend und feuernd und auf einer Höhe den Dragonern gegenüber sah man eine preußische Batterie, welche den im Centrum anrückenden Hannoveranern ihre Kartätschen entgegensendete.

Die Dragoner waren allein, – zwischen ihnen und den hannöverischen Truppen standen die preußischen Abtheilungen.

»Jetzt endlich ist der Augenblick gekommen!« sagte der Lieutenant von Wendenstein, der mit seinem Zug neben dem Premierlieutenant von Stolzenberg hielt, – »Gott sei Dank, daß es etwas zu thun gibt. – Es ist doch in solchem Augenblick besser, verliebt zu sein,« – fügte er hinzu, indem er probirte, ob der Säbel fest in der Hand lag, – »seht Ihr, – jetzt weiß ich, woran ich denken soll, und –«

»Da war es wieder!« sagte Herr von Stolzenberg, leicht zusammenschauernd, »–lebt wohl, alter Freund, wenn wir uns nicht mehr sehen sollten –«

»Unsinn!« rief Herr von Wendenstein, – »doch paßt auf – es geht los!«

Das Kommando war gegeben, daß die vierte Schwadron die gegenüberstehende Batterie nehmen und die zweite und dritte gegen die feindlichen Quarrés vorgehen solle.

Die beiden Schwadronen rückten langsam den noch fernen Quarrés entgegen, welche sie stehenden Fußes erwarteten, während der Rittmeister von Einem an der Spitze seiner Dragoner den Abhang hinabjagte, der auf der gegenüberliegenden Aufsteigung stehenden Batterie zu.

Die Geschütze hatten ihre Mündung gegen die anstürmenden Dragoner gerichtet, – ein verheerendes Kartätschenfeuer empfing die Schwadron.

Die Reiter stürzten zahlreich, die zwei Trompeter fielen, aber unaufhaltsam jagte die Schwadron vorwärts, weit voran der Rittmeister mit hoch geschwungenem Säbel.

Immer rasender wurde der Ritt, schon war die Batterie fast erreicht, als noch einmal die Geschütze sich entluden und fast aus unmittelbarer Nähe ihre Kartätschenladungen unter die tapfern Reiter sendeten.

Wie durch ein Wunder blieb der Rittmeister unverletzt. Der Erste sprengte er zwischen die feindlichen Kanonen und schlug mit einem wuchtigen Hieb seines Säbels einen Kanonier nieder. Die Dragoner folgten ihm im dichten Feuer der die Bedeckung der Batterie bildenden Infanterie.

Eine Kugel traf das Pferd des Rittmeisters, das, zusammenstürzend, ihn fast bedeckte.

Schnell raffte er sich unter dem zuckenden Thier hervor und ließ seinen Säbel in rascher Wendung umherfliegen, um sich gegen die mit gefälltem Bajonett andringende Infanterie zu schützen, während die Dragoner im wilden Handgemenge kämpften.

»Vorwärts! Vorwärts!« rief der Rittmeister und parirte mit dem Säbel einen gegen seine Brust gerichteten Bajonettstich, – da traf ihn eine aus unmittelbarer Nähe abgeschossene Kugel, der erhobene Arm sank nieder und während er mit der linken Hand das Rad der neben ihm stehenden Kanone ergriff, um sich zu halten, senkten sich drei bis vier feindliche Bajonette tief in seine Brust.

Er brach zusammen, niedersinkend auf einen Haufen von Leichen, – seine im Todeskrampf geschlossene Hand hielt fest die Speiche der eroberten Kanone. Die Dragoner drängten über ihn hin vorwärts und bald eilten die letzten Vertheidiger der Batterie über das Feld hin.

Die Batterie war zum Schweigen gebracht, wie es befohlen war, – aber ein großer Theil der Dragoner lag da um ihren gefallenen Führer.

Bei den Schwadronen, welche langsam gegen die Quarrés vorrückten, hatte man diesen Angriff mit höchstem Interesse verfolgt, und als die Vertheidiger der Batterie in das Feld flohen, ein lautes Hurrah hinüber schallen lassen.

Als die beiden Schwadronen den Quarrés so weit nahe gekommen waren, daß der Angriff erfolgen konnte, stürmten plötzlich hinter der Anhöhe hervor, auf welcher die genommene Batterie stand, die Gardes du Corps und ihnen folgten in weiterer Entfernung die Gardekürassiere.

Die Gardes du Corps stürzten in gewaltigem Anprall auf das ihnen zunächst stehende Quarré. Zwei auf nächste Distanz abgegebene Salven hielten sie nicht auf – aber das tapfere Quarré stand ungebrochen und die Schwadronen der Gardes du Corps zogen sich seitwärts unter dem fortwährenden Feuer des Quarrés zurück, um sich zum neuen Angriff zu sammeln.

Bei dem zweiten Quarré, welches den Dragonern zunächst stand, trat der Kommandeur hervor und winkte mit einem Tuche. Der Major von Hammerstein wurde mit seinem Adjutanten und einem Trompeter ihm entgegengeschickt.

»Meine Leute sind erschöpft bis zum Umsinken!« rief der preußische Stabsoffizier, – »ich bin bereit zu kapituliren!«

»Dann bitte ich um Ihren Degen, Herr Kamerad!« erwiederte Herr von Hammerstein, – »und daß Sie die Gewehre niederlegen lassen!«

»Das Letztere soll geschehen!« sagte der preußische Offizier, »meinen Degen zu übergeben aber ist eine zu harte Bedingung! – Doch,« fügte er hinzu, »dort kommen Kürassiere!«

Und in der That kamen die Gardekürassiere, welche den Gardes du Corps gefolgt waren, an dem ersten Quarré vorbei, zum Angriff formirt, herangesprengt.

»Reiten Sie den Kürassieren entgegen und halten Sie sie auf!« rief Herr von Hammerstein seinem Adjutanten zu.

Dieser sprengte dem heranjagenden Regiment entgegen, aber in der raschen Bewegung und dem ungeheuren Lärm gelang es ihm nicht, sich verständlich zu machen. Das Kürassierregiment setzte, seinen Angriffsritt fort.

»Es ist zu spät!« rief der preußische Kommandeur. »Nehmt die Gewehre auf! – Feuer!« kommandirte er, in das Quarré zurücktretend, und eine mörderische Salve empfing die schon in unmittelbarer Nähe daherstürmenden Kürassiere. Die vordersten Reihen stürzten und in schräger Richtung traf der Choc nur die eine Flanke des Quarrés, das ungebrochen stehen blieb.

Der Major von Hammerstein war zurückgeritten und »zur Attake, Marsch, Marsch!« ertönte das Kommando durch die Reihen der Dragoner.

In rasendem Ritt stürmte die zweite Schwadron gegen das Quarré vor.

Eine furchtbare Salve empfing sie, – der Rittmeister sank fast unmittelbar vor dem Quarré zu Boden, – da sprengte mit gewaltigem Satz seines Pferdes der Lieutenant von Stolzenberg hervor, eine Sekunde hielt er fast dicht vor den Spitzen der feindlichen Bajonnette, dann drückte er die Sporen tief in die Weichen seines Pferdes, das sich hoch aufbäumte, und in mächtigem Sprung, mit geschwungenem Säbel und lautem Hurrah setzte der junge Offizier in das Quarré, sofort zusammenstürzend mit dem von Bajonetten durchstoßenen Pferde.

Aber sein Sturz hatte eine tiefe Lücke gerissen und ihm nach drang die Schwadron.

»Das war brav, alter Freund!« rief Herr von Wendenstein – und in demselben Augenblick sank er nieder neben seinem Kameraden und über ihn hin brausten die Dragoner.

Das Quarré war gesprengt, die Trümmer eilten über das Feld hin.

Aber als die Schwadron der Dragoner sich sammelte, – da war kein Offizier vorhanden und ein Drittel der Mannschaft fehlte.

Die Gardekürassiere hatten sich inzwischen raillirt und kamen an die Stätte dieses glänzenden Kampfes.

Bei der ersten Schwadron ritt ein junger Soldat in einem alten Uniformsrock, der augenscheinlich nicht für ihn gemacht war, seine einfachen grauen Hosen steckten in den Stiefeln. Auf dem Kopfe trug er eine Mütze, unter welcher er eine Stirnwunde mit einem weißen Tuche leicht verbunden hatte.

»Wo ist der Lieutenant von Wendenstein?« fragte er einen Dragoner, als die Reste der zweiten Schwadron herankamen.

»Dort liegen alle unsere Offiziere!« antwortete der Dragoner, indem er auf den Knäuel von Menschen und Pferden deutete, welcher die Stelle bezeichnete, auf welcher das feindliche Quarré gestanden hatte.

»Todt?!« rief der Kürassier, – »da kann ich ihn nicht liegen lassen, ich habe versprochen, für ihn zu sorgen, – und man soll nicht sagen, daß Fritz Deyke sein Wort nicht hält. – Mein armer Lieutenant!«

Rasch entschlossen ritt er aus dem Glied an seinen Offizier heran.

»Herr Lieutenant!« sagte er, dienstlich salutirend, – »ich bin in Langensalza zur Armee gekommen und den Kürassieren zugetheilt worden, ich hoffe, der Herr Lieutenant können mir bezeugen, daß ich meine Schuldigkeit gethan habe?«

»Du hast Dich brav gehalten,« sagte der Offizier.

»Nun, Herr Lieutenant,« fuhr der junge Mensch fort, »heute scheint's doch zu Ende zu sein und eine Schmarre habe ich ohnedieß über der Stirn, aus der mir das Blut in die Augen fließt, da möchte ich wohl um Urlaub für heute bitten.«

Der Offizier sah ihn erstaunt an.

Eine dunkle Röthe flog über das Gesicht des Kürassiers.

»Herr Lieutenant!« rief er, – »ich bin aufgewachsen in Blechow mit dem Sohn unseres Amtmanns, dem Lieutenant von Wendenstein von den Cambridge-Dragonern, – und als ich aufbrach, um die Armee zu suchen, da hat seine Mutter zu mir gesagt: ›Fritz – sorge für meinen Sohn, so gut Du kannst,‹ und das hab' ich versprochen, Herr Lieutenant, – und nun,– da liegt der junge Herr unter den Leichen, – soll ich ihn da liegen lassen?«

Der Offizier sah ihn freundlich an.

»Geh' hin, mein braver Junge,« sagte er, »und melde Dich wieder, wenn der Lieutenant Deiner nicht mehr bedarf!«

»Ich danke, Herr Lieutenant!« rief Fritz, und das Kürassierregiment rückte vor zur Verfolgung des Feindes.

Inzwischen war auch das andere Quarré durch einen erneuten Choc der Gardes du Corps gesprengt, – die Kavallerie verließ den Platz und binnen Kurzem war auf der Stätte aller dieser Kämpfe, alles dieses Lärms nur ein wüst durcheinander liegender Haufen von Leichen in einer tiefen Blutlache, Menschen und Pferde, Freund und Feind durcheinander.

Fritz Deyke war allein auf dieser Stelle des Entsetzens.

Er stieg ab, nahm den Zügel seines Pferdes in die Hand und näherte sich dem Platz, auf welchem die Dragoner in das Quarré gesprengt waren.

Das Pferd sträubte sich und riß mit dem Kopf mächtig rückwärts am Zügel.

Er führte es zurück und band es an den Stamm eines der Bäume, welche die nahe vorüberführende Chaussee einfaßten.

Dann ging er wieder gegen den Haufen von Gefallenen vor.

Einige Verwundete richteten sich ächzend empor und baten um einen Tropfen Wasser.

Ein Schauer lief durch die Glieder des jungen Menschen.

»Ich kann nicht Allen helfen, aber verschmachten sollt ihr nicht!« sagte er.

Er blickte umher. Neben der Chaussee lief ein Graben, – er konnte Wasser enthalten.

Schnell ergriff er zwei am Boden liegende Helme und eilte dem Graben zu. Es war wirklich Wasser darin, – aber wenig und trübe, – die anhaltende Hitze hatte überall die Feuchtigkeit aufgesogen.

Mühsam füllte er die Helme mit der trüben, lauwarmen Flüssigkeit und sie wie zwei Eimer an den Sturmriemen tragend, kehrte er zu den Verwundeten zurück, deren brennende Blicke mit dem Ausdruck unaussprechlicher Sehnsucht ihm entgegenstarrten. Er zog seine Feldflasche hervor, that in jeden der Helme etwas von ihrem Inhalt und tränkte mit dieser Flüssigkeit die Verschmachtenden, – unparteiisch seine Liebesgabe zwischen Hannoveranern und Preußen vertheilend.

»So – jetzt habt ein wenig Geduld!« sagte er freundlich, – »den ersten Krankenwagen, den ich sehe, werde ich herschicken!«

Und er begann den Leichenhaufen zu durchsuchen.

Da lagen sie übereinander, die tapfern Dragoner und die braven preußischen Infanteristen, theils ruhigen, friedlichen Ausdruck in den Gesichtern, theils in starren Verzerrungen, manche so furchtbar zerrissen von Kugeln und Stichen, daß dem braven Kürassier das Herz bebte und er einen Augenblick die Augen schließen mußte, um neue Kraft zu sammeln zu seinem grauenvollen Geschäft.

Aber unverdrossen suchte er weiter, die todten Körper bei Seite legend, die Pferde mit mühsamer Kraftanstrengung fortwälzend.

»Da ist Herr von Stolzenberg!« rief er, den von Blut überschwemmten Körper des jungen Offiziers, der mit dem Gesicht am Boden lag, umwendend, – »der schöne, brave Herr – und so früh zu sterben! – An dem ist Alles verloren!« – sagte er traurig, – eine Kugel hatte einen Theil des Schädels fortgerissen und aus unzähligen Stichwunden strömte noch das allmälig erstarrende Blut.

Fritz Deyke beugte sich über die Leiche, faltete die Hände und betete ein stilles Vaterunser.

»Aber hier!« rief er dann, »liegt ja der arme Roland, mausetodt, das treue, gute Thier, – und darunter – wahrhaftig, da ist mein Lieutenant!«

Er wälzte das todte Pferd zur Seite.

Unter demselben lag der Lieutenant von Wendenstein, starr und bleich, die linke Hand auf die Brust gedrückt, in der rechten den Säbel, die Augen weit geöffnet und gläsern gen Himmel starrend.

»Todt!« rief Fritz Deyke mit schmerzlichem Aufschrei, »er ist wirklich todt!« Und er beugte sich schmerzlich auf den Körper des gefallenen Offiziers nieder.

»Aber mitnehmen muß ich ihn!« rief er entschlossen, – »hier darf er nicht bleiben, – wenigstens will ich den alten Herrn und die arme Frau Mutter an sein Grab führen können. – Wie fürchterlich die schönen, freundlichen Augen starren!« sagte er schauernd, – »aber wo ist er verwundet? – der Kopf ist ganz heil, – ah hier in der Brust, er hat die Hand darauf gedrückt, – da sickert noch das Blut hervor! – Aber die Augen kann ich nicht ansehen!« rief er, – »die starren, todten Augen, die im Leben so fröhlich und freundlich waren!«

Er beugte sich nieder und legte die Hand auf das Haupt des Gefallenen, um seinem Jugendgespielen sanft die Augen zu schließen. – »Heiliger Gott im Himmel!« schrie er plötzlich auf, – »er lebt, die Augenlider bewegen sich!«

Und er faltete die Hände und blickte mit ängstlicher Spannung auf das Gesicht des am Boden Liegenden.

In der That bewegten sich die Augenlider, schlossen sich langsam und öffneten sich wieder, – einen Augenblick schien ein Blitz des Lebens in den Augen aufzuleuchten, dann nahmen sie wieder ihren starren gläsernen Ausdruck an.

Fritz Deyke sank auf die Kniee nieder.

»Großer Gott im Himmel!« sprach er zitternd und hastig, – »und wenn Du mir in meinem ganzen Leben keine Bitte mehr erhören willst, hilf mir jetzt den armen Herrn retten!«

Schnell zog er seine Feldflasche hervor, öffnete den Mund des Verwundeten und goß einen mäßigen Schluck Branntwein hinein.

Dann beobachtete er mit angstvollen Blicken den Erfolg dieser Prozedur.

Ein leises, fast unmerkliches Zittern zog durch die Glieder des Lieutenants, die Augen belebten sich einen Augenblick und richteten sich mit fragendem Ausdruck auf den jungen Bauern, leicht öffneten sich die Lippen, ein röthlicher Schaum drang am Rande derselben hervor und ein langer Athemzug hob die Brust.

Dann schlossen sich die Augenlider und das Gesicht verlor jenen entsetzlichen Ausdruck der Starrheit des Todes. Aber kein weiteres Lebenszeichen ließ sich entdecken.

»Jetzt vor Allem fort nach der Stadt!« rief Fritz Deyke, hob mit seinen kräftigen Armen den Körper des jungen Offiziers auf und trug ihn zu seinem Pferde.

Mühsam erkletterte er den Sattel, immer den bewegungslosen Körper haltend, zog diesen nach sich und brachte ihn, umschlungen von seinem rechten Arm, in eine sitzende Stellung vor sich, während er mit der Linken die Zügel führte.

Rasch ritt er querfeldein der Stadt zu.

Die von den Dragonern, den Gardes du Corps und den Kürassieren zersprengten Quarrés und die von dem Rittmeister von Einem genommene Batterie waren fast der letzte Widerstand gewesen, der von preußischer Seite noch geleistet wurde.

Mächtig waren aus dem Centrum die hannöverischen Brigaden vorgedrungen und bald war das ganze Gefechtsfeld bis weit hinaus nach Gotha hin von den hannöverischen Truppen besetzt.

Wie die nicht marschfertige Armee die unerhörtesten Märsche – leider zwecklos – gemacht hatte, so hatte nun die nicht schlagfertige Armee aus eigener unwiderstehlicher Initiative geschlagen und gesiegt. – Auf dem Hügel bei Merxleben aber hatte den ganzen Tag über der König und sein Gefolge gestanden.

Nicht einen Augenblick hatte Georg V. den Sattel verlassen. Er hatte kurze Fragen gestellt über den Gang der Schlacht, die ihm von den Herren des Gefolges beantwortet wurden; vom kommandirenden General waren keine Meldungen gekommen; wurde doch die Schlacht geschlagen von den einzelnen Offizieren und ihren Abteilungen, welche nicht mehr rückwärts gehen wollten und die Offensive ergriffen hatten, wo Jeder gerade stand und in der Weise, wie es ihm am zweckmäßigsten und erfolgreichsten erschien.

Der König sah nichts, er hörte über sich den zischenden Flug der Kugeln, rings um sich her den Donner der Kanonen, – aber das wechselnde, lebendige Bild fehlte, welches die Sinne ergreift und in zitternder Erregung fesselt.

Wie ein ehernes Bild stand er da, keine Spur der inneren Bewegung zeigte sich auf seinem ruhigen Antlitz, – seine stete Frage war, ob die Truppen ihn sehen könnten.

Als endlich der Generaladjutant den Hügel herausgesprengt kam und die Nachricht brachte, daß das Centrum des Feindes durchbrochen sei, – als die Gardekürassiere, welche hinter dem Standort des Königs in Reserve gehalten hatten, rasselnd vorbeizogen, mit lautem Hurrah den königlichen Kriegsherrn begrüßend, um zur Verfolgung des Feindes in die Ebene hinab zu reiten, – als nun endlich auch ein Adjutant des kommandirenden Generals mit der Meldung erschien, daß der Sieg der hannöverischen Waffen zweifellos sei, da hob ein langer Athemzug die Brust des Königs und er sagte: »Ich will absteigen!«

Die Reitknechte eilten herbei, – der König stieg vom Pferde.

Sämmtliche Herren traten heran, ihm ihre Glückwünsche auszusprechen.

»Viele tapfere und brave Herzen haben ausgeschlagen, – Gott gebe ihnen den ewigen Frieden!« sagte der König mit tiefem Ernst.

Er stand lange gedankenvoll.

»Ich bin etwas erschöpft,« sagte er dann, – »gibt es etwas zu trinken?«

Die Nächststehenden griffen nach ihren Feldflaschen, – sie waren leer.

»In unserem Wagen ist etwas Sherry,« sagte der Regierungsrath Meding.

»Ich habe einen Reisebecher bei mir!« rief Graf Platen und zog aus einem Etui einen silbernen Becher.

Der Regierungsrath Meding eilte zu den Equipagen und kam bald mit einer halben Flasche Sherry und einem kleinen Weißbrod zurück. Er goß den Wein in den kleinen Becher und reichte ihn dem König.

Georg V. trank ihn aus und aß einen Bissen Brod.

»Jetzt bin ich gestärkt!« rief er, – »wollte Gott, daß jeder meiner Soldaten dasselbe sagen könnte!«

»Ich will etwas gehen,« sagte er dann, nahm den Arm des Regierungsraths Meding und schritt auf der Höhe des Hügels langsam auf und ab.

»Gott hat unsern Waffen den Sieg gegeben,« sprach er mit bewegter Stimme, – »was ist nun zu thun?«

»Majestät,« sagte der Regierungsrath, – »wenn so viel edles Blut nicht umsonst vergossen sein soll, so müssen wir auf der Stelle nach Gotha, dort die Eisenbahn überschreiten und die Bayern zu erreichen suchen.«

Der König seufzte.

»O daß ich mich an die Spitze der Armee setzen könnte und sie vorwärts führen! – Man wird aber Schwierigkeiten machen, Bedenken erheben, – Sie wissen, welche Bedenken der Generalstab stets erhebt, – im Kriegsrath –« er blieb sinnend stehen.

»Lassen Eure Majestät im Kriegsrath Protokoll führen, damit man wenigstens jene Bedenken schwarz auf weiß hat und sie genau konstatiren kann,« sagte der Regierungsrath.

»Das soll geschehen!« rief der König lebhaft, – »Sie sollen das Protokoll führen, – ich bin der Geschichte verantwortlich für das was geschieht – und versäumt wird!« –

Ein Adjutant des kommandirenden Generals sprengte heran.

»Der Generallieutenant von Arentschildt läßt Eure Majestät bitten, Allerhöchstihr Hauptquartier in Langensalza zu nehmen!«

»Zu Pferde!« rief der König.

Die Adjutanten eilten herbei, die Pferde wurden vorgeführt und der königliche Zug setzte sich in Bewegung, den Hügel herab über das Schlachtfeld hin.

Ernst und ruhig ritt der König der Stadt zu. An der Mühle vorbei ging der Zug, Leichenhaufen lagen am Wege, die Hufen der Pferde wurden geröthet vom Blut, das in großen Lachen am Boden stand. Der König sah es nicht. Er hörte das Hurrah der Truppenabtheilungen, welchen er begegnete und die ihn laut jubelnd begrüßten, – keine Siegesfreude belebte sein edles Gesicht, kalt und still saß er auf seinem Pferd, – er dachte der Gefallenen, welche den Sieg mit ihrem Leben erkauft, – er dachte der Zukunft und mit banger Sorge fragte er sich, ob der Preis des Sieges die ersehnte Frucht bringen werde: die Rettung der Armee aus der gefahrvollen Stellung, in welche sie geführt war.

Das königliche Hauptquartier etablirte sich im Schützenhause zu Langensalza.

Kaum hatte sich der König ein wenig erfrischt, so befahl er, den kommandirenden General und den Chef des Generalstabes zu rufen, und lud zugleich den General von Brandis, den Grafen Platen, den Grafen Ingelheim, den Kabinetsrath und den Regierungsrath Meding ein, dem Kriegsrath beizuwohnen, der über die nun zu treffenden Maßregeln entscheiden sollte.

Es war neun Uhr Abends, als die befohlenen Herren sich im Zimmer des Königs versammelten.

Der König drang auf sofortigen Vormarsch nach Gotha. Der Regierungsrath Meding schickte sich dem Befehl des Königs gemäß an, das Protokoll zu führen. Der kommandirende General und der Chef des Generalstabes aber erklärten, daß die Armee in einem solchen Zustande der Erschöpfung sei, daß sie nicht marschiren könne. Vergebens machte General Brandis geltend, daß auch für die ermüdete Armee der kurze Marsch nach Gotha, wo sie vortreffliche Quartiere und reichliche Verpflegung finden würde, besser sei als das Bivouakiren im Felde ohne Lebensmittel, – der Generalstabschef erklärte einen Marsch für absolut unmöglich und der kommandirende General lehnte jede Verantwortlichkeit für einen solchen ab. Beide Herren baten dringend, den Kriegsrath verlassen zu dürfen, da ihre Anwesenheit bei den Truppen unumgänglich nöthig sei.

Ohne Resultat ging der Kriegsrath auseinander – und der König zog sich zurück, um nach der schweren Anstrengung des Tages zu ruhen.

Rings um die Stadt her aber leuchteten die Bivouakfeuer der Truppen und so lauter Gesang, so fröhliche Stimmen drangen von allen Seiten herüber, daß es schwer war, an die tiefe Erschöpfung dieser Soldaten zu glauben, welche zu schwach sein sollten, um zwei Stunden nach Gotha zu marschiren, wo sie Ruhe und Stärkung hätten finden können.

Fritz Deyke war inzwischen mit dem Lieutenant von Wendenstein vor sich in die Stadt hineingeritten, ohne zu wissen, ob der junge Mann noch lebte oder todt war. Schwer lag der Körper in seinen Armen, schlaff hingen die Glieder herab und von dem scharfen Ritt hatte die Brustwunde wieder zu bluten angefangen.

Der junge Bauer ritt in die Stadt hinein, in deren Straßen man gefochten hatte und welche von den Einwohnern verlassen schien, die sich sämmtlich in die hintern Räume der Häuser geflüchtet hatten.

»Wo finde ich nun das beste Quartier?« sagte er zu sich selbst – »im Gasthof wird es wohl noch die beste Pflege geben,« – meinte er nach augenblicklichem Besinnen und ritt weiter in die Stadt hinein, um irgend einen Gasthof zu suchen. An einer Wendung der Straße lag hinter einem hübschen, sauber gepflegten Vorgarten ein großes weißes Haus mit ausgedehnten Nebengebäuden. Grüne verschlossene Jalousieen bedeckten die Fenster.

Als der Kürassier mit dem leblosen Körper im Arm vorbeiritt, rief aus dem ersten Stock eine frische jugendliche Stimme, mit dem Ausdruck halb des Schreckens, halb des Mitleids:

»Ach, der arme junge Offizier!«

Fritz Deyke wurde sympathisch berührt durch den Klang der Stimme sowohl als durch den Ausdruck des Mitgefühls für seinen Lieutenant und blickte an dem Hause empor.

Ein frischer blonder Mädchenkopf hatte sich hinter einer halb geöffneten Jalousie vorgestreckt und zog sich, als der Soldat heraufblickte, schüchtern zurück, ohne indeß die Jalousie ganz zu schließen.

War es der Ausdruck der Stimme, war es der theilnahmsvolle Blick der hellen blauen Augen, welche noch immer durch die geöffnete Spalte auf das sonderbare und traurige Bild da unten herabsahen, die in dem jungen Menschen den plötzlichen Gedanken aufsteigen ließen, in diesem behaglich und wohlhabend aussehenden Hause Quartier für seinen Offizier zu suchen, – genug, er hielt sein Pferd an und rief hinauf:

»Ja, der arme junge Offizier bedarf Ruhe und Pflege – und ich belege hier im Hause Quartier für ihn!«

Die Worte waren befehlend und kategorisch – gehörte er doch der Armee an, welche siegreich in die Stadt einzog, – aber der Ton war sanft und bittend und es war wohl dieser Ton, welcher das junge Mädchen bewog, das Fenster wieder ganz zu öffnen und den Kopf herauszustrecken. Zugleich erschien hinter ihr ein alter wohlbeleibter Mann mit rothem vollen Gesicht und kurzem grauen Haar, welcher finster auf den hannöverischen Soldaten herabsah.

»Quartier ist im Hause vorhanden, wenn's sein muß,« sagte er kurz und ziemlich unfreundlich, – »aber mit der Pflege wird es schlimm aussehen und zu essen haben wir selbst kaum!«

»Dafür werde ich sorgen!« rief Fritz Deyke – »kommt nur herab und helft mir meinen Lieutenant herauftragen!«

Der Alte zog sich mürrisch vom Fenster zurück, während das junge Mädchen freundlich herabrief: »Ein Bett für den armen Verwundeten werde ich gleich besorgen, – dann werden wir sehen, was weiter zu thun ist.«

Und sie verschwand ebenfalls vom Fenster.

Der alte Mann hatte inzwischen die Hausthüre geöffnet und war an den Reiter herangetreten.

»Ich kann Euch nicht willkommen heißen in meinem Hause,« sagte er finster und derb, »denn Ihr gehört zu den Feinden meines Königs und meines Landes, – aber Quartier geben muß ich Euch freilich – und,« fügte er hinzu, indem er einen mitleidigen Blick auf den bleichen Offizier warf, – »ich gebe es auch noch lieber den Verwundeten als den Gesunden.«

»Hier ist von Freund und Feind nicht die Rede,« antwortete Fritz Deyke in ruhigem und freundlichem Ton – »hier handelt sich's um Christenpflicht gegen einen armen Verwundeten.«

»So kommt!« sagte der Alte einfach und näherte sich dem Pferde.

Fritz Deyke ließ den Körper des Lieutenants sanft in die Arme des alten Mannes gleiten, stieg ab, band sein Pferd an den niedrigen Zaun des kleinen Vorgartens und Beide trugen den leblosen Offizier in das Haus.

»Hier hinauf!« sagte der Alte und deutete auf die Treppe, welche aus dem reinlichen Flur in das obere Stockwerk führte. Fritz Deyke stieg, sanft den Kopf des Verwundeten tragend, die Stufen hinan, während der Alte den Körper stützend folgte.

Oben dehnte sich ein langer Korridor aus, zu dessen beiden Seiten die Zimmerthüren lagen.

Das junge Mädchen stand hier erwartend, eilte dann voran und öffnete die Thür eines großen zweifenstrigen Zimmers nach dem Hofe, welches einfach, aber mit einer gewissen Eleganz möblirt war und in welchem ein schneeweiß überzogenes Bett den Verwundeten erwartete.

Fritz Deyke legte mit Hilfe des alten Mannes den verwundeten Offizier sanft darauf nieder.

»Nun, junger Mensch!« sagte der Alte, indem er mit ernstem Blick vor den Kürassier hintrat, »jetzt ist Euer Offizier in Sicherheit und es soll ihm nichts zu seiner Pflege mangeln, was mein Haus bieten kann, – das Haus des Bierbrauers Lohmeier« – fügte er mit einem Ausdruck von würdevollem Selbstbewußtsein hinzu, – »damit Ihr wißt, bei wem Ihr Unterkommen gefunden, – nun kommt, daß wir Euer Pferd in den Stall bringen – und,« sagte er mit etwas vertraulicherem Ausdruck, – »wenn Ihr könnt, so haltet mir andere Einquartierung vom Halse.«

Beide stiegen die Treppe hinab, während das junge Mädchen im Zimmer bei dem Verwundeten blieb – die Kissen glättend und mit wehmüthiger Theilnahme das schöne bleiche, todtenähnliche Gesicht betrachtend.

Mehrere Infanteristen kamen die Straße herauf.

»Wir sollen hier in der Straße Quartier nehmen,« rief einer von ihnen, – »dort ist ein gut aussehendes Haus, –. gehen wir hinein, es wird Raum für uns Alle haben!«

In diesem Augenblick trat Fritz Deyke mit dem alten Brauer aus der Thür.

»Ah, da sind schon Kürassiere!« riefen die Infanteristen, – »ist bei Euch noch Platz, Kamerad?«

Fritz Deyke legte den Finger auf den Mund.

»Schwerverwundete Offiziere im Hause!« sagte er, »hier darf nicht laut gesprochen und nicht hart aufgetreten werden!«

»Dann müssen wir weiter gehen,« sagten die Infanteristen, – warfen theilnehmende Blicke nach den Fenstern hinauf und zogen vorbei.

»Ich danke Euch!« sagte der alte Braver freundlich.

Fritz Deyke führte sein Pferd durch die Hofthüre in den Stall, wo es bei den vier Pferden des Brauers seinen Platz fand.

Dann bat er sich ein Stück Kreide aus, ging an die Hausthür und schrieb mit großen Buchstaben darauf: »Schwerverwundete Offiziere!«

»Und nun,« rief er, »muß ich fort, um einen Arzt zu finden, – achtet gut auf meinen Lieutenant und rührt ihn nicht an!« Er wollte davon eilen.

»Wartet,« sagte der Alte, – »Eure Aerzte werden auf den Verbandplätzen beschäftigt sein, – hier nebenan wohnt unser Hausarzt, ein tüchtiger Mann, den werde ich rufen!«

Er ging hinaus und kam nach einiger Zeit mit einem frisch aussehenden grauköpfigen, freundlichen Herrn zurück.

Sie stiegen die Treppe hinauf, nachdem die Hausthüre sorgfältig von innen verschlossen war.

Der alte Arzt trat an das Bett, während Fritz Deyke mit angstvoller Spannung den Ausdruck in seinen Mienen beobachtete.

Der Arzt schüttelte den Kopf, – öffnete eins der geschlossenen Augenlider des Leblosen, sah in das Auge und sprach dann:

»Das Leben ist nicht erloschen, – ob wir es erhalten können, steht in Gottes Hand! – Jetzt aber muß ich die Wunde sehen, – wir müssen ihn entkleiden, – und Sie, liebe Margareth, schaffen uns etwas warmes Wasser und etwas Wein.«

Das junge Mädchen eilte fort. Sorgsam schnitt Fritz Deyke die Uniform, die Beinkleider und Stiefel von dem Körper des Verwundeten.

Eine Wunde zeigte sich in der linken Brust, eine zweite in der Schulter.

»Dieß ist nichts!« sagte der Arzt, auf die Schulter deutend, – »ein Bajonettstich, der von selbst heilt, – aber hier–« und er zog aus seinem Etui eine Sonde hervor und senkte sie in die Brustwunde.

»Die Kugel steckt in den Rippen,« sagte er, – »wenn der Verwundete nicht an Blutverlust und Erschöpfung stirbt, so kann er gerettet werden. Jetzt muß er die tiefste Ruhe haben; bis ich an das Herausziehen der Kugel denken kann, müssen erst einige Kräfte wieder da sein.«

Das junge Mädchen erschien mit warmem Wasser, Leinen und einem Schwamm. Dann stellte sie eine einfache Lampe auf den Tisch, da die Nacht inzwischen herabgesunken war.

Der Arzt reinigte die Wunde und flößte etwas Wein in den Mund des Offiziers. Ein Athemzug öffnete seine Lippen, eine leichte feine Röthe stieg in seine Wangen und er schlug die Augen auf. Ein großer verwunderter Blick fiel auf seine Umgebung, die Augen schlossen sich wieder und kaum hörbar, wie ein flüsternder Hauch drang es aus seinen Lippen hervor:

»Auf Wiedersehen!«

Das junge Mädchen faltete die Hände und richtete die thränenglänzenden Augen nach Oben.

Fritz Deyke nahm seine Mütze ab, schwenkte sie in der Luft und öffnete groß den Mund, – man mußte ein Hurrah erwarten, wie er es unter den lustigen Bauernburschen von Blechow ertönen ließ, auf der Wiese vor dem Dorfe oder im großen Saale des Wirthshauses, aber dieß Hurrah ertönte nicht, der Mund schloß sich wieder, die Mütze flog in eine Ecke und nur ein glücklicher und dankbarer Ausdruck blieb wie ein heller Schimmer auf seinem vorher so traurigen Gesicht haften.

Er hatte einen Ton des Lebens von den Lippen seines Lieutenants gehört; – es war Hoffnung, ihn zu retten!

»Gut, gut,« sagte der Arzt, zufrieden mit dem Kopf nickend, »für jetzt ist nichts zu thun, als die tiefste Ruhe um den Verwundeten zu erhalten und ihm so oft als möglich etwas rothen Wein einzuflößen, damit der Blutverlust ersetzt wird. Morgen werde ich versuchen, die Kugel herauszuziehen.«

Er entfernte sich, von dem alten Lohmeier begleitet.

Fritz Deyke und Margarethe blieben bei dem Verwundeten, seine Athemzüge beobachtend; mit großer Pünktlichkeit reichte das junge Mädchen dem Kürassier alle fünf Minuten einen Löffel voll Wein, den dieser mit dankbarem Blick empfing und in den Mund des Verwundeten fließen ließ.

Der alte Lohmeier brachte ein kaltes Abendessen für Fritz Deyke und einen Trunk seines eigenen Bieres. Eilig verzehrte der junge Mensch die Speisen – und sein Appetit bewies sich gut wie immer, – das Bier wies er zurück.

»Ich könnte nicht wachen,« – sagte er.

»Nun geh' zu Bett, Margarethe,« sprach der Alte, »wir werden für den Verwundeten sorgen, – das Nachtwachen greift Dich an.«

»Was ist eine durchwachte Nacht, Vater!« rief das junge Mädchen, »hier handelt es sich um ein Menschenleben, – laß mich hier bleiben, es könnte etwas nöthig sein!«

Der Alte widersprach nicht, und ein freundlicher Blick, den er auf seine Tochter warf, schien ihr Recht zu geben, auch Fritz Deyke sagte nichts, aber mit unendlich dankbarem Ausdruck richteten sich seine großen blauen, treuherzigen Augen auf das junge Mädchen.

Der Alte setzte sich in einen Lehnstuhl und nickte bald ein, die jungen Leute blieben am Bette sitzen und vollzogen pünktlich die Verordnungen des Arztes, mit freudiger Spannung jedes Lebenszeichen beobachtend, das der Verwundete zeigte, – bald durch einen tiefen Athemzug, bald durch eine leichte Röthe, welche über sein bleiches Gesicht flog.

Lange saßen sie schweigend.

»Sie sind ein gutes Mädchen,« sagte endlich Fritz Deyke, als sie ihm wieder einen Löffel voll Wein gereicht hatte, indem er ihr mit herzlicher Freundlichkeit die Hand reichte, – »wie wird die Frau Mutter meines Lieutenants Ihnen dankbar sein für das, was Sie an ihrem Sohn thun!«

»Ach, die arme Mutter!« rief sie bewegt und erwiederte den treuherzigen Druck seiner Hand, indem eine Thräne in ihrem klaren Auge glänzte, – »das ist wohl eine sehr vornehme Dame?«

Und Fritz Deyke begann in leisem, flüsternden Tone ihr zu erzählen von der Familie des Lieutenants, von dem alten Amtshause in Blechow, von dem schönen Wendlande mit seinen reichen Fluren und seinen dunkeln Föhrenwäldern, – dann von seinem eigenen Hause, seinem Vater, seinem Hof und Acker, – und das junge Mädchen hörte schweigend und aufmerksam zu, die Bilder, die sich bei den Worten des Soldaten vor ihr öffneten, waren so einfach, so natürlich, so frisch und rein, und sie waren alle vergoldet von dem poetischen Schimmer, welcher den tapfern, braven Kürassier umfloß, der aus der blutigen Schlacht den armen todeswunden Jugendgespielen gerettet hatte und nun so ängstlich das Leben bewachte, das nur durch einen zarten Faden noch in dem gebrochenen Körper haftete.

So zog die Nacht ruhig und still über das Haus des alten Lohmeier dahin. Draußen ertönten die lauten, lustigen Stimmen aus den Quartieren in der Stadt und aus den Bivouaks herauf, überall war lautes Leben und kriegerischer Lärm, – und der alte Brauer, wenn er zuweilen auf seinem Lehnstuhl erwachte, warf einen freundlichen Blick zu dem jungen Soldaten hinüber und zu dem verwundeten Offizier, dessen Anwesenheit sein Haus von anderer Einquartierung freigehalten hatte; denn von allen Truppen waren die Worte respektirt worden, welche Fritz Deyke an die Thüre geschrieben; Niemand hatte an diese Thür geklopft und schweigend war jede Abtheilung vorbeigezogen.

Hell und strahlend stieg der Morgen des 28. Juni herauf, jubelnd begrüßt, von den siegesfreudigen, kräftigen Soldaten in ihren Kantonnements. Schon früh war im Hauptquartier Alles in Bewegung. Der König hatte in einer Ansprache an die Armee mit innigen Worten seinen Dank für ihre hingebende Anstrengung und Tapferkeit ausgesprochen.

Dann fand das Begräbniß der Gefallenen statt, welche – soweit man sie auf dem Schlachtfelde gefunden, auf dem Kirchhofe von Langensalza bestattet wurden.

Der König stand mit seinem Gefolge am Rande des offenen Grabes, in ergreifend kurzer Rede segnete der Geistliche des Ortes die im Tode zum Frieden vereinten Krieger – Preußen und Hannoveraner – zur ewigen Ruhe ein, und Georg V., der sie nicht sehen konnte, die Leichen der Tapfern, die da vor ihm in der Grube lagen, treue Kämpfer für ihre Pflicht und ihren Kriegsherrn, – er bückte sich schweigend, faßte ein Häuflein Erde und streute mit seiner königlichen Hand den ersten Staub auf jene braven Todten.

»Leicht sei euch die Erde!« flüsterten die Lippen des Königs und noch leiser fügte er hinzu: »Wohl Dem, der da ruht im ewigen Frieden!« –

Dann faltete er die Hände, betete ein stilles Vaterunser und schritt am Arme des Kronprinzen dem Schützenhause zu. Auf seinem Wege begrüßten ihn überall die auf den Straßen in Gruppen stehenden Soldaten mit lautem Hurrah und »Vorwärts! Vorwärts!« hörte man hier und da ihm entgegenrufen.

Tief senkte der König das Haupt. Ein schmerzlicher Ausdruck lag auf seinen Zügen.

Kaum in seinem Zimmer angelangt, ließ er nach dem kommandirenden General senden.

Derselbe war bei den Truppen und es verging eine Stunde, bevor er in das Zimmer des Königs trat.

»Sind die Truppen im Stande zu marschiren?« fragte der König.

»Nein, Majestät! – die Armee ist kaput! ganz kaput!« – rief der General, sich schallend an die Brust schlagend, – »es sind keine Lebensmittel vorhanden und die Munition reicht zu keinem ernsten Gefechte mehr aus.«

»Und was ist nach Ihrer Ueberzeugung zu thun?« fragte der König kalt und ruhig.

»Majestät!« rief der General, »der Generalstab ist einstimmig der Ansicht, daß eine Kapitulation unerläßlich sei!«

»Warum?« fragte der König.

»Der Generalstab ist der Meinung, daß die Armee nicht marschiren kann!« rief der General, – »außerdem,« fügte er hinzu, »ziehen von allen Seiten weit überlegene militärische Streitkräfte heran, vom Norden melden die Vorposten, daß der General Manteuffel uns einschließt, im Süden hat der General Vogel von Falckenstein bedeutende Truppen von Eisenach herauf den Weg nach Gotha herüber dirigirt –«

»Das wäre unmöglich gewesen, wenn wir gestern Abend vorgerückt wären,« sagte der König.

»Das Vorrücken war unmöglich, wie der Generalstab versicherte!« rief der General von Arentschildt.

Der König schwieg.

»Majestät!« rief der General und schlug mit der Hand auf seine Brust, – »es wird mir schwer, das Wort Kapitulation auszusprechen, – aber es bleibt nichts Anderes übrig. Ich bitte Eure Majestät um Erlaubnis, mit dem General Vogel von Falckenstein in Verhandlungen zu treten!«

»– Ich werde Ihnen meine Willensmeinung darüber in einer Stunde sagen,« sprach der König, – »lassen Sie Ihren Adjutanten hier!«

Und er wendete sich ab.

Der General verließ das Zimmer.

»So muß es denn sein!« rief Georg V. schmerzlich, – »das Blut all' dieser Tapfern vergebens vergossen, – vergebens all' diese Pein, Angst und Unruhe, – und warum vergebens? – weil die Nacht mein Auge deckt, – weil ich nicht an die Spitze dieser tapfern Armee treten kann, wie meine Ahnen, – wie der große Braunschweiger, – o – es ist hart, sehr hart!«

Und ein finsterer Ausdruck legte sich über die Züge des Königs; er biß die Zähne aufeinander und die blicklosen Augen hoben sich gen Himmel.

Dann aber verschwand der Zorn und Grimm aus seinen Zügen, eine stille Ruhe legte sich über dieselben, ein schmerzliches, aber mildes Lächeln spielte um seine Lippen, er faltete die Hände und sprach leise:

»Mein Herr und Heiland hat die Krone der Dornen getragen und auch für mich sein Blut am Kreuz vergossen, – Herr! – nicht mein – sondern Dein Wille geschehe.«

Er bewegte die goldene Glocke, welche ihm aus seinem Kabinet zu Herrenhausen in das Feld gefolgt war.

Der Kammerdiener trat ein.

»Ich bitte den Grafen Platen, General Brandis, Graf Ingelheim, den Kabinetsrath Lex und Regierungsrath Meding, sogleich zu kommen.«

In kurzer Zeit traten die Herren in das Zimmer.

»Sie kennen die Lage, in der wir uns befinden, meine Herren,« sagte der König, »wir sind von feindlicher Uebermacht umgeben und der kommandirende General erklärt mir, daß die Truppen vor Erschöpfung nicht marschiren können, daß keine Lebensmittel und keine Munition vorhanden seien, – er hält eine Kapitulation für unerläßlich, – bevor ich mich entscheide, wünsche ich auch Ihre Ansicht zu hören. – Was meinen Sie, Graf Ingelheim?«

Mit ernster, schmerzlich bewegter Miene sprach der Gesandte des Kaisers von Oesterreich:

»Es ist tief traurig, Majestät, nach einem Tage wie der gestrige von Kapitulation zu sprechen, – aber wenn die Uebermacht erwiesen ist, die uns seit gestern Abend umstellt hat,« fügte er mit Betonung hinzu, – »dann wäre es ein unnützes Opfer so vieler braven Soldaten, – wozu Niemand Eurer Majestät rathen kann.«

»Wenn man nur Jemand nach Berlin senden könnte!« – rief Graf Platen, »es wäre doch –«

»Majestät,« unterbrach ihn der General von Brandis derb und mit zitternder Stimme, – »wenn es möglich wäre, daß Eure Majestät wie der Herzog von Braunschweig den Degen ziehen und selbst an der Spitze der Truppen reiten könnten, – dann würde ich auch jetzt noch sagen: Vorwärts! – und ich glaube, wir kämen durch, – so aber –« und er stampfte mit dem Fuß auf den Boden und wendete sich ab, um eine Thräne zu zerdrücken, die sein Auge verdunkelte.

Der Regierungsrath Meding näherte sich dem Könige.

»Majestät!« sprach er mit leicht gedämpfter Stimme, »das Unvermeidliche muß ertragen werden, – die Sonne scheint auch durch den trübsten Tag! Eure Majestät dürfen das Leben Ihrer Unterthanen nicht unnütz opfern, – aber,« fuhr er fort, »Eure Majestät sind auch der Geschichte verantwortlich und es muß konstatirt werden, daß ein fernerer Vormarsch unmöglich sei. Wenn ich Eurer Majestät einen Rath geben darf, so lassen Sie von dem kommandirenden General und allen Brigadekommandeurs auf ihre militärische Ehre und den ihrem Kriegsherrn geleisteten Eid vor Gott und ihrem Gewissen erklären, daß die Truppen weder marsch- noch kampffähig seien, und daß Lebensmittel und Munition fehlen. – Dann sind Eure Majestät vor jedem Vorwurf geschützt, den Ihre Armee, Ihr Land und die Geschichte Ihnen machen könnte!«

Der König nickte zustimmend das Haupt.

»So soll es geschehen!« sprach er. – »Setzen Sie mit dem Kabinetsrath das Schreiben an den General von Arentschildt aus!«

»Und erlauben mir Eure Majestät,« rief Graf Ingelheim, »in diesem feierlichen Augenblick die Versicherung auszusprechen, daß Eure Majestät nach der schmerzlichen Prüfung, welche Gott jetzt über Sie verhängt, im Triumph in Ihre Residenz einziehen werden, so wahr Oesterreich und mein Kaiser den letzten Mann für Deutschlands Recht einsetzen werden.«

Der König reichte ihm freundlich die Hand.

»Sie haben auch unnütz die Strapazen des Feldzuges ertragen,« sagte er mit wehmüthigem Lächeln.

»Nicht unnütz, Majestät,« rief Graf Ingelheim, – »ich habe einen König und eine Armee ohne Furcht und Tadel gesehen!« –

Eine Stunde später empfing der König die geforderte Erklärung, vom kommandirenden General, dem Chef des Generalstabes und allen Brigadekommandeurs unterzeichnet. Die Kapitulation wurde mit dem General Vogel von Falckenstein geschlossen. Bald darauf aber traf der General von Manteuffel in Langensalza ein und auf Befehl des Königs von Preußen gab er Zusatzbestimmungen, welche in hohem Grade ehrenvoll für die hannöverische Armee waren.

Die Offiziere behielten Waffen, Gepäck und Pferde und alle ihre Kompetenzen, – ebenso die Unteroffiziere ihr Gehalt.

Die Mannschaften lieferten ihre Waffen und Pferde an die vom Könige von Hannover bestimmten Offiziere, welche sie sodann preußischen Kommissären übergaben, und wurden in ihre Heimat entlassen.

Vor Allem aber sprach der General auf besondern Befehl des Königs von Preußen dessen höchste Anerkennung der tapfern Haltung der hannöverischen Truppen aus.

Der König von Hannover sendete den Grafen Platen, den General von Brandis und den Regierungsrath Meding nach Linz voraus, um ihn dort zu erwarten, – er selbst begab sich zu kurzer Ruhe nach einem Schloß des Herzogs von Altenburg, – um von da nach Wien zu gehen und dort die weiteren Ereignisse abzuwarten.

Die hannöverischen Soldaten aber, welche wie ein Donnerschlag aus heiterem Himmel die Nachricht von der Kapitulation traf, legten voll tiefen, bittern Schmerzes ihre Waffen nieder und zogen mit dem Stab in der Hand in die Heimat zurück, welche sie so kampfesfreudig verlassen hatten.

Aber stolz und gehobenen Hauptes konnten sie zurückkehren, denn sie hatten gethan, was möglich war. Diese treue und tapfere Armee hatte auf dem letzten Ehrenfeld, auf welchem sie unter den alten Fahnen ihres Landes im Feuer stand, sich ein unvergängliches Denkmal des Ruhmes und der Ehre errichtet, und der ritterliche Kriegsherr der preußischen Armee war der Erste, der dieß Denkmal mit dem Lorbeerblatt seiner königlichen Anerkennung schmückte.

Wer aber die Geschichte jener Tage kennt und ihren wunderbar verhängnißvollen Gang verfolgt, dem drängt sich die schmerzliche Frage auf: Warum war es nicht möglich, daß die beiden so edlen, so ritterlichen und so frommen Fürsten, deren Krieger hier in blutigem Ringen gegen einander standen, – sich persönlich fanden und verständigten?


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