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23. Kapitel

Potemkin hatte sich schnell der einfachen Verhältnisse des rauhen Lagerlebens entwöhnt, und seine prachtvolle Wohnung im Winterpalais mit dem geheimen Verbindungsgange nach den Gemächern der Kaiserin, zu dessen beiden Ausgängen er die Schlüssel in unbestrittenem Besitz behielt, zeigte einen noch ungleich reicheren Schmuck als früher, welcher ebensosehr für seinen Geschmack als für die Unerschöpflichkeit der Mittel den Beweis lieferte, die ihm von seiner kaiserlichen Freundin zur Verfügung gestellt wurden. Überall sah man seltene und kostbare Antiken von Marmor, Bronze und Gemälde der ersten Meister aller Schulen, welche er zu den höchsten Preisen, ohne jemals zu markten, kaufte; ja es war vorgekommen, daß er die geforderte Summe mit dem Wert eines Bildes oder eines antiken Kunstgegenstandes nicht im Einklang gefunden und aus freien Stücken einen höheren Preis bezahlt hatte, da er es seiner für unwürdig erklärte, die Unkenntnis des Verkäufers zu seinem Vorteil zu benützen und einen Gegenstand unter seinem Wert zu erwerben.

Natürlich drängten sich alle Händler in Petersburg um ihn; sie brachten ihm von allen Dingen das Schönste und Beste, was sie auftreiben konnten, und so war es ihm denn in kurzer Zeit gelungen, die prächtigen Räume seiner Wohnung zu einem wahrhaften Kunstmuseum umzugestalten, das einen ungeheuren Wert in sich schloß und die Bewunderung des ganzen Hofes erregte. Er schien überhaupt die Gunst, welche die Kaiserin immer sichtbarer auf ihn häufte, nur zu benützen, um sich mit allem Reiz des Lebens zu umgeben, und obgleich die Kaiserin ihn regelmäßig zu ihren Konferenzen mit den Ministern zuzog und auf seine Meinung, die er dann mit rücksichtsloser Freimütigkeit äußerte, jedesmal einen hohen Wert legte, so schien er doch niemals einen politischen Einfluß anzustreben, ja er hielt sich geflissentlich jeder unberufenen und unaufgeforderten Einmischung in die Angelegenheiten der Regierung fern, so daß der Unwille und das Mißtrauen der Würdenträger gegen den neuen Günstling allmählich verschwunden waren und er mit dem ganzen Hofe auf einem vortrefflichen Fuße stand, stets bereit, die persönlichen Wünsche des einen oder des andern zu unterstützen und sich dadurch Freunde zu machen, soweit in der zum größten Teil von rein egoistischem Ehrgeiz bewegten Gesellschaft überhaupt von Freundschaft die Rede sein konnte.

Er schien sich vollkommen damit zu begnügen, das Leben nach allen Richtungen zu genießen und fast in allen Fragen der Eleganz und des guten Geschmacks den Ton anzugeben.

Neben der reichen, künstlerischen Ausschmückung seiner Zimmer erregte er die Bewunderung und den Neid des ganzen Hofes durch die Schönheit und den Reichtum seiner Pferde und Equipagen.

Die Kaiserin hatte ihm eine Abteilung ihres Marstalls zur Verfügung gestellt, und er hatte in kurzer Zeit darin eine solche Auswahl der schönsten und edelsten Pferde zusammengebracht, daß seine Gespanne und seine Leibrosse selbst an dem verschwenderischen russischen Hofe höchstens bei den Orloffs ihresgleichen fanden.

Er hielt in seinem Dienst eine große Anzahl von Stallmeistern, zu denen er stets ganz junge Leute von außerordentlicher Schönheit und besonders elegantem Wuchs auswählte. Dieselben trugen eine reiche und doch geschmackvolle Livree von lichtem Grün mit kunstvoller Goldstickerei. Potemkins Stallmeister, welche ihm zu Pferd folgten oder vor seinem Wagen herritten, konnten an Eleganz mit den Pagen der Kaiserin wetteifern, obgleich diese aus den vornehmsten Geschlechtern des Reiches gewählt wurden, während sich unter Potemkins Stallbedienten manche Leibeigene befanden, die er von den Krongütern, welche die Kaiserin ihm geschenkt, in seinen persönlichen Dienst gezogen und mit wunderbarer Schnelligkeit zu eleganter Sicherheit und verständnisvoller Intelligenz entwickelt hatte.

So schien er nur damit beschäftigt, jeder Stunde des Tages so viel Reiz und heiteren Genuß abzugewinnen, als es möglich war, mit vollen Zügen aus dem schäumenden Becher der Lebensfreude zu trinken, unbekümmert darum, wie lange die Gunst der Kaiserin denselben immer von neuem zu füllen bereit sein werde. Von seinen lächelnden Lippen hörte man nur fröhliche, geistvolle Scherzworte, und glückliche Sorglosigkeit strahlte aus seinen Blicken. In der Einsamkeit seines Zimmers, in das er soeben zurückgekehrt war, nachdem er die Kaiserin auf einem ihrer frühen Morgenritte begleitet hatte, welche sie damals noch fast täglich und bei jedem Wetter unternahm, war freilich, das Lächeln von seinen Lippen und die heitere Sorglosigkeit aus seinen Blicken verschwunden; er hatte seine Uniform abgelegt und ruhte, in einen weiten, seidenen Schlafrock gehüllt, auf einem Diwan, welcher von breitblätterigen Palmengewächsen umgeben war, aus denen auf schwarzem Sockel eine antike Büste der Königin Kleopatra hervorragte, deren Züge, wie Potemkin und alle Höflinge nach ihm schmeichelnd versicherten, eine auffallende Ähnlichkeit mit der Kaiserin Katharina zeigen sollten.

Neben dem Diwan, gegen das Licht gekehrt, war auf einer Staffelei ein großes Ölgemälde aufgestellt, welches den schlafenden Simson darstellte, wie ihm Delila das wallende Haar abschneidet, während hinter einem Vorhang ein tückisch lächelnder Philister sich lauschend vorbeugt.

Potemkin hatte dieses Bild vor kurzem gekauft. Es war demselben noch kein bestimmter Platz angewiesen worden und der Händler hatte es auf der Staffelei in das richtige Licht gestellt.

Potemkins Blicke ruhten mit düsterem Ausdruck auf dem Gemälde.

»Das Bild dort«, sagte er, »hat mich mächtig ergriffen beim ersten Anblick; ich mußte es kaufen, damit niemand es sieht und darüber nachdenke. Ist dieser Simson nicht mein Bild selbst? Seine Züge scheinen den meinigen zu gleichen; niemand soll es sehen, und vor allen Dingen Katharina nicht, denn fände sie wie ich eine Ähnlichkeit im Kopf des schlafenden Simson, so könnte das eine Reihe von Gedanken in ihr erwecken, die sie nicht denken soll, nicht denken darf. Habe ich nicht wie jener Löwenbezwinger die Kraft in mir, alles um mich her zu zerschmettern und jeden Feind niederzuschlagen, der sich mir entgegenstellen wollte? Aber«, fuhr er fort, indem seine Blicke sich noch mehr verfinsterten, »hält sie nicht die Schere in der Hand, die Wurzeln meiner Kraft abzuschneiden und mich ohnmächtig zu machen wie den geringsten Bettler? Und lauert nicht in ihrem Herzen, so groß und kühn dasselbe auch zu empfinden vermag, dennoch die Tücke der Delila? Und stehen nicht genug jener Philister gleich jener hinterlistigen Fratze dort umher, neidisch lauernd und bereit, über den Ohnmächtigen herzufallen? – Und noch bin ich nicht einmal diesem Simson gleich, noch bin ich nicht Herr über alle. Wohl habe ich Gregor Orloff widerstanden, wohl hat er nicht die Macht gehabt, mich wieder herabzudrücken; aber auch ich habe es nicht vermocht, ihn zu verdrängen. Lächelnd, wie man einem törichten, unbescheidenen Kinde wehrt, hat sie halb spielend mein Verlangen abgewiesen, ihn zu entfernen. Wohl wollte sie in schmeichelnden Liebkosungen mich ihre Weigerung vergessen lassen, aber unter der weichen Samtpfote dieser Schmeicheleien fühlte ich die Spitze der Tigerkrallen, und jener Orloff wird jeden Augenblick bereit sein, ihr die verhängnisvolle Schere in die Hand zu drücken. Ich habe die Kleopatra dort aufgestellt, und man sagt, daß der Marmorkopf ihr gleiche; diese Erinnerung und dieser Vergleich sind nicht gefährlich, denn Kleopatra liebte den Cäsar, und Cäsar war ihr Herr. Man muß die Gedanken der Weiber sorgsam behüten, denn sie alle fühlen den kitzelnden Reiz, aus den Gedanken Taten werden zu lassen, und gefährlicher als bei jeder andern wäre dieser Reiz bei ihr, deren Worte und Winke schon zu gewaltigen, welterschütternden Taten werden. So darf es nicht bleiben; ich muß allein über sie herrschen, oder ich werde einst das Schicksal dieses Simson erleiden. Doch ein Unterschied«, rief er, sich erhebend, »ist zwischen mir und dem Bilde dort: jener Simson da schläft und bietet sein Haupt in schnöder Sorglosigkeit der tückischen Schere dar; ich aber schlafe nicht, mein Blick ist scharf und klar, auch im Dunkel den schleichenden Feind zu erkennen; ich folge seinen Wegen, und bald werde ich ihn gestellt haben zum letzten Stoß, der ihn vernichten soll; dann wird das Feld mir gehören, ich werde die Wurzeln ihrer Macht, ihren Thron und ihr Reich so eng verwachsen lassen mit meiner Kraft, mit meinem Willen, mit meiner Existenz, daß sie sich niemals von mir trennen kann, ohne sich selbst zu vernichten. Aber schwer wird es dennoch sein, bei Gott, schwerer, als ich glaubte. Die Liebe hat keine Gewalt über sie, wie hoch auch die Flammen der Leidenschaft auflodern, ihr Herz bleibt unnahbar in all der flammenden Glut, nur durch die Furcht ist sie zu beherrschen, und oft möchte ich an der Möglichkeit zweifeln, sie die Furcht kennen zu lehren; sie versteht es, sich zu beugen, wo sie nicht schlagen kann, und vernichtend zu treffen, wenn sie schlägt. Doch ich will!« rief er; »dies Wort unterwirft ja die Welt, wenn es hell und klar aus der Tiefe der Seele hervortönt, und dieses Wortes Zauberkraft hatte jener Simson dort vergessen und verloren, als er sein Haupt zum sorglosen Schlummer in Delilas Schoß niederlegte. Doch gleichviel, das Bild ist verhängnisvoll; niemand soll es sehen und sie am wenigsten.«

Er stand auf, nahm das mit unverkennbarer Meisterschaft gemalte Bild, zog seinen auf dem Tisch liegenden Degen aus der Scheide und schnitt die Leinwand aus dem leichten provisorischen Rahmen, über den sie gespannt war. Er rollte das Bild zusammen, zerbrach die Holzstücke und verbarg alles unter einer Decke von Bärenfellen, die vor seinem Diwan lag. Hierauf bewegte er die Glocke, um seinen Kammerdiener zu rufen.

»Die Morgenluft war frisch«, sagte er; »zünde ein Feuer an!«

In wenigen Augenblicken flackerte ein leichtes Feuer von Reben und fein gespaltenem Sandelholz prasselnd in dem Kamin, das Zimmer mit feinem Duft und flüchtiger Wärme erfüllend.

Als der Kammerdiener wieder hinausgegangen war, zog Potemkin das zusammengerollte Bild und die Rahmenstücke unter dem Bärenfell hervor und warf alles in die helle Flamme. Eine Zeitlang verdunkelte sich dieselbe zu finsterem Qualm und Rauch, der nur mühsam seinen Ausweg nach dem Kaminrohr hin fand; bald aber war die ölgetränkte Leinwand verzehrt, und die helle, reine Flamme prasselte wieder lustig empor.

Während Potemkin so seiner abergläubischen Laune ein Meisterwerk der Kunst opferte, das er für einen Preis erkauft hatte, vor dessen Höhe mancher regierende Fürst in Europa zurückgeschreckt wäre, hatte der junge Student, welcher nach Firulkins Abfahrt das Haus der Madame Lemaitre verlassen, der Wache an einem zu den Seitenhöfen des Winterpalais führenden Tor ein Losungswort gegeben und war ungehindert in den sonst allen Fremden streng verschlossenen inneren Raum der kaiserlichen Residenz getreten. Mit einer Sicherheit, welche von einer genauen Ortskenntnis zeugte, war der junge Mensch über den Hof hin zu den Stallungen des Grafen Potemkin geschritten und in den Teil des großen, langgestreckten Gebäudes getreten, in welchem sich die Wohnungen der Stallbedienten des Adjutanten der Kaiserin befanden.

Die wenigen im Hofe beschäftigten Reitknechte achteten nicht auf den jungen Menschen. Die Beamten des Grafen empfingen häufig Besuche aus der Stadt, denn ihr Herr behandelte sie ungemein freundlich und ließ ihnen, wenn sie ihren Dienst pünktlich erfüllten, außerdem alle möglichen Freiheiten, so daß sie nicht nur ihre Bekannten, denen sie dann das Losungswort zum Eintritt gaben, bei sich sahen, sondern auch ihrerseits während ihrer dienstfreien Zeit unerkannt in bürgerlichen Anzügen ausgehen durften.

Nach einiger Zeit trat aus dem Hause ein schlanker und eleganter Stallmeister in Potemkins Livree heraus.

Die Reitknechte grüßten ehrerbietig, und wenn sie vorher auf den jungen Studenten geachtet hätten, so würde es ihnen kaum entgangen sein, daß eine ganz auffallende und überraschende Ähnlichkeit zwischen den Gesichtszügen des glänzenden Stallmeisters und des bescheiden gekleideten Studenten vorhanden war.

Der Stallmeister begab sich, über den Hof schreitend, in das Innere des Palais und ging hier mit sicheren, sporenklirrenden Tritten nach der Wohnung des Grafen, in welche der Türhüter ihn grüßend eintreten ließ, denn die Stallmeister vom Dienst hatten den Befehl, ihre Meldungen stets dem Grafen persönlich zu machen, da er selbst die Pflege seiner kostbaren Leibrosse überwachte.

Auch der Kammerdiener öffnete dem Stallmeister sogleich das Kabinett seines Herrn.

Der junge Mensch trat ein und blieb in dienstlicher Haltung neben der Tür stehen.

Potemkin stand sinnend vor dem Kamin und blickte auf die letzten von den Flammen umhergeworfenen Aschenflocken des Bildes, das er der Zerstörung geopfert hatte.

»Nun,« sagte er, sich langsam zu dem Eingetretenen hinwendend, »was bringst du, Sergei Leonew?«

»Es ist dem gnädigen Herrn berichtet worden,« erwiderte der Stallmeister, »daß der Fürst Gregor Gregorjewitsch in einem Wagen ohne Livree und in einen Mantel verhüllt die Schauspielerin Lemaitre besucht hat.«

»Ich weiß es«, erwiderte Potemkin.

»Ich komme noch zu melden,« fuhr der Stallmeister fort, »daß eine alte, lächerliche Persönlichkeit, nach französischer Mode herausgeputzt und frisiert, zu dem Fräulein hinaufgestiegen ist. Wir hörten oben laute, heftige Stimmen und dann einen Hilferuf der jungen Dame, der uns die willkommene Gelegenheit gab, hinaufzusteigen.«

»Ah,« sagte Potemkin, »einen Hilferuf! Die Sache verwickelt sich also. Nun, und was fandet ihr?«

»Wir fanden den Alten in einer furchtbaren Wut; er stieß drohende Verwünschungen gegen die Damen aus, leider aber vermochten wir es nicht, den Sinn seiner unzusammenhängenden Worte zu verstehen und zu deuten, aber er stürmte davon und erreichte seinen Wagen, der ihn an der Ecke der Straße erwartete, doch hat das Fräulein seinen Namen genannt: er heißt Firulkin.«

»Ja, ja, Firulkin,« sagte Potemkin, »ein Lieferant und Schützling des Fürsten Orloff, ich glaubte, er wäre sein Vermittler. Aber was bedeutet denn seine Wut und diese heftige Szene, wenn Orloff selbst die Kleine besucht und keines Vermittlers mehr bedarf? In alledem ist noch ein dunkler Punkt, der der Aufklärung bedarf.«

»Ich habe angeordnet, gnädigster Herr,« erwiderte der Stallmeister, »daß zwei von uns das Haus des Firulkin bewachen und alle seine Ausgänge beobachten.«

»Und was tat Orloffs Polizei im Hause gegenüber?« fragte Potemkin.

»Sie schien Herrn Firulkin gar nicht zu beobachten«, erwiderte der Stallmeister. »Niemand von dort ist ihm gefolgt.«

»Seltsam, sehr seltsam«, sagte Potemkin kopfschüttelnd; »sie müssen ihn also dort für einen Agenten des Fürsten halten. Und doch kann er es nicht sein nach der Szene, von der du mir erzählt; es ist in allem noch etwas verborgen, und was es auch sein mag, ich muß es ergründen, denn jedes Geheimnis des Feindes ist eine schneidige Waffe und eine Bürgschaft des Sieges. Trachtet danach, an diesen Firulkin zu kommen; sucht einen Handel mit ihm zu machen und bringt ihn zu mir, aber bald, ehe seine Wut verraucht; in der Leidenschaft ist der Mensch glühendem Eisen gleich, das sich nach Gefallen schmieden läßt, während die Abkühlung ihn hart und spröde macht.«

»Zu Befehl, gnädiger Herr«, erwiderte der Stallmeister. »Es wird nicht schwer sein, Firulkin ist Kaufmann; wir werden ihm irgendeine Lieferung auftragen, und es wird dann nur darauf ankommen, daß der Graf Potemkin besser bezahlt als der Fürst Orloff, um alles zu erfahren, was ich wissen will.«

Noch hatte er diese Worte nicht vollendet, als der Kammerdiener eintrat und ein wenig zögernd sagte:

»Der Kaufmann Peter Sebastianow Firulkin bittet um Audienz und will sich nicht abweisen lassen; er behauptet, ein kostbares altes Gemälde entdeckt zu haben, an dessen Besitz dem gnädigen Herrn gelegen sein dürfte; ich habe nicht gewagt, ihn ohne weiteres abzuweisen.«

Freudiger Triumph leuchtete in Potemkins Augen.

»Auch das Glück ist für mich«, flüsterte er vor sich hin; »ich werde wachsam sein und seine Hand zu erfassen wissen; ich werde nicht schlafen wie jener Simson; für mich ist Delilas Schere noch nicht geschliffen! – Laß ihn kommen«, befahl er dann; »wenn sein Bild etwas taugt, so hat er es an die rechte Stelle gebracht. Geh,« sagte er zum Stallmeister, »ich bin mit dir zufrieden. Verdoppelt eure Aufmerksamkeit, daß euch nichts entgeht.«

Er reichte dem jungen Menschen eine gefüllte Börse.

Dieser küßte die Hand seines freigebigen Gebieters und ging auf der Schwelle der Tür an dem gebückt eintretenden Firulkin vorüber, welcher bleich, mit zusammengekniffenen Lippen, lauernd zu Potemkin aufblickte, als ob er in dessen Gesicht lesen wollte.

»Nun, Herr Firulkin,« fragte Potemkin mit einer Höflichkeit, welche unter den Herren des Hofes den Bürgern gegenüber nicht gebräuchlich war und einen freudigen Schimmer auf dem welken Gesicht des Alten aufleuchten ließ, »was bringt Ihr mir? Euer Name ist mir wohlbekannt als der eines treuen Untertanen unserer allergnädigsten Kaiserin, der sich durch fleißige Arbeit reiche Schätze erworben hat und sie wohl anzuwenden weiß.«

»Ich bin glücklich, mein gnädiger Herr Graf,« erwiderte Firulkin, »daß ein so hoher Herr wie Sie den Wert eines niederen Bürgers, dessen Arbeit der Himmel gesegnet hat, so gnädig anerkennt und achtet; das ist nicht immer der Fall bei den hohen Herren des Hofes,« fügte er lauernd hinzu, »welche uns oft nur als ein Spielzeug ihrer wechselnden Laune betrachten.«

»Wer das tut, hat unrecht«, erwiderte Potemkin, »und handelt nicht im Geist und nach dem Willen unserer erhabenen Kaiserin, welche sehr wohl weiß, daß der brave und fleißige Bürgerstand die feste Stütze ihres Reiches bildet. Setzt Euch«, sagte er, auf einen Sessel an dem Kamin deutend, »und sagt mir, was Euch zu mir führt.«

»Es war mir vor einiger Zeit gelungen,« erwiderte Firulkin, indem er sich scheu auf den äußersten Rand des Sessels niederließ, während Potemkin, auf den Sims des Kamins gestützt, vor ihm stehen blieb, »es war mir gelungen, vor einiger Zeit ein kostbares Gemälde, einen Murillo, verhältnismäßig wohlfeil zu erwerben.«

»Einen Murillo,« rief Potemkin, »bei Gott, dann seid Ihr der Hüter eines seltenen Schatzes! Und welches Bild des Meisters ist es, von dem Ihr sprecht?«

»Es ist die Verlobung der heiligen Katharina«, erwiderte Firulkin.

»Die Verlobung der heiligen Katharina?« fiel Potemkin ein. »Das ist nicht möglich, man hat Euch getäuscht; dieses Bild malte Murillo für einen Altar der Kapuzinerkirche in Kadiz; er stürzte dabei vom Gerüst und starb, das Bild blieb unvollendet.«

»Sein Schüler Rosorio vollendete es,« erwiderte Firulkin, »und da diesem die Ergänzung nicht vollkommen gelang, ließen die Kapuziner durch den besten und ebenbürtigsten Schüler des Meisters, Villa Vicencio, eine neue Kopie aus einem Guß für ihren Altar verfertigen. Ich besitze das echte Bild Murillos, an dem man freilich die Ergänzungen Rosorios deutlich unterscheiden kann; hier sind die Briefe und Dokumente, welche bestätigen, daß es so ist, wie ich dem gnädigsten Herrn gesagt.«

Er zog einige Pergamente mit großem Siegel aus der Tasche und reichte dieselben Potemkin.

Dieser warf einen flüchtigen Blick auf die Dokumente und sagte:

»Es ist möglich, daß Ihr recht habt, Herr Firulkin, und wenn dem so ist, so besitzt Ihr in dem Bild immerhin einen Schatz ohnegleichen; ja selbst wenn Euer Bild die Kopie von Villa Vicencio wäre, so hätte es einen großen Wert. Um das zu prüfen, müßte ich das Bild sehen, und wäre es mir zu teuer, so müßte ich die Kaiserin bitten, es zu erwerben. Die Verlobung der heiligen Katharina ist ja ein Gegenstand, der für unsere allergnädigste Gebieterin besonderen Wert haben muß.«

»Ich werde das Bild dem gnädigsten Herrn bringen«, sagte Firulkin eifrig; »ich würde es schon heute mitgebracht haben, wenn nicht der Transport vorsichtige Vorbereitungen erforderte. Ich hatte die Absicht, den Schatz für mich zu behalten, denn auch ein armer Bürger hat Freude an den Meisterwerken der Kunst, wie der gnädigste Herr begreift, aber da ich gehört habe, daß der hochverdiente Adjutant unserer gnädigsten Kaiserin mit so viel Liebe und Verständnis Kunstschätze sammelt, so habe ich es für meine Pflicht gehalten, Ihnen, gnädigster Herr, meinen Fund anzubieten als einen Beweis meiner Verehrung, und bei Gott, Sie sollen mir nicht mehr dafür bezahlen, als ich selbst gegeben.«

»Und das ist?« fragte Potemkin.

»Fünfzigtausend Rubel«, antwortete Firulkin.

»Auf mein Wort, das ist zu wenig,« sagte Potemkin kopfschüttelnd, »wenn das Bild echt ist, wovon ich mich überzeugen werde; unter siebzigtausend Rubel kann ich es Euch nicht abnehmen.«

»Das wäre ein Geschenk, gnädiger Herr,« sagte Firulkin, »das ich nicht verlange und kaum annehmen darf.«

»Jeder Kaufmann nimmt den Wert seiner Ware, und wenn er sie wohlfeiler erwarb, so ist es sein rechtmäßiger Vorteil. Für mich wäre es ein Geschenk, wenn ich einen Murillo unter seinem Wert kaufte,« sagte Potemkin, »und so sehr ich Euch achte, Herr Firulkin, ein Geschenk darf ich von Euch dennoch nicht annehmen!«

»O welch ein Herr,« rief Firulkin, »welch ein großer, vornehmer Herr! So sind sie nicht, die anderen, sie nehmen Geschenke und wieder Geschenke; sie erzwingen sie als schuldigen Tribut, und dann betrügen sie uns dennoch!« fügte er grimmig hinzu.

Potemkin schwieg, er war vollkommen überzeugt, daß der Verkauf des Bildes nicht der Grund war, welcher Firulkin zu ihm geführt, und zweifelte nicht, daß der Alte mit seiner eigentlichen Absicht herausrücken werde.

»O mein Gott,« sagte Firulkin nach einer kurzen Pause, »wenn doch alle hohen und mächtigen Herren so dächten wie Sie, gnädigster Herr Graf, wieviel besser würde es um unser Vaterland stehen, wie würden die gnädigen und wohlwollenden Absichten unserer erhabenen Kaiserin so ganz anders erfüllt werden! Oh, wenn doch in Ihren Händen allein alle Macht im Reiche läge! Aber nun freilich stehen andere am Ruder, andere, die der Gunst und Gnade Ihrer Majestät nicht würdig sind und die die Kaiserin ebenso betrügen wie uns arme Bürger!«

»Die Kaiserin betrügen?« sagte Potemkin. »Wie wäre das möglich, wer wollte das wagen?«

»Wie das möglich wäre, wer das wagen würde!?« rief Firulkin. »Er, der alles wagt, dessen trotzigem Übermut nichts unmöglich scheint, der Fürst Gregor Gregorjewitsch! Das Wort ist gesprochen, vielleicht bringt es mich um meinen Kopf; aber was liegt an meinem Kopf, wenn nur meine gnädigste Kaiserin die Wahrheit erfährt, wenn sie endlich alle Macht im Reich in die Hände des erhabenen Grafen Alexander Gregorjewitsch Potemkin legt, der die Bürger achtet und sie schützen wird gegen Übermut und Bedrückung!«

»In der Tat,« sagte Potemkin, »das Wort, das Ihr gesprochen, Herr Firulkin, ist ernst, und da ich es einmal vernommen, muß ich wohl weiter fragen.«

»Oh, Ihr sollt alles erfahren, gnädigster Herr. Tut nicht dieser Fürst Gregor Gregorjewitsch so, als ob seine Seele und sein Leben nur der erhabenen Kaiserin gehörten, der er alles verdankt? Und doch hat er sie tausendmal betrogen in unwürdiger Liebschaft, während er sich heuchlerisch den Schein gibt, als ob ihr allein seine Anbetung gehörte. Und jetzt betrügt er sie wieder; er besucht eine französische Schauspielerin, der ich meine Hand und meinen ehrlichen Namen geben wollte.«

»Ah, ganz recht,« sagte Potemkin, »ich habe davon gehört; Fräulein Adeline Lemaitre –«

»Die Unwürdige, die Schamlose!« rief Firulkin. »Sie steht in geheimem Einverständnis mit ihm; ich habe einen Diamant bei ihr gefunden, den ich ihm schenken mußte; oh, es ist unerhört! Was würde die Kaiserin sagen, wenn sie erführe, daß er, dem sie so viel Vertrauen geschenkt, in dessen Hände sie so große Macht gelegt, sie so unwürdig hintergeht und die Ehre eines braven Bürgers mit Füßen tritt!«

»Was Ihr da sagt, ist ernst, Herr Firulkin,« erwiderte Potemkin, »und wenn Ihr es beweisen könntet –«

»Tausendmal kann ich es beweisen«, sagte Firulkin; »er besucht sie, ich weiß es, und sie nimmt seine Besuche an, während sie doch früher vorgab, einen kleinen Leutnant zu lieben, und sich unglücklich stellte, als ihre Mutter ihr befahl, mir ihre Hand zu reichen. Oh, auch das war Lüge und Betrug; die Macht und der Glanz haben sie verblendet, und bald wird sie eingezogen sein in des Fürsten Lustschloß zu Gatschina, um dann, mit Schätzen überhäuft, davonzugehen, wenn er ihrer überdrüssig geworden ist. Und auch ich wollte ihr meinen Reichtum und meinen ehrlichen Namen bieten; aber freilich kann ich mit dem Fürsten nicht wetteifern, der ihr so freigebig Diamanten zuwirft, die er mir abgenommen.«

Freudige Genugtuung war bei den immer heftiger und grimmiger ausgestoßenen Worten des alten Firulkin in Potemkins Gesicht aufgeblitzt.

»Nach Gatschina?«, fragte er. »Und Ihr glaubt, daß er so verwegen dem Zorn der Kaiserin trotzen würde? Ihr glaubt, daß das Mädchen es wagen würde, ihm nach Gatschina zu folgen?«

»Es wagen!« rief Firulkin. »Gilt er denn nicht bei aller Welt für allmächtig und unantastbar! Fürchtet man auch die Kaiserin, wo er gebietet? Und wenn Adeline selbst furchtsam zögern wollte bei dem Gedanken an den Zorn der Kaiserin, was würde er danach fragen; er würde sie auch wider ihren Willen entführen und nach Gatschina bringen. Und ist sie einmal dort, so würde sie sich auch bald überzeugen, daß niemand in Rußland etwas zu fürchten hat, wenn er unter dem Schutz des Fürsten Orloff steht. Ja, wenn seine Macht gebrochen würde, wenn der gnädigste Herr allein zu befehlen hätten, dann würde es besser aussehen in Rußland, dann würde das Recht und die Ehre der treuen Untertanen geschützt sein, wie es die Absicht unserer allergnädigsten Gebieterin ist. O gnädiger Herr, nehmen Sie sich meiner an; Sie allein vermögen es, die gewissenlose Gewalt des Übermütigen zu brechen; ganz Rußland wird Ihnen dankbar sein, und Sie werden keinen treueren und ergebeneren Diener haben als Peter Sebastianow Firulkin.«

»Was kann ich tun?« fragte Potemkin, die Achseln zuckend. »Ich bin der Adjutant der Kaiserin, er ist Feldzeugmeister; ihm gehorcht die Armee, in seiner Hand liegt alle Macht in Rußland; doch ist es meine Pflicht gegen meine gnädige Gebieterin, ihr die Augen zu öffnen, wenn wirklich so schnöder Undank gegen sie geübt wird, wenn so vermessen das Recht der Bürger mit Füßen getreten wird; aber ich darf nicht anklagen, ohne zu beweisen, und der beste Beweis liegt in der vollendeten Tatsache, der Verdacht kann täuschen. Wenn der Fürst wirklich jenes Mädchen entführte, wenn er sie nach Gatschina brächte, dann –«

»Oh, es wird nicht lange dauern, bis das geschieht«, rief Firulkin; »der Fürst Gregor Gregorjewitsch ist kein Mann des Zögerns und Wartens!«

»Nun denn,« sagte Potemkin, »so schafft mir diesen Beweis. Ich weiß,« sagte er, Firulkin scharf fixierend, »Ihr seid Lieferant des Fürsten Orloff, Ihr habt ihm kürzlich ukrainesche Pferde verschafft, welche diejenigen der Kaiserin übertreffen.«

»Ja,« rief Firulkin, knirschend vor Wut, »ja, und für diese Pferde versprach er mir Adeline, während er ihr bereits meinen Diamanten zum Lohn für ihre Treulosigkeit geschenkt hat!«

»Verbergt Euren Grimm, Herr Firulkin«, sagte Potemkin. »Wer sich rächen will, muß zu schweigen und sich zu verstellen verstehen; zeigt ein freundliches Gesicht, besucht den Palast des Fürsten, wie Ihr es sonst getan; Ihr werdet seine Stallbedienten kennen, eine Handvoll Gold wird Euch ihr Vertrauen verschaffen.«

»Ja, ja,« sagte Firulkin, hämisch lachend, »sie kennen mein Gold und wissen seinen Wert zu schätzen; ich weiß alles, was dort geschieht.«

»So werdet Ihr auch erfahren können, wenn der Fürst diese kleine Schauspielerin nach Gatschina entführt, gleichviel, ob sie ihm freiwillig folgt oder ob er List oder Gewalt gebraucht.«

»Gewiß, gnädigster Herr, gewiß werde ich das erfahren«, antwortete Firulkin.

»Nun denn,« sagte Potemkin, »so liegt die Rache in Euren Händen; überwacht alles, beobachtet alles, verschließt Eure Gedanken in die tiefsten Tiefen Eurer Seele und berichtet mir pünktlich und rechtzeitig alles, was Ihr tun und vorbereiten seht. Wenn es Euch gelingt, mir den Beweis der Tatsache in die Hand zu geben, dann kann ich Euch helfen, und dann werdet Ihr vielleicht auch der Kaiserin und dem Reich einen großen Dienst leisten.«

»O gnädiger Herr,« erwiderte Firulkin, »seien Sie überzeugt, ich werde wachsam sein wie ein Spürhund, nichts wird mir entgehen, und Sie sollen alles erfahren, was geschieht, und Gott gebe, daß es Ihnen gelingen möge, das Netz zuzuziehen und den Übermütigen in seinen eigenen Schlingen zu fangen.«

»Abgemacht, Herr Firulkin!« sagte Potemkin. »Sie werden mir also das Bild bringen; ich hoffe, wir werden handelseinig werden, und dann werde ich Befehl geben, daß Sie zu jeder Zeit bei mir vorgelassen werden.«

»Und ich«, rief Firulkin, »werde dafür sorgen, daß alle Bürger von Petersburg es erfahren, welch ein großmütiger und gerechter Herr der Graf Gregor Alexandrowitsch Potemkin ist, so daß sie ihn mit Jubel begrüßen werden, wenn er allein der Vollstrecker des Willens unserer gnädigen und gerechten Kaiserin im russischen Reich sein wird.«

Potemkin reichte ihm freundlich die Hand; er drückte seine schmalen, vor Erregung zuckenden Lippen auf dieselbe und ging dann, demütig gebückt, hinaus, um sogleich seine Vorbereitungen zu der ihm zur Erfüllung gestellten Aufgabe zu treffen.

»Das ist ein Spürhund mehr auf der Fährte des Feindes, der in hochmütiger Sicherheit seinen gefährlichen Weg wandelt«, sagte Potemkin. »Aber wird das genügen, wird die Kaiserin eine Untreue strafen, die kaum noch eine Untreue ist? Und doch liegt in dem allem noch etwas anderes. Wenn er selbst jene kleine Schauspielerin besucht, was bedeutet jener Uschakoff, der mit ihr verkehrt, der ein Freund ihres Geliebten ist und der dennoch bei Orloff aus und ein geht? – Es ist noch ein anderer Faden da, und dieser Uschakoff hält ihn in seiner Hand.«

Er sann lange nach, dann ließ er den Stallmeister Sergei Leonew rufen und behielt denselben lange in geheimer Unterredung bei sich, während welcher der Kammerdiener strengen Befehl hatte, niemand eintreten zu lassen.


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