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Neunzehnter Brief

Der Jägerische Kaffeegarten liegt unter allen Leipziger Gärten am verstecktesten, und man ist genötiget, eine der schmutzigsten Gassen zu passieren, ehe man das Glück hat, in dieses verborgene Gaunerplätzchen zu dringen. Zwar ist er an Größe bei weitem nicht mit dem Bosischen zu vergleichen, allein er gewährt dennoch dem Gartenliebhaber viel mehr Vergnügen. Obgleich ein Fluß an der einen Seite desselben vorbeifließt, so sieht man doch keine Pfützen und Lachen wie im Bosischen, und da er weit freier ist, so genießt man auch natürlich gesündere Luft. Ich mag ihn betrachten, von welcher Seite ich will, so muß ich am Ende doch immer gestehen, daß er mir unter allen Leipziger Kaffeegärten der beste, vorzüglichste und zum stillen, einsamen Vergnügen der angemessenste scheint. An jedem andern öffentlichen Garten mag der Unparteiische bald mehr, bald weniger vermissen, der Jägerische leistet mir in jeder Hinsicht Genüge.

Wie mag es daher unter so bewandten Umständen wohl kommen, daß er von so wenig honoratioren und vornehmen Leuten besucht wird? Um diese Frage nach Genüge erörtern zu können, muß ich eine etwas umständlichere Geschichtserzählung beginnen.

Ich glaube des Anführens nicht zu bedürfen, daß Jägers Garten bloß den Sommer über dem Besucher offensteht; allein nötiger ist die Erinnerung, daß hier nicht wie im Bosischen zwei, sondern nur ein Konzert gehalten wird. Meistens ist dazu der Donnerstag anberaumt, weil es gerade vielleicht derjenige Tag ist, an welchem außerdem kein anderer Wirt Konzert hält.

Die Musik gehört nicht unter die schlechtere, doch nirgends sind die Künstler so träge. Für den einbrechenden Regen findet man hier gleichfalls leinewandene Schutzdecken, allein an keinem andern Orte habe ich sie so leicht und löcherigt gefunden.

Die Bedienung mit Speisen ist vortrefflicher als irgendwo, und ob man gleich vor Überschüttung sicher ist, so ist doch das wenige, das man empfängt, genießbar, gut zubereitet und wegen der Nähe des Speisesaals jedesmal noch warm und schmackhaft.

Weniger zufrieden bin ich mit den Getränken gewesen: die sogenannte Gose ist hier ebenfalls das Lieblingsbier; allein bei kleinern Bouteillen und horrender Verdünnung ist es überdem im Preise noch höher gesetzt als an andern Orten. Das Braunbier ist oft kaum trinkbar, meistens schal und verspricht im Nachgeschmack viel edlen Rastrum. Der Wein ist gleichfalls kostbar und wie in den Italiener-Kellern meistens verfälscht. Eine gute Sorte Rheinwein, die hier zu haben ist, wird nicht für jedermann gezeigt, und es genießt ihn nur eine gewisse Klasse Menschen des Abends, – oder geschieht es bei Tage, so wird er sorgfältig in die Schattenseite gesetzt.

Allein ich sehe wohl, ich mag mich drehen und wenden, wie und solange ich will; endlich werde ich doch zur Musterung des sich hier versammelnden Personals schreiten müssen; wer würde mir wohl die unterlassene Beantwortung der oben aufgeworfenen Frage verzeihen?

Der erste Anblick, den die Szenen unter den Zeltern und in dem Saale gewähren, macht auf den unbefangenen Fremdling (denn der Einheimische ist dergleichen Dinge schon gewohnter) in der Tat einen traurigen und sonderbaren Eindruck.

Hier sehe ich nicht wie anderwärts Menschen, in trauliche Zirkel vereint, sich gegenseitige Unterhaltung gewähren. Hier sehe ich nicht das freudige Entzücken, das frohe Aufwallen des Herzens, das ungestüme Verlangen der heitern Seele nach gegenseitiger Mitteilung. Hier spiegelt sich kein wonniges Frohgefühl im reinen ungetrübten Auge; hier malt sich nicht die wolkenlose Ruhe auf der freien Stirn; hier thront nicht Freude und Seelenlust auf hochroter Wange; hier formt sich kein Mund zu einem sanften Lächeln des unschuldsvollen Vergnügens. Nur in sich selbst muß hier der Weisere sich zurückziehn – er schmachtet umsonst nach süßer Mitteilung wie nach sanfter Belehrung.

Stier und ängstlich sind hier alle Blicke; das ganze Wesen eine tote Maschine; zuweilen nur von einem erschütternden Schlage durchbebt, scheint sich gleichsam konvulsivisch das ganze Sein dieser Menschen zu erheben, und ihr Auge – wühlt dann in der unglückseligen Karte.

Stumm wie ein Grab ist diese ganze tote Versammlung, kein Laut, kein Ton entschlüpft ihren bangbleichen Lippen. Donner könnten rollen – und sie hören sie nicht; Blitze könnten am Himmel sich schlängeln – sie achten ihrer kaum, denn mehr als alles dies ist ihnen Gewinn oder Verlust eines unseligen Spiels. Die Weiber sitzen neben ihren bangfrohen Männern, und ihr Herz hüpft beim reichen Gewinn oder schlägt ängstlich bei der Gewißheit des erlittenen Verlusts. Die Kinder schleichen umher und werfen einen mitleidigen Blick auf ihre betrogenen Väter; sie rufen – und ihre Stimme verhallt in dem tosenden Wurfe der Karten.

Ängstlich läuft hier ein Dreiblatt herum und sucht den vierten Mann zur gewöhnlichen Unterhaltung; alle Winkel werden durchstrichen, und ist ihr Auge nicht vermögend, ihn aufzuspüren, so werfen sie sich verdrüßlich auf Lehnstühle neben andere schon etablierte Tische.

Kurz, du glaubst in der Gesellschaft täuschender Wachsfiguren zu sein, wenn du nach Jägers Garten gehst und in den Saal oder unter die aufgeschlagenen Zelter trittst.

So geht es von nachmittags zwei Uhr an, bis endlich um sieben Uhr die Lärmtrompete zur Tafel ruft. Keiner dieser steinernen Menschen hat während dieser Zeit auch nur einen einzigen Laut der wirbelnden Musik vernommen, kaum hat ein Freund den andern vorübergehend begrüßt, kaum hat man unter sich selbst vielleicht zwei Worte gewechselt, und wäre dies ja, so sind es doch nur elender Scherz und Muckerien für den, der verlor. Doch lebhafter wird während dem Essen die Unterhaltung. Witz und Laune kämpfen wechselseitig im angenehmen Gemisch; man bemerkt auf einmal wieder den angestammten heitern Frohsinn, man hört die drolligsten Einfälle und bedauert es, sie von Menschen zu hören, die vorher nur Geist und Sinn für Kartenspiel zu haben schienen. Wie angenehm könnten diese Menschen einen ganzen Zirkel unterhalten, indes sie die edlere Zeit mit den verworfensten Beschäftigungen töten, indes sie einen Geist schlummern lassen, der in sich so schöne Gaben entwickelt; indes sie ein Herz vergiften, das ursprünglich vielleicht von bessern Gefühlen so hoch schlägt!

Nie habe ich in Leipzig an öffentlichen Orten eine frohere, lustigere, munterere und heiterere Tischgesellschaft gefunden, als die ist, welche man im Jägerischen Garten gewahrt. Man sollte glauben, daß vorhergegangenes Spiel und der darin erlittene Verlust oder davongetragene Gewinn die Herzen bald niedergeschlagener, bald froher, freudiger und ausgelassener machen müßte; allein hier trügt alle Kenntnis des menschlichen Geistes, hier wird man an seinen lange bestätigten Erfahrungen irre, hier verzweifelt man an der Scharfsichtigkeit seiner Augen wie seiner Beurteilung, denn hier thront auf der Stirn des Unglücklichen dieselbe ungetrübte Freude, die unverkennbar in dem Auge dessen sich spiegelt, dem die ganze Spielzeit über der Glücksstern lachte. Sind diese Menschen Helden geworden, und haben sie ihre Leidenschaften in einem magischen Bande, oder haben sie zur Fahne einer bei Spielern so seltenen Gleichgültigkeit geschworen; kurz, die Freude und der Jubel sind allgemein, keiner schließt sich aus, keiner macht den Sonderling, keiner wirft auch nur einen mißmutigen Blick, keiner spricht im Tone des Unzufriedenen, des Beleidigten, des durch Verlust Gebeugten, Gekränkten; nein, von aller Munde gehen nur Töne des innigsten Vergnügens aus, – man ist so herzlich, so vertraut, und freudeatmende Gesänge verraten das Wohlbehagen der Seele.

Zu mehrerer Aufmunterung hat die Gesellschaft ihre eigenen Lieder, und der Geist, der in ihnen herrscht, stimmt auch den Gleichgültigsten zur teilnehmenden Freude.

In dieser Hinsicht also würde selbst der feinste und der gebildetste Mann Veranlassung und Stoff genug zu unschuldigem Vergnügen und angemessener froher Unterhaltung hier finden, wenn ihn nur nicht so viel Nebenumstände abschreckten, diesen Ort zum Platze seiner Ruhe- und Erholungsstunden zu machen.

Zwar sieht der gebildetere Mann an andern Orten vielleicht Dinge, die sein Ehr- und Schamgefühl weit mehr beleidigen als der Anblick einer Menge, die nur allein für Spiel und Gaunerei zu leben scheint. Zwar findet er an so manchem Erholungsplätzchen des vornehmern Pöbels Dinge, welche hier fast gänzlich hinwegfallen. Zwar bemerkt er anderwärts zu seinem Abscheu freche Weiber und Mädchen schamlos umherlaufen und den Frieden und die Stille des Abends mit den schändlichsten Ausschweifungen und den empörendsten Auftritten entweihen. Allein die aufgeklärtere Welt oder der besser sein wollende Teil des hiesigen Publikums ist nun einmal weit geneigter, Greuel dieser Art zu verzeihen, als es ungeahndet zu lassen, daß man alle Ehre (?) Anmerkung des Setzers: Ich habe mir immer sagen lassen: in Leipzig wisse man längst schon von Ehre nichts mehr! Also doch noch Ehre? vergesse und sich unter einen Klub von Menschen begebe, die meistens von Spiel und Gaunerei leben oder wenigstens kein größeres Vergnügen kennen als Karten. Und daß freilich die mehresten der sich liier Versammelnden diesen Vorwurf verdienen, muß ich leider, so weh mir's auch tut, aus Überzeugung und eigener Erfahrung bestätigen.

Der größere Teil der Jägerischen Gesellschaft besteht aus Menschen, die bald mehr, bald weniger, im ganzen aber doch alle weiter nichts als Spieler sind. Zwar gibt es unter ihnen auch Professionisten, Künstler, Gelehrte und in öffentlichen Würden stehende Männer, denen man es gerade nicht schuld geben kann, daß sie ihre Zeit und Tage bloß mit Spielen verbrächten oder dies Werk gleichsam bis zur Profession trieben; allein sie sind doch darum schon nicht füglich und nicht ganz von jener niedern Klasse auszuschließen, weil sie nach vollendeten Geschäften nicht wie andere Vernünftige eine bessere, seelenvollere Erholung erwählen, sondern lediglich darum so ängstlich hierher eilen, weil ein unwiderstehlicher Drang sie zur Karte ruft. Sie sind schon zu tief eingeweiht in das Leidenschaftliche des Spiels, schon zu weit abgewichen vom Pfade der Natur, schon zu sehr abgestumpft für edlere Freuden und schon zu sehr entwohnt von erhabenem Gefühlen, als daß ihnen dies elende Einerlei nicht endlich zum Bedürfnis werden sollte. Die meisten trifft dieser Fall. Eher will ich es unternehmen, einen Schwelger vom Saufen als einen Jägerischen Gast vom Spiel zurückzubringen. Wer meine Behauptung übertrieben findet, darf nur einmal auch außer den Konzerttagen diesen Garten besuchen und das Treiben, Drängen und ungestüme Wogen mit ansehen, welches ganz unverkennbar und auffallend in aller Miene und ganzem Wesen dann sich zeigt, wenn etwa die tägliche Spielgesellschaft nicht sogleich vollzählig werden will. Alles läuft so ängstlich umher, läßt sich zu Bitten und Flehen herab, wirbt, wo nur zu werben ist, und will sich denn nach langem Harren und viel vergeblicher Mühe gar kein Spießgesell finden, so muß unverzüglich Wirt und Wirtin sich ins Mittel schlagen, sonst würde die ganze Rasse unaufhaltbar davonlaufen.

Was hat sich also der vernünftige Mann von solchen Aussichten zu versprechen? Er sitzt da verlassen und einsam, muß sich an elendem Biere erholen, geht drei-, viermal den ganzen Garten hindurch, sieht zwei, drei Minuten einem elenden Spiele zu und findet sich denn endlich ja ein noch Unangeworbener aus der Gesellschaft zu seiner Unterhaltung, so bemerkt er bei jedem Wort die unverkennbare Ängstlichkeit, mit welcher er nach allen Winken umhersieht, um bei einer frischen Partie ja nicht versehen zu werden; und was nützt mir ein Gesellschafter, der nicht mit ganzer Seele bei mir ist, dessen Gedanken geteilt sind, der nur zur Hälfte auf mich achtet und unterdessen auf ganz andre Dinge denkt? Wie in aller Welt soll eine Unterhaltung an Interesse und Lebhaftigkeit gewinnen, wenn ich im voraus sehe, daß der zweite nur gezwungen und ungern mir seine Aufmerksamkeit schenkt? Werde ich es nicht tief empfinden, wenn mitten im Strome der freien Ergießung ein dritter mir den Mann, mit dem ich eben so ganz in reine Harmonie verschmolz, impertinent von meiner Seite entreißt und zu einem Unding hinzieht, das der Vernünftige höchstens unter Dummköpfen – nur zuweilen aus Langerweile ergreift? Werde ich nicht verlassen dastehen und eine traurige Betrachtung über verschrobenes, übelgeleitetes, verstimmtes Menschengefühl anstimmen müssen, statt daß ich hoffte, für Herz und Geist Erholung zu finden? Wer verdenkt es noch dem vernünftigen Manne, daß er einmal nur sich täuschen läßt und einen Platz, wo er so wenig Erholung fand, mit dem festen Entschlüsse verläßt, ihn nie wieder zu betreten?

Auch für gebildetere des zweiten Geschlechts ist hier sehr kärglich gesorgt, und sowenig es ihnen auch an Gesellschaftsdamen fehlen mag, so ist doch keine von der Art, daß ich sie, ohne mir eine Schmeichelei zuschulden kommen zu lassen, sicher empfehlen könnte. Die meisten sind Weiber solcher Männer, wie ich sie soeben geschildert habe, und daß sich von ihnen etwas versprechen lasse, wird wohl unter diesen Umständen so leicht niemand vermuten. Ihr Ton ist eigentümlich, nervös und kraftvoll; ihre Freundschaftsergießungen rüde und oft mehr noch als natürlich; ihre Einfälle strotzen von dem ekelhaftesten Witze, und ihre Erzählungen und Diskurse verbreiten sich, wenn's hochkommt, über Spiel und Komödie.

Die zweite Gattung derselben ist noch weit weniger empfehlenswert; sie besteht größtenteils aus abgelebten Dirnen, die nach überstandenen Wanderjahren endlich von einem Handwerker oder Künstler erlöset wurden und immer auch jetzt noch Huldigungen annehmen, wenn man sich nur die Mühe gibt, sie ihren verwelkten Reizen darbringen zu wollen. Sie sind gewohnt, sehr bald Ernst aus der Sache zu machen, und dann hat man von großem Glück zu sagen, wenn man sich noch mit einer guten Manier aus der Affäre zu ziehen vermag. Ihr Konversationston ist daher, wie natürlich, für die gebildetere Frau beleidigend, denn keine Tugend ist imstande, ihren groben Ergießungen einen Damm entgegenzusetzen.

Für keinen Menschen kann also dieser Garten einiges Interesse gewinnen als höchstens für den, der Spieler ist, für einen rohen unerfahrenen Jüngling oder für den ausgemachten Zotenreißer. Ich würde mir daher im voraus schon einen sehr Übeln Begriff von der Denkungsart eines gebildeten Mannes oder von dem Charakter einer vornehmern Dame machen, wenn ich fände, daß sie diesen Ort zu ihrem Lieblingsplätzchen erwählt hätten. Ihn würde ich bedauren und sie verachten müssen. Allein sooft ich auch diesen Garten besucht habe, so muß ich doch frei gestehen, ich kam nie in Gefahr, weder zu dem einen noch zu dem andern aufgefordert zu werden, denn immer fand ich nur die gewöhnliche Gesellschaft der Gauner und Spieler.

Doch mehr noch als dies alles müssen dem vernünftigen Mann gewisse Insekten diesen Ort verleiden, die man gewöhnlich Spieler und Gauner von Profession nennt, und für diese Ungeheuer ist denn Jägers Garten seit langer Zeit schon ein wahres privilegiertes Asyl. Man sieht zwar in Leipzig fast an jedem öffentlichen Orte dergleichen Geschmeiß, allein hier krübelt's von ihnen, und Jägers Garten scheint gleichsam die Niederlage dieser Rotte zu sein. Schon vom frühen Morgen an wird er von ihnen besucht, und fragt man sie nach der Ursach. eines so zeitigen Zuspruchs, so braucht der eine Molken, der andere trinkt Bitterwasser, und der dritte will gar hier durch die Morgenluft seine zerrüttete Gesundheit reparieren, am Ende aber fehlt keinem etwas, denn dies Handwerk scheint seine Genossen recht gut zu ernähren, und alle kommen bloß darum so frühzeitig hierher, weil sie sich teils über Hand- und Kunstgriffe hier ungestört miteinander besprechen können, teils aber auch vielleicht einige junge Menschen auf der Spur haben, die frühmorgens in der Nachtmütze freilich besser noch zu fangen sind als abends oder nachmittags bei heiterm Kopfe und nüchternem Geiste. Den ganzen Sommer durch kann man nach Tische wenigstens die Hälfte von diesen Insekten hier finden, und an dem Konzerttage sind sie alle versammelt.

Nach dem Abendessen schimmert von fernher aus einer Stube des Vordergebäudes ein dämmerndes Licht, und dies ist denn für die Kundleute das Signal zum Faro. auch Pharo, Pharao, Hasardkartenspiel Wer die Schliche schon weiß, kömmt gar nicht eher als zu dieser Stunde hierher, geht dann die Treppe hinauf und findet schon die ganze noble Versammlung in voller Aktivität an ihrem Tische.

Zum Besten der Fremden, noch Unerfahrenen oder Feigen hat die Bruderschaft jahraus, jahrein ein eignes Subjekt in ihrem Beschläge, welches denn in der Dämmerung herumschleicht, denen, die etwa zaghaft nach dem erleuchteten Spielstübchen hinaufsehen, Mut macht; die noch ganz Unwissenden aber mit dieser neuen Entdeckung beschenkt und überhaupt alles zur Schlachtbank treibt, was unglücklich und einfältig genug ist, sich dahin führen zu lassen. Hat dies Ehrenglied nun den Vorgesetzten von seinen Werbeprogressen Rapport abgestattet und will sich niemand im ganzen Reviere mehr finden, so wird es dieser Charge entledigt und aus dem Werber auf einmal ein Spion. Als solcher wacht er nun wie Zerberus vor den Pforten der Hölle, damit die liebe Justiz nicht etwa ungebeten herbeikomme und einen kleinen Versuch mache, mit zu pointieren. Doch daß diese Wache nur pro forma ausgestellt werde, sollst du weiter unten erfahren. Denn daß der Höllenhund eigentlich keine so strenge Ordre auf diesem Posten habe, als man wohl glauben möchte, beweist sein öfteres Entschlummern. Während daher der Wächter schläft, könnten die Handhaber der Gerechtigkeit, wenn sie nur Lust hätten, wohl hundertmal eingefallen sein und die Bewachten samt dem Wächter arretiert haben.

Den Tag über hat dieser saubere Patron keine Rolle weiter, als etwa den vierten Mann zum Spiele abzugeben, anderer Leute Bier auszusaufen oder zuweilen den Hanswurst zu agieren. In alle drei Fächer paßt Herr Heyne (der werte Name dieses Ehrenmannes) ganz vortrefflich, denn im ersten helfen ihm seine meisterhaft geübten Finger, im zweiten seine stets durstige und ausgeweitete Gurgel und im dritten seine Glatze, die durch Lüderlichkeit und Ausschweifungen so kahlgeschoren ist, daß man glauben sollte, es wäre das schärfste Rasiermesser darübergeglitten. Für seine jedesmaligen Bemühungen erhält Heyne einen Taler acht Groschen, und die Zehrung weiß er sich schon zu erschleichen; am Tage säuft er verstohlen alle ihm aufstoßende Krüge aus, und des Abends stiehlt er sich in die Küche zur Wirtin, küßt schmunzelnd das fettige Patschchen und bittet ganz untertänig um ein warmes Krautklößchen oder läßt sich wohl gar eine Portion frech an die große Tafel bringen – und für die Bezahlung den Wirt dann selbst sorgen. Seiner Profession nach ist Heyne ein gelernter Perückenmacher, und jammerschade ist's um das Genie dieses verworfenen Kerls.

An andern Orten, wo Bank gemacht wird, sind immer nur ein oder zwei Interessenten dazu, allein zur Bank in Jägers Garten gehören deren wohl achte. Ich will hier unter diesen Leutchen einige Augenblicke Revue halten.

Das Oberhaupt, Herr Reinhold, darf sich schon seit langer Zeit an keiner Bank mehr sehen lassen, und ein zwischen den Füßen hangender ungeheurer Bruch ist das sichtlichste Zertifikat, daß er mit den abgeraspelten Fingern ehedem weit besser noch bedient haben müsse, als seine Pointeurs Mitspieler, Gegenspieler. es eigentlich wünschten. Er wurde einst bei einem künstlichen Handmanöver ertappt, und die Feinde glaubten ihn für seine Verdienste mit einer kleinen Signatur regalieren zu müssen. Reinhold ist nach meinem Urteile der interessanteste Mann unter der Sonne, und wer den Versuch macht, sich mit ihm, es sei auch, worüber es wolle, zu unterhalten, wird schwerlich über Langeweile klagen. Er hat eine Beredsamkeit ohnegleichen und spricht über einen einzigen Gegenstand wohl mit zehnen und doch mit einem jeden auf andre Art. Im Spiel hat er sich schon ehedem ein artiges Kapitälchen erworben und ist nun damit sehr oft ein Succurs Beihilfe, Beistand. für adlige Verschwender. Er borgt, die Abzugs- und Einschreibegelder weggenommen, mit dreißig Prozent, und das schönste ist noch, daß er sich, wenn die Herren nach abgelaufenem Termin nicht zahlen wollen, nie aufs Klagen einläßt. Sein Sohn ist vor einigen Jahren zum Doktor Medicinae kreïrt worden und soll in seinem Fache nicht ganz gemeine Kenntnisse besitzen. Doch ist er ebenfalls großer Liebhaber vom Spiel, und Vater und Sohn haben Anteil an der Jägerischen Bank.

Ein dritter Unternehmer ist der sogenannte ›schwarze‹ oder schlechtweg ›Sticker-Richter‹. Seine Töchter (und deren sind eine ziemliche Partie) sollen sich, wie die Rathauszettel lauten, vom Sticken, Richter selbst aber von Kommissionsgeschäften nähren. An ersterm ist um so mehr zu zweifeln, da sie alle, von der kleinsten bis zur größten, in keinem guten Rufe stehen, und diesen Ruf darf man darum schon weniger für Verleumdung halten, weil sie einen Aufwand machen, den kein Stickrahmen hergibt, und überdem noch bei jeder Schmauserei tagelang bleiben, welches denn ebenfalls mit der gerühmten Stickerei sehr auffallend streitet. Daß sie sich aber beides, Staat und Aufwand, durch eigene Kräfte erwerben, wage ich nicht zu bezweifeln, und des Herrn Vaters Charakter scheint mir dafür genugsamer Bürge zu sein. Durch welche Kräfte aber dies eigentlich bewürkt werde, darüber sind nur wenig Stimmen noch geteilt. Mit den Kommissionsgeschäften des Vaters hat es ebenfalls eine ganz eigene Bewandtnis, und weder Emballierer Packer. noch Fuhrleute können sich erinnern, jemals von Richtern auch nur eine Schachtel in Besorgung erhalten zu haben, sowenig als die Postbücher erweisen wollen, daß je ein Schein über eingeschriebenes Gut an Richtern ausgestellt worden sei. Mit weit mehr Überzeugung und Gewißheit aber kann man behaupten, daß bloß Gaunerei und Spiel Richters Konsumtionen bestreiten und daß er ganz zuverlässig ewig hungern müßte, wenn er auf das Salarium warten wollte, das ihm seine Kommissionen einbringen sollen. Seine Sitten und sein Charakter sind über jede ehrenvolle Erwähnung erhaben. Mit Plump- und Grobheit verbindet Richter noch überdem eine ungemeine Malice, und die den übrigen Spielern so eigene Gabe, launig und angenehm zu unterhalten, fällt bei diesem Manne gänzlich hinweg. Er ist unleidlich als Unterhalter und impertinent als Zuhörer. Auch im Spiel fehlt ihm die seinen Kollegen so wohl anstehende Generosität, dafür ersetzen aber die ausgelerntesten Spitzbübereien und ausgesuchtesten Kniffe den Mangel dieses eigentümlichen Vorzugs. Richter hat ebenfalls Anteil an oberwähnter Bank, und wenn er nicht abzieht, so macht er den Spion. Sein ältester Sohn hat seit einiger Zeit promoviert; die Haupt Ursache mag wohl auf den kühnen Versuch berechnet sein, eine reiche geistliche Schöne zu lieben, die doch wohl am neuen Doktor mehr Gefallen finden wird als an dem dürren Licentiaten. Doktoranwärter. Seine Examinatoren müssen auf jeden Fall den Gewinn von einem fetten Spielabende erhalten haben, sonst wüßte ich bei Gott nicht, wie sie einen Ignoranten hätten durchlassen können, der wahrlich von Medizin und Heilkunde ebensowenig versteht als der Prälat Burscher von der italienischen Buchhalterei.

Und solchen Stümpern, solchen elenden Pfuschern vertraut man, gewissenlos genug, das Leben, die Gesundheit und das Glück der Menschheit an! Kennt ihr Elenden wohl den Wert des Holdlautes: Mensch? Oder wenn ihr ihn fühlt und wollt freventlich seiner nicht achten – dann wehe euch!

Die beiden letzten (ob sie dies gleich noch nicht alle sind) mir noch bekannten Teilnehmer sind der Lieutenant Wolf und der Stabssekretär des hiesigen Regiments, dessen Name mir entfallen ist. Beide letztere mögen wohl unter allen Konsorten die kleinste Einlage haben, und aus Ursachen gebraucht sie die Brüderschaft zum Abziehen.

Das wären denn nun diejenigen Menschen, welche im Jägerischen Garten durchaus den Ton angeben, die Vergnügungen arrangieren und gebildetere Leute vertreiben.

Dem Wirt liegt wenig daran, welche Klasse von Menschen ihm die Ehre ihres Besuchs gibt, und fast glaube ich, ist ihm diejenige Gesellschaft, welche die Gauner und Spieler hierher locken, die liebste. Diese Art Menschen verdienen spielend ihr Auskommen und lassen daher auch wieder mehr aufgehen als andere, denen es saurer zu erwerben wird. Sie müssen oft halbe Nächte durchwachen, und da dergleichen Strapazen die Kräfte mitnehmen, so muß auch dafür gesorgt werden, daß wieder neue dazukommen, und Jägers Garten liefert die Beiträge. Anmerkung des Herausgebers: Man hat berechnet, daß die Einnahme für Kartengeld allein – jährlich wenigstens 800 Taler betrage. Weit entfernt, diese Angabe für übertrieben zu halten, glaube ich vielmehr mit Recht, sie noch weit höher ansetzen zu können. Durch das ganze Jahr hindurch sind gewiß in Jägers Garten oder im Winter auf dem Kaffeehause täglich wenigstens zwölf Spieltische im Gange; und nun rechne für jeden nur 6 Groschen Kartengeld (viele müssen 8 Groschen geben), so hast du, den Sonntag noch abgerechnet, jede Woche achtzehn Taler, schreibe 18 Tlr., macht auf's Jahr 864 Taler. Allein füglich kann man 1000 Taler rechnen, denn schon nachmittags von zwei Uhr an geht die Gaunerei ununterbrochen fort bis abends nach elf Uhr. Welch ein ansehnliches Mietgeld werden nun vollends die Kommerzianten für ihre Stube zahlen müssen. – Nein, nein! Die Gäste mögen herkommen, wo sie her wollen: so viel bringen sie doch nicht ein als eine Rotte Menschen, von denen die meisten bald mehr, bald weniger – Spieler sind.

Man hat immer die Spieler nach dem Evangelio mit Lilien auf dem Felde verglichen, die nicht säeten, nicht arbeiteten und doch so wunderlich fortlebten; allein man irrt gewaltig in seiner Behauptung. Käme einer von den Herren, die bisher diese Vergleichungen machten, nur ein einziges Mal an einem Spieltag in Jägers Garten und sähe Reinholds oder Richters Maschinerien, wahrlich, er würde von seinem Irrtume zurückkommen und augenblicklich widerrufen. Die guten Leute müssen ebenso wie jeder andere laufen und rennen, ehe sie ernten, und gewiß preßt es manchem Prediger bei weitem nicht soviel Angstschweiß aus, eine verwilderte Seele zur Buße zu leiten, als es Reinhold Mühe und Überredung kostet, ein oder das andere unschuldige Opfer zur Schlachtbank zu führen. Ja, wenn er freilich zu seinem Adjutant Heyne sagen könnte: den, welchen ich küsse, greif und bring herauf; so wäre das Spiel eine gar herrliche Sache. Dann dürften sie nur einmal bei einer Illumination oder Vogelschießen die fettesten Prisen in Beschlag nehmen, und sie hätten gewiß nicht nötig, je wieder zu spielen. Allein dergleichen exekutive Manœvres fallen nur höchstens dann vor, wenn eine Rotte betrunkener Hallenser sich einfindet und kaum mehr auf den Füßen stehen kann; dann zeigt sich aber auch Reinholds Spekulationsgeist in seinem ganzen Umfange. Schon oft hat die Erfahrung bestätigt, was ich jetzt sagte. Und hiermit glaube ich denn auch die Frage: warum kommen so wenig gebildete, vornehme Leute hierher?, genugsam erörtert zu haben, und die wenigen Lücken mag sich der Sachkundige durch eigene Erfahrung ausfüllen.

Allein, lieber Baron, nun sehe ich im voraus, du wirst eine neue Frage an mich tun: warum mischt sich die Obrigkeit nicht in so gefährliche Dinge, und warum sieht sie gelassen zu, daß Ungeheuer das Mark ihrer Bürger aussaugen und Leipzig mit einem so häßlichen Schandfleck beschimpfen?

Abgerechnet, daß zwar der hiesige Rat sich sorgfältig und genau um das Gewerbe und die Abgaben jedes seiner Untergebenen bekümmert; so ist ihm doch im Gegenteil ohnmöglich zuzumuten, daß er in eigner Person alle Löcher durchkrieche und die Greuel aufdecke, die er so herzlich gern verbannen möchte, wenn sie ihm nur alle wissend wären. Um aber doch in jeder Rücksicht seinem Amte und seiner Pflicht Genüge zu leisten und wenigstens zu einer oberflächlichen Notiz solcher strafbaren Vergehungen zu gelangen, hat er wohlweislich einigen seiner Subalternen neben ihrem Amte noch die große Pflicht auferlegt, über dergleichen Dinge sorgfältig zu wachen, sich genau und umständlich von der wirklichen Existenz derselben, womöglich in persona, zu überzeugen und sie dann gewissenhaft, ohne Rücksicht auf Stand und Würde, unausbleiblich anzuzeigen.

Dieser Vorschrift nun treulich nachzuleben, halten diese Herren aber meistens nur dann erst für Pflicht und Schuldigkeit, wenn die Unternehmer der Banken nicht daran dachten, sie unter der Hand durch ein Röllchen Dukaten von dieser Obliegenheit wohlmeinend zu entbinden. Dann hört man freilich wohl zuweilen: Herr Dressler sei vergangenen Abend in diesen oder jenen Keller gefahren, habe die Bank aufgehoben und die Pointeurs samt dem Bankier im Glücksspiel der Bankhalter. arretiert. Die ganze Stadt sagt sich's aber auch zugleich laut ins Ohr, daß es gewiß nicht geschehen sein würde, wenn Wirt und Bankier nur klüger gewesen und dem Herrn Notario noch zeitig genug wenigstens auf der Hälfte des Weges mit einigen blinkenden Empfehlungsstücken entgegengeeilt wären. Die Herren sind ja menschlich, und das Unglück ihrer Mitbrüder geht ihnen zu Herzen; wer verdenkt es ihnen bei so weichen Gefühlen, daß sie lieber ein Weniges mitnehmen als der Obrigkeit denunzieren und gar nichts bekommen? Die meisten Wirte, die Bänke dulden, wissen auch schon solche Vorsichtsregeln und machen ihre Bankiers in Zeiten damit bekannt, daß sie dann vor jedem Überfalle sicher sind. Dann könnte aber auch selbst der Stadtrichter sagen: auf der ›Lilie‹ oder im ›Helme‹ ist Bank; so kömmt doch Dreßler immer wieder mit der Nachricht zurück: »Ich habe nichts gefunden, alles bloße Verleumdung, der Herr Stadtrichter können auf mein Wort trauen«. Auf diese Art sind besonders in den Messen wohl dreißig Bänke in Leipzig, allein wenn nicht etwa ein Ratsgeist selbst an eine verloren hat, so wird im ganzen Leben keine aufgehoben, und die Herren sitzen so ruhig in ihren Gaunerlöchern als der Professor in seinem Studierstübchen.

Wer wird nun wohl noch zweifeln, daß die Bankiers in Jägers Garten nicht ebenfalls diese als probat anerkannten Mittel benutzen und sich so vor Überfällen und Denunziationen sichern sollten? Allein um ganz sicher zu gehen, hat man hier noch einen andern Weg eingeschlagen.

Wie bekannt, haben die Türsteher auf dem Rathause zu Leipzig bei weitem nicht das unbedeutende Ämtchen, das eigentlich ihr Name verspricht; das Beispiel eines Rosenkranzes, der selbst Minister und Bürgermeister in seinem Letzten Willen bedachte, hat uns längst eines Besseren belehrt. Ob nun gleich sein Nachfolger, Herr Vollbrechtshausen, die Allgewalt nicht mehr hat. mit welcher sein sauberer Vorgänger sich beglückt sah, so muß er aber doch immer auch noch gewisse Privilegia genießen, die zuweilen sogar solche Gesetze annullieren können, welche dem das Zuchthaus zuerkennen, der das Familienregister seiner Schwägerin mit einem verbotenen Beitrage vermehrte! Diesen liebreichen Mann hat sich nun die Jägerische Brüderschaft so zu eigen zu machen gewußt, daß er ihrer Zunft gleichsam ein Panier ist, an welchem alle Pfeile der Anklagen und Denunziationen abprallen. Vollbrechtshausen steht mit dem Gerichtsfrone auf einem solchen Fuß, daß er ihm etwas Weniges von seinen Messe- und Weihnachtsgeschenken abgibt; überdem aber ist er bei allen Schmausen und Fressereien der Gesellschaft als Gast, und auch an Konzerttagen geht er frei aus. Freilich mag wohl die Unterhaltung dieses Schutzgeistes der Gilde sehr hoch zu stehen kommen, allein was tut man nicht alles um seiner Sicherheit willen! Wie mancher der saubern Interessenten wäre nicht vielleicht längst schon im Zuchthause und könnte den Züchtlingen in grauem Habit die Handgriffe des Spiels lernen, wenn nicht Vollbrechtshausen wachte! Man hält ihn daher sehr warm, und der schwarze Richter nennt ihn zum Überfluß noch »Herr Vetter« – wo aber diese Verwandtschaft eigentlich herstamme, ist bis jetzt noch ein Rätsel.

Viel über Herrn Jägers (Wirt) Charakteristik, zu sagen, erlaubt mir der beschränkte Raum dieser Blätter nicht; vielleicht kommt in einem zweiten Bändchen der Nachtrag. Doch muß ich kürzlich noch so viel erwähnen, daß Jäger das Glied einer Familie ist, die einander unterstützt und aushilft, wie wenig Verwandte es tun. Schröder, Hildebrand, Jäger und Treiber sind Schwäger, und ein fünfter, der Advokat Neubert, ist erst neuerlich dazugekommen. Man hat ihm eine Predigerwittib aufgeschmiert und benutzt seine ausgebreitete Bekanntschaft zum Geldnegozieren. Geldgeschäfte treiben. Doch soll er sich jetzt mit seiner Gattin im ehelichen Bett besser befinden als mit seiner dürren finnigen Haushälterin ehemals im unehelichen. Wegen seiner unbestechlichen Rechtschaffenheit ist Neubert allgemein geschätzt; doch etwas weniger thüringische Politesse Höflichkeit könnte nichts schaden!

Ich empfehle mich deiner fortdauernden Freundschaft.

v. N. N.

 

Interlocut

Aller angewandten Mühe ohnerachtet, wird es mir dennoch nicht möglich, die gesamten Nachrichten des Herrn v. N. N. zu einem einzigen Bande zu verkürzen; und so unangenehm es mir auch immer ist, das Publikum nicht auf einmal befriedigen zu können, so muß ich doch auch endlich dem Wunsche des Verlegers nachkommen, der mich jeden Augenblick zum Schlüsse mahnt.

Damit die Leser doch aber auch sehen, wie Herr v. N. N. die hiesigen Hotels, Kaffeehäuser und Weinkeller behandelt, so will ich noch kürzlich von jedem derselben eine kleine Probe beifügen; doch wird man mir vergeben, wenn die Nachrichten darüber um des Raums willen etwas gedrängt ausfallen sollten. Ich verspreche hierbei nochmals im voraus, daß das zweite Bändchen mit so viel artigen Dingen ausgespickt sein wird, daß es wohl schwerlich jemand ohne Staunen, Verwunderung und Lächeln aus den Händen legen dürfte. Dabei werde ich denn freilich nach Maßgabe meiner Quellen etwas allgemeiner als im ersten Bande sprechen müssen, doch um der Verständlichkeit willen trage man ja ja keine Sorge. Dunkelheit und Verschleierungen waren durchaus des Herrn v. N. N. Sache nicht, und mir wird es wohl auch niemand zumuten, daß ich geflissentlich vermummen sollte.

Und hieran geschieht denn nun mein ernstlicher Wille und Meinung; und wollet ihr es achten.

Ernestus Gotofredus Lagophthalmus


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