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Sechster Brief

Du kennst aus eigener Erfahrung, lieber Baron, und ich fürchte nicht, dich zu beleidigen, wenn ich mich in diesem Falle auf deine Einsichten berufe, – du kennst den Trieb des menschlichen Körpers nach Befriedigung des stets sich regenden physischen Bedürfnisses ebensogut als den angeerbten und ganz eigentümlichen Hang des Geistes nach bisweiliger Abwechselung und den Überdruß und Ekel vor einem ewigen Einerlei. Deine kraftvollen männlichen Verdienste allein schon sind es wert, einst eine Gattin in deinen Armen zu halten, wie sie nur immer ein schöner Mann verlangen und erwarten darf. Ich bin überzeugt, deine dereinstige Gemahlin wird auf keinem Fall in den kraftvollen Armen ihres gegenwärtigen Mannes nach der Erschütterung und dem Genuß eines andern und eines neuen sich sehnen. Ich bin überzeugt, du wirst ihr mit deiner allgemein anerkannten Mannkraft so nachdrücklich zusetzen, wirst ihr mit deinem stets gespannten Eifer und deiner immer standhaften Ausdauer so viel zu schaffen machen, daß sie wähnen wird, in deinen salbenden Ergießungen das nie geteilte Vollmaß ungeschwächter Jugendfülle zu erhalten. Ich bin endlich überzeugt, du wirst deine zukünftige Gemahlin jedem andern weiblichen Geschöpfe vorziehen, das sich bis hierher ein Vergnügen daraus machte, durch ihr Opus suctorium Saugwerk. deine überfließenden Säfte abzuleiten; ja, ich will sogar (ein in Ehen sehr seltener Fall) zugeben, du könntest sie mit einem Feuer lieben, das du noch nie fühltest; alles dies angenommen, und ich freue mich, es mit Gewißheit voraussetzen zu können, würdest du dich wohl demohnerachtet (allein hier fordere ich aufrichtiges Geständnis!) überwinden können, nie nach der Umarmung einer andern dich zu sehnen und immer und ewig nur, nach biblischer Art, an deinem Weibe hangen?

O lieber Baron, laß uns aufrichtig unsere Schwächen prüfen, und ich gestehe dir gern, daß es mir zuweilen eine Unmöglichkeit scheint, ganz treue Männer (die Damen traue ich mir ohnedem nicht zu nennen!) zu finden; ach, es sind wohl nur Romanschimären, Phantasien einer schwärmerischen Stunde, Ideen ohne Wirklichkeit!

Du kennst meine Vorstellungen über eheliches Glück, du kennst meine Begriffe und meine Denkungsart, weißt, und ich schäme mich dieses Geständnisses nicht, wie wichtig in meinen Augen eine Verbindung der Art ist, die ach so bald geknüpft werden kann und welche Pfaffenpolitik und -trug so unzertrennlich machte.

O lieber Baron, glaube mir: ich kann wahrlich das Glück und die Ruhe zweier Menschen für keine Bagatelle betrachten, es liegt zuviel in dem bloßen Gedanken, Mörder der stillen Zufriedenheit einer weiblichen Seele zu sein; aber bei Gott, so ernst und männlich ich denke, sowenig traue ich mir doch Enthaltsamkeit und Stärke genug zu, jeder verführerischen Lockung zu widerstehen und nie eine kleine Untreue an meinem Weibe mir zuschulden kommen zu lassen!

Und siehe, so denken vielleicht die Männer mit mir alle, und so ist denn auch nicht zu erwarten, daß uns bloß Leipziger Ehemänner mit exemplarischer Ausnahme beschämen sollten!

Auch sie finden an bisweiliger Abwechslung ein süßes Vergnügen, wollen doch zuweilen auch anderes als stetes Ehefleisch kosten, und da nun der einmal mit einer öffentlichen Hure geprellte Kaufmann Bedenken trägt, aufs neue bei Prellerinnen sein Herz auszuschütten, so wählt er zu seinem Vergnügen einen eigenen Schlag, wo nicht jeder Stößer, nein, nur er allein aus- und einfliegen kann, wo er allein seine Rechte exerziert, wo er allein des Täubchens wachsendes Zunehmen sich anrechnet, wo er gern für das Werk seiner Schenkel Weihwasser, Exorzismus, Kindmutter und Paten bezahlt, wo er gern für eine ungestörte, geräuschlose und sichere Einfahrt doppelt und dreifach entrichtet als für einen stürmischen Abzug mit Trompeten und Pauken die Hälfte.

Da fliegen Dukaten aus, wo vorher nur Taler klangen; da muß das Maul der alten Hexe gestopft werden, wo fein Liebchen wohnt; da muß der dienstwillige Handwerksbursch oder Studiosus bezahlt werden, der so gütig war, dem Kinde seinen Namen zu schenken; da müssen Käppchen geschafft werden für Mutter und Säugling, da müssen Stärkungen für verlorene Kräfte bereit sein; da muß Liebchen, in einen galanten Wagen gepackt, die sanften Zephirlüfte des schönen Tages genießen; da muß ein zehnfach gestempelter Medikus Lottchens weite Mündungen zum baldigen Wiedereinschluß verengen; ach, und der Himmel weiß, was alles noch erfordert wird, die Wöchnerin und ihr Kleines bei gutem Wohlsein zu erhalten. Überrechnest du wohl, was dies kostet und wie dann der nur bemittelte Mann es aushalten will, seinen ehrlichen Namen zu behaupten, seinen rechtmäßigen Kindern und seinem Weibe fernerhin das nötige Brot zu verdienen und nach seinem Tode sie nicht als Bettler zu verlassen? Ach, und daß Letzteres schon so oft der traurige Fall war, beweist in Leipzig nur neuerdings noch die Geschichte des unglücklichen T., der auf demselben Wege arm ward und mir zugleich Stoff gibt zu bemerken, daß es bei oberwähnten schon beträchtlichen Ausgaben nur selten sein Bewenden hat, daß solche Interimsaushelferinnen nach geleisteten Diensten mit dem bloßen Salarium, das sie bisher erhielten, sich nicht begnügen, während ihrer Leibeigenschaft vielleicht einen armen Jüngling nach ihren Wünschen fanden, der sie so gern zur ehelichen Frau machte, wenn guter Wille in klingende Münze sich verwandeln ließe, bis denn endlich die kühne Mätresse, der ewigen Dienstbarkeit und Jungfrauschaft müde, stolz und gebieterisch ihren zeitherigen Beispringer angeht, mit fünfzehnhundert Talern ihre Dimission verlangt, den armen Tropf dann heiratet und – in ein Badestübchen einführt!

Oh, lieber Baron, so habe ich aus sichern Händen noch gar mancherlei ähnliche Fälle gehört! Wäre dies alles aber wohl nicht zu vermeiden, wenn die Leipziger Freudenmädchen in einem allgemeinen Konvente sich dahin vereinigten, fortan dem Satan, dem Vater aller Prellereien, und seinen gehorsamen Söhnen, den treulosen, meineidigen Advokaten, auf ewig zu entsagen?

Dies also wäre schon eine unübersehbare schreckliche Folge, welche aus den Betrügereien dieser Dirnen entsteht, und wollte der Himmel, es wäre nur die einzige, aber ihr folgen noch weit fürchterlichere gleich auf dem Fuße nach.

Nur eine will ich noch anführen, sie mag daher den nächsten Brief ausfüllen.

v. N. N.


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