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Fünfter Brief

Bei so betrübten Aussichten wäre also für dich, lieber Baron, in Leipzig sehr übel gesorgt, und du möchtest vielleicht mit einem nur zu widrigen Vorurteile von dieser Stadt urteilen und sprechen und daher auch wohl wenig Verlangen tragen, von meinen Behauptungen dich jemals persönlich zu überzeugen, wenn ich nicht ein Antidotum Gegenmittel, -gift. in Bereitschaft hätte, womit auf einmal das häßliche Gift, das du aus meinen bisherigen, ziemlich abschreckenden Beschreibungen gesogen haben könntest, in den süßesten und leckersten Honig verwandelt werden soll. Höre also, lieber Baron, und ich wette, du wirst in einigen Minuten im Geiste mir tausend herzliche Küsse zuwerfen, tausendmal mich entschuldigen für die wenigen unangenehmen Augenblicke, die ich dir machte, und mit desto größerem Behagen die nun kommenden angenehmeren Eröffnungen verschlingen. Um aber deine Geduld nicht zu sehr zu spannen und am Ende vielleicht gar zu ermüden, so will ich ohne weitere Umschweife, und ob ich gleich in der Folge so manches werde nachholen müssen, was ich bei jetziger Veranlassung weit bequemer hätte vorausschicken können, dennoch ungesäumt mit meinen Bemerkungen hervorrücken.

Außer den bisher gerühmten Meßfreudenmädchen also, von welchen ganz allein die Rede war und die ich dir in mancherlei Hinsicht als Freund nicht sehr empfehlen konnte, gibt es hier auch außer den Messen noch eine unzählige Menge solcher dienstwilliger Kinder, denen man nun zwar geradewegs keine Lobrede halten, doch aber auch das Verdienst nicht absprechen kann, daß sie für den nun einmal nicht anders als physischen und mit Wollustreiz begabten Adamssohn etwas mehr Sicherheit und, wenn du willst, auch mehr Vergnügen gewähren als die auf ihr Gewerbe gleichsam reisende Meßdirne. Keineswegs stehe ich in Abrede, daß unter ihnen nicht ebenfalls vergiftete, venerische, total ausgemergelte und gänzlich verpestete Auswürfe befindlich sein sollen, ebensowenig als ich die ganze Zunft der ersteren zu verdammen wage, denn dies ist unter einer so zahllosen Menge fast kaum anders zu erwarten; aber soviel glaub ich doch immer mit Gewißheit behaupten zu können, daß der größere Teil einheimischer Leipziger Freudenmädchen gesund und (dem Himmel sei's gedankt!) nur ein weit kleinerer Teil mit venerischen Seuchen behaftet sei. Die Ursach dieser wohltätigen Erscheinung läßt sich leicht auffinden. Würde nämlich ja eine einheimische Dirne Kennzeichen einer herannahenden Krankheit an sich gewahr, so kann sie erstens weit früher und besser vorbeugen als eine herumreisende Hure, die sich zwar wohl nach Abnehmern ihrer Reize, weit weniger aber nach erfahrnen Ärzten umsehen kann, die ihr allerdings wohl helfen, aber auch vielleicht nicht reinen Mund halten möchten, und dies zwar zu einer Zeit, in der ihr an Verschwiegenheit und Verheimlichung eines so übel rekommandierenden Prädikats nur zu viel, ja fast alles gelegen sein muß.

Und sollte denn auch die Krankheit gefährlicher und in ihrem ersten Aufkeimen nicht mehr zu ersticken sein, so kann das einheimische Freudenmädchen sich zweitens auf einem fixierten Platze doch wohl weit besser verpflegen als die unstete Meßdirne mit immer flüchtigem Fuße.

Und überdem: Wie gewaltig würde nicht ein gänzlicher Umsturz der Bude ihres Vergnügens drohen, wenn sie einen, zwei oder höchstens drei Käufer mit Ware versähe, welche sie bald so übel empfehlen müßte, daß nicht nur die erwähnten drei Abnehmer auf immer ihren Handelsartikeln entsagten, sondern auch wohl gar ihre zahlreichen Bekannten verführten, nie sich in einen Laden zu wagen, wo man bei schon mittelmäßiger Ware noch obendrein eine so böse Zugabe erhielte. Und wäre denn etwa eine solche Besorgnis so unwahrscheinlich in einer kleinen Stadt, wo gar bald ein Kind das andere und also auch sehr leicht der junge Mensch die Mädchen kennenlernen und mit wenig Mühe in den Stand gesetzt werden kann zu behaupten, welche Nymphe rein und welche unrein sei? Tut also die Schöne unter so bewandten Umständen nicht besser, wenn sie einige Wochen hindurch sich verbirgt, jedem Eindringen indes den Zugang versagt und nur erst Vulva integra unversehrtes weibliches Geschlecht. den Ladestock zur Flinte läßt? Wird auf diesem Wege nicht ihr Kommerzium weit sicherer im Schwange und ihr Renommee nicht immer weit teurer und rühmlicher erhalten? Hat sie denn endlich für die Versäumnis einiger Wochen in Zeit von wenig guten Tagen dann nicht Entschädigung genug?

Gewissenhaftigkeit mag nun wohl freilich keine dieser Kreaturen zu solchen Maßregeln bestimmen! Je nun, brächten auch nur Politik und Interesse allein diese seltenen Erscheinungen hervor, so ist's dennoch unglaublich, welchen unschätzbaren Vorteil und ersprießlichen Nutzen sie in jeder Hinsicht über die Gesundheit und das Leben der liebedürstenden Jünglinge Leipzigs ergießen.

Wäre man nun aber auch von dieser Seite, ich will sagen, gänzlich gesichert und könnte mit voller Zuversicht in der Höhle des Vergnügens herumwühlen, so hat man doch nun aber (nichts ist vollkommen!) vorzüglich in Leipzig immer noch Irrgänge ganz anderer Art zu vermeiden, wo so viel räudige Schafe herumgehen, daß man im ersten Augenblick der Überraschung es fast verschwören möchte, sich je wieder in die sonst so süßen weiblichen Labyrinthe zu wagen.

Nirgends, lieber Baron, sind die Prellereien (die Irrgänge, die ich vorhin nannte) dieser Geschöpfe mehr üblich und im Gange als eben auf hiesigem Platze; nirgends kannst du auf eine unschuldigere, nirgends auf eine sonderbarere Art in die Verlegenheit kommen, Vater zu werden, als hier; und nirgends mögen dir endlich diese süßen Vaterfreuden teurer zu stehen kommen als eben in Leipzig, wo man so eifrig und angelegentlich dergleichen Mütter protegiert und wo sich selbst Doktores und Advokaten nicht schämen, Anwalte offenbarer Betrügerinnen zu werden und die dem geängstigten Papa abgedrungene Summe redlich mit ihren Klientinnen zu teilen. Nicht genug, daß du für deinen Teil allein schon sattsam die ganze Brühe bezahlst, so müssen überdem wohl oft noch zwanzig Väter zu deinem Kinde mitkontribuieren; ja man findet hier sogar niederträchtige Wirte sowohl als elende Buben von Rechtspraktikern, die in Ermangelung einer wirklich existierenden und vorhandenen Schwangerschaft feile Dirnen sich mieten, Wulste von Federkissen zu einem geschwängerten Leibe formieren, sich dann Männer von ihnen angeben lassen, mit denen sie vielleicht schon vor ewigen Jahren (die Zeit tut nichts zur Sache) ein- oder zweimal zu tun hatten, gehen dann ungescheut zu den Angegebenen hin und machen mit Entdeckung und Zuchthaus ihnen die Hölle so warm, daß der Betrogene dann gern alles hergibt, was seine Kräfte vermögen, um nur der Schande zu entgehen, welcher er sich schon dann ausgesetzt glaubt, wenn verrufene Buben wie Adv. Schmidt und Heyne nur seine Schwelle betreten.

Ich könnte dir jetzt wahrlich noch ganz andere Entdeckungen mitteilen, die ich hierüber gemacht habe, allein ich werde meine Ergießungen vielleicht bis zu den Briefen aufsparen, wo ich überhaupt über Freudenhäuser und andere dahin einschlagende Punkte näher mit dir sprechen werde.

Was würdest du nun aber wohl glauben, das die Folgen solcher Prellereien sind?

Der Inhalt des kommenden Briefes mag hierüber sich näher erklären. Bis dahin leb wohl.

v. N. N.


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