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Achter Brief

Komm nach Leipzig, lieber Baron, und du sollst nach dem, was ich nun weiß, auch keine einzige Minute müßig sein; du sollst Nahrung, volle überflüssige Nahrung für dein physisches Drangvermögen sollst du erhalten und nie müde werden, Gutes zu tun und zu empfangen!

Immerhin reiß dich los von deinen Verbindungen in Berlin; du glaubst wunder welche Göttinnen zu umarmen, und ich sage dir: dein harren in Leipzig Mädchen und Weiber, in deren Mitte du erst fühlen wirst, zu welchen Reizen der Schöpfer seine Kreaturen erhob.

O lieber Baron, was habe ich hier schon für göttliche Weiber erkannt; Himmel, meine Sinne schwinden, wenn ich nur den entferntesten Gedanken wage, einst in einer seligen Stunde mit meiner ganzen Mannkraft nur einer von ihnen es zu gestehen, daß ich nie in einem vollem Meere höherer Seligkeit schwamm als in dem Augenblicke, da unser Wollustverzucken zu einem seligen Ermatten dahinschmolz!

O Baron! du sinkst zu den Füßen dieser Göttinnen, wenn nur bloß ihr Blick dir sagt, daß deine stürmende Mannkraft ihnen gefällt, daß sie höhere Kräfte in dir ahnden, daß dein Auge, von Wollustfeuer glühend, sie durchbohre, daß sie dem Drang nach deinem Besitz nicht länger zu widerstehen vermögen! Baron, würdest du diese Weiber verschmachten lassen im Durste nach glühender Lust, im Verlangen nach seligem Vollgenuß tieflohnender Liebe?

Ha! Jetzt wünscht ich mir zum erstenmal deine schöne männliche Gestalt, dein einnehmendes Wesen, deine gefälligen Manieren und – deine Allgewalt zu erschüttern. O ihr schönen Weiber, wie wollt ich euch dann lohnen für das Unvermögen eurer armseligen Gatten! Wie wollt ich's euch so tief ins Herz hineinschieben, daß Ausländer für eure Verdienste empfänglicher sind als entkräftete Inländer! Wie solltet ihr gleichsam ersterben unter meinen kraftvollen Umschließungen und das erstemal seufzen: O Himmel, wie ist mir so wohl!

Doch ich gerate in Exklamationen und soll Schilderungen liefern; allein gewiß, gewiß, du verzeihst meinen Ergießungen, lieber Baron, – sie entspringen aus dem Gefühl für himmlische Schönheit.

Wir wundern uns, wenn in Berlin von untreuen Männern und Weibern die Rede ist, ach, und in Leipzig darfst du nur ein schönes Weib sehen und dann auch geradezu den sichern Schluß machen, daß sie wenigstens einen oder zwei Beimänner hat, welche zuweilen bei ihr einsprechen, geräuschlos ihr wohltuendes Werk beginnen und dann einige Augenblicke darauf die beglückte Schöne – als eine Gesalbte verlassen. Indes sie nun von ihrem segnenden Priester diese Ölung erhält, wandert vielleicht ihr liebes Männchen gleichfalls in das Schlafgemach seines soeben agierenden Stellvertreters und – rächt sich. So pfuscht denn immer eine Familie in die andere – selten wird etwas Ganzes hieraus, da immer der zweite wieder verdirbt, was aus Versehen der erste etwa gut machte, und auf diese Art ist es denn in den mittelsten Etagen der Leipziger Damen stets wie auf einem Taubenschlage: der eine fliegt aus, der andre fliegt ein, und was Wunder, wenn sie darum weit und breit in keinem guten Kredit stehen?

Dame L-g. soll auf diese Weise immer sechs bis sieben Stößern den Eingang öffnen, und jammerschade um dies ehemals sehr schöne Weib, daß ihre Triebe etwas zu heftig sind, denn bald, glaub ich, wird auch wohl die Schminke nicht mehr haften, die jetzt noch so meisterlich die kleinen Runzeln verbirgt. Freilich gab wohl der livländische Hofmeister dem guten Weibe zu harte Stöße; die Arme war das russische Wüten nicht gewohnt, liebt zwar auch von Grund ihres Herzens deutschen Nachdruck, er muß ja doch aber mit Sanftmut und Nachgiebigkeit verbunden sein, sonst erschöpft er; der lange Lieutenant mit dem Horne mochte wohl ebenfalls auf dem Privattheater zu tief gekommen sein und die alte Wunde wieder aufgerissen haben, die der tapfre Russe schlug, denn man wollte wissen, das zarte Weib sei wirklich darüber erkrankt, und ihr lieber Mann, dem sie sehr naiv die Schuld jener Unpäßlichkeit beimaß, habe entsetzliche Mühe gehabt, sie zu beruhigen und nur erst durch einen neuen Schmuck es wieder dahinbringen können, aufs neue des Fleisches Lüste bei ihr büßen zu dürfen.

Die Baronin v. H. liebte ihren Verlobten viel zu sehr, als daß sie außer ihrem Friseur und einigen andern noch irgend jemand weiter ihre schöne Fülle öffnen sollte.

Die schönen H. sind nun alle verehelicht und sollen mit der Einsegnung am Traualtar ihre bisherigen Liebhaber an den Zuckerfässern samt und sonders quittiert haben und nur Tag und Nacht, wie die blasse Figur zeigt, an ihren lieben Männern hängen. Wohl euch, ihr habt es gut!

Nicht so wohl war es vor einigen Jahren der liebenswürdigen Großmama K., die trotz des herannahenden Alters und der Zahl um sie herum spielender Enkel immer noch gar zu gern junge Kernmänner in ihre Mitte schließt, als sie auf einmal ihrem Eheherrn durch ein lebendiges Exempel die Kraft englischer Maschinen bewies, zu ihrem größten Leiden aber erfahren mußte, daß der einfältige Ehemann (kein aufgeklärter Neologus) Neuerer auf die empfindlichste Art die Wirkungen mißbilligte, die in Ermangelung eines guten deutschen Hebels ein bewährter ausländischer hervorbrachte, und durchaus nicht geschehen lassen wollte, daß das Fazit jener ziemlich unmathematischen Berechnung in das Kontobuch seiner Leibesangelegenheiten eingetragen würde. Nur erst auf die stürmischen Bitten seiner Herren Schwiegersöhne geschah es denn endlich, daß er, jedoch salvo jure, unbeschadet seines Rechts. notierte, vor Gott und aller Welt sein vermeintliches Machwerk rekognoszierte, bestens akzeptierte und endlich gar in seine treuen Vaterarme schloß.

Die schöne R. konnte freilich bei ihrer Verheiratung an einen alten Ehekrüppel die jungen Offiziere noch nicht vergessen, die sonst so kraftvoll auf der Altenburger Redoute Schanze. ihr zusagten. Der schwarze Hofmeister mußte also gar bald mit unplatonischer Liebe die Stelle rüstiger Reiter ersetzen, ersetzte sie trefflich zur vollen Zufriedenheit der wollüstigen Dame, und nur ein peppichter klebriger. Kaufdiener konnte in seinem Posten ihn ablösen; nun, da auch letzterer in den Hafen des ehelichen Glücks sich eingeschifft hat und nur höchstens etwa alle drei Messen, aber dann auch desto fleißiger, die trauernde R. heimzusuchen pflegt, so sieht jetzt ihr Ehe-Peter, der sie, um seine alte Französin ins rechtliche Bette zu führen, gern für ein Billiges dahingäbe, ganz gelassen zu, wie die Schmachtende sich in den Armen ihres mitleidigen Schwiegersohns oder – eines kleinen Judendoktors erholt.

Madame St. jagt wie ein brünstiger Hirsch auf Fluren, in Wäldern und Auen herum, achtet nicht die Stimme des herzlichen Mannes, verschmäht Gartenvergnügungen und Bälle und läßt sich statt dessen lieber von rüstigen Kämpen in vollem Feuer zusammenarbeiten.

Die Frau D. M. öffnete ehedem ihre Schluft italienischen Hauptleuten; seitdem ihr aber das Verschwinden so manches schönen Kremnitzers im Kopfe herumgeht, gibt sie einem abgehärteten Bedienten doppelt Salar, kräftige Suppen, alte Weingeister, Stahlbäder und – macht er auch dann noch seine Sache nicht recht – zwei derbe Ohrfeigen. Ihr Hochzeitgelenk soll, nach neuern Berichten, ziemlich abgenutzt, von den sonst starken Waldungen nur Storzeln noch zu sehen sein und die ganze Passage überhaupt höchstens für einen Bedienten etwa Reiz haben.

Der Frau L. v. S. wollte man aus Kurzsichtigkeit einen hohen Grad von Sprödigkeit und Treue zuschreiben, weil sie die Huldigungen eines welken Lieutenants verachtete, der sich aus Verzweiflung ob ihrer unbezwingbaren Zurückhaltung nicht wie ein anderer gescheuter Mensch ruhig und getröstet zu Bett legte, sondern mit Allgewalt den scharfen Degen tief in die gekränkten Rippen stieß (gestoßen haben soll!). Allein man tut dem guten Weibe zuviel; sie ist ebenfalls dankbar für bescheidene Huldigungen, nur will sie sich durchaus das Recht nicht nehmen lassen, nach Lust und Liebe zu wählen. Zudem ist sie hübsch und mag daher keinen Klotz.

Die Herren G. und B. trugen aus Gründen Bedenken, eine Leipziger Donna in ihr eheliches Bett zu führen, und suchten sich lieber treulose Ausländerinnen. Die Gattin des erstern soll weiland viel seltne Reize in sich vereinigt haben, und der Kenner bemerkt dies noch jetzt an den Ruinen; allein Herr R. kam eben von seinen Reisen und wußte sehr bald den Zugang zu ihrer über alle Maßen niedlichen Grotte zu finden; ihr Eheherr gibt sich nun geduldig in sein Schicksal, ermuntert selbst den tapfern Ritter (der jetzt seine Funktion mit einem Tuchhändler teilt) zum rüstigen Kampfe und weiß es ihm tausendmal Dank, daß er seiner Gattin die leeren Stunden ausfüllt, die sie einsam und traurig verschmachten müßte, da er jetzt selbst anfängt, in blonde Kürschnerpelze zu blasen. Die zweite, Madam G., hingegen bedient sich des scharfen Messers eines stammhaften Barbiers und lohnt seine Mühe mit genähten Manschetten.

Die Frau D. N. beweint jetzt in trüben Stunden ihre erschöpften Finanzen und wünscht sich die verlornen Jugendreize zurück, um aus Neigung bedient zu werden, statt daß sie jetzt ihre Liebhaber für die genoßne Lust noch obendrein mit Winterpelzen und Sommerkleidern bezahlen muß. Ihre Demoiselle Tochter zeigt bei aller Jugend ebenfalls schon fleischliche Gefühle, wenigstens soll sie zu des braven Vaters großem Verdruß noch neuerlich erst an Liebesbriefen gearbeitet haben.

Mad. Sch. hat sich aufs Land gemacht, und da sie findet, daß die Pfropfe in der Stadt nicht mehr so dauerhaft und tüchtig wie ehedem gemacht werden, so läßt sie sich von einem Bauer Wieken Docht, Lunte drehn, die freilich das ausgeweitete Loch besser ausfüllen als der dünne Stöpsel eines dürren, klapperbeinigten Schauspielers.

Herr v. L. hat sich vorgenommen, ein Riesengeschlecht auf den Leipziger Kreis zu verpflanzen, und wühlt daher mit seiner Kleinheit unaufhörlich in dem unermeßlichen Raume der Madam P. herum, legt aber doch auch zuweilen seine Artilleriestücken an, um die verwachsene Enge seiner kleinen Gemahlin wenigstens nicht ganz verschütten zu lassen.

Die Madame S. bezahlt drauf und drein, damit arme Schlucker sich überwinden mögen, ihre Geilheit zu stillen. Doch soll der Schneider Just für einen eschappierten entwischten. Liebhaber noch eine Rechnung von ihr erhalten, sie seufzt daher sehr ängstlich nach der Wiederherstellung des Handels nach Rußland, um dann mit dem gelösten Flötengelde den Schneider richtig zu vergnügen.

Das wären denn nur einige der Auffallendsten, lieber Baron, die mir im Vorbeigehn so aufstießen und worunter denn nun freilich die meisten schon verblüht oder auch nie geblüht haben und die Befriedigung ihrer Wünsche deshalb auch sehr teuer erkaufen müssen. Allein die Übrigen alle dir zu nennen, die ebenfalls so grausam nicht sind, um Huldigungen zu verschmähen, bin ich schon darum nicht imstande, weil ich dir sonst wenigstens die Hälfte der Leipziger Weiber und Mädchen nennen müßte und gar leicht mit dem Register derselben ein ganzes Alphabet ausfüllen dürfte.

Soviel aber kann ich dir auf mein Gewissen versichern, daß so leicht kein Mann in Leipzig existieren wird, der nicht Hörner trüge, und im Gegenteil, daß es ebensowenig Weiber gibt, die sich rühmen dürften, treue Männer zu haben.

Kurz, in Leipzig läßt sich alles, was Atem hat, – – nur mit dem einzigen kleinen Unterschiede, daß die Wege, zu dem Vollgenuß ihrer Liebe zu gelangen, sehr verschieden, ebendeshalb aber auch die Früchte bald süßer, bald minder angenehm sind. Die Damen, die ich dir vorhin genannt habe, sind meistens alle mit sehr wenig Mühe zu besiegen, und du wirst daraus auch ohne mein Zutun den Schluß ziehen, welch ein beschränktes Vergnügen man bei ihrem Genuß sich zu versprechen habe; allein zur Ehre der Leipziger Schönheiten und zu deiner selbsteigenen Beruhigung sei es gesagt: man findet unter ihnen auch Damen, die delikater, feiner und artiger behandelt sein wollen, – die man erst ganz entfernt auf sich und seine Wünsche aufmerksam machen, mit denen man erst lange von Sympathie und Harmonie der Seelen sprechen muß, um denn aber auch desto süßer mit ihnen in himmlische Akkorde zu verschmelzen, – und dies sind dir denn doch wohl ohnstreitig die liebsten, bester Baron!

Ja, mir wären sie es freilich auch und würden es jedem andern an unserer Stelle gleichfalls sein, wenn – nur jeder auch unsere Börse führte! Aufwand und Kosten darfst du durchaus nicht scheuen, sonst erstirbt dein Werk in seinem ersten Beginnen! Oh, wie mancher hat sich nicht schon in Leipzig auf viele Jahre verschuldet, bloß um einer schönen Frau zu gefallen; ja, und um ihnen lange zu gefallen, wahrlich, lieber Baron, da gehören schwere Summen dazu.

Ich bedaure in der Tat diese guten Weiber, daß sie zu ihrem eigenen Schaden einen Ton einführten, der ihnen das Annähern so manches rüstigen Kämpfers entzieht, welcher ihnen freilich wohl weniger mit glänzendem Aufwände, desto mehr aber (und das ist doch wohl vorzüglicher?) mit steifer unbiegsamer Mannkraft huldigen könnte!

Hier, mein lieber Baron, hast du denn also die Resultate meiner Erfahrungen und gesammelten Bemerkungen über den Zustand der Galanterien in Leipzig. Mancherlei Nebenumstände habe ich bereits noch im petto, und ich werde nicht ermangeln, bei vorkommender Gelegenheit sie genauer zu detaillieren. Jetzt nur noch soviel:

Alles läßt sich in Leipzig erweichen, vom Stubenmädchen an bis zur Frau Hofrätin; jede will auf ihre eigene Manier bestürmt sein (und das darf man durchaus nicht versehen!), so wie denn auch jede sich gewöhnlich nach dem dicksten, aber nicht, wie in Berlin, nach dem längsten umsieht – ein Beweis, daß die hiesigen Engen immer früher weit werden als die Berliner. Endlich ist denn auch unter ihrer Arbeit ein gar verfluchter Unterschied zu machen, doch mit dem schönen Zusatz, daß die, welche durch Schwächlichkeit verhindert werden mit Wiedergeben und Nachheben sich zu befassen, dafür durch ein desto sanfteres Dahinschmelzen und mattes wollüstiges Ersterben dem brennenden Eiferer den Verlust dieser sonst so angenehmen Nachhilfe doppelt ersetzen und dennoch auch weit mehr empfinden als unsere kalten Berlinerinnen. Und hiermit will ich vor jetzt wenigstens von dieser Charakteristik abbrechen und zu den versprochenen noch rückständigen Bemerkungen übergehen, die ich kürzlich über die Leipziger Messen gemacht habe.

v. N. N.


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