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Zweiundzwanzigstes Kapitel

Der Urheber dieses für die englische Machtstellung in Indien so verhängnisvollen Zwischenfalles, Mr. Harry Webster, saß zu dieser Zeit – es mochte gegen sechs Uhr abends des zweiten auf die Bankettnacht folgenden Tages sein – an seinem Schreibtisch und arbeitete wie gewöhnlich, das heißt mit ungeteilter Aufmerksamkeit und bekannter Gewissenhaftigkeit. Er wußte, daß der einmal ins Glimmen gebrachte Funken ohne sein ferneres Zutun weiterschwelen würde, bis er zündend in die Pulvertonne aufgespeicherten Hasses gegen die fremden Zwingherrn schlug. Die Brahminen hatten sich, wie vorauszusehen war, der Macht der reichlich verteilten Rupie nicht entzogen. Mr. Webster hatte nie die Bedeutung rollenden Goldes als Bundesgenossen unterschätzt. Die Vorarbeit der willfährigen Priester war des gezahlten Preises wert.

Diesmal hatte sich der Detektiv nicht durch verstaubte Bände der Sanskritliteratur durchzuwühlen. Die vorliegende Arbeit war entschieden leichter, vielleicht auch interessanter. Schon rein äußerlich unterschied sich das Material in vorteilhafter Weise von dem des letzten Schreibtischstudiums. Mr. Webster griff in das Bündel der Briefschaften des Colonels Winfried Barney, Platzkommandanten von Bombay, die durch die Geschicklichkeit Fred Pearsons aus dem Geheimfach des Schreibtisches ihres früheren Besitzers auf den Diplomat des Detektivs herübergewechselt worden waren, mit bedachtvoller Auswahl hinein und legte einen duftenden Liebesbrief zu dem anderen. In der Mehrzahl waren es kurze Billets, Verabredungen betreffend. Aber auch ausführliche Briefe, – seltsam berührende Geständnisse einer merkwürdigen Leidenschaft. Sogar Drohbriefe fanden sich vor. Auffallend war die Angewohnheit der Briefschreiberin, das Papier – feinstes, geschöpftes Bütten – zu parfümieren. Doch war es ein Parfüm von so besonderem Duft, daß man es mit keinem der gangbaren wohlriechenden Wasser hätte vergleichen können. Und eben deshalb, weil alle Vergleichsmöglichkeiten fehlen, läßt es sich auch nicht gut beschreiben. Gleichwohl kannte Mr. Webster dieses Parfüm. Kannte es sogar sehr gut. Auch dessen Anwenderin. Denn wie das benutzte Parfüm nur sich selbst verglichen werden kann, ebenso auch dessen Eigentümerin. Denn in der »Großen Welt« existiert »Principessa Jaguar« in nur einem Exemplar.

So hatte sich die Briefschreiberin in ihrem Billets an den Colonel auch unterschrieben. Die Schriftzüge waren unverhältnismäßig groß, eckig und ohne überflüssiges Schnörkelwerk, was aus einen energischen Charakter schließen ließ.

»Also hier findet man sie wieder, die häßlich-schöne, launenhafte und exzentrische »Principessa Jaguar«!« sprach der Detektiv zu sich selbst, einige male im Zimmer auf und ab wandelnd, wie es seine Gewohnheit ist, wenn er einem neuen Entschlusse entgegensieht. »Sie scheint ja einen großen Gefallen an ihrem Kosenamen zu finden, daß sie ihn aus der neuen Welt nach dem uralten Lande des heiligen Ganges mit herübergebracht hat. Der aufsehenerregende Skandal mit Mr. Edward Spencer, dem kalifornischen Trustmagnaten, dürfte der reizenden Dame den Aufenthalt an den Gestaden des Sacramento verleidet haben. Es ist zwar jetzt nicht die Stunde, um Besuche abzustatten, so wie ich die Principessa aber kenne, dürfte sie für ihre Freunde stets zu sprechen sein. Und warum sollte ich mich nicht zu diesen zählen dürfen? – Gehen wir also–...!« entschied der Detektiv, ins Ankleidezimmer hinüberschreitend.

Eine Viertelstunde später fuhr Mr. Webster in einem schneidig gelenkten Dogcart vor dem palastartigen Hause der Signora Vilja da Ramini vor. Wenige Minuten nur hatte Mr. Webster auf das Erscheinen der eleganten Weltdame mit der sprichwörtlichen dunklen Vergangenheit zu warten. Wahl und Anordnung der luxuriösen Möbelstücke und nicht zuletzt die hunderterlei, scheinbar ordnungslos und doch wieder so reizend harmonisch umhergestreuten Zierstücke, Statuetten, Vasen, Felle und Kissen verrieten, wie Mr. Webster mit einem flüchtigen Blick feststellte, den geläuterten Wohnungskunstgeschmack einer vollendeten Weltdame.

Der Besucher, der es nach amerikanischem Brauch für überflüssig gehalten hatte, seine kräftigen Glieder und gut ausgeglichenen Körperformen in den Leichenbitterfrack – den traditionellen europäischen Gesellschaftsanzug – zu zwängen, trug einen hellen Cutaway mit gleichfarbiger galonierter Hose. Nachlässig warf er die gelben Handschuhe mit schwarzen Rückenstreifen in den seidengefütterten Innenraum des perlgrauen, schwarzumbandeten Zylinders, den er auf den Boden zur Seite einer mit amethystfarbener, lotosdurchwirkter Seide ausgeschlagenen Plauderstuhles niedergesetzt hatte.

Mit verschränkten Armen in die linke erhobene Hand nachdenklich das glattrasierte, scharf gemeißelte Kinn gestützt, stand Mr. Harry Webster in Betrachtung eines Gemäldes versunken da, welches durch das gewählte Motiv wie auch die laute Art der Farbengebung, nicht aber durch seine geniale Pinselführung aus dem prunkenden Goldrahmen heraus förmlich nach Beachtung zu schreien schien.

Ein dumpfes Schnauben und Knurren ließ Mr. Harry Webster aufmerksam werden. Die Flügeltüren waren aufgesprungen und herein schritt mit bewußter Grazie die Principessa selbst. Ihr nach schlich ein prächtig gefleckter Jaguar, von dem das mißmutige Knurren ausgegangen war. wie Tags zuvor der Tiger, blinzelte der Jaguar den Detektiv tückisch, fast verächtlich aus seinen rötlichen Augen an. Die Bestie schien nicht viel von dem Menschen da zu halten, der möglicherweise gekommen war, die Stunden des Spiels und Alleinseins mit seiner Herrin zu stören.

Signora war natürlich Weltdame genug, um ihrem unerwarteten Besucher die freundlichste Miene zu zeigen. »Ah –! Willkommen in meinem Heim!« machte sie erfreut und streckte dem höflich sich verneigenden Kavalier die zarten, blaugeäderten, juwelenfunkelnden Händchen aus den weiten Ärmeln ihres japanischen Kimonos entgegen. Ihrer schlanken Gestalt stand dieses lange, vorn offene, der Tunika ähnelnde Gewand vorzüglich. In der Taille wurde es von einem Gürtel mit einer überaus reich mit Türkisen und einem großen Amethyst besetzten Schnalle zusammengehalten und geschlossen.

Man hätte der Signora Gesichtszüge häßlich nennen können, mindestens hart und brutal, hätten daraus nicht hinter blutroten Lippen zwei Reihen prachtvoller, kerngesunder – gewiß eine Seltenheit! zumal bei Damen – Perlzähne mit einer blitzenden Heiterkeit die ganze Welt angelächelt. In den Pupillen eine sengende Glut. Die Nase, nicht eben klein, war von einem wunderbar gradlinigen Schnitt. Über der für eine Frau auffallend hoch gewölbten Stirn türmte sich zu einem kunstvollen Naturdiadem aufgesteckt, das rötliche, goldgepuderte Haar. Es stak unleugbar Majestät in dem temperamentvollen Geschöpf.

Mr. Webster küßte der Schönen mit spöttischer Artigkeit die Hand. »Ich schätze es als eine unverdiente Ehre, zu dieser Stunde von Ihnen empfangen zu werden, – Principessa,« begrüßte er sie, das »Principessa« stark betonend.

Signora stutzte leicht. Stirnrunzelnd beugte sie sich über ihren treuen Begleiter, den Jaguar, herab und entnahm dem silbergeflochtenen Körbchen in dessen Schnauze die elfenbeinerne Visitenkarte. »Mr. Harry Webster« las sie mechanisch ab, ihr Gegenüber aus halbgeschlossenen Augen prüfend anblickend. »Ich wüßte nicht, daß ich einmal –; aber man hat so viele Bekannte, entschuldigen Sie bitte. – Indessen –, darf ich Sie einladen, Platz zu nehmen?«

»Zu viel der Ehre. Höchstens zu Ihren Füßen«, versetzte der Detektiv, den ironischen Ton beibehaltend.

Und die Signora mit einem mißtrauischen Blick auf den Sprecher:

»Warum gerade zu meinen Füßen? Finden Sie diese Causeuse dort nicht angenehmer?«

»Angenehmer – ja. Das heißt: nach meinen Begriffen. Signora werden aber gewohnt sein, die Männer sonst zu Ihren Füßen liegen zu sehen.«

Abermals streifte die Signora den anzüglichen Besucher mir einem abweisenden, fast strafenden Blicke über die herrlich abgerundeten, ebenmäßigen Schultern hinweg, ehe sie ihren Körper mit einer lässig vornehmen Bewegung in einen Schaukelstuhl fallen ließ. War es nun Koketterie, Gewohnheit oder Gereiztheit –, genug sie schlug sich mit der unvermeidlichen Gerte wippend gegen den braunroten, schmiegsamen Schaft des rechten Stiefels mit dem sehr hohen Absätze, wie Signora sie nun einmal liebte. Der allerliebst geblümte seidene Kimono mit dem seitwärtigen Knieschlitz begünstigte diese Zurschaustellung eines wunderbar schöngeformten Frauenbeines. Das rechte Bein hatte Principessa Jaguar in burschikoser Manier über das linke geschlagen; dieses hinwiederum auf den mächtigen, auf seinen beiden vorgestreckten Pranken hingebetteten Kopf des Jaguars sorglos aufgestützt.

»Sie haben eine merkwürdige Art, Konversation zu machen, mein Herr,« sagte die verstimmte Schönheit mit verhaltener Nervosität. »Sie beginnen mich damit zu langweilen, Mr. –« Ihre Rechte suchte mit gequälter Mühe nach der Elfenbeinkarte.

»– Webster. Harry Webster«, ergänzte mit einer höflichen Verbeugung der Detektiv ruhig und ohne sich von der versteckten Beleidigung, die mit dem absichtlichen Vergessen seines Namens verknüpft war, im geringsten getroffen zu fühlen.

»Ah –! ganz recht. Ich danke Ihnen. – Also, Mr. Webster was verschafft mir die Ehre Ihres Besuches?« Die Dame gab sich ersichtlich Mühe, diese hergebrachte Formel mit einem gewissen feierlichen Ernste vorzubringen. Im nächsten Moment brannte aber ihr Temperament schon wieder mit ihr durch. Sie lachte, daß es klang, als tönten verwunschene Silberglocken durch den Raum. »Wie so ehrbar das klingt, nicht wahr?« – »Was verschafft mir die Ehre!« – »Oh über das feierliche Komödiantentum der wohlerzogenen Menschen! Reizt so etwas nicht Ihre Lachmuskeln, Mr. Webster?«

Den ironischen Unterton immer noch beibehaltend, wartete ihr der Detektiv als Antwort mit einem zweideutigen Kompliment auf. »Ihre Fertigkeit in der Aussprache des Amerikanischen zwingt mich Verächter der Frauen, wenigstens eines gewissen Typs, bildlich vor Ihnen in die Knie. Weiter oder tiefer, wie Sie wollen, bringe ich es mit dem besten Willen nicht, wenn Sie aber, meine Gnädigste, das Menschenleben als eine so lächerliche Farce anwidert, warum sind Sie dann nicht die erste, die den Mut hat, die Maske des Komödiantentums von sich zu werfen und –«

»Ich verstehe nicht,« unterbrach die Signora ungeduldig und führte einen regelrechten Quarthieb durch die pfeifende Luft. »Im übrigen –«

»Im übrigen,« setzte der Detektiv mit ihren Worten seine unterbrochene Rede fort, »ist es eine ganz banale und prosaische geschäftliche Angelegenheit, die mir die »Ehre verschafft,« von Signora empfangen worden zu sein.«

»Sie sind doch nicht Vertreter eines weltberühmten amerikanischen oder europäischen Kostümateliers?« scherzte die Dame. »Als solcher wären Sie mir allerdings hochwillkommen. Sämtliche Modehäuser Asiens vermögen den Wert eines einzigen europäischen Damenateliers nicht aufzuwiegen. Sie sehen« – mit einer Handbewegung auf ihr ohnehin so leichtes Gewand – »Sie sehen ja, daß ich bereits auf den japanischen Kimono gekommen bin, oder vielmehr der Kimono mir auf den Leib.«

»Bedaure unendlich, Ihren Wünschen nicht dienen zu können,« entgegnete der Detektiv im Tone eines höflichen Geschäftsmannes. »Ich habe nur den Vorzug, mich den Vertreter und Anwalt aller bedrückten Menschen nennen zu dürfen.«

»Ein wie edler Beruf!« Sich durch ihr Benehmen mit ihren Worten selbst in Widerspruch setzend, streichelte Principessa mit der Fußspitze ostentativ die kurzen Ohren der Raubkatze, wie um darzutun, als sei dieses reizende Geschöpf weit mehr teilnahmvoller Liebe bedürftig und würdig als alle Menschenkreaturen zusammengenommen. »Und eine solche humane Angelegenheit führt Sie zu mir – ausgerechnet zu mir?«

»Ja, ausgerechnet zu Ihnen, Principessa Jaguar, obwohl Sie ganz und gar nicht bedrückt erscheinen und obschon, wie man weiß, Sie für die leidende Menschheit nicht das leiseste Mitgefühl übrig haben. Eher das Gegenteil –!«

»Mein Herr,« entrüstete sich die getroffene Signora, »ich muß Sie sehr bitten, mir im Schutze des Gastrechts in meinem eigenen Hause keine Ungezogenheiten zu sagen.«

»Keine Sorge, Signora, Sie sollen mich nicht als Gesetzesschänder der natürlichen Anstandsgebote kennen lernen. Ich wünsche von Ihnen nur zu wissen und bitte Sie sogar darum, mir zu sagen, ob Sie sich heute noch mit Ihrem Freunde, dem Platzkommandanten von Bombay, Colonel Winfried Barney, Esquire, treffen oder nicht?«

Mit einem Ruck stand die elastische Dame auf den Füßen. Auch der Jaguar war erschreckt hochgeschnellt und umdrängte wedelnden Schweifes und bedrohliche Knurrlaute ausstoßend seine Herrin.

»Kusch, Bobby!« rief Signora mit einer Stimme, die wie ein schriller Trompetenstoß durch den Raum fegte. Und als das Tier sich dem Befehle gefügt hatte, mit weicherer Stimme: »Es ist rührend von dir, du süßes Vieh, deiner Herrin so beizustehen.« Und dann den aufdringlichen Besucher mit einem herrischen Blicke in die Bahnen der Schicklichkeit verweisend: »Man soll erfahren, daß ich mit Buben, die gekommen sind, eine da Ramini zu beleidigen, zu jeder Stunde noch allein fertig werde. Mein Herr,« schloß sie mit einer königlichen Gebärde des stolz in den Nacken zurückgeworfenen Hauptes, »mein Herr, ich muß Sie dringend ersuchen, mich augenblicks der Ehre Ihrer Gegenwart zu berauben.«

»Warum so gewalttätig?« höhnte der Detektiv, der ruhig sitzen geblieben war und natürlich sehr wohl wußte, was man einer Dame vom Schlage der abenteuernden Principessa bieten dürfe, ohne grob zu werden, »Warum legen Sie mir nicht einfach nahe, mich auf gut französisch zu empfehlen?«

»Ich bitte sich wieder setzen zu wollen. Diese Anmaßung des nur Ihnen zustehenden Hausrechtes verletzt allerdings etwas den guten Ton. Doch auch Sie haben ihn ja nicht in Erbpacht genommen, wie Ihr Verhalten von vorhin lehrt. Nevermind. – So –! Ich danke verbindlichst. Und nun haben Sie noch die entzückende Liebenswürdigkeit, mir meine Frage gewissenhaft zu beantworten.«

Wohl zum ersten Mal in ihrem bewegten Leben mochte die herrschgewohnte Lebedame mit einem Manne von so ausgeprägter Willensfestigkeit, wie Mr. Webster sie bekundete, die Klinge des Geistes kreuzen. Sie fühlte sich als die Unterliegende in diesem Zweikampfe und ging, wenn schon widerwillig, auf das gestellte verlangen ein.

Sehen Sie, Signora,« ermunterte der Detektiv, der klug genug war, in seiner Partnerin das demütigende Gefühl des Besiegtseins nicht überhand nehmen zu lassen, – »sehen Sie, jetzt verstehen wir uns schon besser. Und warum auch nicht, da wir doch in der Tat alte Freunde aus der Neuen Welt sind? Einen Augenblick Geduld, bitte: ich werde Ihrem Gedächtnis sogleich zur Hilfe kommen. Unter Freunden aber sollte man auf keinen Fall eine Komödie inszenieren wollen. Und deshalb: Herunter mit der Maske! – Also: – Treffen Sie sich heute mit dem Colonel?«

»Nein.«

»Gut, dann will ich, daß Sie sich heute noch mit ihm treffen, und zwar draußen in der Villa »Alligator.« Bitte sich nicht an dem Namen zu stoßen. Der sie beide dort empfängt, wird Ihnen sicherlich kein Leid antun. Man wird nur einige Fragen an den Colonel zu richten haben; das ist alles. Sie sehen jetzt, gefährlicher als eine Fahrt aufs Standesamt ist diese Spritztour in des Colonels 10 P. S. Viktoria-Wagen auch nicht. – Top! gilts?«

Signora zauderte.

»Der sehr tapfere Colonel,« ermutigte der Detektiv, »ist ein Sklave Ihres Willens. Bitte keine Ausreden! – Es kostet Sie also nur ein Wort oder –« – mit warnend erhobenem Zeigefinger – »Ihre Stellung in der Bombayer Gesellschaft!«

»Mei-ne Stel-lung? – Was wollen Sie damit sagen?«

Der Detektiv schaute sich vorsichtig nach allen Seiten um, ob man auch vor unberufenen Zuhörern sicher sei. Signora verstand und beschwichtigte: »Sie können frei heraussprechen. Wir sind hier unbelauscht. Und vor Bobby habe ich ja keine Geheimnisse. Auch wüßte ich nicht, was so Besonderes Sie mir zu sagen hätten, daß es niemand hören dürfte.«

»Reden Sie sich immerhin selbst Mut ein, Principessa, wenn Sie dessen bedürftig zu sein glauben. Mich, der ich Sie von den Ufern des Sacramento her besser kenne, täuscht man damit nicht.«

Beim Anhören der letzten Worte verfärbte sich die Weltdame leicht. »Wie kommen Sie gerade auf den Sacramento zu sprechen? – So reden Sie doch!« drängte sie. Lieber das Schlimmste aus dieses verhaßten Mannes Munde hören, als länger im Ungewissen schweben.

Mr. Harry Webster beugte sich leicht zur Signora hinüber, fixierte sie scharf und sagte weiter nichts als: »Mr. Spencer!«

Da zuckte die Dame heftiger zusammen, als das vorige Mal. Wie zur Abwehr streckte sie beide Arme weit von sich. »Wie –?« brach es sich in jähem Erschrecken von ihren allen bösen Leidenschaften geweihten Lippen. »Sie wissen davon?!«

»Ich weiß alles,« bekräftigte der Detektiv. »Beliebt es Ihnen Einzelheiten zu hören?«

»Ich bitte Sie, verschonen Sie mich damit.« Klar wurde es jetzt der großen Kokotte bewußt, daß sie, so stark sie sich bisher auch gefühlt haben mochte, im Grunde genommen doch nur ein Bündel rebellierender Nerven war. Ein nervöses Zittern befiel ihre Glieder.

»Sehr wohl,« versetzte Mr. Webster, »Ihrem Wunsche soll gewillfahrtet werden. Mir bereitet es durchaus kein Vergnügen, meine Mitmenschen geistig oder körperlich zu quälen und zu foltern. »Sie werden also,« schloß er bestimmten Tones, »heute abend punkt 8 Uhr mit dem Colonel an der Villa vorgefahren kommen.«

»Ja, – es sei.«

Es dauerte gut drei Sekunden des Überlegens, ehe sich die Signora zu diesem Entschlüsse durchgerungen hatte. Bevor jedoch der Entschluß den Weg über die Lippen gefunden hatte, und ehe sie noch die verhüllenden Lider über das verräterische Feuer eines hinterlistigen Gedankens in ihren Augen herabziehen konnte, hatte Mr. Websters scharfer Blick deren Leuchten erfaßt und ihn gewarnt, auf der Hut zu sein vor etwaigen Anschlägen dieses gefährlichen Weibes.

»Ich danke Ihnen, Signora da Ramini,« sagte er, zum erstenmale ihren Familiennamen aussprechend, als habe sie jetzt erst sich den Anspruch auf des Detektivs Respekt, wie man ihn sonst jeder Dame ohne weiteres zollt, erkauft. Er erhob sich von seinem Sitze und empfahl sich mit einer stummen Verbeugung, da Principessa Jaguar es vorzog, sich angelegentlich mit Bobby zu beschäftigen. Dies es Tier allein hielt sie echter Treue für fähig.

Aber jener dort –; der andere, jener Mensch, der wie ein Aufrechter von ihr ging und in dem sie zähneknirschend und zu ihrer größten Beschämung, wie ihre verkehrte Denkart ihr vorwarf, den Herrn der Schöpfung erkennen mußte, er würde etwas verraten, wenn sie sich nicht bedingungslos seinem verhaßten Willenszwange fügte.

Sie fühlte es mehr, als daß ihr Ohr es vernahm, daß er jetzt die Hand nach der Klinke ausstrecken würde – und ihrer nicht mehr mächtig, hieb sie wütend auf Bobby ein!

Ein heiseres Brüllen stand plötzlich in der schwülen Luft des luxuriösen Salons. Und in ihr gellte der Ruf: »Faß an, Bobby! Faß!«

Schlag, Brüllen, Schrei und der Sprung des Jaguars auf die entschwindende Gestalt des Mannes füllten noch nicht einmal das Ticken zwischen zwei Sekunden aus. Blitzschnell auf dem Absatz herum wirbelnd, sieht der an Leib und Leben Bedrohte die langgestreckte Tiergestalt die Luft durchbohren. Hatte ihn der Schreck, hatte ihn Geistesgegenwart niedergerissen, – jedenfalls lag Mr. Webster im selben Moment auch schon platt auf dem Boden. Des gesteckten Zieles verlustig, sauste der einmal in Schwung gesetzte Körper der Bestie hemmungslos durch die bereits geöffnete Tür und landete mit zerschmettertem Schädel in der klirrend über ihn herabstürzenden Scheibe des Spiegels auf der Vordiele.

»Mein Kompliment, Principessa Jaguar!« sagte der Detektiv mit kühler Ironie, nachdem er sich wieder erhoben hatte und sich zum Gehen anschickte. »Ich darf Signora wohl bitten, sich ihres armen Lieblings persönlich anzunehmen, dieweil ich meine Sorgfalt ausschließlich meinem Zylinder hier zuwenden muß. Es scheint, als habe er bei der amüsanten und kurzweiligen Rutschpartie doch etwas Schaden gelitten.«

Liebevoll bürstete der Detektiv mit dem rechten Ärmel einige Stäubchen vom Zylinder und setzte ihn nach Weise eines echten Stutzers tief in den Nacken. Und einen letzten geringschätzenden Blick auf seine vor ohnmächtiger Wut knirschende Todfeindin werfend, meinte er zwischen Tür und Angel:

»Fürwahr –, das nenne ich sich einen Abgang mit pompösem Knalleffekt sichern!«


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