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Fünfzehntes Kapitel.

Um 9 Uhr 20 Minuten wurde im Hause Nummer 6 der Esplanade eingebrochen.

Der nächtliche Störenfried, ein mit der Örtlichkeit anscheinend vertrauter Mensch, nahm seinen Weg durch den hinteren Garten, schob geräuschlos die Jalousien hoch und stieg durchs Fenster ein. Er ging geradeswegs auf die gegenüberliegende Tür zu, durch deren Schlüsselloch ein Lichtstrahl zitterte.

Gleichzeitig mit der ausgestreckten Hand des nächtlichen Gastes legte sich drüben im Zimmer eine zweite Hand auf die Türklinke. Halb gestoßen, halb gezogen, ging die Tür auf–...

Auge in Auge standen sich die beiden Männer, – der zerlumpte hüben, der elegant gekleidete drüben – für den Bruchteil einer Minute einander gegenüber. Der Einbrecher mit einer geradezu frech zu nennenden Ruhe und nicht im geringsten bestürzt, der Kavalier kopflos vor Verwirrung und Überraschung. Impulsiv zuckte seine Hand nach der Tasche, wo er die Waffe zu führen pflegte.

»Keine Torheiten!« sagte der Zerlumpte mit einem überlegenen Lächeln und ohne mit der Wimper zu zucken. – »Bitte, wieder Platz zu nehmen!« Eine königliche Geste begleitete diesen Befehl aus dem Munde des selbstherrlichen Nachtfahrers. Da der andere ihm offenbar nicht rasch genug voranmachte, schob er sich rücksichtslos an ihm vorbei und in das Zimmer hinein.

Jetzt erst fand der elegant Gekleidete die Sprache wieder.

»Die Parole, wenn's beliebt!« sagte er nach einem genaueren Blick in das Antlitz des Fremden.

»Soma Soma, der Gott der Mondes. und die Unabhängigkeit!« flüsterte der Zerlumpte.

Da flog ein freudiger Strahl über das Antlitz des Gentlemans. Höflich beiseite tretend, sagte er:

»Sie können passieren – verzeihen Sie mein Mißtrauen, Mr. Webster.«

»Sie handelten soweit ganz richtig, mein Freund,« versetzte der Detektiv und trat auf den Schreibtisch zu. »Nur – – nur kennt man im Hause Nummer 6 der Esplanade keinen Herrn gedachten Namens, wohl aber einen Mr. James Parker, Aktionär aus Kalkutta.«

Patrick Shine, einer der vielen Gehilfen des berühmten Detektivs, Irländer von Geburt, wollte ein Wort der Entschuldigung vorbringen, das Mr. Webster mit einer abschneidenden Geste erledigte.

»Liegt etwas von Wichtigkeit vor?« fragte er mit geschäftiger Kürze, »vielleicht Nachrichten von Mr. Pearson.«

Der Gehilfe behändigte seinem Chef drei Drahtnachrichten hinüber, der interessiert den gedrungenen »Kursbericht« seines Börsenmaklers »Pear and Son« überflog. Die erste Mitteilung lautete:

»In C. A. C.-Shares noch keinen Abschluß erzielt. – Pear and Son.«

Von der Hand Patricks trug die erste Mitteilung den Eingangsvermerk: »7 Uhr 30 Minuten abends«.

Der zweite Bericht lautete:

»Kauften auftraggemäß 1000 C. A. C-Shares. Sicherste Anlage. Weiterer Aufträge gewärtig. – Pear and Son.«

Uhrenstempel: »8 Uhr 50 Minuten abends.«

Der dritte:

»C. A. C.-Shares deponiert, wie vereinbart. Depot zu Ihrer sofortigen Verfügung. – Pear and Son.«

Uhrenstempel: »9 Uhr 12 Minuten abends.«

Gleichlautende Meldungen waren außerdem noch eingelaufen in sämtlichen Bombayer Wohnungsstützpunkten des Detektivs. Mit dem einzigen Unterschied, daß der Name des Adressaten jedesmal anders lautete.

» Very well,« sagte der Detektiv und sog leise die Luft durch die Zähne. »Ich kalkuliere – ein gutes Geschäft.« Er warf die Telegramme ins Feuer und wartete, bis sie sich in Asche verwandelt hatten. »Und mit einem zufriedenen Lächeln zu Patrick Shine gewandt: »Pear and Son sind eine durchaus verläßliche Firma. – Ich gehe das Depot abheben.«


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