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Viertes Kapitel

Einen verständnisvollen Gönner hatte Hans in dem Fürsten von Hohenzollern-Hechingen gewonnen. Dieser suchte unter dem Eindruck der Wagnerschen Faust-Ouvertüre, die Bülow in seinem letzten Winterkonzert dirigierte, seine persönliche Bekanntschaft, Frau von Olfers vermittelte sie bei einer ihrer Gesellschaften. Dort zog der Fürst Hans und Cosima in ein längeres Gespräch und äußerte den Wunsch, in die ihm noch unbekannte Tonwelt Richard Wagners eingeführt zu werden. Er lud beide für einige Aprilwochen auf sein Schloß Löwenberg in Schlesien, wo sich Gelegenheit bieten würde, durch Klavier- und Orchestervorträge mit Erläuterungen das Wichtigste von Wagner zu Gehör zu bringen.

Auf Grund einer Bemerkung Bülows, der beste Kenner auf diesem Gebiet sei und bleibe doch Franz Liszt, erging auch an diesen in sehr verbindlichem Handschreiben eine Einladung. Liszt sagte zu, obgleich es ihn in seiner Arbeit störte und ihn die Wittgenstein ungern von sich ließ. Cosimas herzliche Bitte trug über deren Gemäkel den Sieg davon.

Schloß Löwenberg war voller Gäste. Jagdliebhaber sammelten sich zur Auerhahnbalz, ihre Damen erholten sich reitend und spielend im Park von den Strapazen der winterlichen Geselligkeit. Die Gemahlin des Fürsten, in morganatischer Ehe ihm angetraut, befand sich auf Reisen, seine Töchter machten an der Seite einer würdigen Tante die Honneurs. Liszt und Bülows waren hier die hervorragendsten, wenn auch nicht die einzigen Künstler. Fürst Friedrich Wilhelm hielt sich nach dem Vorbild des österreichischen Hochadels eine eigene Kapelle, beschäftigte und beherbergte auch Architekten, Bildhauer und Maler: die Schauspielkunst vertraten der elegante Emil Devrient aus Dresden und die liebliche Marie Seebach, jetzt am Berliner Hoftheater, eine der Vertrautesten aus Cosimas Freundeskreis.

Cosima fühlte sich sofort sehr wohl und ganz in ihrem Element, besonders glücklich darüber, daß sie den Vater wieder einmal bei sich hatte. Aber auch Hans überraschte sie aufs angenehmste durch seine Umgänglichkeit und gute Laune. Wie immer, wenn er nicht dienstlich eingespannt war, kam seine lebensfrohe Natur zum Vorschein. Das kleine Appartement, das er mit seiner Frau bewohnte, Schlaf- und Toilettenzimmer und ein Salon, in dem selbst der Stutzflügel nicht fehlte, erinnerte ihn an die sorglose und behagliche Intimität seiner Hochzeitsreise. Jetzt endlich fand er Zeit, sich Cosima ganz zu widmen, und er tat es, fast unhöflich, auf Kosten der anderen Damen. Die Augen gingen ihm auf über die weiblichen Reize seiner Frau, er stellte Vergleiche an, die stets zum Vorteil derjenigen ausfielen, die er, so schien es ihm auf einmal, noch immer nicht genügend gewürdigt hatte. Schon seit jener Nacht, als sie, aus schwerem Traum auffahrend, seine Lippen gesucht halte, fand er sie begehrenswerter denn je, aber auch rätselhafter, unergründlicher; irgendeine Schwäche oder wunde Stelle ihres Herzens, die er sich nicht zu deuten wußte, rührte und entflammte ihn. Hier nun wieder war sie ganz die selbstsichere, strahlende Frau, ihm zugehörig und ergeben, doch noch lange nicht eins mit ihm.

Alle Herren, der Fürst nicht ausgeschlossen, machten ihr den Hof, was sie sich, ohne daß es der Gefallsucht bedurft hätte, gern gefallen ließ; sie nahm es wie einen Zoll, der ihr gebührte, frei von Ehrgeiz, frei von Eitelkeit. Diese ganze Gesellschaft vornehmer und reicher Grundbesitzer gefiel ihr, ohne sie zu fesseln. Kaum imstande, die einzelnen Gesichter zu unterscheiden und sich die Namen der verschiedenen Magnaten, der Hochberg, Schaffgotsch, Matuschka usw., zu merken, begegnete sie allen, insbesondere den stolzen Gräfinnen, mit unbefangener Liebenswürdigkeit, sprach frei von der Leber weg und in origineller Form ihre Meinung aus; alles ließ sich hören, wenn es die Herrschaften auch nicht immer gleich verstanden.

Noch schwerer wurde es deren ungeübten Ohren, den kleinen Konzerten zu folgen, die regelmäßig nach dem Diner der Kunst Richard Wagners gewidmet waren. Dabei dirigierte Bülow nach einleitenden Worten das Orchester, und Liszt führte am Flügel, die Motive erklärend, einzelne Abschnitte aus den bereits veröffentlichten Opern vor. Mit ungeteilter Aufmerksamkeit lauschte der Fürst an Cosimas Seite, von der er sich über diese und jene Stelle genauere Auskunft erbat.

Er war ein aufrechter älterer Herr von stiller, natürlicher Würde, der sich nie anders als in altmodisch geschnittenem Frack mit Vatermördern und breiter, schwarzseidener Binde zeigte. Das angegraute wellige Haar fiel über eine breite Stirn, die bedächtige, leicht schwäbelnde Sprechweise kennzeichnete den Süddeutschen. Vor Jahren residierte er noch als Souverän in seinem Fürstentum Hohenzollern, letzter Sproß der Linie Hechingen, hatte aber unter den Wirren des Aufruhrs von 1849 dem Thron entsagt und lebte nun als ein Prinz des königlich preußischen Hauses teils in Berlin, teils auf Löwenberg, wo zwei Kammerherren den Rest des vormaligen Hofstaats bildeten. Sein Fürstentum vermißte er kaum, als Mäzen förderte er selbstlos, unauffällig Künstler, deren Werke Eindruck auf ihn machten, und sammelte wertvolle alte Bände.

Seine umfangreiche, wohlgeordnete Bibliothek, von den Gästen wenig benutzt, lag im Erdgeschoß eines Schloßflügels nach dem Park hinaus, ein hoher, gewölbter Saal, in dessen Backsteinkamin während dieser kühlen, windigen Frühlingstage immer eine Pyramide von Buchenklötzen flackerte.

Hierher hatte sich Cosima einmal nach dem Frühstück zurückgezogen, um die schönen roten Maroquinbände von Voltaires Schriften zu durchblättern, vor denen sie in ihrer Schulzeit immer gewarnt, auf die sie also neugierig gemacht worden war. Als sie sich gerade, nicht ohne Vergnügen, in den ätzenden Spott der »Pucelle« vertieft hatte, hörte sie einen Schritt auf der Galerie über ihr. Der einsame Leser dort oben war der Fürst; mit zwei schweren Bänden bepackt, kam er die Wendeltreppe herab, entdeckte sie und entledigte sich seiner Last.

»Ah, Frau von Bülow hat sich eingefunden? Daß gerade Sie meinen Büchern die Ehre erweisen, verwundert mich nicht.«

»Ich war schon öfters hier, Hoheit. Für mich der verlockendste Raum des ganzen Schlosses.«

»Auch für mich – wenn das nicht ungastlich klingt. Und da Sie zuweilen die Bücher der Gesellschaftsunterhaltung aus dem gleichen Grunde wie ich vorziehen, so dient mir das zur Entschuldigung.«

Von der Parkwiese vor den Fenstern her hörten sie die hellen Zurufe reifenspielender Damen. Cosima warf einen Blick hinaus, sie hätte sich wohl beteiligen sollen, aber zwei alte Gräfinnen, die durch das Lorgnon die Jugend kritisch musterten, ließen sie ihre Absonderung nicht bereuen.

Der Fürst schob ihr einen Sessel an den Kamin und nahm ihr gegenüber Platz.

»Audienzen, die uns beim Lesen die großen Autoren gewähren«, fuhr er fort, »sind nun einmal fesselnder als Konversation mit unsresgleichen. Konversation bleibt immer Notbehelf.«

»Sie gilt den Deutschen weniger als den Franzosen«, bemerkte Cosima, »in Paris vollends kann sie einem zum Überdruß werden.«

»Das von Ihnen zu hören, erwartete ich, denn Sie haben immer etwas von Belang zu sagen. Ein Gespräch mit Ihnen ist Vorzug und Gewinn für jedermann.« Das altväterische, scheu hervorgebrachte Kompliment zwang ihr ein Lächeln ab.

»Woraus zu schließen wäre, daß Hoheit in diesem Punkte nicht verwöhnt sind.«

»Woher auch? Höfische Erziehung verbietet ja freien Austausch von Gedanken. Es erleichtert mich schon, Ihnen das aussprechen zu dürfen. Sie werden denken, daß ich doch jetzt ein unabhängiger Privatmann bin, aber leider hat sich dadurch in der Haltung der Menschen zu mir wenig geändert. Ich versuche, Männer von Geist an mich heranzuziehen, bin aber wohl zu ungeschickt, ihre Zunge zu lösen. Noch weniger gelingt es mir bei Damen. Sie sind die erste, Frau von Bülow, die – wie soll ich es gleich ausdrücken? – die mir meine Fragen menschlich beantwortet.«

»Nicht möglich! Ihre ...«

»Meine Frau? Meine Töchter? Gewiß. Nur verbinden mich mit ihnen keine geistigen Interessen. Als ich mich nach dem Tode meiner ersten Frau zum zweitenmal vermählte, dachte ich, ein einfaches Edelfräulein würde mir die Welt des Volkes, ich meine die der freien, gebildeten Gesellschaft, erschließen. Doch was man darunter versteht, ist eine zu dünne, exklusive Schicht.«

»Wir haben sehr bedauert, Ihrer Gemahlin, der Gräfin Rothenburg, nicht vorgestellt zu werden.«

»Wünschen Sie das nicht, gnädige Frau! Sie würden kein Gefallen aneinander finden« – eine Aufrichtigkeit, die er mit wehmütigem Ernst aussprach. »Die Gräfin wird von ihren Reisen vermutlich immer seltener zurückkehren und eines Tages gar nicht mehr.« Das sollte also heißen, daß die Scheidung so gut wie beschlossen war. Niemand wußte noch darum, Cosima fragte sich, warum gerade sie es zuerst erfahren sollte, zweifellos unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Sie empfand den Wunsch, das Gespräch zu beenden, doch schon setzte Fürst Friedrich Wilhelm seine vertraulichen Mitteilungen fort.

»Meine morganatische Ehe war ein richtiger Gedanke, nur irrte ich in der Person. Den Anspruch an die inneren Eigenschaften stellte ich nicht hoch genug. Ich hätte besonnener wählen sollen. Wäre ich Ihnen, meine gnädige Frau, rechtzeitig begegnet, so hätte ich das sichere Gefühl und wohl auch den Mut gefunden, Ihnen meine Hand zu bieten.«

Cosima schwieg bestürzt. Wie kam sie nur gleich los von dem galanten Hausherrn, der offenbar noch mehr auf dem Herzen hatte?

Erwartungsvoll, mit stummer Bitte, suchte er ihre Augen. In ihrer Verlegenheit hielt sie ihre Hände, die wirklich kalt geworden waren, über das Gitter des Kamins. Dann erhob sie sich mit raschem Entschluß und sagte:

»Hoheit verzeihen, wenn ich Ihre Bücher nun doch mit der Gesellschaft vertausche. Auch möchte ich Sie von Ihren Studien hier nicht länger abhalten.« Er folgte ihr bis zur Tür, vorsichtigerweise wandte sie sich nicht mehr nach ihm um. –

Nach wenigen Stunden erschien ihr der kleine Zwischenfall schon so bedeutungslos, daß sie keinen Anstand nahm, Hans damit zu necken.

»Stell dir vor, an wem ich eine Eroberung gemacht habe – am Fürsten Friedrich Wilhelm in höchsteigener Person!«

»Kein Wunder, das habe ich längst bemerkt«, antwortete er obenhin.

»Aber heute vormittag hat er mich sogar davon in Kenntnis gesetzt.«

»Was?!« fuhr Hans auf. »Er hat sich doch nicht unterstanden ...?«

»Beruhige dich, es war noch keine Liebeserklärung, nur ein resigniertes Geständnis in bedingter Form, dem ich rasch einen Riegel vorgeschoben habe.«

»Er soll auch seine Resignation für sich behalten, der alte Esel!«

»Warum gleich so hart? Unter der Einsamkeit seiner Stellung und der höheren Jahre leidet mancher.«

»Zum Donnerwetter, so laß ihn leiden!« Hans war wirklich wütend, und Cosima fand, daß ihm die Eifersucht, die sie noch gar nicht an ihm kannte, gut zu Gesicht stand. Unter ihrem Einfluß steigerte sich die Verliebtheit in seine Frau zur Siedehitze. Lachend nannte sie ihn einen Orlando furioso, einen Romeo, und drohte ihm, sie werde sich vom Fürsten ein eigenes Appartement erbitten müssen.

Hans war aber gar nicht spaßig zumute. Fiebernd vor unerträglicher innerer Unruhe, überfiel ihn die Vorstellung, als begänne er einen steilen Abhang hinabzurollen. Indem er sich klarmachte, daß Cosima ihm ja von Herzen zugetan war und von keiner Seite Gefahr drohe, hielt er den Sturz noch auf, aber eine unbestimmte Angst, deren Wachsen er nicht hemmen konnte, blieb in ihm. Hatte er denn Cosima irgend etwas vorzuwerfen? Nichts anderes, als daß sie nicht so war wie er – stärker, beschwingter, zukunftsreicher.

Nur ungern ließ er sie hier noch von seiner Seite, das Herz voll glühender Liebesworte, die er aber nicht aussprach. Manchmal ergriff er eine ihrer Hände; sie überließ sie ihm freundlich und ganz ruhig, weil er doch ihr lieber Hans, ihr getreuester Freund war.

Liszt war zu ihrem Leidwesen wenig sichtbar. Abgesehen von den musikalischen Zusammenkünften, bei denen er mit seinem Schwiegersohn das Programm bestritt, hielt er sich meist in seinem Zimmer auf, um zu arbeiten. Außerdem hatte er in einem der beiden Kammerherren einen alten Reisekameraden vorgefunden, mit dem er sich gut verstand, weite Spaziergänge machte oder eine Partie Pikett nach der anderen spielte. Cosima wurde seiner nur für Augenblicke habhaft. Er wußte sie bei Hans in guten Händen und freute sich, zu sehen, wie sie umworben wurde.

Es war schon gegen Ende ihres Aufenthaltes, daß er im Musiksaal unter vier Augen ihre Fortschritte prüfte. Sehr befriedigt erklärte er, sie könnte sich ruhig als Virtuosin hören lassen und nach einer letzten Anstrengung eine Rivalin der Clara Schumann werden.

»Dieses Urteil aus deinem Munde, Papa, genügt mir. Aber Rivalin werden mag ich nicht. Lorbeeren und Geld verdienen? Beides hat nicht den geringsten Reiz für mich.«

»Ich rede dir ja auch nicht zu. Du bist verheiratet und hast deinen Haushalt.«

»Na, auf den Haushalt würde ich zur Not verzichten können.«

»Aber wonach steht dir dann eigentlich der Sinn?«

»Nach einem unbestimmten Ziel oder vielmehr nach einem solchen, das sich in seiner Bestimmtheit erst noch enthüllen muß.«

»Hast du nicht jetzt schon alles, was das Leben bieten kann? Berlin liegt dir zu Füßen ...«

»Was mache ich mir schließlich aus Berlin!« rief sie und schnippte mit dem Finger. »Nichts gegen diese tüchtige Stadt! Doch wohnen könnte ich auch anderswo.«

»Mit deinem Manne?«

»Solange er mich braucht. Reisen könnte ich auch ohne ihn.«

»Reisen? Nur um den Schauplatz deiner Tätigkeit zu wechseln? Hast du etwa mein unglückseliges Vagantenblut geerbt?«

»Vielleicht. Nur zieht es mich nicht nach anderen Orten, sondern mehr nach neuen Menschen, ihre Schicksale zu teilen.«

Mißbilligend schüttelte er seine Mähne. »Unruhiger Geist! Man stürzt sich nicht ungerufen in fremde Abenteuer.« –

Die gelinde Abfuhr, die der Fürst von Cosima erlitten hatte, änderte nichts an seiner verehrungsvollen Haltung gegen sie. Ohne sich ihr auffälliger zu nähern als bisher, oder sie auch nur mit Blicken zu verfolgen, unterhielt er sich in größerem Kreise vorzugsweise mit Cosima, am liebsten über künstlerische Fragen, bei denen die anderen bald in Schweigen versanken. Auch Hans mischte sich dann nicht hinein, er begnügte sich damit, die Ohren zu spitzen. Unbefangener sprach der Fürst allerdings mit ihr, wenn ihr Mann nicht zugegen war.

Er hatte einen Wunsch auf dem Herzen, den er zuerst Franz Liszt vorlegte: ob er seine Tochter wohl bitten dürfe, ihm » en famille«, nämlich in Gegenwart von Vater und Gatten, etwas vorzuspielen. Nun, selbstverständlich! Warum denn nicht? Sie werde es sogar als eine Ehre betrachten. Liszt gab den Wunsch an Cosima weiter, die sich mit betonter Gleichgültigkeit bereit erklärte. Hans brummte nur:

»Eine richtige Paschalaune! Was hat er schon davon!«

Es wurde so eingerichtet, daß kurz vor dem Diner, als die übrigen Gäste noch bei der Toilette waren, die vier im Musiksaal zusammenkamen.

»Was wünschen Sie zu hören, Hoheit?« fragte Cosima etwas förmlich.

»Ganz nach Ihrem Belieben, gnädigste Frau – vielleicht etwas anderes, als was Sie der Gesellschaft bisher vorgetragen haben?«

»So wähle Wagner!« schlug der Vater ihr vor.

»Die Tannhäuser-Ouvertüre«, fügte Hans gallig hinzu, »mit der ich am Tage unserer Verlobung durchgefallen bin! Dir kann das nicht passieren.«

»Also gut!« lachte sie. »In dankbarer Erinnerung an jenen denkwürdigen Abend!«

Und sie entledigte sich ihrer Aufgabe mit ihren besten Kräften und einem Feuer, das sie nicht um des Fürsten, sondern um ihres Vaters willen aufbrachte. Hans, der ihr die Ouvertüre einstudiert hatte, wurde von Liszt dazu beglückwünscht, was ihn milder stimmte.

»Ich habe mit meiner Schülerin noch immer Ehre eingelegt«, sagte er, »auch da, wo es nicht darauf ankam.« Den zweideutigen Sinn der Worte verstand Fürst Friedrich Wilhelm nicht oder überhörte ihn absichtlich.

Nachdem er Cosima mit stürmischer Anerkennung und Artigkeiten überschüttet hatte, zog er aus der Brusttasche seines Fracks ein Etui hervor und reichte es Bülow.

»Würden Sie die Güte haben, das zum Zeichen des Dankes für Ihre Frau Gemahlin anzunehmen?«

Es war ein wundervolles goldenes Armband in Form einer antiken Spange, reich mit Brillanten besetzt, in der Mitte ein achtseitig getafelter Solitär von reinstem Wasser. Hans erkannte sofort die Kostbarkeit des Geschenks. Er verneigte sich stumm und gab es an Cosima weiter. Sie freute sich darüber wie ein Kind, legte es gleich an und ließ die Facetten im Lichte des Kronleuchters funkeln.

»Mein erster Schmuck!« rief sie aus. »Wird er jemals Nachfolger erhalten? Gewiß keinen von solcher Pracht. Die Ouvertüre hat ihn verdient, nicht mein Spiel.«

»Es liegt nur an dir«, bemerkte Liszt stark beeindruckt, »ihm Nachfolger zu gewinnen.«

Das Gong rief zu Tische. Cosima behielt die Brillanten am Arm, unbekümmert, daß ihr Mann damit nicht einverstanden schien. Er zeigte den ganzen Abend über eine steife, undurchdringliche Miene.

Liszt sagte ihm nachher: »Findest du nicht, daß dies eine großartige Geste des Fürsten war? Für solche Noblesse bin ich sehr empfänglich.«

»Ich weniger«, entgegnete Hans trocken. Doch war er zartfühlend genug, Cosima die Freude nicht zu verderben. Er erwähnte das Armband ihr gegenüber niemals mehr, weder jetzt noch später, und sie verzichtete darauf, es ihm wieder unter die Augen zu bringen.


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