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Siebentes Kapitel

Einige Stunden später saß Frau von Bülow an der gleichen Stelle, am gedeckten Frühstückstisch. Das Stubenmädchen hatte in aller Frühe die Spuren des traulichen Festmahls beseitigt, die Glasscherben vom Teppich gefegt, die Blumenvasen sorgsam in einen Winkel zusammengeschoben, weil auch sie schon erlauscht hatte, daß das Konzert des jungen Herrn übel ausgegangen war.

Von ihrer mitleidigen Beileidsmiene nahm die gnädige Frau keine Notiz. Die Morgenzeitung, die ihr das Mädchen mit schüchtern bedeutungsvoller Geste überreichte, legte sie ungelesen beiseite: darin war das ganze Unglück jedenfalls schon haargenau geschildert und mit schadenfrohen Glossen versehen.

Sorgenvoll überdachte sie die Lage: welche Haltung würde man den nächsten Freunden, welche Haltung der Gesellschaft gegenüber einzunehmen haben? Sollte sie den Wagemut des Sohnes öffentlich billigen, oder sollte sie abrücken von seiner Unbesonnenheit? Die Folgen dieses Konzertskandals waren nicht abzusehen! Hans' Stellung am Konservatorium? Seine Tourneepläne? Sein Unterricht bei der Prinzessin, überhaupt seine noch so ungefestigten Beziehungen zum Hofe? Lauter Fußangeln für die Zukunft des jungen Musikers, dem man um Gottes willen keine Blamage nachsagen durfte!

Blandine trat ein, übernächtig, blaß und gedrückt.

»Guten Morgen, Tante.«

»Guten Morgen, mein Kind. – Nun, wann ist deine Schwester denn endlich heimgekommen?«

»Mit Hans zusammen. Beide haben rasch noch etwas gegessen. Um elf Uhr war Cosima schon bei mir und hat sich gleich niedergelegt.«

»Was erzählte sie von Hans? Hat es ihn sehr mitgenommen?«

»Sie sagte nicht viel ... nur daß es doch ein schöner Abend gewesen wäre und Hans damit zufrieden sein könnte.«

»Ein schöner Abend?! Ihr Galgenhumor, ihre ironische Art!«

»Nein, sie schien es ernst zu meinen. ›Ich bin sehr glücklich, Blandine‹, flüsterte sie mir beim Gutenachtkuß zu und schlummerte gleich ein. Jetzt schläft sie noch immer hart und fest.«

Nach einer Stunde erst, als die beiden Damen am Fenster, über den Nähtisch gebeugt, schweigend Wäsche ausbesserten, erschienen Hans und Cosima gleichzeitig und ließen sich den Kaffee vom Mädchen servieren. Dessen Verschwinden mußte erst abgewartet werden, bevor Frau von Bülow das Wort ergriff, zuerst an Hans sich wendend:

»Mein armer Sohn! Schon wieder eine Schlappe, und keine unbedenkliche!« Dann befremdet zu Cosima:

»Du hättest dich uns bei der Abfahrt vom Konzert ruhig anschließen können. Hans hätte deiner Begleitung nicht bedurft.«

»Doch, Tante! Verzeih, aber er bedurfte meiner wirklich.«

»Wenn auch nur aus dem Grunde«, fügte Hans trocken hinzu, »weil wir uns bei dieser Gelegenheit verloben mußten.«

»Wieso verloben?« fuhr die Mutter erschrocken auf. »Soll das ein Scherz sein? Du oder sie?«

»Wir beide, und zwar miteinander.«

»Ach, du meine Güte!« entfuhr es ihr ohne bestimmten Gesichtsausdruck. Vor Überraschung war sie wie erschlagen. Und es blitzte in ihr auf, daß sie das doch eigentlich längst hätte für möglich halten sollen, obgleich ihrem Scharfblick die üblichen Anzeichen zarter Beziehungen völlig entgangen waren.

Blandine war aufgesprungen, umarmte die Schwester gerührt und schüttelte Hans die Hände.

»Darf ich dich um deinen Segen bitten, liebe Tante?« fragte Cosima sehr korrekt, doch verstohlen schmunzelnd.

»Ein viel zu ernster, vielleicht ein voreiliger Schritt, als daß ich darüber so im Handumdrehen schlüssig werden könnte!« Sie hatte sich gefaßt und fürchtete vor allem, von dieser tatkräftigen Jugend überrumpelt zu werden.

»Es genügt uns, Mama«, sagte Hans, »wenn du nicht dagegen bist.«

»Wie sollte ich! Du bist reif genug, selbst über dich zu entscheiden: gegen Cosimas Namen und Charakter habe ich natürlich nicht das mindeste einzuwenden. Mir persönlich, Cosima, würdest du als Schwiegertochter herzlich willkommen sein. Aber alles kommt, wie du weißt, auf die Zustimmung deines lieben Vaters an. Fraglich ist es, ob du ihrer sicher sein darfst.«

»Ja, ja, ich weiß«, lächelte diese, »er hat mich nach Berlin geschickt, um eine Partie zu machen. Nun, findest du etwa, daß dein Sohn keine Partie ist?«

»Zu einer Partie genügt nicht nur ein guter Name, sondern sie verlangt auch eine gefestigte Stellung, Einfluß und Vermögen. Ein gewisser künstlerischer Ruf reicht noch lange nicht aus, und mit dem übrigen hapert es bei Hans.«

»Ach was! Stellung und Vermögen wird er sich mit seinem Talent bald errungen haben, der sogenannte Einfluß kommt dann von selbst. Papa wird der erste sein, der mir das zugibt.«

»Ihr müßt ihm sofort schreiben. Bis zu seiner Antwort bleibt alles in der Schwebe.«

»Einverstanden!« gab Cosima zu, und Hans erklärte:

»In aller Form werde ich bei ihm um die Hand seiner Tochter anhalten. Ich möchte doch sehen, ob er sich zu einem glatten Nein versteigt!«

Mit der Schwester sprach sich Cosima auf einem langen Spaziergang durch den triefenden Tiergarten aus:

»Sage mir offen, mein Lieb, ob du findest, daß ich eine Dummheit begangen habe!«

»Aber nein! Das ist bei dir ganz ausgeschlossen. Nur ist es für mein Gefühl viel zu rasch, zu plötzlich gekommen.«

»Es hat sich langsam, unmerklich in mir vorbereitet. Ich spürte aber, daß Hans sich mit der stillen Hoffnung trug; bloß hat er sich nicht an mich herangetraut.«

»Ja, er bewundert dich so sehr. Du bist für ihn ein geheimnisvolles höheres Wesen. Deshalb wird er jetzt wohl auch der Glücklichere von euch beiden sein.«

»Ich will es hoffen. Aber auch ich gratuliere mir zu ihm.«

»Mehr nicht?«

»O doch, viel mehr. Er ist mir sehr lieb und meinem Herzen unentbehrlich. Wir passen zueinander, harmonieren in allen Fragen des Lebens und der Kunst, wir fühlen uns eins in der Verehrung für Papa und als unzertrennliche Kampfgenossen für den großen Meister dort in der Schweiz.«

»Das ist viel. Ich glaube auch, daß ihr das Rechte getan habt und daß es eine gute Ehe geben wird.«

Auch vor sich selber war Cosima davon überzeugt. Dennoch mußte sie immer wieder darüber nachdenken. Die erste Frage, die sich jedes Mädchen bei solch einem Schritt vorlegt, bewegte auch sie: Liebe ich ihn? Gewiß! Das stand ihr außer Zweifel. Jedoch Liebe ist von so verschiedener Art. Es gibt eine freundschaftliche, eine schwesterliche, eine mütterliche Liebe, eine aus Hochachtung, aus starker Zuneigung, aus Mitgefühl erwachsene Liebe. Die aus stürmischer Leidenschaft auflodernde, gestand sich Cosima, war es nicht. Mußte sie das für einen Mangel halten?

Bedachte sie, wie ihr Vater und ihre Mutter sich gefunden hatten, wie sie, überwältigt von einer schicksalhaften Dämonie, besinnungslos alle Gesetze der gesellschaftlichen und sittlichen Welt durchstoßend, sich aneinander geklammert hatten und beseligt hinausgestürmt waren in eine ungewisse Zukunft, so ward ihr fast kleinlaut zumute, und sie war geneigt zu glauben, daß nur dieses und kein anderes das Antlitz der großen, der echten Liebe sei. Freilich lange hatte sie nicht standgehalten, an ihrem eigenen Feuer hatte sie sich schon nach wenigen Jahren verzehrt. Und sie, Cosima selbst, sie war doch Blut vom Blute der Liszt wie der d'Agoult und Flavigny, nicht ein Erzeugnis maßvoll bürgerlicher Ordnung! Die Gebote der Religion und die Grundsätze ihrer strengen Erziehung erkannte sie willig an. Sie hatte Charakter, weil sie Charakter haben wollte, zuchtlose Willkür war ihr tief zuwider – dennoch, wer kannte die dunklen Abgründe seiner Natur? Mit neunzehn Jahren weiß kein Mädchen über sich Bescheid. Cosima Liszt gestand sich das unverhohlen ein, und dieses Bewußtsein ihrer Unerfahrenheit war es, was sie mit einer gewissen Besorgnis vor der Ehe mit Hans von Bülow erfüllte.

*

Als Liszt seines Schülers gesetzten Werbungsbrief und beiliegend einen überaus zärtlichen von Cosima erhielt, war seine erste Regung eine freudige. Jede Nachricht, daß sich zwei junge Leute liebten, gereichte ihm zur Befriedigung, selbst wenn sie ihm unbekannt waren: um wieviel näher ging ihm das Glück der eigenen Tochter. Liebe war immer sein Lebenselement gewesen und hatte ihm, ganz im Gegensatz zu dem mehr enthaltsam veranlagten und zu durchgeistigter Glaubenswut geneigten Bülow, zeitweise höher gestanden und mehr bedeutet als seine Kunst.

Allein sofort meldete sich die Verantwortlichkeit des Vaters. Die Verlobung seines Kindes war ihm eine sehr ernste, heilige Sache, die mit Weisheit und Autorität erwogen werden mußte. Da gab es »Gesichtspunkte«, unter denen sie zu betrachten war, und Gesichtspunkte bereiteten ihm stets Kopfzerbrechen.

Er ging mit den beiden Briefen hinunter zu seiner »Egeria«, zur Fürstin Wittgenstein, und las sie vor. Was hielt sie davon? Gab es Bedenken gegen diese Ehe?

Carolyne, nicht eben angenehm berührt, meinte, daß es allerdings verschiedene gäbe. Das erste und gewichtigste erblickte sie in dem Religionsunterschied. Cosima war Katholikin, wie sie beide auch, Hans dagegen Protestant. Eine »gemischte Ehe« galt der Kirche für verwerflich. Konnte ihr Freund, der so innig an seinem Glauben hing, darüber hinwegsehen?

Liszt machte ein beschämtes Gesicht.

»Ich weiß nicht recht, Carolyne, ob du diesen Punkt nicht allzu streng betrachtest. Ich kann mir nicht helfen, ich ...«

»Wie kann es da noch Zweifel geben!« rief sie entrüstet. »Aber leider ist das nicht die einzige Schwierigkeit. Hans, den ich persönlich hoch schätze – das weißt du ja – steht noch mitten im Ringen um seine Existenz. Er ist kaum sechsundzwanzig Jahre alt – Cosima noch ein halbes Kind! – willst du seiner Unerfahrenheit, seiner ungesicherten Stellung, seinen geringen und schwankenden Einkünften das Schicksal deiner Tochter anvertrauen?«

»Hm! Das ist allerdings ... darüber muß ich mit ihm reden.«

»Sein Mißerfolg mit der Tannhäuser-Ouvertüre – gewiß höchst ungerecht und eine Schande nur für seine, für unsere Feinde! – erscheint nicht gerade als die günstigste Gelegenheit, sich als Bräutigam vorzustellen. – Franz, ich möchte dir empfehlen, mit deiner Einwilligung zu warten.«

»Nun ja, sie eilt ja nicht, darin hast du vollkommen recht. Wir wissen ja auch nicht, ob sich die beiden Kinder der vollen Gewichtigkeit ihres Schrittes bewußt sind. Vielleicht haben sie beide mehr impulsiv als auf Grund gewissenhafter Selbstprüfung gehandelt.«

»Sehr denkbar! Man kann für möglich halten, daß sie es sich nach längerer und genauerer Bekanntschaft anders überlegen. Ich bitte dich, in ihrer grünen Jugend!«

Nach wiederholter Beratung kamen sie überein, daß die Verlobung als solche noch nicht betrachtet und eine Bedenkzeit vorgeschrieben werden solle.

Franz Liszts mitfühlende Freude war gedämpft, soviel hatte die Fürstin zunächst erreicht. Die Frage, ob eine eheliche Verbindung zwischen Hans und Cosima wirklich zum Glück für sie beide werden könne, wagte er nicht ohne weiteres zu bejahen. Das sprach er in seinem Antwortbrief offen aus und mahnte, sich seinem Willen, der nur ihr Bestes wolle, keinesfalls zu widersetzen.

Nachdem er sich auch mit Frau von Bülow, die ganz seiner Ansicht war, über mancherlei äußere Maßnahmen geeinigt hatte, bestimmte diese ihren Sohn, auf die häusliche Gemeinschaft mit ihr zu verzichten. Er fand das auch ganz in der Ordnung und mietete sich ein Zimmer in der nahen Eichhornstraße; nur zu den Mahlzeiten stellte er sich am Tisch der Mutter regelmäßig ein. Im übrigen aber konnte er nicht umhin, dem verehrten Freund und Meister gelinde zu grollen, nicht als ob er mit zu großer Ungeduld nach der Vermählung verlangt hätte, sondern aus Besorgnis, sie könnte ganz zu Wasser werden. Empfindlich war er auch darin, daß ihn Franz Liszt nicht gleich mit offenen Armen als Schwiegersohn aufnahm: sein künstlerischer Name allein schon hätte das gerechtfertigt.

Mit Cosima tauschte er die feierliche Versicherung – und wo wäre das je in der Welt unter Liebesleuten anders gewesen –, daß für sie beide jedenfalls ihr Verlöbnis felsenfeste und ewige Geltung habe und daß sie in dieser langweiligen Bedenkzeit gar nichts zu bedenken hätten. Wie lange sollte sie übrigens dauern? Davon hatte der vorsichtige Vater gar nichts verraten. Nun, wenn sie sich nur erst mündlich mit ihm ausgesprochen hätten! Sie wollten ihn schon bearbeiten, ohne daß sich die Fürstin ins Mittel schlagen konnte! Cosima besonders war davon überzeugt, daß nur die unvermeidliche Carolyne ihnen das väterliche Zögern und Schwanken eingebrockt hätte, und bedachte sie mit wenig schmeichelhaften Ausdrücken.

*

Die Folgen des Ouvertüre-Skandals waren ganz andere, als Frau von Bülow sich vorgestellt hatte: er schadete Hans in keiner Weise, führte ihm vielmehr eine Menge neuer Parteigänger und Bewunderer zu, die seinen Mut und seine Vasallentreue überall laut verkündeten. Die Rezensenten erhielten von ihren Brotgebern den Wink, sich der öffentlichen Meinung zu beugen, somit verstummten in der Presse für eine Weile die Angriffe auf die Träger der Zukunftsmusik. Der König, von einsichtigen Beratern unterrichtet, ernannte Hans von Bülow zum Hofpianisten. Wieder einmal bat die Mutter dem Sohn ihr verzagtes Mißtrauen ab. Sie hatte zunächst ihren Verkehr aufs äußerste eingeschränkt, wollte gar nicht mehr ausgehen, weil sie die mitleidigen Redensarten der einen und die Bosheit der anderen fürchtete. Nichts dergleichen trat ihr entgegen, Hans war in der Gesellschaft begehrter denn je, und Cosima bestimmte ihn, sich in allen befreundeten Häusern zusammen mit ihr zu zeigen. Zu einem von den Arnims und Olfers' veranstalteten Wohltätigkeitsfest studierte sie mit ihm und Blandine ein kleines heiteres Stück von Musset ein, dessen Proben schon ein zartes Vergnügen für sich waren, bei dessen Aufführung Anmut, Temperament und gepflegte Sprachkunst triumphierten. Die Presse bewies in ihren Berichten, daß sie mit Hans von Bülow ausgesöhnt war.

Seiner noblen Art entsprach es, das wiedergewonnene Ansehen gleich in den Dienst Franz Liszts zu stellen. Überlegte sich der, ihn als Schwiegersohn aufzunehmen, gut, so wollte er sich dieser Ehre um so würdiger erweisen. Er setzte alle Hebel in Bewegung, in Berlin ein großes Lisztkonzert zustande zu bringen. Der Meister sollte selbst am Flügel erscheinen und eigene Kompositionen spielen. Der Schüler und künftige Schwiegersohn huldigte ihm damit auf die zarteste und eindringlichste Weise und erfüllte zugleich der Geliebten den Herzenswunsch, ihren Vater endlich einmal bei sich zu haben, mit dem sie dann auch über ihre Verlobung sprechen konnte.

Cosima fiel ihm, als er ihr den Plan auseinandersetzte, jubelnd um den Hals. Mit Feuereifer unterstützte sie ihn bei den Vorbereitungen, machte den ganzen Freundeskreis und die hohen Gönner mobil, lief zu Saalinhabern, zu Plakatfirmen, in die Zeitungsredaktionen.

Ihr Vater, immer empfänglich für Aufmerksamkeiten, die seinem Schaffen galten, war bereitwillig darauf eingegangen. Ganz Berlin erwartete ihn. Als er an einem Sonntagabend auf dem Anhalter Bahnhof eintraf, wurde er zu seinem freudigen Erstaunen dort schon festlich empfangen: Bülow und seine Töchter, umgeben von Vertretern des Hofs und des Stadtrats, führten ihn über den Bahnsteig nach dem königlichen Wartesaal, wo ihn der Männerchor des Konservatoriums mit einer seiner Kantaten begrüßte.

Das Konzert verlief glänzend. Viele alte Berliner, die ihn schon als Wunderkind gehört hatten, waren zusammengeströmt, dazu die Gemeinde seiner eingeschworenen Anhänger, die Kunstfreunde des stolzen Westens und der Ausländerkolonie. Sie alle rasten vor Begeisterung und überschütteten ihn mit Blumen. Nur die Kritik äußerte sich tags darauf mit kühler Zurückhaltung und allerhand Einwänden gegen die absonderlichen Klangfarben und ihren deklamatorischen Ausdruck.

Liszt blieb nur zwei Tage in Berlin. Da er Frau von Bülow nicht zur Last fallen wollte und auf Zurückgezogenheit Wert legte, war er in einem Hotel abgestiegen. Aber auch dort ward er von seinen Töchtern geradezu belagert. Sie suchten seine kurze Anwesenheit soviel wie möglich zu genießen. Cosima machte ihn der Schwester mehr als einmal streitig, indem sie ihn heimlich nach abgelegenen Orten, in ein Museum oder auf eine Spazierfahrt nach dem einsamen Grunewald, verschleppte.

Besorgt fragte er sie nach ihrer Stellung zu Hans von Bülow aus.

»Bist du dir über deine Gefühle klar, Cosima? Glaubst du wirklich, daß du es mit diesem unruhigen, überreizten Geist ein ganzes Leben lang aushalten wirst?«

»Ich werde schon das meinige tun, ihn auszugleichen.«

»Dazu wird eine Engelsgeduld und viel aufopfernde Liebe gehören.«

»Beides traue ich mir zu.«

»Liebst du ihn so ... so über die Maßen?«

» Über die Maßen nur dich, Papa – Hans im Verhältnis seiner Größe zu dir.« Sie schob ihren Arm unter den seinen und preßte ihn an sich.

»Eine rabulistische Antwort! Dann müßtest du ja meine Bedenken gegen eure Ehe gelten lassen.«

»Das ist nicht dein Ernst. Die Bedenken bildest du dir ein, oder man hat sie dir eingeredet. Wir werden bestimmt heiraten, mit deiner Erlaubnis noch in diesem Jahr.«

Wenn Cosima drängte, konnte er nicht widerstehen.

»Meinetwegen also im Spätherbst, du Ungeduld, wirst du es so lange aushalten?«

»Ja, tausend Dank! Ich nehme dich beim Wort.«

»Ein förmliches Versprechen soll es nicht sein. Es hängt doch auch von den Umständen ab, besonders aber von der Unwandelbarkeit deiner Gefühle.«

»Mit der kannst du rechnen, ebenso mit der Entschlossenheit von Hans.«

»Nun ja, neben dir wird ihm kaum eine andere besser gefallen.« –

Mehr Schwierigkeiten rollten Liszts Gespräche mit Blandine auf. Sie gestand ihm, daß es sie heim verlangte nach Paris. Nie werde sie sich unter den Deutschen, geschweige denn in Berlin, einbürgern können. Das bekümmerte ihn sehr. Doch fiel ihm auf, wie blaß und mager sie geworden war; einer welkenden Blume glich sie, die in steiniges Erdreich versetzt worden ist.

In seiner Verlegenheit bot er ihr an, den Hans von Bronsart nach Berlin zu schicken. Den hätte sie doch gern, der würde sie etwas aufheitern? Blandine meinte, das könne wohl sein, doch verspräche sie sich davon nicht allzuviel.


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