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Vierundzwanzigstes Kapitel.

Bell. Sie haben jetzt Gelegenheit, Madame, sich für die Beleidigung zu rächen, die er Ihrem Eichhörnchen angethan.
Belin. O, das gemeine, rohe Vieh!
Aram. Dies ist ein ewiger Zank.

Der alte Hagestolz.

Am nächsten Tage gingen wir unter Segel, und nachdem wir noch einen weiteren Monat ohne Erfolg gekreuzt hatten, liefen wir wohlbehalten in Halifax ein, wo ich die Nachricht erhielt, daß ein alter Freund von meinem Vater, Sir Sturmdrang Windmacher, von dem ich in diesem Werke bereits gesprochen habe, so eben angelangt sei. Er war nicht im Dienste gekommen, sondern wollte nur nach seinen Besitzungen sehen. Es ist hier unumgänglich nothwendig, daß ich den Leser mit mehr als gewöhnlicher Förmlichkeit bei Sir Sturmdrang einführe, um ihn mit dem Charakter dieses Mannes genau bekannt zu machen.

Sir Sturmdrang hatte sich durch seinen Scharfsinn und durch die Gönnerschaft eines reichen Mannes im südlichen England emporgeschwungen. Er hatte ein hitziges Temperament und war ein bewundernswürdiger Friedensrichter, wo es sich um Anwendung des Argumentum baculinum handelte: ein Vorzug, dem er den ehrenvollen Auftrag verdankte, ein paar widerspenstige Niederlassungen zur Ruhe und Ordnung zu verweisen, was ihm auch durch Festigkeit und gute Laune gelang. Er verstand von Allem Etwas, und seine Kenntnisse erstreckten sich nicht wie das Wissen Salomo's vom Ysop bis zur Ceder, sondern vom Kartoffelkessel bis zum Dampfkessel, und vom Grundelnfang bis zum Wallfischfang. Er wußte Schweine und Geflügel zu mästen, und hatte eine besondere Methode, die letzteren im Volumen zu erweitern, nicht aber in der Zucht zu veredeln; kurz, er war »Hansdampf in allen Gassen und Herr in keiner.«

Ich will jedoch in seinen Denkwürdigkeiten nicht weiter zurückgehen, als bis zu dem Tage, wo er es für nöthig fand, ein altes Weib in der Bereitung der Hammelsbrühe zu unterweisen. Durch redliche Erfüllung seiner Pflicht hatte er sich in einer gewissen, sehr schmutzigen Seestadt das Mißfallen der niederen Stände im Allgemeinen zugezogen. Nichtsdestoweniger versäumte er keine Gelegenheit, den Armen Gutes zu thun und seinen Rath gratis zu ertheilen. Eines Tages sah er ein Weib den siedenden Inhalt eines Kessels unter ihrer Hausthüre auf die Straße gießen. Er trat hinzu und entdeckte einen Hammelsfuß auf dem Boden des Kessels. »Gute Frau,« sagte der haushälterische Baronet zu dem minder ökonomischen Weib, welches die kostbare Flüssigkeit wegwarf; »wißt Ihr auch, was Ihr thut? Ein Stück Fleisch, ein paar Carrotten und ein paar Rüben, in Würfel geschnitten und mit etwas Sellerie in die Flüssigkeit geworfen, würde für Eure Familie eine vortreffliche Hammelsbrühe geben.«

Die Alte sah empor, erblickte den Dämon der Schiffsdocke, und goß entweder aus Mangel an Geistesgegenwart oder aus Bosheit einen Theil des siedenden Wassers Sir Sturmdrang in die Schuhe. Der Baronet sprang in die Höhe, schrie, hüpfte, stampfte, warf seine Schuhe weg, rannte nach Hause, und verfluchte das alte Weib und sich selbst wegen seines Versuches, sie in der Bereitung der Hammelsbrühe zu unterweisen. Während er davon lief, rief ihm die undankbare Hexe nach: »Geschieht Euch Recht; wird Euch eine Warnung sein, Eure Nase nicht in anderer Leute Geschäfte zu stecken.«

Am folgenden Tage befahl er als obrigkeitliche Person, die Verbrecherin vorzuführen. »Nun, Madame,« sagte er, »womit kann Sie es rechtfertigen, einen Friedensrichter Seiner Majestät gebrüht zu haben? Weiß Sie nicht, daß ich Macht habe, Sie wegen Hochverrath in's Gefängniß nach Maidstone zu schicken?«

»Ich bitte Euer Ehren demüthig um Verzeihung,« erwiederte das Weib, »wußte nicht, daß es Euer Ehren war, sonst hätte ich's gewiß nicht gethan; zudem muß ich Euer Ehren nur gestehen, daß ich einen Tropfen zu viel getrunken hatte.«

Der gutmüthige Baronet entließ sie mit einer unbedeutenden Vermahnung, die das gute Weib ohne Zweifel in demselben Willen und Glauben hinnahm, wie diejenige, die sie in Bezug auf die Hammelsbrühe erhalten hatte.

Meine Bekanntschaft mit Sir Sturmdrang hatte zu Plymouth begonnen, als er aus Furcht, wir möchten an unsern Rindfleischknochen ersticken, unser Schiff in einem Sturmwind in die See stieß. Ich vergaß es ihm nie. Mein Vater hatte ihm viel Höflichkeit erwiesen und mich ihm vorgestellt. Zu Halifax wohnten wir in dem gleichen Hause bei einem gemeinschaftlichen Freund, der mich stets wie sein eigen Kind aufgenommen hatte. Er hatte einen Sohn von meinem Alter, mit dem mich schon lange eine innige Freundschaft verband. Wir verschworen uns gegen Sir Sturmdrang, und nachdem ich en passant einige Besuche gemacht hatte, landete ich an der Königswerfte, drückte ein paar hübschen Mädchen die Hände, empfing ihre Glückwünsche über meine Rückkehr und mein Wohlbefinden, ging nach dem Hause meines Freundes und trat ohne Umstände in das Besuchzimmer.

»Wissen Sie, Sir, daß Sir Sturmdrang in seinem Zimmer ist?« fragte der Bediente, und fügte dann lächelnd hinzu, »aber er ist sehr beschäftigt.«

»Beschäftigt oder nicht,« war meine Antwort, »ich weiß gewiß, daß er mich empfangen wird.« Mit diesen Worten trat ich ein.

Sir Sturmdrang war wirklich sehr beschäftigt, aber ich konnte nicht ausfindig machen, womit. Er hatte einen Stiefel zwischen seinen Knieen und streckte seine Waden gegen denselben. Als er seinen Kopf nach mir wandte, bemerkte ich, daß er ein Messer zwischen den Zähnen hatte.

»Lassen Sie die Thüre offen, Kamerad,« rief er, ohne mir die geringste Aufmerksamkeit zu schenken. Er erhob sich, zog einen großen schwarzen Kater aus dem Stiefel hervor und schleuderte ihn auf eine große Entfernung von sich, welche durch eine freiwillige Kraftanstrengung des Katers, der wie wahnsinnig davon rannte, mit reißender Geschwindigkeit noch vergrößert wurde. »So,« sprach er, »Gott verdamme dich, du hast mir mehr zu schaffen gemacht, als ein ganzer Pachthof in Kentucky, aber jetzt wirst du mich mit deinem verdammten Gemauz nicht mehr um den Schlaf bringen.«

Dies wurde Alles auf eine Weise vorgetragen, als hätte er mich gar nicht gesehen, und es war in der That auch ein Soliloquium, denn der Kater war nicht stehen geblieben, um es mit anzuhören. »Aha!« sagte er, seine Hand nach mir ausstreckend, »was machen Sie? Ihr Gesicht ist mir bekannt, aber ich will verdammt sein, wenn ich Ihren Namen nicht vergessen habe.«

»Mein Name, Sir,« erwiederte ich, »ist Mildmay.«

»Ah, Mildmay, mein edler Freund, was machen Sie? Wie verließen Sie Ihren Vater? Ich kannte ihn sehr gut – führte eine teufelmäßig gute Tafel – habe manchen Teller an seinem Tische geleert – wollt', ich könnte meine Beine bald wieder unter denselben stecken; – nehmen Sie sich in Acht, sehen Sie sich vor, nach welchem Reich Sie Ihr Steuer richten – werden mir meine jungen Kickerickis entern – rennen Sie doch nicht quer über's Kabel.«

Ich blickte auf den Boden und sah mich in eine Schnur verwickelt, womit ein Küchlein an den Tisch gebunden war; zugleich bemerkte ich noch mehrere dieser kleinen Geschöpfe unter den Stühlen, an denen sie im Tau hingen; aber zu welchem Zweck, vermochte ich nicht zu entdecken.

»Gehören diese niedlichen Küchlein zu Ihren Lieblingsthierchen, Sir Sturmdrang?«

»Nein,« erwiederte der Admiral, »aber ich denke sie nach und nach zu niedlichen Kapaunen umzugestalten, weil sie für den Tisch bestimmt sind. Ich habe diesen Morgen anderthalb Dutzend unter der Kur gehabt, und noch überdies den verdammten alten Kater.«

Jetzt war das Geheimniß enthüllt, und ich bemerkte später, daß dieser Offizier, wie jeder Mensch, sein Steckenpferd reitet, die Idiosynkrasie hatte, das männliche Geschlecht der Vögel und vierfüßigen Thiere aller Art zu neutralisiren, um sie für die Tafel schmackhafter zu machen.

»Nun, Sir,« fuhr er fort, »wie gefällt Ihnen Ihr neues Schiff, wie gefällt Ihnen Ihr alter Kapitän? – Ein guter Bursche, nicht wahr? – Gott verdamme seine Augen – ein Landsmann von mir – kannte ihn, als sein Vater noch nicht so viel Geld hatte, um auf einem Grabsteine damit zu klimpern. Der Bursche verdankt mir Alles. Ich stellte ihn dem Herzoge von ... vor – dadurch schwang er sich hinauf, aber was meinen Sie von den Halifaxmädchen? – Hübsch! Nicht wahr?

Ich bewunderte sie.

»Ja, ja, das sind sie, nicht wahr? Sollen uns viel Spaß machen – wollen die Mädchen zu einer Parthie auf die Georgsinsel einladen – Heuernte – grüne Kleider – ha, ha, ha! Ihr Kapitän soll uns in der Schildkrötenbucht regaliren. Wir sind im Begriff, dem alten Kommissär auf dem Rinckingham einen Schmaus zu geben – wollen ihm den Deckel seines Hirnschädels mit Champagner sprengen – speisen Sie heute in der Birkenbucht? Nein, Sie sind vermuthlich versagt bei Miß Marie, oder Miß Susanne, oder Miß Isabelle – ja, ein böser Hund, ein böser Hund – haben ein gut Theil Unglück angerichtet.« Bei diesen Worten maß er mich vom Kopf bis zur Ferse.

Ich nahm mir die Freiheit, ihm die Artigkeit zurückzugeben. Er war ein großer Mann mit starken Knochen, scharf markirten Zügen und einem Lächeln auf dem Gesicht, das kein sittsames Weib ertragen konnte. Seine Person erinnerte mich an einen entlassenen Leibgardisten, sein Gesicht brachte mich auf den Gedanken, er könnte zu einem von Rubens Satyrn gesessen sein. Er gehörte zu denjenigen Menschen, mit denen man im Augenblicke bekannt wird; und noch war ich keine Stunde in seiner Gesellschaft, als ich schon herzlich über seine Scherze lachte. Sie waren jedoch nicht sehr zarter Natur und setzten ihn in meiner Achtung bedeutend herab, wiewohl er mir stets Unterhaltung gewährte, da wir im gleichen Hause wohnten.

Ich war eben im Begriff, das Zimmer zu verlassen, als er mich aufhielt.

»Wie meinen Sie,« sagte er, »wenn ich Sie bei einigen teufelmäßig hübschen Yankeemädchen, Verwandten von mir aus Philadelphia, einführen würde? Und würden mich verbinden, wenn Sie Ihnen Aufmerksamkeit erwiesen; sehr schöne Mädchen, kann ich Ihnen sagen; und werden einmal ein hübsches Vermögen bekommen – können weiter gehen, werden's schlechter treffen; der Alte ist reich, wie ein Jude – hat die Gicht in beiden Beinen – kann's nicht mehr lange treiben – hübsches Zwicken an seinen Geldsäcken, während der Teufel an seinen Knochen zwickt.«

Diesen Versuchungen war nicht zu widerstehen, und ich willigte ein, mich am folgenden Tage vorstellen zu lassen.

Unser Gespräch wurde durch den Herrn des Hauses und seinen Sohn unterbrochen, die mich herzlich bewillkommneten. Der Vater war seit einigen Jahren Wittwer, und sein einziger Sohn, Ned, wohnte bei ihm, um später seine Handlung zu übernehmen.

Wir zogen uns zurück, um uns zur Tafel anzukleiden. Unsere Schlafzimmer stießen an einander und wir begannen von Sir Sturmdrang zu sprechen.

»Er ist ein sonderbares Gemisch,« sagte Ned. »Ich liebe ihn wegen seiner frohen Laune, aber ich grolle ihm wegen des Unfriedens, den er zwischen mir und Marien stiftet; zudem plaudert er zu viel vor den Damen und fällt ihnen sehr zur Last.«

»Ich grolle ihm auch wegen einer Grille, in der er mich einst während eines Sturmes in die See schickte.«

»Wir wollen bald mit ihm abrechnen,« versetzte Ned, »aber jetzt laß uns gehen und ihn bei Tische treffen. Morgen will ich die Haushälterin hinter ihn schicken, um ihn für seine Grausamkeit an ihrem Kater zur Rede zu stellen, und wenn ich mich nicht sehr irre, so wird sie ihm ordentlich heimgeben.«

Wir ließen uns das Mittagessen trefflich behagen. Der Admiral war in der besten Laune, und da keine Damen dabei waren, widerfuhr seinem Wein alle Gerechtigkeit. Am andern Morgen trafen wir uns beim Frühstück. Nachdem wir es eingenommen hatten, zog sich der Herr des Hauses in seine Schreibstube zurück, oder that wenigstens dergleichen. Ich wollte mich entfernen, aber Ned meinte, ich solle noch ein paar Minuten bleiben, er habe mir was zu sagen. Und in der That hatte er ohne mein Wissen einen Scherz vorbereitet.

»Wie haben Sie heute geschlafen, Sir Sturmdrang?« fragte der schlaue Ned.

»Nun, so ziemlich gut,« erwiederte der Admiral, »insofern ich vor dem alten Kater Ruhe hatte. Will verdammt sein, Sir, der Bursche trieb's wie der Großherr, und hielt auf der Bodenkammer, gerade über meinem Schlafgemach, sein Serail, statt in der Küche auf seinem Posten zu bleiben und die Ratten umzubringen, die wie Wagenpferde dahertraben.«

»Sir Sturmdrang,« sagte ich, »es bedeutet nichts Gutes, wenn Seefahrer mit Katzen zu thun haben. Wird nicht lange anstehen, so wird es einen Sturm setzen, sei es auf die eine oder die andere Weise.«

Diese Worte waren kaum ausgesprochen, als sich, wie verabredetermaßen, die Thüre öffnete und die Haushälterin, Frau Jellybag, eintrat, eine Dame, die so einen Breitegrad von fünfundfünfzig bis sechszig Jahren erreicht haben mochte. Mit einer tiefen Verbeugung und einem verächtlichen Aufwerfen des Kopfes redete sie Sir Sturmdrang Windmacher also an:

»Was haben Sie mit meinem Kater angefangen, Sir Sturmdrang?«

Der Admiral setzte einen Stolz darein, die Leute, die sich an ihn wandten, auf eine falsche Fährte zu bringen, wie er es nannte, und suchte auch Mrs. Jellybag hinter's Licht zu führen.

»Was ich mit Ihrem Kater angefangen habe, meine liebe Frau Jellybag? Nun, meine liebe Madame,« fuhr er mit der Miene der Ueberraschung fort, »was soll ich mit Ihrem Kater angefangen haben?«

»Sie sollten ihn in Ruhe gelassen haben, Herr Admiral; der Kater war mein Eigenthum; wenn mein Herr Ihnen erlaubt, das Geflügel zu mißhandeln, so ist das seine Sache; aber der Kater war mein, Sir Sturmdrang – mein mit Haut und Haar. Das Thier ist mißhandelt worden; es sitzt im Winkel hinter dem Herd, und hängt den Kopf, als wollte es sterben; es wird nie mehr der Kater werden, der es war.«

»Bin auch der Meinung, meine liebe Frau Haushälterin,« antwortete der Admiral trocken. In der Brust der Dame begannt zu kochen. Die kalten Antworten des Admirals wirkten wie Wasser, das, auf eine starke Flamme gesprengt, die Gewalt derselben vermehrt, anstatt zu dämpfen.

» Lieben Sie mich nicht, Sir Sturmdrang. Ich bin keine von Ihren LiebenIhre Lieben sind alle in der Holländerstadt – sollten sich schämen, so ein alter Mann, wie Sie sind.«

»Alter Mann?« rief Sir Sturmdrang, seine Ruhe etwas verlierend.

»Ja, alter Mann, betrachten Sie nur Ihre Haare – so grau wie das Gefieder einer Schneegans.«

»Nun, was mein Haar betrifft, so beweist das nichts, Frau Jellybag, denn ist auch Schnee auf den Bergen, so ist es doch heiß in den Thälern. Was halten Sie von dieser Figur

»Ich bin eben so wenig eine Figur, als Sie, Sir Sturmdrang, aber wissen Sie was? Sie sind ein Koppen-Admiral, ein lahmer Hund im Zwangsstall, waren eifersüchtig auf meinen armen Kater, weil – – ich will nicht sagen, was. Ja, Sir Sturmdrang, den lieben langen Tag liegen Sie unter unsern Fenstern und schielen nach jedem jungen Weibsbild, welches vorübergeht – und so ein alter Mann; sollten sich vor sich selbst schämen – und dann gehen Sie am Sonntag in die Kirche und schreien, Herr Gott, erlöse uns.«

Die Haushälterin trat jetzt so dicht an den Admiral heran, daß sich ihre Nasen beinahe berührten. Sie stemmte die Arme in die Seiten und hatte alle Vorbereitungen zum Entern getroffen. Der Admiral befürchtete, sie möchte es nicht bei dem Vokalsolo bewenden lassen, sondern bald mit den Fäusten den Takt dazu schlagen, und hielt es für zweckdienlich, eine Position anzunehmen. Mit vieler Gewandtheit zog er sich zwei Schritte zurück und bestieg ein Sopha. Seine linke Seite war durch ein aufrechtstehendes Piano, seine rechte durch den noch mit allen Theegeräthschaften beladenen Kaffeetisch gedeckt; im Rücken hatte er die Wand, und seine Fronte mußte er persönlich vertheidigen. Von diesem erhabenen Standpunkte sah er jetzt auf die Haushälterin nieder, deren Nase nicht höher reichte, als bis an das Uhrencachet ihres Gegners, und in gleichem Maße mit der Sicherheit des Baronets wuchs auch ihr Zorn. Der Admiral war viele Jahre lang Prorector auf den großen Universitäten von Pointstreet und Bluetown, so wie Mitglied des Barbion und Nordcorner gewesen; und folglich mit dem klassischen Dialekt vertraut genug, um die Würde seines Berufes zu behaupten. Auch der Dame fehlte es nicht an Beredsamkeit. Hatte sie auch nicht graduirt, so hatte doch ihre Zunge durch den beständigen Gebrauch eine Fertigkeit erlangt, wie sie die Natur nur der unausgesetzten Uebung gestattet.

Man wird nicht erwarten, und es würde auch nicht mehr schicklich sein, hier Alles wiederholt zu finden, was in der Schlußscene vorging. Die Haushälterin gab uns allen Grund zur Vermuthung, daß sie in Bezug auf die Natur der vorgenommenen Verwandlung nicht so unwissend sein dürfte, als sie uns gern glauben gemacht hätte.

Nachdem die Schlacht eine halbe Stunde lang heftig getobt hatte, setzten beide Theile aus Mangel an Athem oder Munition aus. Das Feuer schwieg nach und nach, und die Fahrzeuge trennten sich – der Admiral behielt wie Lord Howe am ersten Juni, obwohl äußerst zerschossen, seine Position bei, und die Haushälterin lief gleich den Montague's hinunter, um sich mit ihren Verbündeten zu vereinigen. Während des Rückzugs fielen noch einige Schüsse in's Blaue, und je nach zwei oder drei Treppenstufen legte Frau Margaretha bei und gab Feuer, bis sich beide außerhalb der Schußweite befanden. Man hörte noch dumpfes Getöse, das allmählig in der Ferne verhallte, und der Admiral schloß die Handlung mit dem Gemurmel: »Hol' dich der – –,« aber das Wort blieb ihm in der Kehle.

»Sagt' ich's Ihnen nicht, daß sich ein Sturm erheben würde?« bemerkte ich.

»Sturm! Ja, Gott verdamme mein Blut,« versetzte der Admiral, den Schweiß von der Stirne wischend; »wie der Gischt aus der alten Hexe spritzte! Bei Gott, meine Hosen sind ganz naß. Wer hätte je geglaubt, daß eine alte Schnurre solche Klauen zeigen könnte! – Krieg auf Tod und Leben! Beim Himmel, sie soll mir daran denken.«

Trotz der Drohungen des Admirals wurden die Feindseligkeiten noch an dem gleichen Tage eingestellt. Der »Koppen-Admiral« fand es für zweckmäßig, eine weiße Feder aufzustecken; er stand unter dem Scepter des Eigennutzes und mußte ihm seine Sache opfern. Mrs. Jellybag war eine treue Dienerin, und unser Wirth hatte keine Lust, ihr etwas geschehen zu lassen oder sein Haus zum Tummelplatze für solche Gefechte herzugeben; und der Admiral, der einen besondern Widerwillen gegen die Erleichterung seiner Börse hatte, fand es nicht unangemessen, den ersten Schritt zu thun. Die Sache wurde also freundschaftlich beigelegt, der Kater aber in Betracht seiner Leiden zum Baronet erhoben und von nun an mit dem Titel Sir Sturmdrang Windmacher beehrt, denn der Admiral war doch gewiß die geeignetste Person, die man zu Pathen wählen konnte, da er die wirksamsten Mittel ergriffen hatte, seinen Täufling von der Hoffahrt und Eitelkeit dieser sündigen Welt zu entwöhnen.

Es war jetzt ungefähr ein Uhr – denn der Kampf hatte den größten Theil des Morgens in Anspruch genommen, – als Sir Sturmdrang sagte: »Vergessen Sie Ihre Zusage nicht, Junkerchen – Sie wissen, ich habe mich verbindlich gemacht, Sie meinem hübschen Bäschen vorzustellen – Sie müssen sich aber mit ihren P und Q bei dem Oheim in Acht nehmen, denn er ist ein gescheidter alter Kauz – hat ein gut Theil gelesen und hält Amerika für das erste und größte Land der Welt.«

Wir verfügten uns nach der Wohnung der schönen Fremden, die nach der Versicherung des Admirals unter dem Schutze ihres Oheims und ihrer Muhme blos der Neugierde halber nach Halifax gekommen waren. Nachdem wir an die Thüre geklopft hatten, fragte der Admiral, ob Madame M'Flinn zu Hause sei. Wir erhielten eine bejahende Antwort. Der Diener fragte nach unsern Namen. »Viceadmiral Sir Sturmdrang Windmacher und Herr Mildmay,« erwiederte ich.

Die Thüre des Besuchzimmers wurde aufgestoßen, und der Diener meldete unsere Namen mit feierlichem Tone. Wir traten ein. Eine große, ernst aussehende, ältliche Dame, die uns empfing, stand bolzgerade mitten im Zimmer; die Fräulein saßen an ihrer Arbeit.

»Meine liebe Madame M'Flinn,« sprach der Admiral, »was machen Sie? Ich bemerke mit Entzücken, wie lieblich Sie und Ihre Nichten diesen Morgen aussehen.« – Die Dame neigte bei dieser Artigkeit den Kopf – zu einer Verbeugung schien sie sich nicht herablassen zu können – »erlauben Sie mir, Ihnen meinen tapfern jungen Freund Mildmay vorzustellen – junge Damen, nehmen Sie Ihre Herzen in Acht – ich versichere Sie, er ist ein großer Schelm, wenn er Sie gleich so süß anlächelt.«

Madame M'Flinn neigte den Kopf gegen mich, hoffte, ich befinde mich wohl und fragte, wie lange ich schon in der Gegend weile.

Ich antwortete ihr, daß ich so eben erst vom Kreuzen zurückkehre, aber kein Fremder in Halifax sei.

»Kommen Sie, Herr Offizier,« sagte der Admiral, meinen Arm ergreifend, »ich sehe, Sie sind verschämt – ich muß Sie mit meinen hübschen Bäschen bekannt machen. Dieß, Sir, ist Miß M'Flinn – ihr Taufname Deliberantia. Sie ist eine junge Dame, deren Schönheit ihre geringste Empfehlung ist.«

»Eine sehr zweideutige Artigkeit,« dachte ich.

»Dieß, Sir, ist Miß Jemima; dieß Miß Temperantia, und jenes Miß Deborah. Nun Sie die Damen alle bei Namen kennen und ihnen ebenfalls bekannt sind, wird es Ihnen, hoffe ich, gelingen, sich eben so nützlich, als angenehm zu machen.«

»Eine sehr hübsche Sinecure,« dachte ich bei mir selbst, als hätte ich nicht bereits alle Hände voll zu thun. Da es mir jedoch nie an der Fertigkeit mangelte, vor schönen Gesichtern den Beredten zu spielen, begann ich mit Jemima zu plaudern. Alle waren schön, aber sie war holdselig – und doch bemerkte ich eine Unbehülflichkeit an ihnen, die mich überzeugte, daß sie nicht zum bon ton von Philadelphia gehörten. Ihre Antworten auf alle meine Fragen waren schnell und abgebrochen und wurden mit der Miene angemaßter Wichtigkeit ertheilt, während sie zugleich Ausdrücke enthielten, die zwar englisch, aber der gebildeten Sprache fremd waren.

»Kamen Sie durch die vereinigten Staaten oder zu Wasser in das englische Gebiet?« fragte ich.

»O, zu Wasser,« kreischten alle vier auf einmal, »und hatten beinahe die › Güte‹ von den garstigen Roachen aufgefressen zu werden.«

Ich wußte nicht, was sie unter Roachen verstanden, es wurde mir aber bald klar. Unter anderem fragte ich sie auch, ob sie schon ein britisches Kriegsschiff gesehen hätten, und ob sie die Güte haben würden, mich an Bord des unsrigen zu begleiten? Sie kreischten alle im gleichen Augenblick.

»Nein, wir haben noch keines gesehen und würden gar zu gern die Güte haben, auf Ihren Vorschlag einzugehen. Wann wollen Sie uns mitnehmen?«

»Morgen,« erwiederte ich, »wenn es einen schönen Tag gibt.«

Der Admiral, der mittlerweile mit der alten »Schachtel«gekost hatte, wandte sich um und sagte: »Nun, Herr Frank, ich sehe, Sie wissen auch ohne meinen Beistand umzuspringen.«

»O, wir haben alle sehr viel Güte für ihn,« bemerkte Temperantia, »er sagte, er wolle uns mit an Bord seines Schiffes nehmen.«

»Sachte, mein Schatz,« sprach die Muhme, »wir dürfen dem Herrn nicht so viel Mühe machen, so lange unsere Bekanntschaft noch so jung ist.«

»Ich kann Sie versichern, Muhme,« erwiederte Deborah, »wir haben schon lange Bekanntschaft mit ihm.«

»Wenn dieß der Fall ist,« versetzte die Muhme, welche einsah, daß sie in der Minorität war, »wäre es gut, wenn Sie und Sir Sturmdrang morgen früh um eilf Uhr zu uns kämen, um mit uns zu frühstücken, worauf wir Ihnen dann alle zu Diensten ständen.«

Hier warf mir der Admiral einen seiner unverschämten Blicke zu und brach in ein lautes Gelächter aus; aber ich beherrschte meine Züge und wies ihn durch einen festen, ernsten Blick zurecht.

»Ich werde mir ein großes Vergnügen daraus machen,« antwortete ich der Dame, »von eilf Uhr Morgens bis zur Stunde des Mittagessens zu Ihren Befehlen zu sein; später bin ich versagt.« Mit diesen Worten verneigten wir uns beide, wünschten ihnen einen guten Morgen und verließen das Zimmer. Die Thüre wurde hinter uns geschlossen, und ich hörte sie alle ausrufen: »welch' ein entzückender junger Mann!«

Ich ging an Bord und erzählte dem ersten Lieutenant, was ich gethan hatte. Er sagte im freundlichsten Tone, er wolle sein Bestes thun, wiewohl sein Schiff gerade nicht in derjenigen Ordnung sei, um es sehen zu lassen; morgen um ein Uhr soll uns ein Boot an der Dockhoftreppe erwarten.

Zur bestimmten Stunde ging ich zum Frühstück. Der Admiral kam nicht, aber die Damen waren bereit, und ich wurde ihrem Oheim vorgestellt – einem schlichten, höflichen Bürger, der stark durch die Nase sprach. Das Mahl war sehr gut, und da ich ein hübsches Stück Arbeit vor mir hatte, machte ich mein Heu, so lange die Sonne schien. Nachdem die erste Wuth des Hungers etwas gebändigt war, benützte ich die erste Gelegenheit, eine Schöne zu fragen, ob eine gewisse Dame, die ich früher zu kennen die Ehre gehabt hätte, eine Verwandte von ihnen wäre, da sie denselben Namen führte und ebenfalls aus Philadelphia stammte.

»Bei Gott, ja wahrhaftig, es ist eine Verwandte von uns,« riefen alle Damen zugleich: wir haben sie seit sieben Jahren nicht mehr gesehen; wann trafen Sie dieselbe zuletzt?«

»Ich habe sie schon längere Zeit nicht mehr getroffen,« erwiederte ich; »aber das letzte Mal, daß ich von ihr hörte, begegnete sie einem meiner Freunde in Turin am Po. Nicht sobald war die letzte Silbe über meine Lippen getreten, als Thee, Kaffee und Chokolade über die ihrigen traten, und sie gleich eben so vielen jungen Nordkapern die Flüssigkeiten nach allen vier Winden spritzten. Sie sprangen vom Tische weg und rannten unter krampfhaftem Gelächter nach ihren Zimmern, mich mit ihrem Oheim allein lassend. Völlig bestürzt und gekränkt, fragte ich, ob ich etwa einen großen Verstoß begangen, oder irgend etwas Lächerliches oder Unzartes gesagt hätte; wenn dieß der Fall wäre, so würde ich es mir nie vergeben.«

»Sir,« antwortete Herr M'Flinn, »ich bin fest überzeugt, daß Sie durchaus nichts Unzartes beabsichtigten; aber die höheren Cirkel in Philadelphia, in welchen diese Damen erzogen worden sind, verbinden mit gewissen Worten ganz andere Begriffe, als ihre Landsleute in Altengland. So nennen wir z. B. die Niederlassungen, welche unsere Vorfahren die hinteren genannt haben, die westlichen, und wenden diesen Ausdruck nach den Gesetzen der Analogie auch auf die menschliche Gestalt und Kleidung an. Dieß ist blos eine kleine Erläuterung, die Sie gewiß aufnehmen werden, wie sie gemeint ist. Wir können natürlich nicht erwarten, daß Fremdlinge die Feinheiten unserer Sprache verstehen sollen.«

Ich bat wegen meiner Unwissenheit um Verzeihung und versicherte ihn, daß ich in Zukunft vorsichtiger sein würde.

»Aber sagen Sie mir doch,« fuhr ich fort, »was lag denn in meiner letzten Bemerkung, das eine so große Heiterkeit auf meine Kosten hervorrufen konnte?«

Nun, Sir,« erwiederte Herr M'Flinn, »Sie setzen mir hart zu, aber da Sie mich zu einer Erklärung nöthigen, so muß ich Ihnen sagen, daß Sie ein Wort gebrauchten, welches wir ausschließlich auf Schlafzimmer beschränken.«

»Aber Sie werden mir doch zugeben, Sir,« versetzte ich, »daß der Name eines berühmten Stromes, der in der ältesten Geschichte genannt wird, wegen eines so verfeinerten Begriffes falscher Sittsamkeit nicht geändert werden kann?«

»Hier sind Sie nicht recht daran,« bemerkte Herr M'Flinn, »die Franzosen, die uns in allen Stücken vorangehen, belehren uns auch, wie wir die Dinge zu benennen haben, und Sie werden mir hoffentlich zugeben, daß sie die ächte Höflichkeit verstehen.«

Ich verbeugte mich bei diesem Dictum, und bemerkte blos, daß es einen Punkt in unserer Sprache gebe, auf welchem Zartheit zur Unzartheit werde, und daß meines Erachtens der edle Strom Ansprüche auf den Vorrang vor einem verächtlichen Geschirr habe. Dann kehrte ich zu dem ersten Theile des Gespräches zurück und sagte, in England schämen wir uns nicht, das Kind bei seinem rechten Namen zu nennen, und betrachten es als ein sicheres Zeichen von schlechter Erziehung, sich nach einem stellvertretenden Ausdrucke für ein gewöhnliches Wort umzusehen, dessen gemeine Bedeutung einem wohlerzogenen und sittsamen Frauenzimmer gar nicht bekannt sein dürfe.

Dieser Vorwurf beschämte den alten Herrn ein wenig; um ihn aus seiner Verlegenheit zu reißen, änderte ich den Gegenstand des Gesprächs, indem ich die Hoffnung ausdrückte, die Damen werden mir für dießmal noch vergeben und zu ihrem Frühstück zurückkehren.

»Nun, was das Frühstück betrifft,« erwiederte der Gentleman, »so haben die Damen von Philadelphia einen sehr jungfräulichen Appetit, und ich glaube behaupten zu dürfen, daß sie bereits gesättigt sind.

Da ich es höchst unwahrscheinlich fand, auf diesem Wege festen Grund zu gewinnen, steuerte ich meinen eigenen Strich und beendigte mein Frühstück, indem ich mich damit tröstete, daß die Damen im Kommissariats-Departement schon vor der Erscheinung des »Po« eine nicht geringe Thätigkeit an den Tag gelegt hatten.

Eben war ich mit meinem Geschäfte zu Ende, als sich die Damen wieder gesammelt hatten und der frühere Heiligenernst wieder um den lieblichen Mund der schönen Jemima spielte. Mit Shawls und Hüten aufgetakelt, drückten sie die größte Ungeduld zum Aufbruch aus. Wir gingen zu Fuß bis an den Dockhof, wo uns ein Midshipman mit einem Boote erwartete und in wenigen Minuten an die Schiffsseite führte. Eine angestrichene Tonne, die wie ein Stuhl gestaltet war, wurde vom Hauptraaenarme in das Boot herabgehaspelt, und ich packte die Schönen je zu zweien sorgfältig auf und schickte sie in die Höhe. Das Gekicher, Gekreisch und Gelächter, das sie erhoben, war mir ziemlich verdrießlich; denn weil sie keine Verwandten von mir waren, wünschte ich nicht, daß sie von meinen Tischgenossen für Angehörige der Familien in Halifax gehalten werden sollten, die mich so freundlich empfangen hatten.

Endlich waren alle wohlbehalten auf dem Hinterdeck gelandet, ohne ihre Knöchel dem Tageslicht blosgestellt zu haben; vielleicht schienen diese nicht ganz so klein, als mir Herr M'Flinn ihren Appetit zu schildern gesucht hatte, denn sie hüteten sich sorgfältig, dieselben vor einem profanen Blick zu entweihen.

»O, Tante,« sagte Deborah, »als ich in die Höhe blickte und Sie und Deliberantia über unsern Köpfen schweben sah, dachte ich an den Pflumpf, den es setzen würde, wenn das Seil bräche; ich bin überzeugt, Sie hätten uns gepantscht

Begierig auf die philadelphische Übersetzung dieses zierlichen Ausdrucks, fragte ich nach seiner Bedeutung, und ließ mir sagen, daß man in jenem Lande unter dem Wort pantschen die Ausquetschung der Gedärme verstehe.

»Nun, wenn ihr so sprecht,« dachte ich, »so hättet ihr auch den Po hinunterschlucken können, ohne euch das Frühstück zu verderben.« Die Musikanten spielten: »Yankee-Dudel;« die Damen waren entzückt und sprangen auf dem Hinterdeck herum, wie junge Böcke.

»Ach, Jemima,« rief Deborah, »was hast du mit der Westseite deines Kleides gemacht? Es ist über und über weiß.«

Die Flecken waren bald abgebürstet, aber der Ausdruck wurde auf dem Schiffe nie vergessen und stets in muthwilliger Weise angebracht.

Nachdem ich ihnen das Schiff mit allen seinen Wundern gezeigt hatte, war ich froh, sie wieder an's Land zurückführen zu können. Dem Admiral sagte ich bei unserem Zusammentreffen, daß ich bei den Damen die Honneurs gemacht hätte und die Hoffnung nährte, wenn er wieder weibliche Verwandte verbinden wolle, würde er seine Zusage halten und sie selbst begleiten.

»Nun, nun, wofür halten Sie denn diese Damen?« erwiederte der Admiral.

»Wofür ich sie halte?« wiederholte ich; »nun, wofür anders, als für Ihre Yankeebäschen!«

»Ei, ei, waren Sie denn ein so verdammter Flachkopf, daß Sie glaubten, was ich sagte? Ihr Vater hat einen Laden in Philadelphia und handelt mit kurzen und langen Waaren; sie waren auf einer Fahrt nach Neu-York begriffen, um Verwandte zu besuchen, als ihr Schiff genommen und hier in den Hafen geführt wurde.«

»So gehören sie also nicht zum bon ton von Philadelphia?«

»So wenig, als Nancy Denis zum bon ton von Halifax,« erwiederte der Admiral; »obwohl der Oheim, wie ich Ihnen sagte, in seinem Fach ein gescheidter Bursche ist.«

»Ganz gut,« versetzte ich; »für dießmal haben Sie mich gefangen; aber warten Sie nur, ich will's wieder hereinbringen.«

Ich blieb nicht lange sein Schuldner. Ohne seine Erklärung hätte ich einen ganz falschen Begriff von den Damen von Philadelphia behalten und eine Ungerechtigkeit gegen sie begangen, die ich mir nie vergeben haben würde.

Die Zeit unserer Abfahrt rückte heran. So schwermüthig auch dieselbe stets in Halifax ist, so war doch meine letzte Handlung am Lande heiter genug, um den Schmerz des Abschiedes zu mildern. Mein Freund Ned und ich hatten noch keine Gelegenheit gehabt, Sir Sturmdrang Windmacher für seine Zwischenträgereien bei Marien und seine Einführung bei den Yankee-Damen zu bestrafen. Eines Morgens traten wir beide in demselben Augenblicke aus unsern Zimmern, und waren im Begriff, zum Frühstück hinabzugehen, als wir den Admiral bei einem organisch-chemischen Experiment erspähten. Zum Unglück für ihn hatte er seine Position gerade im Bereiche eines Schutzdaches angenommen, wo wir ihn sehen konnten; zugleich mußte sein Rockkragen genau das Kreissegment schneiden, den eine Flüssigkeit beschrieb, welche wir über das Wetterdach hinablaufen ließen, das uns somit als Conduktor auf den Mittelpunkt seines Nackens dienen konnte.

Die Magd (Mägde sind aus Absicht oder Nachlässigkeit stets die Urheberinnen oder Werkzeuge muthwilliger Streiche) hatte einen Eimer, der beinahe ganz voll Schmutzwasser aus den Waschbecken u.s.w. war, am Fenster stehen lassen. Wir sahen zuerst einander, dann den Eimer, dann den Admiral an. Ned dachte an seine Marie – ich an meine Bekanntschaft mit den Yankee-Damen. Ohne ein Wort zu sprechen, legten wir Hand an den Eimer, und im Augenblicke sauste sein ganzer Inhalt auf den Admiral nieder.

»Was soll das?« brüllte er. »O, ihr verfluchten Schurken!«

Er wußte, daß es Niemand anders sein konnte, als wir. Unser Gelächter war so unmäßig, daß wir uns weder rühren, noch sprechen konnten; und der arme Admiral spuckte und räusperte und hustete, als wollte er seine Lungen ausschütten.

»Ihr infernalischen Schurken! Keinen Respekt vor einem Flaggenoffizier? Dafür sollt ihr mir büßen.«

Thränen rollten über unsere Wangen hinunter; aber es waren keine Thränen des Kummers. Sobald sich der Admiral hinreichend erholt hatte, um Jagd auf uns zu machen, hielten wir es für zweckmäßig, die Anker zu lichten. Wir wußten, daß wir entdeckt waren, und da die Sache nicht mehr schlimmer werden konnte, so beschlossen wir, ihm zu sagen, wofür wir ihn bestraft hätten. Ned begann.

»Was machen Sie, Admiral? Sie haben diesen Morgen ein Sturzbad genommen?«

Er knirschte mit den Zähnen und sah in die Höhe – »ah, sind Sie's, nicht wahr? Ja, ich dachte mir's; es konnte Niemand anders sein, als Sie. Ja, ich habe ein Sturzbad genommen, und Gott verdamme Sie und den Meerteufel, Ihren Freund, mit. 's ist weit mit dem Dienst gekommen, wenn Offiziere meines Ranges auf diese Weise behandelt werden. Ich will Euch – Ihr sollt mir den Kater beneiden.«

»Hüten Sie sich vor der Haushälterin, Admiral,« sagte Ned. »Marie hat sich mit mir ausgesöhnt, Admiral, und läßt sich Ihnen empfehlen.«

»Gott verdamme Ihre Marie.«

»Sehr schön, ich will's ihr sagen,« bemerkte Ned.

»Admiral,« sagte ich, »erinnern Sie sich noch, wie Sie die – – in einem Sturm in See schickten, als ich Midshipman darauf war? In jener Nacht wurde ich eben so naß, als Sie jetzt sind. Haben Sie etwas an die Fräulein M'Flinn zu bestellen, Admiral?«

»Das will ich Ihnen sagen, wenn ich Sie einmal unter den Klauen habe,« erwiederte Sir Sturmdrang, als er triefend, wiewohl nicht so süß duftend, als Popes Lodona, die Treppe hinauf nach seinem Zimmer ging.

Der Lärm zog die Haushälterin und die ganze Familie herbei. Alles bedauerte den durchnäßten Admiral, theilte aber im Herzen unsere Freude. Indessen mußten wir die Sache theuer bezahlen. Der Admiral gelobte mit einem Schwur, drei Tage lang keinen von uns im Hause essen oder trinken zu lassen; und Ned's Vater sah sich, so gern er auch in ein Gelächter ausgebrochen wäre, durch die Gesetze des gewöhnlichen Anstandes genöthigt, nach einer so groben Verletzung des Gastrechtes die Anordnung des Admirals gut zu heißen.

Ich speiste an Bord meines Schiffes; Ned ging in ein Kaffeehaus; aber am dritten Morgen nach dem Sturzbade steckte ich den Kopf in's Frühstückzimmer und sagte:

»Admiral, ich habe Ihnen eine herrliche Geschichte zu erzählen, wenn Sie mich hineinlassen wollen.«

»Will Sie lieber verdammt wissen, junger Fischlaich. Packen Sie sich, oder ich werfe Ihnen diesen Schinken an den Kopf.«

»Nein, aber in der That, mein werthester Admiral, es ist eine sehr hübsche Geschichte – ganz nach Ihrem Geschmack.«

»Nun gut, so bleiben Sie hier stehen und erzählen Sie; aber ich sage Ihnen, kommen Sie mir nicht herein, oder – –«

Ich blieb an der Thüre stehen und erzählte ihm die Geschichte.

»Nun ja.« sagte er, »es ist eine schöne Geschichte, und ich will Sie deswegen wieder zu Gnaden aufnehmen.« Mit herzlichem Lachen über meine Erfindungsgabe versprach er uns Beiden zu verzeihen, und ich eilte fort, um meinen Freund Ned zum Frühstück zu holen.

Dieß war der sicherste Weg, uns beim Admiral wieder in Gunst zu setzen, denn er war ein gewaltiger Riese und würde uns ordentlich »gequetscht« haben. Der Friede wurde redlich gehalten, und am folgenden Tage ging das Schiff unter Segel.


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