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Sechstes Kapitel.

Parolles: Ihr bietet mir eine ganze ausgezeichnete Beschimpfung.
Lafeu. Allerdings, und zwar von ganzem Herzen, denn du bist derselben werth.

Ende gut, Alles gut.

Wir sehnten uns natürlich, ein Land zu sehen, von welchem wir so viele Jahre ausgeschlossen gewesen, weßhalb wir Alle Urlaub nachsuchten und denselben auch erhielten. Sogar den Matrosen wurde die gleiche Nachsicht zu Theil, und sie durften in Partien von 20 oder 30 zumal an's Land. Die Leute liefen uns gaffend nach, scheuten aber zu gleicher Zeit die »Ketzer«. Seit den Tagen des unsterblichen Gil Blas haben sich die Wirthshäuser dieser Stadt, so wie auch die in dem ganzen übrigen Spanien nicht verbessert. Sie waren sämmtlich mehr oder weniger mit dem gemeinsten Gesindel und ganzen Banden von Bravos angefüllt, die aus dem Raube ein Gewerbe machten, und sich wenig darum kümmerten, ob dasselbe auch hin und wieder von einem Morde begleitet war. Die Hauptingredienzen der abscheulichen Küche bestanden aus Knoblauch und Oel. Die Olla Potrida und deren beständige Begleiterin, die Tomato Sauce, waren unausstehlich, der Wein übrigens für einen Midshipman ganz vortrefflich. So oft wir in einem dieser Häuser einsprachen, suchten die Bravos Streit mit uns anzufangen, und da diese Kerle stets mit Stileten bewaffnet waren, so sahen wir uns genöthigt, gleiche Vorsichtsmaßregeln zu treffen: Wir ermangelten nämlich nie, wenn wir uns an einem Tische niederließen, unsere Pistolenschafte blicken zu lassen, wodurch sie in gebührender Ordnung erhalten wurden, denn sie waren eben so feig, als diebisch. Unsere Matrosen, die weniger vorsichtig und nicht so gut mit Waffen versehen waren, als wir, wurden von diesen Schuften häufig beraubt, und hin und wieder auch einer meuchelmörderischer Weise ermordet.

Bei einer Gelegenheit wäre ich um ein Haar gleichfalls ihr Opfer geworden. Ich spazierte eines Abends mit dem zweiten Schiffsmeister umher, und hatte eine hübsche kleine Spanierin am Arme, denn zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich bereits der leichtfertigen Schwesterschaft nicht mehr fremd war; da redeten uns vier dieser Halunken an. An der Art, wie sie ihre Mäntel hielten, merkten wir bald, daß sie ihre Stilete bereit hatten, weßhalb ich meinen Begleiter aufforderte, seinen Dolch zu ziehen, sich dicht an mich zu halten, und die Bursche nicht zwischen uns und die Mauer kommen zu lassen. Als sie bemerkten, daß wir vorbereitet waren, wünschten sie uns »buena noche« (gute Nacht); dann suchten sie unsere Aufmerksamkeit dadurch abzulenken, daß sie ein Gespräch mit uns anzuknüpfen suchten und uns um Cigarren baten, worin auch mein Begleiter eingewilligt haben würde, wenn ich ihn nicht verwarnt hätte, seinen Dolch nicht aus der Rechten zu lassen, denn dieß allein hatten sie gewollt.

In dieser defensiven Haltung verblieben wir, bis wir beinahe die Plaza erreicht hatten, wo viele Personen nach der Sitte des Landes im Mondschein lustwandelten.

»Wir wollen jetzt sehen,« sagte ich zu meinem Freunde, »daß wir dieser Kerle los werden. Wenn ich zu laufen anfange, so folgen Sie mir und halten nicht eher, bis wir die Mitte der Plaza erreicht haben.« Dieses Manöver führte zum Zweck; wir entkamen den Spitzbuben, welche unsern Plan nicht merkten, und durch ihre schweren Mäntel am Nachsetzen gehindert wurden.

Als sie fanden, daß wir entwischt waren, wandten sie sich an das Mädchen und raubten demselben seinen elenden Verdienst. Wir sahen dieß mit an, konnten es aber nicht verhindern. So war damals die Polizei in Spanien, die sich seitdem um kein Haar gebessert hat.

Dieß war das letzte Mal, daß ich mich Nachts ans Ufer wagte – einen einzigen Besuch bei dem spanischen Admiral ausgenommen, der eine Partie unserer Offiziere eingeladen hatte. In seinem Hause befand sich ein sehr hübsches Mädchen, seine Nichte, und er selbst war freisinnig genug, uns arme Ketzer zuvorkommend zu behandeln. Die Nichte war in der That ein äußerst liebenswürdiges Geschöpf – ihre schönen schwarzen Augen, die langen Wimpern und die rabenschwarzen Locken ließen auf maurisches Blut schließen, während zugleich der alte Familienname ihr die beneidenswerthe Bezeichnung einer Vieja Christiana sicherte. Dieses schöne Wesen geruhete, meiner jugendlich kräftigen Gestalt und meiner schönen Uniform einen heimlichen Blick des Beifalls zu schenken. Dieses kitzelte meine Eitelkeit. Ich redete sie in französischer Sprache an, die sie nur unvollkommen verstand: überhaupt drückte sie sich nur ungern in derselben aus, was wohl von dem Hasse herrühren mochte, welchen in jener Periode alle Spanier gegen die französische Nation unterhielten.

Indessen benutzten wir die uns zugemessene Frist nach Kräften, und ehe wir schieden, hatte sich ein vollkommenes Verhältniß zwischen uns hergestellt. Es war mir, als könnte ich um ihretwillen alle meine Aussichten aufgeben und mit ihr in einer spanischen Wildniß glücklich leben.

Die Zeit unserer Abfahrt rückte heran, und ich mußte mich von meiner Rosaritta losreißen, nicht ohne daß der Kapitän und meine Schiffsgefährten muthmaßten, ich sei ein zu hoch begünstigter Jüngling gewesen. Sie hatten aber Unrecht, denn ich liebte den holden Engel und war ihrer Reinheit nie zu nahe getreten. In einer Stimmung, die mich an den Rand der Verzweiflung brachte, ging ich wieder zur See; indeß ist Salzwasser ein wunderbares Specificum gegen die Liebe – wenigstens gegen eine Liebe, wie meine damalige. Wir trafen vor Toulon mit dem Admiral zusammen, und erhielten Befehl, zwischen Perpignan und Marseille zu kreuzen, weßhalb wir schon am folgenden Tage die Flotte verließen und die Küste ohne Unterlaß beunruhigten. Kein Schiff durfte sich aus dem Hafen herauswagen, ohne daß wir es bedrängten. Ueber die Batterien lachten wir, denn wir brachten sie mit unseren langen Achtzehnpfündern zum Schweigen, oder gingen an's Land und sprengten sie in die Luft.

In einem dieser kleinen Scharmützel wäre ich beinahe gefangen worden, wodurch ich alle die Ehre, den Ruhm und das haarscharfe Entkommen, wovon ich in den folgenden Blättern sprechen werde, verloren hätte. Entweder wäre das Recht der Wiedervergeltung an mir geübt und ich niedergehauen worden, oder ich hätte für die übrigen sechs Jahre des Krieges nach Verdun marschiren müssen.

Wir hatten gelandet, um zu stürmen und eine Batterie in die Luft zu sprengen, zu welchem Ende wir einen Pulversack und eine Zündröhre von Segeltuch mit uns führten. Alles ging glücklich von statten. Wir kamen an einen Kanal, den wir übersetzen mußten, und die besten Schwimmer wurden auserlesen, um das Pulver hinüberzuschaffen, ohne daß es naß würde. Die Wahl hatte auch mich getroffen. Um meine Schuhe und Strümpfe zu schonen, zog ich sie aus, und nachdem wir die Batterie genommen hatten, vertiefte ich mich so in ein Begaffen der telegraphischen Signalhütte, daß ich der bevorstehenden Explosion ganz vergaß, und erst durch den Ruf: »Lauft!« von Seite derjenigen, welche die Zündröhre in Brand gesteckt hatten, daran erinnert wurde.

Ich befand mich in diesem Augenblicke auf der Mauer des Forts, die beinahe dreißig Fuß hoch war, aber schräg ablief. Zum Theil springend, zum Theil kletternd enteilte ich mit möglichster Schnelle, während ein Schauer von Steinen, wie bei einem Ausbruche des Vesuvs, um mich niederfiel. Zum Glück wurde ich nicht getroffen, hatte aber beim Sprung meinen Fuß verletzt und litt große Schmerzen. Ich mußte über ein Stoppelfeld gehen, und da meine Schuhe und Strümpfe auf der andern Seite des Kanals lagen, so stachen die scharfen Stoppeln dermaßen in meine Wunde, daß ich hätte toll werden mögen, und mich sehr versucht fühlte, niederzusitzen und das Schlimmste über mich ergehen zu lassen.

Ich hielt jedoch aus und hatte die Boote, welche eben abstoßen wollten, da man meine Abwesenheit nicht bemerkte, beinahe erreicht, als ein Ton, wie ferner Donner, an mein Ohr schlug. Ich fand bald, daß derselbe von einem Kavallerietrupp herrührte, der von Cotte heraufsprengte, um die Batterie zu vertheidigen. Ich bot meine letzte Kraft auf und stürzte in's Meer, um den Booten nachzuschwimmen; die Zeit war mir jedoch so kurz zugemessen; daß mir einige der feindlichen Jäger auf ihren Rappen nachschwammen und ihre Pistolen nach meinem Kopfe abfeuerten. Die Boote waren schon eine Viertelmeile vom Ufer entfernt; die Offiziere bemerkten jedoch zum Glücke die Kavallerie und wurden zu gleicher Zeit auch meiner ansichtig, weshalb eines der Boote auf mich zuruderte. Mit Mühe erreichte ich dasselbe und wurde eingenommen, war aber jetzt vom Schmerz und Blutverlust so erschöpft, daß ich beinahe todt an Bord gebracht wurde. Mein Fuß war bis auf den Knochen verwundet, und ich mußte einen vollen Monat unter ärztlicher Behandlung bleiben.

Ich hatte mich so ziemlich von diesem Unfalle wieder erholt, als wir ein Schiff fingen, auf welches Murphy als Prisenmeister gesetzt wurde. Am nämlichen Abend kaperten wir einen Schooner, den wir von seinem Ankergrunde fortrissen. Das Kommando des letzteren wurde mir übergeben – es war schon spät am Abend und die Eile so groß, daß das Branntweinfäßchen, das mir und meiner Mannschaft zugedacht war, nicht an Bord geschafft wurde. Dießmal hatte ich also ein anderes Extrem – in meinem letzten Schiffe war zu viel, in diesem zu wenig geistige Flüssigkeit. Von Natur aus schon durstige Kehlen, bedurften wir nicht des Reizes von Salzfisch und Pökelfleisch, woraus unsere Ladung und unsere Kost bestand, und wir beklagten sehr, daß wir um unseren Branntwein gekommen waren.

Am dritten Tage, nachdem wir die Fregatte verlassen hatten, traf ich auf meinem Wege nach Gibraltar an der spanischen Küste mit einem Schiffe zusammen, in welchem ich an dem auffallenden weißen Fleck in dem großen Marssegel das von Murphy kommandirte erkannte. Ich setzte alle Segel bei, um es einzuholen, weil ich hoffte, einigen Branntwein von ihm zu erhalten, denn ich wußte, daß er mehr hatte, als er verbrauchen konnte, selbst wenn seine Leute und er sich jeden Tag betranken.

Als ich ihm nahe kam, nahm er mit allen Segeln Reißaus.

Bei Einbruch der Dunkelheit befand ich mich beinahe in Rufweite; er aber steuerte fort, weshalb ich einen von den paar kleinen Dreipfündern, die ich an Bord hatte, blind laden ließ und als Signal abfeuerte. Dieß wiederholte ich etliche Male; er wollte jedoch nicht beilegen, und als es dunkler wurde, verlor ich ihn aus dem Gesicht. Ich traf ihn erst in Gibraltar wieder.

Am andern Morgen stieß ich auf drei spanische Fischer. Sie hielten mich für einen französischen Kaper, zogen ihre Leinen an und nahmen Reißaus. Ich setzte ihnen nach und feuerte eine Kanone ab, worauf sie beilegten und sich ergaben. Sie mußten neben meinem Schooner anlegen, und als ich fand, daß jedes der Boote ein Faß Wein an Bord hatte, erklärte ich diesen Theil ihrer Ladung für Contrebande, obgleich ich ihnen für das Abgenommene ehrliche Zahlung anbot. Diese wollten sie jedoch nicht nehmen, denn sie fühlten sich überglücklich, nicht in die Hände der Franzosen gefallen zu sein, sondern es mit den Ingles zu thun zu haben.

Ich gab sodann Jedem der Leute ein Pfund Tabak, wodurch sie nicht nur sehr erfreut, sondern auch in der neugefaßten Ansicht, die sich unter ihren Landsleuten geltend machte, bekräftigt wurden, daß nämlich die Engländer sowohl der tapfersten, als der großmüthigsten Nation angehörten. Sie boten mir den ganzen Inhalt ihrer Boote an, was ich jedoch vornehm ablehnte, da ich jetzt Alles hatte, was ich brauchte. Als wir in gegenseitigem, gutem Einvernehmen schieden, jubelten sie ein »Viva Ingleterre!« und wir tranken ihnen eine gute Fahrt in ihrem eigenen Weine zu.

Wir brauchten viele Tage, bis wir Gibraltar erreichten. Die Winde waren leicht und das Wetter schön; da wir aber jetzt die Entdeckung gemacht hatten, daß die Fischerboote Wein führten, so trugen wir Sorge, unsern Keller zu füllen, ohne einen Mauthbeamten zu bemühen; und dabei handhabte ich ein so billiges Tauschsystem, daß ich mit Grund annehmen zu dürfen glaube, Seine Majestät der König Georg habe durch unser Benehmen auch nicht ein Titelchen von seiner verdienten Popularität verloren. Bei unserer Ankunft vor Gibraltar hatte ich noch ein paar hübsche Fäßchen übrig, womit ich meine Tischgenossenschaft zu regaliren gedachte. Indeß that es mir doch leid, finden zu müssen, daß die Fregatte und die übrigen Prisen vor uns angekommen waren – den einzigen Murphy ausgenommen, der erst einen Tag nach uns eintraf. Bei der Ankunft des letztern befand ich mich eben auf dem Halbdecke. Da vernahm ich denn zu meinem größten Erstaunen, wie er rapportirte, er sei von einem französischen Kaper verfolgt worden und habe den Angriff desselben nach einem vierstündigen Gefechte abgeschlagen; sein Takelwerk habe zwar dabei sehr Noth gelitten, aber keiner seiner Leute Schaden genommen. Ich ließ ihn in seinem Zuge fortmachen; Viele glaubten ihm, Einige aber erhoben Zweifel. Beim Diner in der Constabelkammer kannte seine Anmaßung keine Grenzen, und in halber Trunkenheit vergrößerte er meine drei Matrosen zu einer wohlbemannten Brigg, mit Leuten und Geschütz, soviel sie nur faßte.

Da mich dieser Unsinn anwiderte, berichtete ich einfach den Vorgang, wie er sich zugetragen, und rief den Quartiermeister, der mich begleitet hatte, zum Zeugen auf, welcher dann auch meine Angabe bestätigte. Von diesem Augenblick an war er ein Gegenstand der Verachtung für das ganze Schiff, und sein Name eine Bezeichnung für Lügen und Lügner. Er wagte es nicht, für die Verachtung, welche ihm zu Theil wurde, Rache zu nehmen, und fand seine Stellung unter uns so unbehaglich, daß er nichts dagegen einzuwenden hatte, als ihm der Kapitän eine Versetzung nach einem andern Schiffe vorschlug; aber auch dort wurde sein Charakter bald erkannt und er brachte es nie zur Beförderung. Der Gedanke machte mir Freude, daß ich mich nicht nur voll an diesem Menschen gerächt, sondern daß ich auch als Werkzeug gedient hatte, um ihn einer ehrenvollen Laufbahn zu entrücken, welcher er doch nur Schande gemacht haben würde.

Es war keine Zeit, in der die Fregatte müssig liegen bleiben durfte, und wenn ich den Namen meines Schiffes und meines Kapitäns nennen wollte, so würde die Geschichte der Seekämpfe jener Zeit einen Beweis liefern, daß unser Fahrzeug zu denjenigen gehörte, welche sich in dem Streite um Spaniens Befreiung am meisten auszeichneten. Der Süden von Spanien wurde der Schauplatz des grausamsten und verheerendsten Krieges. Unsere Station befand sich in der Höhe von Barcellona, von wo aus wir gegen Perpignan hin – der spanisch-französischen Küste – kreuzten. Unser Dienst, für den man keinen Bessern hätte finden können, als unsern Kapitän, hatte die Unterstützung der Guerilla-Führer zum Zweck; auch sollten wir die feindlichen Zufuhren zur See oder auf den Küstenwegen abschneiden, deßgleichen die Franzosen aus jeder festen Position, die sie gewählt hatten, vertreiben. In solchen Diensten mußte ich oft drei bis vier Wochen vom Schiffe abwesend sein, da ich einer Abtheilung unter dem Kommando des dritten Lieutenants beigegeben war. Wir hatten bei solchen Gelegenheiten Entbehrungen aller Art zu bestehen, da wir in der Regel nur auf eine Woche Mundvorrath mitbekamen und oft drei Wochen warten mußten, ohne daß wir Zufuhr erhielten. In Betreff unserer Kleidung war das »negative Register«, wie ein gefeierter Autor sich ausdrückt, »sehr inhaltschwer«; wir hatten keine Schuhe und Strümpfe, kein Weißzeug, und zum Theil keine Hüte, welche gewöhnlich durch ein Schnupftuch ersetzt wurden. Dabei mußten wir über Felsen klettern, und in Gesellschaft unserer neuen Verbündeten, der abgehärteten Gebirgsbewohner, durch steinige oder schlammige Schluchten wandern.

Die spanischen Kriegsleute achteten uns und unsere Tapferkeit, liebten aber weder unsere Religion, noch unsere Gebräuche. Sie theilten mit Freuden ihren Mundvorrath mit uns, waren aber stets unerbittlich in ihrer Grausamkeit gegen die französischen Gefangenen, und keine Vorstellungen von unserer Seite waren im Stande, sie zu bewegen, daß sie das Leben dieser Unglücklichen schonten, deren Bitten und Flehen, wir möchten uns für sie verwenden oder sie retten, stets erfolglos waren. Sie wurden entweder vor unsern Augen erdolcht, oder nach einer Bergspitze geschleppt, die von einem französischen Fort aus gesehen werden konnte, wo man ihnen, Angesichts ihrer Landsleute, die Kehlen abschnitt.

Der christliche Leser verdammt mit Recht diese entsetzliche Barbarei, darf aber dabei nicht vergessen, daß die Gefühle dieser Leute auf's Schmerzlichste verletzt worden waren. Raub, Brand, Mord und Hunger folgten stets den Schritten der wilden Eindringlinge, und obgleich wir ihr Schicksal beklagten und es abzuwenden bemüht waren, so konnten wir uns doch nicht bergen, daß sie eine derartige Wiedervergeltung einigermaßen verdient hatten.

Während dieser unregelmäßigen Kriegszüge schwelgten wir das eine Mal im Ueberflusse, während wir zu andern Zeiten den äußersten Mangel litten. Eines Tages, als wir ganz ausgehungert waren, trafen wir auf einen wohlgemästeten, rothbäckigen Kapuziner, welchen wir baten, er möchte uns angeben, wo wir durch Kauf oder anderweitig Nahrungsmittel auftreiben könnten. Er wußte uns nicht zu rathen und meinte auch, sich nicht mit Geld befassen zu können, weil ihm durch seine Ordensregel verboten sei, welches mit sich zu führen. Als er sich von uns abwandte, und einen Abhang hinabging, meinten wir etwas klimpern zu hören. Da nun die Noth kein Gesetz kennt, so nahmen wir uns die Freiheit, den Pater zu visitiren, und fanden 40 Dollare bei ihm, die wir ihm mit der Versicherung abnahmen, wir thäten ein gutes Werk, weil ihm ja doch der Besitz von Geld durch seine Regel verboten sei; auch werde man ihn an Nichts Mangel leiden lassen, sintemalen er unter guten Christen lebe. Er verfluchte uns, aber wir lachten ihn aus, weil er sein Unglück durch Heuchelei und Lüge selbst verschuldet hatte.

Aehnlicherweise benahmen sich überhaupt die spanischen Priester gegen uns, und wo es anging, zahlten wir sie auf dieselbe Art. Das Erbeutete behielten wir für uns und setzten es in Lebensmittel um.

Da wir bald nachher uns dem übrigen Haufen wieder anschlossen, so hielten wir die Sache für abgethan, aber der Mönch war uns in der Entfernung nachgefolgt, und wir sahen, wie er den Hügel hinaufkam, auf welchem wir postirt waren. Um eine Entdeckung zu vermeiden, tauschten wir unsere Kleider, und zwar in einer Weise, daß er uns nicht mehr erkennen konnte. Der Mönch trug seine Klage dem Guerillahäuptling vor, dessen Augen vor Entrüstung über die Behandlung funkelten, welche seinem Priester zu Theil geworden, und wahrscheinlich wäre Blut geflossen, wenn der Beraubte im Stande gewesen wäre, die Schuldigen anzugeben.

Obgleich ich meinen Anzug umgetauscht, hatte ich doch nicht ein Gleiches mit meinem Gesicht thun können, und der Mönch sah mich mit einem Blicke an, der etwas mehr als Argwohn verrieth. Ich stierte ihm mit der ganzen Macht meiner beispiellosen Unverschämtheit voll in's Gesicht und fragte ihn mit lauter, drohender Stimme auf französisch, ob er mich für einen Straßenräuber halte. Diese Frage sowohl als die Art, in welcher ich sie stellte, brachte den Pfaffen zum Schweigen, wenn sie ihn auch nicht befriedigte. Er schien der Andeutung einiger unserer Leute, daß er durch eine andere Abtheilung beraubt worden sein müsse, Glauben zu schenken und machte sich auf den Weg, dieselbe zu verfolgen. Ich war seiner Aufdringlichkeit müde und sah ihn daher mit Freuden abziehen; aber wie er sich abwandte, warf er mir noch einen spähenden Blick zu, den ich mit einem andern voll gut gespielten Zornes erwiederte. Mein lockiges Haar hatte ich mit einem Stückchen Seife, das ich in der Tasche trug, niedergestrichen, so daß ich eher einem Methodistenprediger, als einem Taschendiebe gleich sah.

Einige Zeit vor diesem Vorfalle war die Fregatte, zu welcher ich gehörte, zu einem andern Dienste beordert worden, und da ich keine Gelegenheit fand, an Bord derselben zu kommen, wurde ich vorderhand einer andern beigegeben.

Da jedoch dieses Kapitel bereits zu lange ausgesponnen ist, so muß ich den Leser wegen der weitern Einzelnheiten auf das nächste verweisen.


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