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Neunzehntes Kapitel.

Miranda. Wie kommen wir an's Land?
Prospero. Durch Gottes Fügung.

Seid still und hört den letzten unserer Schrecken:
Auf dieses Eiland wurden wir verschlagen.

Der Sturm.

Eine Fregatte landete an der Insel, um Schildkröten zu holen. Nachdem ich dem Kapitän derselben meine Lage mitgetheilt hatte, stellte er mir das Anerbieten, mich an Bord zu nehmen, indem er mir zugleich eröffnete, daß er noch viel weiter südwärts steuern werde, um einen andern Kreuzer abzulösen, der nach England zurückkehre und mich ohne Zweifel als Passagier aufnehme. Sogleich traf ich meine Vorbereitungen zur Abreise. Ich nahm von allen meinen guten Freunden in der Kaserne Abschied, denn gut waren sie wirklich gegen mich, wiewohl sie gegen sich selbst leichtsinnig und thöricht handelten. Hierauf sagte ich den Familien Lebewohl, in deren Häusern und an deren Tafeln ich die freigebigste Gastfreundschaft erfahren hatte, und endlich, wiewohl mit dem gerührtesten Herzen, nahm ich Abschied von der armen Carlotta.

Es war eine schwierige Aufgabe, aber meine Pflicht gebot. Ich sagte ihr, mein Kapitän habe mir befohlen, an Bord zu kommen, und da er ein ganz anderer Mann sei, als mein letzter, so könne ich ihm den Gehorsam nicht verweigern. Dabei versprach ich ihr eine baldige Rückkehr und bot ihr Geld und Geschenke an, aber sie wollte nichts annehmen, als ein kleines Geschmeide, um es zu meinem Andenken zu tragen. Der armen Sophie, die mir das Leben gerettet hatte, kaufte ich die Freiheit; die kleine weinte bitterlich über meine Abreise, aber ich konnte nichts weiter für sie thun. Von Charlotten vernahm ich später, daß sie an Bord eines jeden ankommenden Schiffes gegangen sei, um Nachrichten von demjenigen zu erhalten, der ihr selten oder nie einen Gedanken weihte.

Wir gingen unter Segel, steuerten mit mäßigen Winden und bei schönem Wetter südostwärts, und kaperten am Ende dieses Zeitraumes ein großes amerikanisches Schiff, das von der französischen Küste herkam und einen Umweg gemacht hatte, um unsern Kreuzern zu entgehen. Es führte ungefähr vierhundert Tonnen, und war mit einer schweren und werthvollen Ladung nach Laguira bestimmt. Der Kapitän ließ mich rufen und sagte mir, wenn ich das Schiff als Prisenmeister unter meine Befehle nehmen wolle, so könne ich unmittelbar nach England fahren. Dieser Vorschlag entsprach meinen Wünschen vollkommen; ich nahm ihn an und bat mir blos einen Bootsmannsgehülfen, Namens Thomson, als Begleiter aus. Er war ein alter Schiffsgenosse von mir und hatte bei dem Treffen auf der Basque-Rhede zur Mannschaft meines Gig's gehört; ein zuverlässiger, entschlossener, nüchterner, starkknochiger Caledonier von Aberdeen, ein Mann, von dem ich wußte, daß er mir in der Stunde der Gefahr zur Seite stehen würde. Er mußte mit mir an Bord gehen und wir schafften den nöthigen Branntwein hinüber. Ich empfing meine Verhaltungsbefehle und nahm Abschied von meinem neuen Kapitän, der ein ebenso trefflicher Seefahrer, als ausgezeichneter Offizier war.

Als ich an Bord der Prise kam, fand ich alle Gefangenen in voller Thätigkeit. Sie packten rasch ihre Habseligkeiten zusammen und schafften sie in das Boot, welches sie an Bord der Fregatte bringen sollte. Mit ungewöhnlicher Eilfertigkeit drängten sich alle hinein, aber dieser Umstand fiel mir im Augenblicke nicht besonders auf. Ich hatte Befehl, den Kapitän und einen Matrosen vom Schiffe an Bord zu behalten, um es vom Admiralitätsgerichte verurtheilen zu lassen.

Mit einer Menge Gegenstände zugleich beschäftigt, die mir alle wichtig waren, erinnerte ich mich bei meiner Abfahrt von der Fregatte nicht sogleich an diesen Theil meiner Verhaltungsbefehle, und vergaß, daß ich das Boot aufhielt, bis der junge Midshipman, der es führte, die Frage an mich stellte, ob er an Bord zurückkehren und die Gefangenen mitnehmen dürfe. Jetzt ging ich auf das Verdeck, und da ich die sämmtliche Mannschaft mit Kisten und Mantelsäcken ruhig im Boote sah, welches im Begriff stand, abzustoßen, verlangte ich den Kapitän nebst einem von den amerikanischen Matrosen, und befahl, daß sie mit ihren Kleidern an Bord kommen sollten. Ich bemerkte den Widerwillen des Kapitäns gegen diesen Befehl nicht eher, als bis mir der Midshipman die Mittheilung machte. Sogleich wurde sein Koffer sammt seinen Habseligkeiten auf das Verdeck geschafft, und als die Fregatte das Signal zur Rückkehr des Bootes wiederholte und durch ein Licht am Mäste verstärkte (denn es war bereits finster), stieß es eiligst ab, und hatte sich bald aus unsern Augen verloren.

»Um Gottes Willen, halten Sie das Boot auf!« rief der Kapitän.

»Warum soll ich das Boot aufhalten?« fragte ich, »meine Befehle sind bestimmt, und Sie müssen an Bord bleiben.«

Ich ging auf ein paar Minuten hinab, und der Kapitän folgte mir.

»So wahr Sie Ihr Leben lieben,« rief er, »halten Sie das Boot auf!«

»Warum denn?« fragte ich hastig.

»Weil das Schiff von der Mannschaft angebohrt ist,« erwiederte er, »und in wenigen Stunden sinken wird; Sie können es nicht retten, denn Sie können nicht an die Lecke gelangen.«

Jetzt sah ich in der That die Notwendigkeit ein, das Boot aufzuhalten, aber es war zu spät; schon hatte es sich aus unserem Gesichtskreise verloren. Das Lichtsignal zu seiner Rückkehr war niedergeholt, ein Beweis, daß es an Bord gekommen.

Ich hißte zwei Lichter an den Besanmast und befahl, eine Flinte abzufeuern, aber unglücklicherweise waren die Patronen entweder gar nicht in das Boot geschafft worden, welches mich herüber geführt hatte, oder sie hatten mit demselben wieder den Rückweg angetreten. Eines meiner Lichter erlosch; das andere wurde von der Fregatte nicht bemerkt. Wir hißten ein drittes, aber es erregte ebenso wenig Aufmerksamkeit. Das Schiff war offenbar unter Segel gegangen. Ich eilte ihm so schnell als möglich nach, indem ich die Hoffnung nährte, es werde uns in dieser Nacht noch sehen, oder am nächsten Morgen an Bord nehmen, falls wir noch flott wären.

Aber mein schwerbeladenes Fahrzeug war bereits wassertief geworden und machte im Winde nicht mehr als vier Meilen in der Stunde. Alle Hoffnung von dieser Seite verschwand. Ich suchte aus dem Kapitän herauszubringen, wo sich die Lecke befänden, um sie zu verstopfen; aber er hatte sich im Getränk so sehr übernommen, daß er nur noch zum Saufmuth und zur Prahlerei fähig war. Nun fragte ich den armen Neger um Rath, der mit dem Kapitän zurückgelassen worden war. Er wußte nur so viel, daß der Kapitän schon in Bordeaux Löcher in die Schiffsböden gebohrt habe, um die Zapfen nach Belieben ausziehen zu können, wobei er zugleich geschworen, das Fahrzeug solle nie in einen britischen Hafen kommen. Er wußte nicht, wo sich die Lecke befanden, wiewohl es mir völlig klar war, daß sie sowohl im Spiegel, als im Vordertheile des Schiffes, und zwar ganz unten im Raume, auf der äußeren und inneren Seite angebracht waren, und jetzt tief unter Wasser standen. Der Kapitän habe das Wasser selbst eingelassen, setzte der Schwarze noch hinzu, und dieß sei Alles, was er wisse.

Ich wandte mich abermals an den Kapitän, aber er war zu betrunken, um folgerichtig denken zu können; er wollte im Rausche sterben, weil er sich vor einem nüchternen Tode fürchtete – ein Fall, der bei Matrosen häufig vorkommt.

»Sprechen Sie mir nichts; Gott straf' mich, wer fürchtet sich vor dem Tod? Ich nicht. Ich habe geschworen, es solle in keinen britischen Hafen kommen, und ich habe mein Wort gehalten.«

Er stieß Flüche und Verwünschungen aus, und stürzte endlich in einem Anfalle trunkenen Wahnsinnes auf das Verdeck.

Ich rief meine ganze Mannschaft zusammen, und nachdem ich ihnen die Gefahr unserer Lage auseinandergesetzt halte, faßten wir gemeinschaftlich den Beschluß, augenblicklich ein großes Boot, das auf den Barren lag, auszusetzen und mit allen zu einer Fahrt nothwendigen Bedürfnissen zu versehen. Wir schafften unsere Kleider, Brod, Pökelfleisch und Wasser nebst meinem Sextanten und Fernrohre hinüber. Den Branntwein, der sich in der Kajüte vorfand, übergab ich dem Midshipman, der mit mir herüber geschickt war, zur Bewachung, und nachdem wir unser Boot vollständig ausgerüstet, mit vier Matrosen bemannt und mit einem guten Marssegel versehen hatten, befestigten wir es mit ein paar starken Tauen am Spiegel des Schiffes, mit dem wir bis Tagesanbruch die muthmaßliche Spur der Fregatte verfolgten.

Die ersehnte Zeit kam, aber selbst von der Mastspitze aus war keine Fregatte zu sehen; das Schiff ging immer tiefer und tiefer, und wir schickten uns an, das Boot zu besteigen.

Ich berechnete, daß der nächste Hafen von Südamerika siebenhundert Meilen von uns entfernt war, und wir nach Rio-Janeiro mehr als doppelt so weit hatten. Indessen verzweifelte ich keineswegs, denn wir waren mit allem Nöthigen versehen, und ich flößte der Mannschaft so viel Zuversicht ein, daß sie mir, mit Ausnahme eines einzigen Punktes, in allen Stücken mit der größten Bereitwilligkeit und Freude gehorchte.

Da ich fand, daß das Schiff aller Wahrscheinlichkeit nach keine zwei Stunden mehr flott bleiben konnte, beschloß ich es zu verlassen und befahl, das Boot heranzuholen. Die Matrosen bestiegen es, richteten den Mast auf und hakten das Segel ein, um es sogleich aufzuhissen, wenn ich die Weisung dazu geben würde. Ohne meine Aufforderung abzuwarten, hatten sie meinen Bootmantel auf die Spiegelbänke gebreitet, um mir eine behagliche Lagerstätte zu verschaffen.

Der Herr des Schiffes machte Anstalt, in's Boot zu steigen, aber die Matrosen trieben ihn mit Fußtritten, Faustschlägen und Geschrei zurück und gelobten mit einem furchtbaren Eidschwur, ihn über Bord zu werfen, sobald er es versuchen würde, sich einzuschiffen.

Ob ich gleich ihren Grimm einigermaßen theilte, konnte ich mich doch nicht mit dem Gedanken versöhnen, ein Mitgeschöpf auf eine solche Art dem Untergange zu weihen, und wenn es auch nur die Grube war, die er andern gegraben hatte; ich konnte es um so weniger, als wir selbst der Gnade des Allmächtigen bedurften und seines ganzen Beistandes benöthigt waren, um in einen Hafen zu gelangen.

»Er verdient den Tod; Alles ist sein Werk,« sagten sie. »Kommen Sie in's Boot, Sir, oder wir müssen ohne Sie abstoßen.«

Der arme Kapitän, der durch einen vierstündigen Schlaf seiner Sinne wieder mächtig geworden war und das Entsetzliche seiner Lage in seinem ganzen Umfange kannte, weinte, schrie, raufte sich die Haare und hielt sich an meinem Rock, von dem ihn meine Leute nur mit Gewalt losreißen konnten. Er klammerte sich mit einer Leidenschaftlichkeit an's Leben, die ich noch an keinem verurtheilten Verbrecher gesehen hatte; er fiel auf die Kniee vor mir nieder und rief alle insgesammt und jeden einzelnen um Gnade an, sprach von seiner Frau und seinen hungernden Kindern in Baltimore und beschwor uns, an sie und an unsere eigenen Angehörigen zu denken.

Ich war bis zu Thränen gerührt; aber meine Matrosen hörten ihm mit stoischer Gefühllosigkeit zu. Zwei von ihnen warfen ihn auf die entgegengesetzte Seite des Verdecks, und ehe er sich von der Heftigkeit des Falles erholen konnte, trugen sie mich in's Boot und stießen ab. Der Elende war jetzt nach der Stelle hingekrochen, die wir so eben verlassen hatten, und rief auf seinen Knieen liegend: »Gnade, Gnade, Gnade! – Um Gotteswillen habt Barmherzigkeit, wenn ihr auf Barmherzigkeit hofft! – O Gott, mein Weib und meine Kinder!«

Mit Bedauern sage ich es, daß seine Bitten nicht die geringste Wirkung auf die ergrimmten Matrosen äußerten. Der Unglückliche war offenbar seiner Sinne beraubt. Er stieß Flüche und Gotteslästerungen aus und verharrte mehrere Minuten in diesem Zustande des Wahnsinns, während wir noch an der Seite des Schiffes lagen, wo uns der Bugmatrose nur noch mit dem Bootshaken festhielt. Ich hatte insgeheim beschlossen, ihn nicht zu verlassen, wiewohl ich voraussah, daß daraus eine Meuterei im Boote erfolgen würde. Endlich gab ich den Befehl zum Abstoßen. Der arme Kapitän, der bis zu diesem Augenblick aus dem geheimen Mitleiden, das er an mir bemerkte, eine schwache Hoffnung geschöpft hatte, überließ sich jetzt der entsetzlichsten und finstersten Verzweiflung. Er setzte sich auf einen der Hühnerkasten und starrte uns mit einem geisterhaften Blicke nach. Ich kann mich nicht erinnern, jemals ein erschütternderes Gemälde menschlichen Elendes gesehen zu haben.

Während meine Blicke auf ihn gerichtet waren, sprang der Neger Mungo, der zum Schiffe gehörte, aus dem Boote und schwamm nach dem versinkenden Fahrzeuge zurück. Er ergriff ein Tau, das vom Gangwege herabhing, erklimmte die Schiffswand und stieß zu seinem Herrn. Wir forderten ihn auf, umzukehren, weil wir ihn sonst zurücklassen würden.

»Nein, Massa,« erwiederte das treue Geschöpf; »mich nit brauch' zu leb'! nit nehm' Massa Green, nit nehm' mich! Mungo leb' gute Menge Jahre mit Massa Kappän. Mungo sterb' mit Massa und geh' zurück nach Guinea!«

Jetzt glaubte ich dem Kapitän eine hinreichende Lehre für seine Verrätherei und seine mörderischen Absichten gegeben zu haben: und selbst, wenn ich wirklich im Sinne gehabt hätte, ihn zurückzulassen, so würde mich das Benehmen des armen Mungo zu meiner Pflicht zurückgerufen haben. Ich befahl Thompson, der das Steuer führte, Steuerbord zu halten und das Voot wieder anzulegen. Nicht sobald war dieser Befehl gegeben, als drei oder vier Matrosen mit drohenden Geberden aufsprangen und schworen, daß sie nicht nach ihm zurückfahren würden; er sei an allen ihren Leiden schuld, und wenn ich Lust habe, sein Loos zu theilen, so stehe es mir frei, aber er solle nicht in's Boot kommen. Einer von den Verwegensten suchte Thompson den Handgriff herauszudrehen; aber der wackere Matrose faßte ihn beim Kragen und schleuderte ihn über Bord. Die übrigen traten nach dem Spiegel, um ihren Anführer zu rächen; aber ich zog meinen Degen, richtete ihn auf die Brust des nächsten Meuterers und befahl ihm, bei Strafe des augenblicklichen Todes, sich zu seinem Sitze zurückzubegeben. Er hatte von meinem Charakter vernommen, daß mit mir nicht zu spielen war.

Ein Meuterer wird leicht mit gewöhnlicher Festigkeit bezwungen. Er gehorchte; aber es geschah mit finsterem Widerwillen, und ich mußte manche aufrührerische Reden von der Mannschaft vernehmen. Einer von den Matrosen sagte, ich sei nicht ihr Offizier – ich gehöre nicht zu der Fregatte.

»Dies ist eine Sache,« erwiederte ich, »worüber euch kein Urtheil zusteht. Ich habe ein Patent von des Königs Lord-Groß-Admiral oder der seine Stelle vertretenden Kommission in der Tasche, wie es euer und mein Kapitän auch hat. Unter dieser Vollmacht handle ich. Ich möchte den Mann sehen, der es mir streitig zu machen wagt – an der Nocke dieses Wracks will ich ihn aufhängen, bevor es untergeht.« Und meine Blicke auf den Mann richtend, der, von Thompson über Bord geschleudert, sich noch am Rande des Bootes festhielt, ohne sich wieder hereinzuwagen, fragte ich ihn, ob er mir gehorchen wolle oder nicht. Er versprach zu gehorchen, und drückte die Hoffnung aus, daß ich ihm verzeihen werde. Ich erwiederte ihm, meine Verzeihung hänge ganz von seinem und der übrigen Mannschaft Benehmen ab; er solle bedenken, daß er, wenn wir von unserer Fregatte oder irgend einem andern Kriegsschiff aufgenommen würden, nebst drei oder vier Andern wegen Meuterei zum Strange verurtheilt werden müßte, und daß sie nichts, als künftiger Gehorsam im nächsten Hafen von dieser Strafe retten könnte.

Diese Rede brachte die Mannschaft zur Ruhe. Die Meuterer baten sämmtlich um Verzeihung und versprachen mir, dieselbe durch künftige Unterwürfigkeit zu verdienen.

Dies Alles ging in einiger Entfernung vom Wracke, aber in dessen Hörweite, vor sich. Mittlerweile starb der Wind, der bei unserem Abstoßen günstig gewesen war, allmählig dahin und sprang nach Südwest um. von wo aus er schwach gegen das sinkende Schiff anwehte. Diesen Umstand benützte ich, um der Mannschaft den Text zu lesen. Als ich sie unterwürfig gemacht und ihre Gefühle etwas angeregt hatte, sagte ich noch, ich habe noch nie gesehen, daß auf Grausamkeit etwas Gutes erfolgt sei; wenn immer ein Schiff oder ein Boot einen Mann zurückgelassen habe, welchen es hätte retten können, sei eine solche Handlung stets mit dem Elende oder Untergange der Schuldigen bestraft worden; und ich sei völlig überzeugt, daß wir der gegenwärtigen Gefahr nimmer entrinnen würden, wenn wir unserm Mitgeschöpfe keine Barmherzigkeit erzeigten. »Gott,« sprach ich, »hat uns Barmherzigkeit erzeigt, indem er uns dies vortreffliche Boot gab, um uns aus der drohenden Gefahr zu retten; und jetzt scheint er uns zuzurufen: »steuert zurück zu dem Wrack, und rettet euren Leidensgefährten. Der Wind weht gerade auf dasselbe zu, und ist der Richtung, die wir verfolgen wollten, entgegengesetzt. So beeilet euch denn,« fuhr ich fort, »gehorchet dem göttlichen Willen, thut eure Pflicht und vertrauet auf Gott, dann werde ich stolz darauf sein, euch zu befehlen, und zweifle nicht, euch in einen sichern Hafen zu bringen.«

Dies war die »rechte Stunde«. Sie ergriffen rasch ihre Ruder und fuhren munter dem Wracke zu. Der arme Kapitän hatte Alles mit angesehen und erwartete die Entscheidung mit banger Angst. Nicht sobald berührte das Boot die Wand des Schiffes, als er hineinsprang, auf seine Kniee fiel und Gott laut für seine Erlösung dankte. Dann warf er sich an meinen Hals, umarmte mich, küßte mich auf die Wange und weinte wie ein Kind. Die Matrosen, welche nie lange zürnen, sprangen gutmüthig hinzu, und halfen ihm seine Habseligkeiten in's Boot schaffen, und als Mungo seinem Herrn folgte, drückten ihm alle die Hand und schworen, er sollte Negerfürst werden, wenn er nach Guinea zurückkomme. Wir nahmen noch einige Gegenstände von allgemeinem Gebrauche ein, die wir bei unserer frühern Eile vergessen hatten; dann stießen wir wieder ab und waren noch keine zweihundert Ellen von dem Schiffe entfernt, als es auf der einen Seite plötzlich tief einsank, worauf es sich wieder erholte, um auf der andern Seite eben so tief niederzuschwanken. Als wäre es mit Leben und Instinkt begabt, machte es noch eine Anstrengung und tauchte kopfüber in die bodenlose Tiefe. Kaum hatten wir Zeit, diesen furchtbaren Auftritt mit anzusehen, als der frühere günstige Ostwind wieder aufsprang.

»Siehe,« sprach ich, »der Himmel hat sich bereits zu euern Gunsten erklärt; ihr habt euern schönen Wind wieder bekommen.«

Wir dankten Gott, und nachdem wir unser Segel gerichtet hatten, drehte ich das Steuer gegen das Cap St. Thomas; frohen Muthes und dankbaren Herzens genossen wir sodann unser bescheidenes Mahl.

Das Wetter war schön – die See ziemlich ruhig – und da es uns nicht an Lebensmitteln und Wasser fehlte, hatten wir nicht viel zu leiden; nur die Furcht vor einem Windwechsel, und das Bewußtsein unserer unsichern Lage machte uns bange. Fünf Tage, nachdem wir das Wrack verlassen hatten, entdeckten wir in großer Entfernung Land. Ich wußte, daß es die Insel Trinidad und die Felsen von Martin Bas waren. Dieses Eiland, welches unter dem zwanzigsten Grad südlicher Breite und dem dreißigsten westlicher Länge liegt, ist mit der gleichnamigen Insel, dermalen einer britisch-westindischen Kolonie, an der Küste des Festlandes, nicht zu verwechseln.

Ich schlug in Horsebergs Werk nach, das ich im Boot hatte, und fand, daß das Eiland, dem wir uns näherten, einst von Portugiesen bewohnt, aber schon seit langer Zeit verlassen war. Die Nacht über ließ ich gegen dasselbe ansteuern, bis wir das Gebrüll der Brandung an den Felsen hörten, worauf ich bis Tagesanbruch windwärts vom Lande beilegte.

Der Morgen zeigte unsern Blicken eine abschüssige, zackige, eisenumgürtete Küste mit hohen, spitzigen Felsen, welche die Wuth der unbändigen Wellen herausforderten, die sich unaufhörlich an ihrem Fuße brachen, und wieder zurückrollten, um den Angriff auf's Neue zu versuchen. Jahrhunderte lang haben sie so getobt, und Jahrhunderte lang werden sie noch so toben, ohne auf die Felsen einen Eindruck zu machen, der dem Auge des Menschen sichtbar wäre. An demjenigen Theile der Insel zu landen, den wir vor Augen hatten, war unmöglich, und wir steuerten an der Küste hin, indem wir die Hoffnung hegten, irgend einen Hafen zu entdecken, in welchem wir einlaufen könnten. Das Eiland schien gegen neun Meilen lang und war offenbar eine vulkanische Bildung, ein Felsengebirge, das sich mehrere hundert Fuß über die Meeresfläche erhob. Es war nackt; nur die Gipfel der Berge waren mit einigen Bäumen gekrönt, deren Anblick eben so schön und erquicklich, als mit Tantalusqualen verbunden war: denn das Ufer schien durchaus unzugänglich, und selbst wenn ich vermuthet hätte, daß ich einen Landungsplatz entdecken könnte, stand ich noch sehr im Zweifel, ob ich ihn nur benützen wollte, da die Insel nichts hervorzubringen schien, was einigen Werth für uns gehabt hätte, während ein Verzug unsere Vorräthe zwecklos erschöpfte.

Kein lebendiges Geschöpf schien auf der Insel zu wohnen, und nur mit der augenscheinlichsten Gefahr konnte man sich der Küste nähern.

Dieser so wenig versprechende Anblick bestimmte mich zu dem Vorschlage, unsere Fahrt nach Rio-Janeiro fortzusetzen. Die Mannschaft war anderer Meinung. Sie sagten, daß sie schon lange genug in diesem Pferchkarren umhertrieben, und lieber auf der Insel bleiben, als ihr Leben noch länger in einem so gebrechlichen Boote auf dem weiten Ocean auf's Spiel setzen wollten. Wir besprachen die Sache noch mit einander, als wir zu einer kleinen Sandstrecke kamen, auf welcher wir zwei wilde Schweine sahen, von denen wir vermutheten, sie seien vom Gebirge herabgekommen, um sich von den Schaalthieren zu nähren. Dies entschied, und ich gab meine Einwilligung, nach der Leeseite zu steuern und einen Landungsplatz zu suchen. Wir folgten den Angaben Horseberg's, untersuchten die Westseite der Insel und steuerten nach der Bucht des Kegelfelsen. Noch nie hatte ich ein großartigeres Schauspiel gesehen, und schwerlich wird die Schöpfung ein Seitenstück davon aufzuweisen haben. Ein ungeheurer Felsen stieg beinahe senkrecht aus dem Meere und erreichte eine Höhe von hundertfünfzig bis hundertsechszig Klaftern. Am Fuße so schmal als auf dem Gipfel, hatte er ganz die Gestalt eines Kegels, und verdankte dieser Aehnlichkeit auch seinen Namen. Die Wände zeigten sich bis zum Gipfel glatt und kahl. Dieser aber war mit Grün bedeckt und stand so hoch über uns, daß die Seevögel, die ihn schaarenweise umkreischten, kaum bis zu zwei Drittheilen seiner Höhe sichtbar waren. Die Wogen peitschten seinen Fuß mit entsetzlicher Gewalt – seit Jahrhunderten ist das gefiederte Geschlecht in endloser Mannigfaltigkeit im ungestörten Besitze dieses Monumentes der Natur; alle Spitzen und Vorsprünge sind mit ihrer weißen Losung bedeckt, und ich bewunderte die Riesenkraft der Natur, welche diese Masse hier aufpflanzte und gegen die Wuth der Winde und Wogen des weiten Oceans vertheidigte.

Eine andere merkwürdige Naturerscheinung sahen wir am andern Ende der Bucht. Die Lava war in die See geströmt und bildete ein Lager, über welches sich ein zweiter Strom geschmolzener Lava ergoß, der so schnell erkaltete, daß er in der Luft hängen blieb, ehe er die erste Schichte erreichte. Dadurch entstand zwischen beiden ein leerer Raum, in welchen nun die See mit ungeheurer Gewalt hineinstürzt und ihr Wasser, gleich dem Springquelle eines Wallfisches, aber mit unendlich größerer Kraft und einem hohlen entsetzlichen Getöse durch Löcher im obern Lavalager in prachtvollen Säulen bis zur Höhe von sechszig Fuß emportreibt. Unwillkürlich betete ich die Werke des Schöpfers an, und der Muth entsank mir bei dem Gedanken über mein eigenes Nichts, über meine Thorheit und Ruchlosigkeit.

Wahrend wir an der Küste hinfuhren, um unfern Landungsplatz zu suchen, schien der amerikanische Kapitän, welcher hart an der Seite des Steuermanns saß, einen Gegenstand am Backbordbug aufmerksam zu betrachten; plötzlich rief er: »Dreht Euer Steuer, guter Bursche, hart Steuerbord!« Diese Worte begleitete er mit einer so heftigen Umdrehung des Steuers, daß er beinahe den Mann auf der Backbordseite über Bord warf. In demselben Augenblicke wurde das Boot von einer schweren Woge erhoben und mehrere Ellen weit rechts an einem spitzigen Felsen vorbeigeschleudert, der gerade die Höhe des Wassers hatte und unserer Aufmerksamkeit völlig entgangen wäre, wenn ihn nicht der amerikanische Kapitän an dieser Stelle vermuthet hätte, denn die See bricht sich an diesen Felsen nicht in jeder Minute, sonst würden sie leicht zu vermeiden sein. Zuversichtlich wären wir zerschmettert worden, hätte der Amerikaner die Gefahr nicht gesehen und durch die plötzliche geschickte Umdrehung des Steuers abgewendet; noch einen Augenblick, noch einen Fuß näher, und wir waren verloren.

»Barmherziger Gott,« rief ich aus, »zu welchem Schicksale hast du mich noch bestimmt! Wie kann ich dir für eine so überschwengliche Gnade genug danken!«

Ich sagte dem Amerikaner für seine Aufmerksamkeit Dank, und belehrte meine Leute, wie sehr wir ihm verpflichtet wären, und wie reichlich er uns für seine Erlösung aus dem Schiffe belohnt hätte.

»Ach, Lieutenant,« sprach der Arme, »was ich gethan habe, ist eine geringe Vergeltung der Güte, die Sie mir erwiesen.«

Das Wasser war sehr tief und die Felsen steil; deßhalb ließen wir unser Segel nieder und arbeiteten uns bloß mit den Rudern in die Bucht, um einen Landungsplatz zu suchen. Im Hintergrunde derselben gewahrten wir die Trümmer eines gescheiterten Schiffes auf dem Strande, das einen Kupferboden zu führen schien. Dies steigerte die Sehnsucht der Mannschaft nach dem Lande, und wir ruderten hart an der Küste, fanden aber, daß unser Boot zertrümmert werden müßte, wenn wir die Landung versuchen würden. Der Midshipman machte den Vorschlag, es soll einer von uns an's Ufer schwimmen und eine Anhöhe ersteigen, um von dort aus nach einer Stelle zu sehen, wo wir anlegen könnten. Ich gab meine Einwilligung, und sogleich warf der Deckmeister seine Kleider von sich. Um ihn hereinziehen zu können, falls ihn die Kräfte verlassen sollten, band ich ihm ein Bleilien unter die Arme. Mit Leichtigkeit schwamm er über den ersten Wogenschwall weg, aber als er an die eigentliche Brandung am Ufer kam, war er nicht im Stande, sich hindurch zu arbeiten; denn im Augenblicke, wo er seinen Fuß auf den Grund setzte, warf ihn der Rücktritt der See und das von den Matrosen sogenannte »Untertauen« über die äußerste Welle zurück.

Dreimal machte der Wackere den Versuch, und stets mit dem gleichen Erfolge. Endlich sank er, und wir zogen ihn beinahe leblos in's Boot. Indessen wurde er durch sorgfältige Pflege wieder hergestellt und kehrte zu seiner gewöhnlichen Arbeit zurück. Jetzt erbot sich der Midshipman, sich ohne das Lien in die Brandung zu werfen, denn dadurch allein wäre es dem Deckmeister unmöglich geworden, seinen Zweck zu erreichen. Dies hatte seine Richtigkeit; aber ich gestattete es ihm nicht, sich der Gefahr auszusetzen, und wir ruderten längs der Küste hin, bis wir in die Nähe eines Felsen kamen, an welchem die Brandung sehr hoch emporschlug, und welchen wir aus diesem Grunde vermieden. Wir machten die Entdeckung, daß dieser Fels vom festen Lande getrennt war, und sahen zu unserer großen Freude innerhalb des Zwischenraumes stilles Wasser. Ohne große Schwierigkeit gelang es uns, hier zu landen. Nachdem wir unser Boot festgelegt hatten, überließen wir es zwei zuverlässigen Matrosen zur Bewachung, und ich entfernte mich mit der übrigen Mannschaft, um die Bucht zu untersuchen. Natürlich richtete sich unsere Aufmerksamkeit zuerst auf das Wrack, an welchem wir vorbeigerudert waren, und nachdem wir eine Viertelstunde lang über große Trümmer zerbrochener Felsen geklettert, die sich von den Seiten der Anhöhe losgerissen hatten und den Weg am Ufer versperrten, erreichten wir den Gegenstand unserer Neugierde.

Wir erkannten aus dem Wrack, daß es einst ein schöner kupferbodener Schooner von ungefähr hundertundachtzig Tonnen gewesen war; er mußte mit großer Gewalt an's Ufer geschleudert worden sein, denn er lag mehrere Ellen hoch über dem Zeichen des höchsten Wasserstandes. Masten und Stangen lagen in allen Richtungen auf dem Strande umher, der mit der Ladung bedeckt war. Diese bestand aus einer Menge von Spielsachen und Holzwaaren, musikalischen Instrumenten, Geigen, Flöten, Pfeifen und Vogelorgeln. Einige Ueberbleibsel von Büchern, die ich aufhob, erwiesen sich als französische Romane mit unzüchtigen Kupferstichen und noch verderblicherem Text. Daraus ergab sich, daß es ein französisches Schiff war. In kurzer Entfernung von dem Wrack, auf einer Art von Erdwall, fanden wir drei oder vier rauh gezimmerte Hütten, die aus den Trümmern errichtet waren; und etwas weiter nach hinten eine Reihe von Gräbern, auf deren jedem ein Kreuz stand. Ich untersuchte die Hütten. Sie enthielten einige rohe, einfache Ueberreste menschlicher Wohnungen; ein paar Bänke und Tische, die kunstlos aus den Schiffsplanken gehauen und zusammengenagelt waren; Knochen von Ziegen und wilden Schweinen und einige Stücke halbverbrannten Holzes. Aber von dem Namen des Schiffes oder seines Eigenthümers vermochten wir keine Spur zu entdecken; selbst auf den Planken war kein Name bezeichnet oder eingeschnitten, wie man hätte erwarten sollen, um anzuzeigen, wem das Schiff gehört hätte, und was aus den Ueberlebenden geworden wäre.

Indessen leitete uns diese geflissentliche Verheimlichung auf die zuverlässige Kunde von seinem Auslaufshafen, seinem Bestimmungsort und seinem Handelsgegenstande. Da es auf der Südwestseite der Insel lag und das Vordertheil gegen Nordost kehrte, so war es ohne Zweifel von Rio Janeiro nach der afrikanischen Küste ausgefahren und während der Nacht hier gescheitert. Ebenso deutlich war es, daß es eine Ladung Sclaven an Bord nehmen wollte; dafür zeugten nicht nur die Spielsachen, mit denen es befrachtet war, sondern auch die ganze innere Einrichtung des Fahrzeuges und eine Menge Hand- und Fußschellen, welche wir unter den Trümmern fanden, und von welchen wir wußten, daß sie einzig und allein zur Ankettung der unglücklichen Opfer dieses Handels dienten.

Wir schlugen unser Nachtlager in den Hütten auf und trennten uns am folgenden Morgen in drei Abtheilungen, um das Eiland zu untersuchen. Wie ich schon oben bemerkte, hatten wir zwar Flinten, aber kein Pulver, und sahen deßhalb wenig Wahrscheinlichkeit vor uns, einige von den Ziegen oder wilden Schweinen zu erlegen, an denen die Insel Ueberfluß hatte. Eine Abtheilung schlug sich in das Gebirge, um den höchsten Punkt der Insel zu suchen. Eine andere ging die Küste entlang gegen Westen, wahrend ich mich mit zwei Matrosen ostwärts wandte. Mit großer Schwierigkeit arbeiteten wir uns durch die verschiedenen Schluchten, bis wir ein langes Thal erreichten, welches die ganze Insel zu durchschneiden schien. Hier wurde unsere Aufmerksamkeit durch eine ebenso wunderbare, als düstere Naturerscheinung in Anspruch genommen. Tausende und Tausende von Bäumen bedeckten das Thal. Sie waren im Durchschnitt ungefähr dreißig Fuß hoch; aber sämmtlich abgestorben, streckten sie ihre kahlen Aeste gegen einander – ein Wald des Todes, als hätte die Natur in einer schwarzen Stunde ihre schöpferische Kraft verloren. Man sah weder Unterholz, noch Gras. Auf den untersten Zweigen der verdorrten Bäume hatten Meergänse oder andere Seevögel ihre zahllosen Nester gebaut. Sie waren so zahm, daß mich schauderte, wie sich Cooper ausdrückt, und schienen an den Anblick von Menschen so wenig gewöhnt, daß die Mütter, die über ihren Eiern brüteten, nur in drohender Haltung ihre Schnäbel gegen uns aufsperrten, als wir an ihnen vorübergingen.

Es dürfte höchst schwierig sein, das gleichzeitige Absterben dieser ungeheueren Menge von Bäumen auf eine befriedigende Weise zu erklären, denn ihren Wurzeln fehlte es nicht an fruchtbarem Erdreich. Meines Erachtens mußte es entweder einem plötzlichen, anhaltenden Auswurf vulkanischer Schwefelmassen, oder einem ungewöhnlich heftigen Sturme, der die Wurzeln durch das hereingeschleuderte Salzwasser tödtete, zugeschrieben werden. Eine von diesen beiden Ursachen mußte gewirkt haben. Der Physiker oder Geognost mag entscheiden.

Wir hatten wenigstens den Trost des Bewußtseins, keinem Mangel an Nahrung ausgesetzt zu sein, denn die Vogelnester boten uns einen reichen Vorrath an Eiern und jungem Geflügel jeden Alters; wir kehrten daher schwer beladen zu der Bucht zurück.

Die Abtheilung, welche westwärts gezogen war, berichtete, daß sie mehrere wilde Schweine gesehen hätte, aber nicht im Stande gewesen wäre, eines derselben zu fangen; die Leute, welche das Gebirge erstiegen hatten, kehrten höchst ermüdet zurück und vermißten einen der Ihrigen. Sie machten uns die Mittheilung, daß sie den Gipfel des Gebirges erstiegen hätten, wo sie eine große Ebene gefunden, die von zwölf bis achtzehn Fuß hohen, baumartigen Farrenkräutern eingefaßt wäre. Auf dieser Ebene sahen sie eine Heerde Ziegen, die von einem ungeheuren Bock von der Größe eines Kleppers angeführt wurde. Sie machten alle möglichen Versuche, eine von den Ziegen zu fangen, aber vergeblich; der Mann, den sie vermißten, war den Thieren weiter gefolgt, als die übrigen; lange hatten sie auf seine Rückkehr gewartet, und endlich aus seinem Ausbleiben den Schluß gezogen, er werde einen andern Weg nach der Bucht eingeschlagen haben. Die Geschichte gefiel mir gar nicht, denn ich fürchtete, dem Armen möchte irgend ein entsetzlicher Zufall begegnet sein. Die ganze Nacht hielten wir Wache und ließen ein Feuer brennen; unser Lager schlugen wir, wie in der vorhergehenden Nacht, in den Hütten auf. An Feuer ließ es uns das Wrack nicht fehlen, und Wasser floß in einem hellen Strom an unserem Dörfchen vorüber.

Am andern Morgen wurde eine Abtheilung nach dem Vermißten ausgeschickt; eine zweite suchte junge Meergänse für unser Mittagessen. Die letztere brachte einen hinreichenden Vorrath auf zwei bis drei Tage mit; aber von den drei Matrosen, die nach dem Vermißten ausgegangen waren, kehrten nur zwei zurück. Sie berichteten, daß sie durchaus nichts von ihm in Erfahrung gebracht, und selbst einen Mann verloren hätten, der ohne Zweifel weiter gegangen sei, um seinen Schiffsgefährten zu suchen.

Diese Nachricht machte uns viele Unruhe, und gab zu manchen Vermuthungen Anlaß. Die Meisten schienen der Meinung zu sein, es gebe wilde Thiere auf der Insel, und unsere armen Freunde seien ein Opfer derselben geworden. Ich beschloß, am anderen Morgen selbst auf Nachsuchung auszugehen, und einen oder zwei auserlesene Männer mit mir zu nehmen. Schon früher hätte ich erwähnen sollen, daß wir bei der Einschiffung auf unserem Boote aus dem versinkenden Schiffe einen Pudel herübernahmen, denn ich wollte das arme Thier nicht gern zu Grunde gehen lassen und hoffte, aus ihm ein gutes Mittagessen zu bereiten, wenn wir keine bessere Nahrung mehr hätten. Dies war nicht mehr als billig, denn die Mildthätigkeit beginnt bei sich selbst.

Dieses treue Thier wurde sehr anhänglich an mich, weil es ausschließlich von mir seine Nahrung erhielt. Nie verließ es mich und nie folgte es einem Anderen; auch auf diesem Ausflüge begleitete es mich. Wir erreichten den Gipfel des ersten Berges, wo wir die Ziegen auf dem zweiten grasen sahen; dort wollten wir die Gegenstände unserer ängstlichen Nachforschung suchen. Ich war einige Ellen vor meinen Gefährten voraus, und in einiger Entfernung vor mir lief der Hund auf einer überhängenden Felsbank, die gegen eine furchtbare Tiefe abstürzte. Diese Bank, die ich zu überschreiten hatte, war ungefähr sechs bis sieben Fuß breit und zehn bis zwölf Fuß lang; dabei neigte sie sich in einer kaum bemerkbaren Böschung gegen den Abgrund, so daß ich sie für vollkommen sicher hielt. Eine unbedeutende Wasserquelle rieselte von einem über ihr stehenden Felsen herab und verlor sich zwischen dem Moose und Rasen, von welchem es in den Abgrund niederfiel, der wirklich eine furchtbare Tiefe hatte.

In Vergleich mit vielen Stellen, die ich bereits überschritten hatte, war dieser Uebergang allem Anschein nach völlig sicher, und ich war eben im Begriffe, ihn zu betreten, als mir mein Hund voranlief und auf die unglückliche Stelle sprang. Sein Fuß gleitete unter ihm aus. Er fiel und verschwand über dem Abgrund.

Ich fuhr entsetzt zurück und hörte ein Angstgebell und Gewinsel; ein schwächeres folgte, und Alles war still. Mit der größten Vorsicht näherte ich mich dem Rande des Abgrunds, wo ich die Entdeckung machte, daß jenes Wassergerille ein kurzes Moos nährte, welches so dicht und glatt wie Sammt war und vermöge seiner Schlüpfrigkeit nicht den leichtesten Fußtritt gestattete; dies erklärte mir das plötzliche Verschwinden, und wie ich muthmaßte, den unvermeidlichen Tod meines Hundes.

Mein erster Gedanke war ein Dankgebet für meine wunderbare Rettung; mein zweiter schweifte unwillkürlich zu dem Schicksale meiner armen Matrosen über, welche nun wahrscheinlich entseelt am Fuße dieses Berges lagen. Ich theilte meine Besorgniß den beiden Matrosen mit, die mich begleiteten und in diesem Augenblicke herankamen. Das Ganze trug zu sehr das Gepräge der Wahrheit, um einen Zweifel zuzulassen. Wir stiegen auf einem schlangenförmigen Umwege die Felstrümmer hinab, und nachdem wir eine Stunde lang mit allen Schwierigkeiten und Gefahren gekämpft hatten, erreichten wir die Stelle, wo unsere Besorgnisse nur zu sehr bestätigt wurden. Hier lagen die beiden Leichen unserer Gefährten neben dem todten Körper meines Hundes, alle auf eine furchtbare Weise verstümmelt; ohne Zweifel hatten beide die Bank auf dieselbe sorglose Weise zu überschreiten gesucht, in welcher auch ich sie zu betreten im Begriffe stand, als die Vorsehung zu meinem Besten den Hund in's Mittel treten ließ.

Diese eigentümliche Rettung ging nicht spurlos an mir vorüber. Ich hatte in der neuesten Zeit so drohende Gefahren bestanden, und war ihnen mit so genauer Noth entgangen, daß ich einen ganz veränderten, ernsten Charakter gewann. Gedankenvoll und düster kehrte ich zu meinen Leuten in der Bucht zurück; ich erzählte ihnen das Geschehene, und da ich ein Gebetbuch in meinem Koffer hatte, machte ich ihnen den Vorschlag, das Abendgebet vorzulesen und dem Höchsten für unsere Rettung zu danken.

Hierin stimmte der amerikanische Kapitän, der sich Green nannte, von Herzen mit mir überein. Seit dieser Arme in's Boot aufgenommen worden war, hatte sich sein Charakter durchaus verändert. Er war nicht mehr der Mann, für den ich ihn anfangs gehalten hatte; fortwährend schlug er seinen Branntwein aus und vertheilte ihn unter die Matrosen. Er war still und nachdenklich; oft fand ich ihn im Gebet, und bei diesen Gelegenheiten störte ich ihn nie. Zu andern Zeiten sann er darüber nach, wie er sich am nützlichsten machen könnte. Er flickte den Matrosen ihre Kleider und Schuhe, und zeigte ihnen, wie sie es selbst thun könnten. So oft es eine schwere Arbeit gab, war er stets der Erste und der Letzte; auch war sein freundliches Wesen und seine Aufmerksamkeit von der Art, daß wir ihn nach und nach Alle liebgewannen und mit großer Achtung behandelten. Wenn wir in die See stachen, übernahm er die Wache, und schloß kein Auge, so lange seine Verpflichtung dauerte.

Auch war dies nicht die Wirkung der Angst, oder die Folge der Furcht vor Mißhandlung unter so vielen Engländern, die durch seine Verirrung in ein so großes Unglück versetzt worden waren. Er fand bald eine Gelegenheit, uns zu überzeugen, daß die Veränderung seines Betragens die Wirkung des Kummers und der Reue war. Am nächsten Morgen schickte ich eine Abtheilung Matrosen nach dem Thale, um die Leichen unserer unglücklichen Gefährten zu begraben. Meine beiden Begleiter vom vorhergehenden Tage gab ich ihnen als Wegweiser mit. Als sie zurückkehrten, machte ich sie darauf aufmerksam, wie verderblich unser Aufenthalt auf diesem unseligen Eiland für uns gewesen sei, und wie viel besser wir gethan haben würden, wenn wir unsere Fahrt nach Rio-Janeiro fortgesetzt hätten, wo wir wahrscheinlich jetzt wären, da es nur noch zweihundertfünfzig bis zweihundertsechzig Meilen entfernt liege. Ferner machte ich ihnen begreiflich, daß wir jetzt den werthvollsten Theil unseres Vorraths – Branntwein und Tabak verzehrten, während unsere einzige Hoffnung und Hülfsquelle, unser Boot, nicht einmal in Sicherheit sei, da es von einem Sturmwinde zertrümmert werden könne. Deßhalb machte ich ihnen den Vorschlag, sogleich Vorbereitungen zu unserer Abfahrt zu treffen, und Alle stimmten mir einmüthig bei.

Wir theilten die verschiedenen Arbeiten. Einige holten den gehörigen Vorrath an jungen Vögeln, die wir tödteten und einsalzten, um unser Pöckelfleisch zu schonen; Andere füllten unsere Wassertonnen. Kapitän Green besorgte die Takelung, die Segel und die Ruder des Bootes, und war darauf bedacht, daß in dieser Beziehung nichts versäumt wurde. Der Branntwein hatte stark abgenommen, und Kapitän Green, der Midshipman und ich kamen miteinander überein, unsern Antheil nicht zu trinken, sondern für dringende Nothfälle aufzusparen. Drei Tage nach dem Beginne unserer Vorbereitungen, und sieben Tage nach unserer Landung schifften wir uns ein, entgingen mit Mühe der Gefahr, von der Brandung verschlungen zu werden, und setzten wieder auf der weiten Fläche des atlantischen Oceans unsere Segel bei.

Diesmal sollten wir keine großen Gefahren bestehen und eben so wenig die Küste von Südamerika erreichen. Wir waren noch nicht viele Stunden in See, als ein Schiff emportauchte, das sich als eine amerikanische Kaperbrigg von vierzehn Kanonen und hundert und dreißig Mann erwies, welche auf der Höhe des Kaps zu kreuzen hatte. Sobald sie uns bemerkte, segelte sie auf uns zu, und in einer halben Stunde waren wir glücklich an Bord. Wir schafften unsere geringen Vorräthe auf die Verdecke und überließen das Boot den Fluthen. Meine Leute wurden nicht eher gut behandelt, als bis sie ihre Einwilligung gaben, an Bord des Kapers Dienste zu nehmen. Ich machte ihnen die ernstesten Vorstellungen und wendete Alles an, was in meiner Gewalt stand, um sie von einem unseligen Schritte zurückzuhalten; allein die Überredungskünste und Drohungen der Amerikaner gewannen die Oberhand. Mit Ausnahme Thompson's ließen sich Alle einschreiben.

Ich machte dem Kapitän des Kapers Vorwürfe über das, was ich Verletzung der Gastfreundschaft nannte. »Sie fanden mich auf dem weiten Ocean,« sagte ich, »in einem gebrechlichen Boote, das in einem Augenblicke von einer hohen Welle überwerfen oder von irgend einem Fisch in die Luft geschleudert werden konnte. Mit aller Güte und Freundschaft, die wir wünschen konnten, nahmen Sie mich und meine Leute an Bord, und jetzt vernichten Sie Ihre Wohlthat, indem Sie die Mannschaft ihrem rechtmäßigen Souverän abspannen, zur Rebellion verleiten und der Gefahr des Todesstrafe aussetzen, der sie nicht entgehen können, wenn sie, wie es höchst wahrscheinlich ist, ihrer eigenen Regierung in die Hände fallen.«

Der Kapitän, ein rauher, aber denkender und aufgeklärter Yankee, erwiederte, daß es ihm sehr leid thue, wenn ich ihm irgend etwas übel deute; er habe durchaus keine Beleidigung gegen mich beabsichtigt und mit meinen Leuten nicht das Mindeste zu thun gehabt, bis sie sich freiwillig angetragen hätten, und auf seinem Schiffe in Dienste getreten seien; er könne nur zugestehen, daß sie vielleicht von einigen seiner Matrosen zu diesem Schritte überredet worden seien. »Und nun, Lieutenant,« fuhr er fort, »erlauben Sie mir eine Frage: Gesetzt, Sie befehligten ein britisches Schiff, und falls ich unglücklicher Welse von Ihnen genommen werden sollte, erböten sich zehn oder zwölf meiner Matrosen zu freiwilligem Dienst auf Ihrem Fahrzeug, wobei sie sich für Leute aus Newkastle ausgäben, würden Sie dieselben abweisen? Zudem machten Sie schon vor dem Ausbruch des Krieges gar keine Umstände, auf unsern Kauffahrern, ja sogar auf unsern Kriegsschiffen Matrosen zu holen, wo sich Gelegenheit dazu darbot. Jetzt bitte ich Sie, mir zu sagen, worin der Unterschied zwischen Ihrem und unserem Verfahren besteht?«

Ich erwiederte, es sei nicht sehr leicht, und führe jedenfalls zu nichts Gutem, jetzt eine Frage zu erörtern, welche in den letzten zwanzig Jahren die weisesten Häupter seines und meines Landes verwirrt habe; mein gegenwärtiger Fall sei ein ganz eigenthümlicher und müsse ohne alle Vergleichung betrachtet werden; das Kriegsglück habe mich ihm in seine Hände gegeben, und er mache einen schlechten Gebrauch von dem augenblicklichen Vortheile seiner Lage, indem er es dulde, daß meine Leute, welche doch nur arme, unwissende Geschöpfe seien, zu der Pflichtvergessenheit verleitet würden, ihre Flagge zu verlassen und einen Hochverrath zu begehen, durch den sie ihr Leben verwirkten und ihre Familien in's Unglück stürzten: was immer auch die Verfahrungsweise seiner oder meiner Regierung sei, welches System immer auch dieser oder jener Kapitän verfolge, kein Vorgang könne das Unrecht zum Rechte machen; und ich berufe mich auf sein eigenes Urtheil, weil ich mich auf nichts anderes berufen könne, ob er handle, wie er selbst behandelt zu werden wünsche.«

»Was diesen Punkt betrifft,« erwiederte der Kapitän, »so zerbrechen wir Kaperleute uns den Kopf nicht; wir sorgen stets für Nummer Eins, und wenn es Ihren Leuten beliebt, sich für geborene Bostoner auszugeben und auf meinem Schiffe in Dienst zu treten, so muß ich sie nehmen. Sehen Sie einmal,« fuhr er fort, »hier ist der beste Ihrer Matrosen, Thompson; ich setze eine Flasche alten Jamaikarum, daher ein Yankee von ächtem Blut ist, und wenn er von der Leber wegreden wollte, so würde er lieber unter den Streifen der vereinigten Staaten, als unter der Flagge der Union kämpfen.«

»Verdammt sei der Hund, der das von Jock Thompson sagt,« versetzte der Caledonier, welcher dabei stand. »Ich habe meine Farbe noch nie gewechselt und gedenke sie auch in Zukunft nie zu wechseln. Nur ein einziges Stück Rath wünschte ich Ihnen und Ihren Offizieren zu geben, Kapitän. Ich bin ein höflicher Mann, der mit sich sprechen läßt, und habe noch keine Seele beleidigt, außer im redlichen Gefechte; aber wenn Sie oder irgend Einer Ihrer Matrosen mich zu bestechen oder zur Untreue geg'n meinen König und mein Vaterland zu verleiten suchen, so lege ich ihn so platt auf seinen Rücken, wie eine Scholle, wenn ich es vermag, und wenn ich es nicht vermag, so will ich es wenigstens versuchen.«

»Wohl gesprochen,« bemerkte der Kapitän, »und ich ehre Euch darum. Ihr könnt Euch darauf verlassen, daß ich Euch nie zu verleiten suchen werde, und wenn es Jemand von meinen Leuten thut, so mag er zusehen, wie es ihm geht.«

Kapitän Green hörte die ganze Unterhaltung mit an, nahm aber keinen Theil an derselben, sondern ging wie gewöhnlich nachdenkend auf dem Verdeck hin und her. Als der Kapitän des Kapers hinunterging, um seine Rechnung zu stellen, begann dieser unglückliche Mann ein Gespräch mit mir, das er mit der Bemerkung eröffnete: »Welch ein treffliches Muster eines britischen Matrosen haben Sie bei sich.«

»Ja,« erwiederte ich, »das ist einer von der rechten Gattung – er kommt aus dem Lande, wo die Erziehung der Armen zur Sicherheit der Reichen beiträgt, wo man einen Menschen deshalb nicht für schlechter hält, weil er seine Bibel liest, und wo man im Allgemeinen die unteren Volksklassen in der redlichen Einfalt des ursprünglichen Christenthums erzieht.«

»Sie haben vermuthlich nicht viele seines Gleichen auf Ihrer Flotte?« fragte Green.

»Mehr, als Sie glauben,« erwiederte ich, »und Sie werden erstaunen, wenn ich Ihnen sage, daß sie niemals oder wenigstens höchst selten desertiren, ob sie gleich gepreßt werden, und vielleicht einen weit geringeren Verdienst haben, als derjenige ist, aus welchem sie herausgerissen wurden, oder den sie sich erwerben könnten; denn sie haben einen offenen Sinn für sittliche und religiöse Gefühle, welche sie unauflöslich an ihre Pflicht binden.«

»Bei dem Allen aber müssen sie nothwendig unzufrieden sein,« bemerkte Green.

»Nicht so nothwendig,« erwiederte ich; »der Dienst auf der Flotte gewährt ihnen manchen Vortheil, dessen sie sich bei einem anderen Berufe nicht erfreuen würden. Sie bekommen Jahrgelder für vieljährige Dienste oder für erhaltene Wunden, werden in ihren alten Tagen stets versorgt, und die Regierung sowohl, als andere öffentliche Vereine und reiche Privaten erzeigen ihren Wittwen und Kindern manche Wohlthat. – Doch wir müssen dieses Gespräch ein andermal beenden,« fuhr ich fort, »denn ich sehe, daß man das Mittagessen in die Küche trägt.«

Ich erhielt vom Kapitän des Kapers jeden Beweis der Achtung und des Wohlwollens, den ihm seine Mittel gestatteten, was ich hauptsächlich Green und seinem schwarzen Diener, Mungo, verdankte, welche ihm erzählten, wie ich das Leben desjenigen rettete, der mein und meiner sämmtlichen Begleiter Leben in Gefahr gesetzt hatte. Green's Dankbarkeit kannte keine Gränzen; er bewachte mich Tag und Nacht, wie eine Mutter ihr geliebtes Kind, befriedigte jedes Bedürfniß, ehe ich es ausgesprochen hatte, und fühlte sich nie glücklich, so lange ich noch einen Wunsch hegte. Die Matrosen an Bord des Schiffes waren eben so freundlich und aufmerksam gegen mich, weil sie es mir zum größten Verdienste anrechneten, ihren Landsmann gerettet und zur Dämpfung einer Meuterei mein eigenes Leben auf's Spiel gesetzt zu haben.

Wir kreuzten südlich vom Kap und nahmen ein paar Prisen, die jedoch von geringer Bedeutung waren. Eine derselben, ein Kauffahrer aus Mozambique wurde versenkt; aus dem anderen, einem Sclavenschiff von Madagaskar, mit welchem man nichts anzufangen wußte, nahm der Kapitän acht oder zehn der stärksten männlichen Neger an Bord, um auf seiner Brigg zu helfen, und überließ die Prise ihrem Schicksale.


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