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11. Kapitel.
Blühen und Welken


Bald schmücken sie dich, du bräutlich' Kind,
Bald ziehst du von dannen im Frühlingswind!
Ich aber stehe am Klosterthor,
Bald schiebt man den eisernen Riegel vor,
Bald wandern die Nonnen zum Friedhof hinab
Und graben dem Leben ein tiefes Grab.

Er war wieder gegangen, und die letzten roten Blätter, die in Ilsabes Kammer geblickt, waren abgefallen. Der Herbst zog vorüber, graue Novembertage kamen als Vorboten des Winters und nahmen das welke Laub von den Kronen der Bäume. Willenlos gaben sie den Herbstschmuck hin und neigten dem Unerbittlichen die kahlen Wipfel, vielleicht mit der stillen Hoffnung auf baldigen Rauhreifschmuck, das schimmernde Festgeschenk König Winters zum heiligen Advent. Morgennebel lag auf den Wiesen; eben war die Sonne aufgegangen und blickte in das stille Gemach, in dem Ilsabe hinter den weißen Vorhängen schlummerte. Ein glückliches Lächeln lag auf ihren Zügen, das lange, schwarze Haar hing lose über die Kissen herab. Jetzt weckte die Sonne sie. Unruhig warf sie sich im Halbschlummer umher und streckte die Arme aus; langsam fielen sie herab, und die Hand, die den Brautring trug, blieb auf der Brust liegen. Ein kleiner, leuchtender Sonnenstrahl stahl sich durch die Vorhänge und spielte mit dem saphirblauen Juwel, der die bräutliche Treue verkünden sollte, küßte das Steinchen wieder und wieder und schien gar großes Wohlgefallen daran zu finden. Jetzt bewegte sich die Hand des Mädchens, der Sonnenstrahl suchte umsonst nach seinem Liebling, er war und blieb verschwunden. Erst nach einer Weile, als sie ihr reiches Haar flocht, sah er ab und zu das helle Kleinod funkeln.

Als Ilsabe ihr Morgengebet verrichtet, trat sie ans Fenster, öffnete es und blickte hinaus. Alles schimmerte im Morgenduft, die Wiesen blinkten im Tau, silberne Spinnweben verschleierten die letzten Blumen und die leuchtenden, roten Beeren der Dornbüsche, die die letzten Blätter auf den schmalen Pfad gestreut hatten, welcher von der Burg Penzlin nach der Landstraße hinüberführte.

Sinnend blickte sie den Pfad entlang – dort war er gestern gegangen, und nun war sie einsam, und der erste Trennungsschmerz legte sich schwer auf ihr junges Herz. Tapfer drängte sie die aufsteigenden Thränen zurück, sie wollte dem Geliebten Ehre machen, auch wenn er nicht bei ihr war und ihr jeden Gedanken von den Augen ablas. Wie sehr sie ihn liebte, wie sie mit ihm verwachsen war, das hatte sie erst ganz erfahren, seit er gegangen. Als hätte er ihr seine ganze Seele eingehaucht, lebte sie im Gedanken an ihn. Seine Liebe war mit überwältigender Stärke über sie gekommen, und sie ließ sie still an sich wirken, der Blume gleich, die ihr Leben der Sonne zu eigen gegeben. Heute war's ihr, als müßte sie verschmachten und verwelken, und fast wollt's ihr scheinen, als hätte ihr die Liebe nur Schmerzen gebracht; aber auch die wollte sie lieben lernen und die Sehnsucht nach dem geliebten Manne als ein Kleinod bewahren.

Es war ja auch nur für eine kurze Zeit. »Übers Jahr,« hatte er beim Abschied gesagt. Nun wollte sie fleißig sein an ihrem Brautschatz; gesponnen hatte sie schon so manches Jahr daran, und kein Fädchen nannte sie ihr eigen, in das sie nicht in Gedanken den Namen des Geliebten hineingewebt. Sie küßte still den Ring an ihrem Finger und verließ das Gemach, um das Gesinde zur Morgenandacht zu rufen.

Fröhlichen Herzens wollte sie suchen, seinen Eltern die Lücke auszufüllen, die durch Sophie Dorotheas Fortgehen entstehen würde, und dabei sollte die Spindel sich lustig drehen, wenn an den langen Winterabenden die Kienäpfel im Kamin knisterten, bis das Hochzeitslinnen fertig war, und sie die Hand an das Letzte und Beste, das weiße, seidene Brautgewand, legen durfte.

Sophie Dorotheas Tage im Elternhause waren gezählt, am ersten Dezember sollte sie das Kleid der frommen Frauen im Kloster der Cisterzienserinnen zu Ivenack empfangen. Stiller und stiller ward sie, ihr Entschluß war ihr nicht leid geworden. Ob sie wirklich glaubte, im Kloster den Frieden der Seele zu finden, dachte Ilsabe.


Um die Burg Penzlin wehten mit den ersten Flocken die letzten, gelben Ahornblätter herab. In der Luke unter der Linde aber, wo der Maltzan die Braut gefunden, saß ein Mägdlein stumm und verhärmt, und der Wind strich ihm durch das lichte Haar. Eine weiße Rose rankte im Gemäuer, eine halboffene, zarte Knospe, die hatte der Nachtfrost mit eisigen Lippen geküßt, und das Kind des Sommers war krank zum Tode. Sterbend neigte es sich zu dem Mägdlein, das sein Erdenglück zu Grabe tragen mußte, weil es den Mann im geistlichen Kleide geminnt und das Auge zu dem Fürstensohn erhoben.

Leise rieselten die Flocken herab und deckten das Leichentuch über die weiße Rose an der Mauer. Die Jungfrau aber hatte das Antlitz in den Händen begraben und weinte bitterlich, daß es Winter geworden war – rauher, eisiger Winter.

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