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6. Kapitel.
Der Kampf mit dem Zipperlein


Böser Gast zur Winterszeit,
Bringst mir Not und Sorgen!
Wärst du, wo der Pfeffer wächst,
Wär' ich wohl geborgen!

Am folgenden Tage ritt Ilsabe nach Hause. Ritter Berendt und sein Gemahl saßen am Kaminfeuer, die »kalte Sophie« hatte auch in Penzlin ihren frostigen Besuch abgestattet und unverkennbare Spuren hinterlassen: Verhagelt lag die Obstblüte im Grase, und Berendt Maltzan saß in Decken gehüllt mit einem unliebsamen Gast am Feuer. Das Zipperlein hatte sich unvermerkt auf Burg Penzlin eingeschlichen und so lange vor seiner Thür herumgetobt, bis er verzweifelt aufgestanden war, um nachzusehen, wer so heftig Einlaß begehre. Da war's mit Windeseile ins Gemach gehuscht, und nun saß es neben dem Burgherrn und zwickte und zwackte ihn an allen Gliedern. Es nützte nichts, daß Berendt nach Kräften schimpfte und ein Donnerwetter nach dem andern gegen den Kleinen schleuderte, das Zipperlein ist eben ein Gast, den man nicht so schnell wieder los wird.

So saß er denn mit gänzlich zerrütteter Laune am Kamin und blickte verzweifelt in die Gluten. Über alles ärgerte er sich, sogar über die warme Decke, die Scholastika fürsorglich über ihn gebreitet – es geht eben in solchen Zeiten alles quer, was sonst gerade ist, und Frau Scholastika wußte Bescheid damit und ertrug mit der Geduld eines Engels die nicht gerade zarten Reden ihres Gemahls. Hätte sie das böse Zipperlein nur erst hinausgesetzt, so würde der Sonnenschein ja schon wieder kommen! Still und freundlich saß sie spinnend neben dem Eheherrn, denn auf das Rädchen hatte er bisher noch nicht gescholten.

Da hörte man draußen Pferdegetrappel – er fuhr vom Sitz empor.

»Au, – Donnerwetter, daß dich der« – stöhnend sank er in den Lehnstuhl zurück. »Bleib' hier, Frau, ich will keinen Besuch,« rief er der sich Erhebenden zu, »so jammervoll mag ich mich nicht sehen lassen.«

»Es wird der Prior von St. Franziskus sein,« sagte sie.

»Den will ich am allerwenigsten sehen, meint am Ende gar, Seelsorge bei mir zu treiben, da haben wir uns aber gründlich verrechnet. Erst an die eigne Seele gedacht, jawohl – die steckt aber im Schlamm« – er schlug mit der Faust auf den Tisch neben sich. »Au, au, dies verwünschte Zipperlein, ich wollte, es führe Ignatius Kruse in die Glieder!«

»Du kennst wenigstens das Gebot christlicher Nächstenliebe,« sagte lachend sein Gemahl.

Im selben Augenblick sprang die Thür auf, und ein Mädchenkopf blickte schelmisch ins Gemach. Gleich darauf hatte Ilsabe die Arme um Berendt Maltzans Nacken geschlungen und ihm seines blonden Töchterleins Grüße überbracht. Das Zipperlein wurde nun wirklich etwas weniger beachtet und zog sich tiefgekränkt in eine Falte von des Ritters Hausrock zurück. Am liebsten wäre es dem schönen Mädchen im dunkelblauen Reitkleid in den Nacken gesprungen, aber es fürchtete sich vor seinen Kräften und nahm es mit der Jugend ungern auf. So blieb es denn mißmutig in seiner Falte sitzen und zwickte nur ab und zu verstohlen den alten Herrn, der ihm mit einem mehr oder weniger heftigen Donnerwetter antwortete.

Ilsabe mußte nun von Allem berichten; sie that es, getreu bis ins kleinste, nur die Bekanntschaft mit Magister Tilenius berührte sie oberflächlich und redete nicht von dem erhaltenen Unterricht. Erst wenn sie ganz fest war, wollte sie mit dem Allen hervortreten; es galt ja auch hierin wie von ihrer jungen Liebe: Übers Jahr! So sprach sie auch nur kurz von der Begegnung mit dem Geliebten. Die Eltern hatten auch gerade Nachricht von Georg erhalten und waren schon von der geplanten Reise nach Schwerin unterrichtet.

»Nun wollen wir nur hoffen, du reiselustiges Vögelchen, daß du deinem Bekenntnis treu geblieben bist,« sagte Berendt, über den dunklen Scheitel des Mädchens streichend. »Die neue Lehre greift jetzt mit Macht um sich in unsern Landen, und ich will's gern glauben, daß sie viel Gutes birgt, aber ein alter Kriegsmann, wie ich, bleibt lieber bei dem, was er von klein auf gelernt und für wahr gehalten hat.«

Ilsabe hatte errötend das Köpfchen gesenkt, und Frau Scholastika sagte: »In Schwerin ist ja noch Alles katholisch, in einem Bischofssitz gewinnen solche Neuerungen nicht so schnell die Oberhand; wäre sie in Rostock gewesen, so läge die Sache anders – aber dort hat's keine Gefahr!«

So wurde diese Frage nicht weiter erörtert, und die Burgherrin mahnte zum Zubettgehen.

»Ach ja,« seufzte der Ritter, »das klingt so einfach und wohlthuend nach des Tages Last und Hitze, aber mit dem Zipperlein zu Bett gehen, das ist ein böses Ding! Gute Nacht, Ilsabe; Mädel, was bist du schön geworden! Möge das Zipperlein dir nie in die Glieder fahren!« Er zog sie zu sich nieder und küßte sie. Sie aber schlang den Arm um seinen Hals, und die rosigen Lippen sagten glücklich lächelnd: »Gute Nacht, lieber Vater!«


Der Mond war voll und klar über der Burg aufgegangen und ließ sein silbernes Licht zwischen den weißen Vorhängen der kleinen Mädchenkammer, in der Ilsabe schlief, hindurchschimmern. Es träumte ihr, sie läge in Georgs Armen, ein grünes Kränzlein im Haar. »Endlich, endlich,« jubelte er und trug sie heim durch den Wald. Dann sah sie plötzlich einen Mönch, sie kannte die stechenden Augen wohl, – der forderte sie zur Beichte. Sie wollte aber nichts weil sie zur neuen Lehre übergetreten war. Georg stand weit von ihr, sie konnte ihn nicht erreichen. Der Mönch aber hatte mit eisernem Griff ihr Handgelenk gefaßt – sie schrie auf in Angst und Schrecken und erwachte. Das Herz, klopfte ihr laut, und lange Zeit lag sie wach auf ihrem Lager, bis sie sich beruhigt und, nachdem sie noch ein Vaterunser gebetet, sanft eingeschlafen war.

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