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Wörterbuch. [I]

Vorbericht
von der Sprache des Logau.

Die Sprache unsers Dichters ist, überhaupt zu reden, die Sprache des Opitz und der besten seiner Zeitverwandten und Landesleute. Und wenn Tscherningen hierinn die erste Stelle nach Opitzen gebühret, so gebühret die erste Stelle nach Tscherningen unserm Logau.

Das Sinngedicht konnte ihm die beste Gelegenheit geben, die Schicklichkeit zu zeigen, welche die deutsche Sprache zu allen Gattungen von Materie, unter der Bearbeitung eines Kopfes erhält, der sich selbst in alle Gattungen von Materie zu finden weiß. Seine Worte sind überall der Sprache angemessen: nachdrücklich und körnicht, wenn er lehrt; pathetisch und vollklingend, wenn er straft; sanft, einschmeichelnd, angenehm tändelnd, wenn er von Liebe spricht; komisch und naiv, wenn er spottet; possierlich und launisch, wenn er, bloß Lachen zu erregen sucht.

Der Sprachenmengerey, die zu seiner Zeit schon stark eingerissen war Sinngedicht 257 und 498., und die er nicht unrecht von den vielen fremden Völkern, welche der Krieg damals auf deutschen Boden brachte, herleitet Sinngedicht 257.
Die Musen wirkten zwar, durch kluge Dichtersinnen,
Daß Deutschland sollte Deutsch, und artlich reden können,
Mars aber schafft es ab, und hat es so geschickt,
Daß Deutschland ist blut arm, drum geht es so gestickt.
, machte er sich nicht schuldig; und was er mit einem deutschen Worte ausdrücken konnte, das drückte er mit keinem lateinischen und französischen aus, welche letztere Sprache auch seine Zeitverwandten bereits für unentbehrlich hielten Sinngedicht 1594.
Wer nicht Französisch kann,
Jst kein gerühmter Mann etc.
. Er hat verschiedene aus andern Sprachen entlehnte Kunstwörter nicht unglücklich übersetzt. So nennt er z. E. Nomen adjectivum & substantivum Jn der Ueberschrift des 488ten Sinngedichtes., das zusetzliche und eigenständige Wort Accentus, Beylaut Jn der Vorrede zu dem ersten Tausend seiner Sinngedichte, wo er sagt, daß er sich bey prosaischem Gebrauche der unbestimmten einsylbichten Wörter, nach dem Beylaute, so wie dieser im Reden und Lesen jedesmal falle, gerichtet habe. Desgleichen Sinngedicht 1526.
       Deutscher Reimkunst meistes Werk, steht im Beylaut, oder Schalle;
       Ob der Sylben Ausspruch kurz, lang, und wo er hin verfalle
Jnventarium, Fundregister etc. Sinngedicht 2363.
       Cynthia will ihren Mann, wenn sie stirbt, der Chloris geben;
       Chloris will die Erbschaft nicht weiter und zuvor erheben,
       Bis ein Fundregister da, (Seht mir an den klugen Rath!)
       Bis zuvor sie sey gewiß, was für Kraft die Erbschaft hat.
Mehrere glücklich übersetzte Kunstwörter wird man in dem Wörterbuche selbst antreffen.

Doch war er auch kein übertriebener Purist, er spottet über die zu weitgehenden Neuerungen des Zesen Sinngedicht 1747., ob er gleich mit ihm in Einem Jahre (1648) in die fruchtbringende Gesellschaft aufgenommen ward.

Es bedarf aber nur einer ganz geringen Aufmerksamkeit, zu erkennen, wie sehr die Sprache unserer neuesten und besten Schriftsteller, von dieser alten, lautern und reichen Sprache der guten Dichter aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts, unterschieden ist. Der fremden Wendungen und Wortfügungen, welche die erstern aus dem Französischen und Englischen, nach dem diese oder jene eines jeden Lieblingssprache ist, häufig herüber nehmen, nicht zu gedenken; so haben sie keine geringe Anzahl guter, brauchbarer Wörter veralten lassen.

Und auf diese veralteten Wörter haben wir geglaubt, daß wir unser Augenmerk vornehmlich richten müßten. Wir haben alle sorgfältig gesammelt, so viele derselben bey unserm Dichter vorkommen; und haben dabey nicht allein auf den Leser, der sie verstehen muß, sondern auch auf diejenigen von unsern Rednern und Dichtern gesehen, welche Ansehen genug hätten, die besten derselben wieder einzuführen. Wir brauchen denselben nicht zu sagen, daß sie der Sprache dadurch einen weit größern Dienst thun würden, als durch die Prägung ganz neuer Wörter, von welchen es ungewiß ist, ob ihr Stempel ihnen den rechten Lauf so bald geben möchte. Noch weniger brauchen wir sie zu erinnern, wie ein veraltetes Wort auch dem eckelsten Leser, durch das, was Horaz callidam juncturam nennt, annehmlich zu machen ist.

Ferner haben wir unsern Fleiß auf die Provinzialsprache des Dichters gerichtet. Die Schlesische Mundart ist deswegen einer kritischen Aufmerksamkeit, vor allen andern Mundarten, würdig, weil wir in ihr die ersten guten Dichter bekommen haben. Die Vortheile, welche diese Männer an eigenen Wörtern, Verbindungsarten und Wendungen darinn haben, verdienen, wo nicht für allgemeine Vortheile der Sprache angenommen, doch wenigstens gekannt und geprüft zu werden.

Von diesen Vortheilen, so fern wir dergleichen bey unserm Logau bemerkt, wollen wir diejenigen, die in dem Wörterbuche selbst keine fügliche Stelle finden können, unter folgende allgemeine Anmerkungen bringen.

I.

Logau läßt vielfältig die Geschlechtswörter weg. Z. E.

                   

Man hat den Feind aufs Haupt geschlagen,
Doch Fuß hat Haupt hinweggetragen (IV. 51.).

Er thut dieses 1. bey denjenigen Hauptwörtern, welche Abstracta ausdrücken, und gewissermaßen zu Geschlechtsnamen werden; allwo es zu einer besondern Schönheit wird:

                   

Aber Neid hat scheel gesehen;
Und Verhängniß ließ geschehen,
Daß ein schäumend wilder Eber
Ward Adonis Todtengräber (VI. 36.).

Hier werden der Neid und das Verhängniß, durch die Weglassung des Artikels, zu Personen gemacht, welches weit stärker und poetischer ist, als wenn es hieße: » Der Neid hat scheel gesehen; Das Verhängniß ließ geschehen. Eben so auch (IV. 11)

                   

Scävus wird mit Ewigkeit immer in die Wette leben etc.

Hier wird die Ewigkeit zu einem lebendigen Wesen.

2. Thut er es bey denjenigen Hauptwörtern, welchen der unbestimmte Artikel ein, eine zukömmt, den man in der vielfachen Zahl ohnedem schon wegzulassen genöthigt ist. Z. E. (VII. 71.)

                   

Hat Land durch diesen Krieg, hat Stadt mehr ausgestanden?

Nicht die Stadt, eine gewisse Stadt, sondern unbestimmt: Städte. Ferner (X. 87)

                   

Gieb mir geneigten Blick.

Anstatt: einen geneigten Blick, oder, geneigte Blicke. Man sehe, welche gute Wirkung dieses in den Kriegesliedern des Preußischen Grenadiers hervorbringt.

                   

»Wie kriegrische Trompete laut
»Erschalle, mein Gesang!

anstatt: laut wie eine Trompete, oder wie Trompeten.

                   

»Drum singet herrlichen Gesang etc.

anstatt: einen herrlichen Gesang, oder, herrliche Gesänge.

                   

»Er faßte weisen Schluß,

anstatt: er faßte einen weisen Schluß.

II.

Logau läßt die Endung der Beywörter, nicht allein in dem ungewissen, sondern auch in dem männlichen Geschlechte weg. Er sagt: »ein groß Verdruß, ein gut Soldat (IV. 4.), ein stätig Gaul Sinngedicht 91., ein kriechend Erdegeist u. s. w.

III.

Logau braucht sehr häufig das Beywort in dem ungewissen Geschlechte als ein Hauptwort. Z. E.

                   

Seither ist unser Frey in Dienstbarkeit verkehret Sinngedicht 157.,

für unsere Freyheit.

                   

Nachwelt werd ihm alles Frech gar vergessen oder schenken; (XI. 24.)

für: alle Frechheit.

                   

— — — — Ein solches Klug,
Dafür ein keuscher Sinn Entsetz und Grauen trug, Sinngedicht 1259.

für: eine solche Klugheit.

                   

Bey welchem freyes Wahr, der Freundschaft Seele wohnt; (X. 8.)

für: freye Wahrheit.

                   

Canus geht gar krumm gebückt,
Weil ihn Arm und Alt so drückt; Sinnged. 1820.

für: Armuth und Alter.

                   

Und ernähren fremdes Faul, Erste Zugabe, Sinngedicht 201.

für: fremde Faulheit.

IV.

Logau läßt von den Zeitwörtern die selbstständigen Fürwörter da weg, wo sie zur Deutlichkeit nichts mehr beytragen, und erhält dadurch mehr Nachdruck und Feuer. Z. E.

                   

Mich, sagt Elsa, schreckt es nicht, werde brünstig nur gemacht,
Unter Augen dem zu gehn etc. III. 31.)

für: ich werde nur brünstig gemacht.

                   

Picus nahm die dritte Frau, immer eine von den Alten:
Wollte, meyn ich, ein Spital, schwerlich einen Ehstand halten. (IV. 48.)

für: er wollte ein Spital halten.

                   

Nisus buhlte stark um Nisa: Dieses gab ihr viel Beschwerden;
Wollt' ihn nicht; sie freyt ihn aber, seiner dadurch los zu werden. (VI. 80.)

für: sie wollt' ihn nicht.

                   

Wenn im Schatten kühler Myrthen
Sie sich kamen zu bewirthen:
Folgte nichts als lieblich Liebeln,
Folgte nichts als tückisch Bübeln;
Wollten ohne süßes Küssen
Nimmer keine Zeit vermissen. (VI. 36.)

für: sie wollten keine Zeit vermissen.

V.

Logau trennet von den zusammengesetzten Zeitwörtern die Vorwörter auch da, wo wir sie nicht zu trennen pflegen, und setzet zwischen beyde irgend ein ander Redetheilchen, um die Worte für das Sylbenmaaß bequemer zu machen. Wenn wir uns dieser Freyheit nicht mehr bedienen, so werden wir wenigstens Ursache finden, ihn darum zu beneiden. Z. E.

                   

Ey, ich wills ihm ein noch treiben; dieses Ding muß seyn genehm; Sinngedicht 1041.

für: ich wills ihm noch eintreiben.

                   

Lieb und Geiz sind solche Brillen, welche dem, der auf sie stellt, Sinngedicht 1317.

für: der sie aufstellt etc. Jtzo müssen wir uns durch die Umkehrung helfen: er stellt es auf, er trieb es ein; und in der unbestimmten Weise durch das Wörtchen zu: einzutreiben, aufzustellen; und in zwey vergangenen Zeiten durch die Sylbe ge: er hat eingetrieben, er hatte aufgestellt. Alles gute Mittel; die wir aber zuweilen nicht ohne Zwang und Weitschweifigkeit gebrauchen können.

VI.

Logau setzet die Endsylbe ley, die wir itzt nur bey den theilenden Zahlwörtern dulden wollen, auch zu fast allen Arten von Fürwörtern, und erlangt dadurch, (wie man es nur nennen will) ein Nebenwort, oder ein unabänderliches Beywort von besonderm Nachdrucke. Z. E.

                   

Zu etwas Großen noch wird Sordalus wohl werden,
Denn seinerley Geburt ist nicht gemein auf Erden etc. Sinngedicht 779.

Wie weitschweifig müssen wir itzt dafür sagen: »denn eine Geburt, wie seine war etc.«

                   

Du Schelme, du Bauer! So zierliche Titel
Verehrten die Krieger den Bauern ins Mittel.
Nun Krieger getreten in Zippelpelzorden
Sind dieserley Titel Besitzer sie worden. Sinngedicht 1586.

Dieserley, sagt hier nicht so viel, als dieser; es scheinet auch nicht so viel zu sagen, als dergleichen, sondern es begreift beydes: Dieser und dergleichen Titel. Ueberdem da wir dieses ley bey den uneigentlichen Fürwörtern sehr wohl leiden; denn wir sagen ohne Tadel, mancherley, solcherley, keinerley, vielerley; allerley: warum sollte es nicht auch an die eigentlichen Fürwörter gesetzt werden können? Die Schlesische Mundart kömmt hier mit der Schweizerischen überein, welches man aus folgender Stelle, die Frisch aus Geilers von Kaysersberg Postille anführet, ersehen wird. Sie erläutert zugleich den Gebrauch dieser Fürwörter in ley vortrefflich. »Ein Sun ist nit anders, dann ein
»Ding das da lebet von einem lebendigen
» seinerley. Jch hätte einen Sun, der wär
» meinerley, ejusdem speciei. Jch kann
»die Species nicht baß teutschen. Würme,
»die du in dir hast, sind nicht deinerley.

VII.

Logau construirt die Zahlwörter gern mit der Zeugendung. Z. E.

                   

Für ein einzles, das man thut,
So es ist zu nennen gut,
Kann man zehen böser Stücke,
Rechnen ab, und ziehn zurücke. Sinngedicht 2470.

Nicht: zehn böse Stücke. Man wird sich dieser Zeugendung sehr wohl bedienen können, so oft das Hauptwort mit einem Selbstlauter anfängt, und man den Hiatus vermeiden will.

VIII.

Logau läßt von sehr vielen Wörtern die Anfangssylbe ge weg, wodurch sie an ihrem Nachdrucke nichts verlieren, oft aber an dem Wohlklange gewinnen. Er sagt z. E.

                   

Die weitgereiste Würze —

wofür wir Gewürze sagen und es in ein Neutrum verwandeln; wiewohl wir auch die erste Art, besonders im höhern Styl, beybehalten.

                   

Gott sey Dank für meinen Schmack etc. Sinngedicht 1725.

für Geschmack; deßgleichen auch Ruch für Geruch. Sinngedicht 1727. und 1148.

                   

Wer der Arbeit Mark will nießen etc. Sinngedicht 403.

für genießen. So auch Hirn für Gehirn, (welches noch üblich ist) linde, für gelinde Sang für Gesang, (IV. 101.) bracht für gebracht etc. Mit der Anfangssylbe be verfährt er oft auf gleiche Weise. Z. E. sonders für besonders:

                   

Ein sonders Lob ist dieß, daß einer Lobens werth etc. (III. 50.)

müht für bemüht XI.130., hausen für behausen, mir liebet für mir beliebet etc.

Und so viel von den allgemeinen Anmerkungen über die Provinzialsprache unsers Dichters; einzelne wird man in dem nachstehenden kleinen Wörterbuche häufig antreffen. Man wird aber wohl sehen, daß unsere Absicht weder hier noch dort gewesen ist, alle Eigenthümlichkeiten der Schlesischen Mundart damit zu erschöpfen. Sie kommen bey unserm Dichter nicht alle vor, und von denen, welche vorkommen, haben wir, wie schon gedacht, nur diejenigen ausgesucht, von welchen er einigen Nutzen gezogen, und von welchen auch noch unsre heutigen Schriftsteller vielleicht einigen Vortheil ziehen könnten.

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