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Sechster Gesang.
Die letzten Gothen.

Aussterbende Geschlechter, Völker, Arten,
Verein'gen oft in letzter Wesen Kraft,
In letzten der durch sie geoffenbarten,
Noch einmal ihre höchste Eigenschaft.
Sie hauchen bald in einem wunderzarten,
Bald mächtigen Geschöpf voll Leidenschaft,
Gleichsam die Seele aus, um aufzuhellen
Das Räthsel ihres Seins, und darzustellen.

Darum erblickt man stets beim Uebergange
Von zwei Jahrhunderten die Größe stehn
In Kriegsruhm, Wissenschaft und im Gesange,
Und Außerordentliches mitgeschehn.
Wenn Die nun kommen, dauert nichts mehr lange,
Zerrbilder werden noch am Schluß gesehn,
Verkommne Halbnaturen, Larven, Fratzen,
Scheusale, die wie Nichts in Nichts zerplatzen.

Wenn Helden sterben, wenn für Nationen
Kein Ausweg mehr, kein Hoffnungsstern mehr blinkt.
Von Tausenden das Schicksal mit den Kronen,
Und im Verzweiflungskampf zu Grunde sinkt,
Wenn nichts die übermüth'gen Sieger schonen,
Als nur das Kind, das an der Mutter trinkt,
Und nur damit es, all den Seinen ferne,
Sich früh dem Fremden knechtisch fügen lerne –

Dann wissen die Chronisten zu berichten,
Von Ruthensternen in der Himmelsgluth,
Von Sturm und Feuersnoth, von Schreckgesichten,
Von aller Elemente blinder Wuth;
Und wenn zuletzt ein Haß bis zum Vernichten
Die Edelsten ergreift, wenn höh'res Gut
Vor schlechtem weicht, soll da nicht auch in Schauern
Selbst Erd' und Himmel mit den Menschen trauern?

Ein solches Schauspiel bot das Trauerende
Des Ostrogothenreichs, die Mitternacht
Der Völkerwandrung, ihre Sonnenwende,
Zugleich die Schwerter- und die Geisterschlacht.
Die Zeit, daß ihr Gewebe sie vollende,
Nimmt für das Bild, das sie darin vollbracht,
Nur schwarze Fäden, und sie wirkt durch diese
Die Höllen und verlor'nen Paradiese.

Nach Delphi's Bädern, in die Berge keuchten
Der alten Welt erkrankter Geist und Sinn.
Sonntäglich einsam ist's, die Decken leuchten
Um's Purpur-Sterbbett einer Kaiserin,
Die warmen Quellen aus der Schlucht befeuchten
Den welken Leib, sie ruht, gestützt das Kinn
Auf bleicher Hand, und nur noch eine Lüge
Des Lebens scheinen Theodora's Züge.

Halb eingeschlummert, in umhangner Nische,
Auf ihrem Elfenbeinstuhl lag sie bleich,
Vor ihr in Marmorbecken goldne Fische,
Und dunkle Rosen thauig, düftereich;
Durch's Fenster weht des Morgens erste Frische,
Vom Blumenbeet wehn Lüfte mild und weich,
Vom Lorbeerhain, wo Nachtigallen schlagen,
Bildsäulen und die Marmortempel ragen.

Ein Wagen rollt die Straße langsam weiter,
Im Wagen mit der Gattin Belisars,
Bespricht des Feldherrn treuester Begleiter,
Procopius, die Ereignisse des Jahrs.
Zur Linken und zur Rechten sprengten Reiter,
Und was die Beiden sprachen, wichtig war's,
Sie sprachen von dem jüngst im Gothenkriege
Durch Ungunst und durch Neid verlornen Siege.

»Ach!« hub Procopius an, »wie fern dem Neide
Stund damals Belisar im Sonnenschein
Des Glücks, umwallt von jedem Ehrenkleide,
Als nach Besiegung Afrikas so rein
Der Held sein Schwert zurückstieß in die Scheide!
O welche Tage sahn wir! Sein, nur sein
War Alles! Theilend Aller Wonne,
Schien selbst die Hauptstadt stolzer vor der Sonne.

Wie jede Blüthe sich zum Kranz verzweigte
Für ihn, der selbst so sonnig war und warm!
Wo Belisar sich in den Straßen zeigte,
Da drängte stets sich um ihn her ein Schwarm
Von jauchzenden Begleitern, grüßend neigte
Der Allgeseh'ne sich; wer noch so arm
Und niedrig war, für Jeden war er gütig,
Und gegen Niemand hart, noch übermüthig.«

»So schwanden Jahre voller Segenstage,
Da brach der Krieg aus mit den Gothen; wer
Ihn führe, war nun nimmer eine Frage.
Schon sahn wir einen zweiten Gelimer,
Ein zweites Afrika, die Niederlage
Der Gothen war entscheidend, war so schwer,
Daß sie den Belisar zum König wählen.
Da – doch wer möchte weiter das erzählen?«

»Erzähl',« sprach Antonina, »die Geschichte
Des ganzen Kriegs, du schriebst ja Alles auf.«
Procop erwiederte: »Gut, ich berichte
Dir in gedrängter Kürze den Verlauf;
Ermordet war Amalasunth; dem Wichte,
Dem Theodat gab man das Reich; hierauf
Erwies Justinian, der Hort des Rechtes,
Als Rächer sich des Amaler Geschlechtes.

Justinian sprach: ›Italiens Königskrone
Fällt nun an uns, denn nur Theodorich
Erhielt vom Kaiser Leo sie zum Lohne,
Für seine Thaten nur, und nur für sich.
Es gibt vor meinem, vor dem Griechenthrone,
Kein Gothenreich seit jener Mann erblich,
Und seit sein Stamm erlosch, die Lande fallen
An uns zurück mit Lehen und Vasallen.‹

Drauf ward, der Afrika bezwungen hatte,
Mit einer Flotte ausgesandt. Im Flug
Erstürmte Syracus dein tapfrer Gatte,
Nahm stürmend ganz Sicilien ein, und trug
Den Krieg, damit sein Schlachtschwert nicht ermatte,
Ans Küstenland Italiens, schlug und schlug,
Und siegt' und siegte; erst Neapels Wälle
Geboten Einhalt seiner Siegesschnelle.

Denn wie dem Grunde des Vesuv entstiegen,
Sah von der Mauern Rand cyklopenhaft
Die gothische Besatzung, wie auf Fliegen,
Auf uns herab. Vergeblich hergeschafft
Ward Wurfgeschoß, wie sonst in andern Kriegen,
Was half das gegen jener Riesen Kraft?
Ein Zufall nur gab Aussicht auf Gelingen,
Gab endlich Hoffnung, in die Stadt zu dringen.

Ein Bogenschütz vom Volke der Isauern
Entdeckte während der Belagerung,
Daß von den Aquäducten vor den Mauern
Der eine trocken lag; durch einen Sprung
Im Steine drang der Mann nach langem Lauern
Allmählig unter die Befestigung;
Er meldet es im Lager, und im Haupte
Des Feldherrn ward zum Plan das kaum Geglaubte.

Und wie der Perser einst durch Wassergräben
Bei tiefer Nacht das alte Babylon,
So nahm jetzt Belisar Neapel. Beben
Durchdrang die Stadt bei seiner Tuba Ton;
Groß war das Blutbad, vieler Tausend Leben
Erlag, schier Alles, was nicht schon entflohn.
Die Flammen wütheten, in Schutt begrabend
Das Thor gen Osten, und das Thor gen Abend.

Nach Rom dann rückte über des zerstörten
Neapels Wall der große Belisar;
Als dieß ihr Mißgeschick die Gothen hörten,
Erfüllte sie die Wuth so ganz und gar,
Daß gegen Theodat sie sich empörten,
Ihn ächtig sagend, aller Würden baar;
Und Theodat, leicht war es ihn zu jagen,
Ward in der ersten Fluchtnacht todtgeschlagen.

Es hatten aber früher schon Erwählte
Des Gothenvolks auf ihrer Königsau
Den Vitigis gekürt, und der nun zählte
Das Volk um sich, und hielt die Heeresschau,
Und ihn umgab die große, schwertgestählte
Vergangenheit aus jedem Heerbanngau;
Die alten Mord- und Schlachterinnerungen,
Die längst beruhigt schienen, längst bezwungen.

Denn vorher hatten wider die Burgunden
Die Gothen mit den Franken sich gesetzt,
Und Franken hatten Gothen überwunden,
Und Gothen sich mit Gothenblut benetzt,
Und Kön'ge hatten Könige gebunden,
Und kein Vertrag, kein Recht blieb unverletzt,
Doch Vitigis verband die alten Bünde
Zu Einem wieder, daß er neu bestünde.

Großartig und in Allem kühn, entsandte
Bis zu den Persern dieser Mann, und frug,
Ob sie denn nicht als alte Stammverwandte
Sein Bündniß suchten? Als er stark genug
Zum Angriff seine Heeresmacht erkannte,
Traf ihn die Nachricht, daß im Siegesflug
Sein großer Feind ihm schon zuvorgekommen,
Daß Belisar den Gothen Rom genommen.

Nun eilt auch er sogleich dahin zu rücken,
Sein Angriff ging sogleich am ersten Tag
Auf eine der bethürmten Tiberbrücken,
Auf der kaum einige Besatzung lag.
Sie fiel; doch mehr sollt' ihm vorerst nicht glücken.
Mit Ketten ward der Strom gesperrt, ein Hag
Von Wall und Gräben kam entlang der Tiber,
Der Gothen sieben Lagern gegenüber.

Gekämpft ward heiß, gekämpft an jedem Tage,
Gekämpft bei Nacht, gesiegt, und nichts erreicht,
Zu Furcht und Müh'n kam noch des Hungers Plage,
Die Qual, die so entsetzlich würgend schleicht! –
Das Grabmal Hadrians in stolzer Lage
Schien zu erstürmen einst den Gothen leicht,
Und so versuchten sie heranzudrängen,
Gedeckt von einer Kirche Säulengängen.

Aus Marmor war der ganze Bau, hoch oben
Sahn Marmorstatuen um des Kaisers Grab,
Und Rosse, die vor Siegeswagen schnoben,
Und ehern Bildwerk stolz und groß herab.
Die Stürmenden, die Schilde vorgehoben,
Erglommen schon die Leitern, plötzlich gab
Ein Mann Befehl, die Zinnen zu entblättern,
Und jene Statuen auf den Feind zu schmettern.

Mit beiden Armen wurden die Colosse
Hinabgestürzt, der Halbgott und der Faun,
Heroenbilder, und die erzgegossnen Rosse
Von Axt und Schwert zertrümmert und zerhau'n.
Das Haupt der Nymphe, und des Delphins Flosse
Wird tödtliches Geschoß; verwundert schau'n
Die Gothen auf und fliehn, als wär' vor ihnen
Ein neuer Feind in Stein und Erz erschienen.

Fort trugen und begruben ihre Leichen
Die beiden Heere, das des Vitigis
Mit Traurigkeit, und blutend im Entweichen,
Zum Lagerwall, den in der Finsterniß
Mit Mühe die Verwundeten erreichen,
Wir aber wieder einmal siegsgewiß,
Uns schmückend mit Trophä'n, indeß die Gothen
Klaglieder sangen über ihre Todten.

Und wie nun dort der Gothen weise Frauen
Das Klaglied sangen bei der Feuer Schein,
So glaubt' ich auch bei uns ein Weib zu schauen,
Das langsam schritt im Schmerz von Stein zu Stein,
Sie schien um jeden Torso, der zerhauen
Am Boden lag, voll Kümmerniß zu sein,
Und barg in Schleier sie mit vielen Zähren,
Als ob es Glieder ihrer Kinder wären.

Wir aber, siegend bald, und bald geschlagen,
Ertrugen die Belagerung. Gewinn
Und Siege wechselten mit Niederlagen,
Und täglich, wie seit ihrem Anbeginn,
Streifzug und Ausfall, List und kühnes Wagen,
Mit Noth und Hunger draußen und herin;
Und Noth und Krankheit, im Gefolge Trauer,
Schwang sich allnächtlich über Wall und Mauer.

Weit ringsum war der Boden ausgestorben,
Es schien die unbepflügte Erde krank,
Die Nahrung war es schon, die Luft verdorben,
Und hauchte Pestdunst aus: ›Rom! ohne Dank,‹
Sprach Vitigis, ›hab' ich um dich geworben,
Um deinen Wittwentag ohn' Lab und Trank,
Doch nun gedenk' ich mich an dir zu rächen,
Und dir mein Zelt vor Augen abzubrechen.‹

Es war zur Zeit, da Tag und Nacht sich gleichen
Im ersten Frühlingsmond, ein volles Jahr,
Seit Rom belagert war, früh beim Erbleichen
Der Morgendämmrung, als die letzte Schaar
Des großen Gothenheers Gezelt und Zeichen
Abbrach, und krank und trostlos wie es war,
Sich müd und langsam fortzog längs der Tiber,
Vom Feind gedrängt, noch mehr bedrängt vom Fieber.

Gekämpft ward dann noch in Etruriens Hainen,
Auf Höhen Umbriens um's dünne Gras,
Und um den Quellrinn auf den Felsgesteinen,
Um's Saatkorn, das vom Mehlthau nicht genas. –
Um kurz zu sein, denn siehe! dort erscheinen
Die Höhen schon von Delphi – nur noch Das,
Mehr als dem Schwerte Belisars, erlagen
Die Gothen endlich Noth und Hungerplagen.

Ravenna ward genommen – nein! gewonnen,
Du weißt es, wie – die Gothen wählten ihn
Zu ihrem König, ihn, der so besonnen,
Der selbst dem Feind als Würdigster erschien;
Doch nun ward dort das schwarze Netz gesponnen,
Dort in Byzanz. Das wurde nicht verziehn,
Daß Belisar, wenn gleich nicht sich zum Lohne,
Für seinen Herrn nur annahm jene Krone.

Man rief ihn ab, ab von den stolzen Wegen
Des Glücks und Ruhms.« – »O schwer gekränktes Haupt!«
Rief Antonina aus, »die Frucht, der Segen
Von deinen Thaten wird dir schnöd geraubt.«
Sie sprach's, indeß ein lauer Frühlingsregen
Die Bäume übergoß, die dichtbelaubt
Den Wald begränzten, dessen Schluchten
Die Reisenden jetzt zu erreichen suchten.

Bald drang auch Quelldampf schon aus Marmorkufen,
Sie sahen sich an ihrem Reiseziel,
Sahn hingelagert auf des Brunnens Stufen
Die Kranken von Tartessus und vom Nil.
Aus allen Straßen scholl Geschrei und Rufen,
Aus Buden Gauklerkunst, und Markt und Spiel,
Nur ein Haus lag als ob's der Tod umschleiche –
Das Haus der Herrscherin der Morgenreiche.

Hier hielt man an. Dem ersten Wagen war
Ein zweiter Reisezug gefolgt, es stiegen
Vom Pferd zuerst der hohe Belisar,
Aus Sänften dann, aus ihres Grames Wiegen,
Gefangne Gothenfrau'n, und Paar an Paar,
Lebendige Trophä'n von seinen Siegen,
Betraten sie den schweigenden Palast,
Beschwert von Schmuck, noch mehr von Schmerzenslast.

In Ketten nahten sie, und neigten Alle
Vor Theodora sich, ihr vorgeführt,
Die Schatten eines Reiches im Verfalle.
Dann kam der Reichthum, den man aufgespürt,
Die schweren Kästen mit der Löwenkralle,
Die Laden von gestähltem Band umschnürt,
Der König Vitigis, und unter Stöhnen
Die Schwestern, und die Muhme mit den Söhnen.

Neig', Matasuntha, deinen Hals dem Ringe,
Das Brod zu nehmen aus des Siegers Hand!
Nie wieder hoffe, daß ein Harfner singe
Von alter Thatenlust im Heimathland,
Nie wieder, daß den Feindeshelm durchdringe
Die Lanze deines Sohns, längst brach das Band;
In Splitter ist der starke Kamm zerborsten,
Der Baum gefällt mit eurer Adler Horsten!

Und dort, wo Nacht ist, wo der Mond im Sinken
Auf Asien, das gestorbne, niederschaut,
Dort werden euch zum stillen Heerde winken
Des Euphrat Weiden, keine Lindrung thaut
In eure Wunden, Wehmuth werden trinken
All' eure Tage, dort wo früh gebaut
Der ältste Frohndienst, dort zu wohnen
Befiehlt, der euch gestürzt von euren Thronen.

Verwundert auf die hohen Gothenweiber
Sah Theodora lange Zeit, sie sprach:
»Sag', Belisar, wie zwangen deine Schreiber
Ein solches Volk, durch welche Waffe brach
Die Riesenkraft so ungeheurer Leiber,
Da schon die Weiber so sind?« – »Ich bestach,«
Versetzte Belisar, »ich schloß die alten Pforten
Ravenna's auf mit Gold und goldnen Worten.«

Ein Lächeln flog um Theodora's Lippe,
Und Belisar fuhr fort: »Ich sah entzweit
Der Gothen Volk in Stamm, Geschlecht und Sippe,
Verderbniß ringsum und Treulosigkeit,
Nur etwas widerstand noch, eine Klippe,
Und die umging ich – ihre Tapferkeit;
Durch Unterhandlung sucht' ich einzudringen,
Und durch Geschenke sie an mich zu bringen.

Ich sah sie bald nach meinem Golde schielen,
Und bald nach meiner Macht, auch war ich schon
Geachtet als ein tapfrer Feind bei Vielen;
So boten sie mir ihre Königskron' –
Und ich, um meine Rolle durchzuspielen,
Ich nahm sie an.« Ein leichter Hohn
Umzog aufs Neue Theodora's Lippe;
»Jetzt,« sagte sie, »jetzt bist du bei der Klippe.«

»Du siehst aus dem, wie mich man treulos wähnte,
Wie treu man dort war,« sagte Belisar,
»Der Pfad, den ich betrat, war schmal, es gähnte
Auf beiden Seiten Abgrund und Gefahr.
Doch Vitigis, der Leu, der goldgemähnte,
Ward mein Gefangner, seine letzte Schaar
Ging über; ich erklärte, da sie kamen,
Ich nehm die Krone in Justinians Namen.

Vergeblich war ihr Toben, ihre Reue,
Ich war ihr König, Alles mein, der Macht
Gebraucht' ich zum Beweise meiner Treue,
Und dennoch nicht entgeh' ich dem Verdacht!«
»Und hast du,« frug die Kaiserin aufs Neue,
»Dein Werk, Italien zu befrei'n, vollbracht?«
»Ich darf,« versetzte Belisar dagegen,
»Mein Schwert beruhigt dir zu Füßen legen!«

»O wie du lügst,« erwiederte sie bebend,
Und ihre blassen Züge schienen nur
Beseelt von einer Gluth des Zorns noch lebend,
»O wie du lügst, Verräther! ich erfuhr,
Der Gothen Volk, sich mehr als je erhebend,
Erobert Tuscien, naht Campaniens Flur,
Und wird, wie zu der Zeit des großen Balten,
In Rom bald wieder seinen Einzug halten.

Ein Held ist auferstanden unter ihnen,
Der Jüngling Totilas. Gewalt'ger war
Kein Gothenkönig noch, er ist erschienen,
Ein zweiter Alarich. Nun, Belisar,
Steh auf, und sollst du nicht den Tod verdienen,
So kehr' zurück, wohin dich die Gefahr,
Die Ehre ruft.« Sie sprach's, und neigte wieder
Ihr Haupt wie sterbend in die Kissen nieder.

Und Belisar sprang auf: »Daß deine Boten
Beflügelt sind, mag sein; wenn sich dem Krieg
Aufs Neue wieder anvertraut die Gothen,
Ich wußt' es nicht, mich rief man ab vom Sieg;
Doch du befiehlst.« Er sprach's, daß der wie Todten
Ins Antlitz eine leichte Röthe stieg,
Ein Strahl der Freude, der verlöschend blinkte,
Indem sie mit der Hand ihm Abschied winkte.

Er schritt hinweg, versammelte die Truppen,
Und führte zu den Schiffen sie zurück,
Die Seebucht wimmelte von Kriegsschaluppen:
»Fort! nach Italien!« – Aber sieh, das Glück
War nicht mehr dort; es trotzten von den Kuppen
Der Felshöh'n jedem Sturm und Wagestück
Die mächtigsten Castelle, sicher alle
In Gothenhand vor seinem Ueberfalle.

Kein Zug, kein Angriff war von Glück begleitet,
Und wie ein Mann, der watend in Morast,
Bei jedem Schritt um einen rückwärts gleitet,
So fand sich Belisar. Er gönnt nicht Rast,
Nicht Ruhe sich und seinem Heer, doch streitet
Ein Stärker gegen ihn, wohin er faßt,
Um keine Meile weiter vorzudringen
Will ihm, seitdem er landete, gelingen.

Und dieses Mißgeschick des einen Mannes,
Der Alles hielt, ward tiefgefühlt, ein Strom
Von Unrecht hielt in Fesseln seines Bannes
Ravenna und Florenz, Spolet und Rom.
Die zwei Tyrannen, Bessas und Johannes,
Und deren Feldherrn hielten in dem Dom
Des Herrn Spielbuden, schmausten in den Städten,
Und dachten nur auf Buhlerei und Wetten.

Und Alles ächzt' und stöhnte unter beider
Erpressungslist und aller Art Willkür,
Die Wuchrer griffen, und die Goldbeschneider
Im Land um sich wie fressend Giftgeschwür,
Es gingen Frau'n, und trugen Mägdekleider,
Und bettelten um Brod von Thür zu Thür;
Und Mond um Mond, es war ein Jahr verstrichen,
Seit jede Aussicht auf Erfolg verblichen.

Rom selbst, von Totilas umringt indessen,
Gab jede Hoffnung auf Entsatz dahin.
Vom Dämon Habsucht war die Stadt besessen,
Und während Tausende nach Nahrung schrie'n,
Verpraßten die Gewalt'gen, gottvergessen,
An schwelgerischer Tafel, oder lieh'n
Um Wucherzins, und trieben frechster Weise
Den Werth des Korns auf unerhörte Preise.

Das Gras und Unkraut auf dem Walle rauften
Die ausgehungerten Bewohner aus,
Froh, wenn sie Pferdfleisch oder Mäuse kauften,
Sogar die Blumen mangelten des Thau's.
Man weinte nur, wenn noch die Priester tauften.
Laut schrie vor Bessas, des Statthalters Haus,
Ein Haufe bleicher, abgezehrter Schemen,
Die Last des Lebens ihnen abzunehmen.

Es bat, umklammernd des Palastes Säulen,
Ein Vater mit fünf Kindern auf den Knien,
Man möchte Brode unter sie vertheilen,
Wo nicht, so möchte man sie lassen ziehn,
Sie wollten lieber über fernste Meilen
Von Rom hinweg, und in die Wüste fliehn.
Doch Bessas sprach: »Ich hab' euch nichts zu geben,
Fliehn dürft ihr nicht, geht, nehmt euch selbst das Leben.«

Da suchte sich im Strom die tiefste Stelle
Der Arme mit den Seinen, und sein Grab.
Und Nachts darauf, es rauschte laut die Welle,
Ließ Jemand von dem Wall ein Seil herab,
Ein Krieger schwang sich auf, sprang auf die Schwelle
Des Thors, und schloß es auf; sein Hüfthorn gab
Den Gothen das Signal herbeizukommen,
Sie drangen an, und Rom war eingenommen.

In Schlachtenreihn bis Tagesanbruch hielten
Die Gothen in der Stadt, als Dämmrung schwand,
Und auf den Waffen Morgenflammen spielten,
Schritt Totila zur Kirche. Vor ihm stand
Der Bischof Roms, und seine Priester hielten
Die Bibel auf, er legte drauf die Hand,
Und schwur, daß niemand schuldlos Blut vergöße,
Und dreimal schmetterten Trompetenstöße.

Aus ihren Häusern aber, wie von Schleudern
Geschnellt, kam, von dem Volk herausgejagt,
Die Schaar jetzt von Erpressern und Vergeudern;
»Ihr konntet,« rief man, »als uns Noth zernagt,
In Ueppigkeit des Lebens Gut verschleudern,
Darum seid ihr des Todes angeklagt.
Seht dort den Richter, seht ihr dort, ihr Faune,
Den Todesengel, hört ihr die Posaune?

Beim Prunkmahl saßet ihr mit euren Metzen,
Und truget Kränze, während drauß der Tod
Die Sense schwang und umging das Entsetzen;
Jetzt kommt es über euch, das Schrei'n der Noth.«
So rief das Volk, und riß vor Wuth in Fetzen
Der Mächtigen Gewand, ihr Purpurroth.
Zum zweitenmal erscholl wie Donnerbrausen
Der schrecklichen Trompete Schall mit Grausen.

Und jetzt durchstieß der von dem Volk verfluchten
Erpresser Brust der Gothen blanker Stahl,
Wie Teufel schrien verzweifelnd die Verruchten;
Am Altar stund, beglänzt vom Morgenstrahl,
Der Gothenjüngling; seine Blicke suchten
Das Buch der Bücher, und zum zweitenmal
Berührt er's mit der Stirn' in Demuthgröße,
Und wieder schmetterten Trompetenstöße.

Und bei dem Schall drang eine Wagenreihe
Die Straße vor, und aufgehäuft darin
Lag Brod und Fleisch, Verband und Arzeneie;
Die Gothen legten ihre Waffen hin,
Und theilten Alles aus, nicht nur verzeihe
Der König, sagten sie, sein hoher Sinn
Ersehn' sich's auch, den Feind mit gleichen Gaben
Wie seine Eignen in der Noth zu laben.

Und »selig die Barmherzigen!« ertönte
Ein Lobgesang. Doch Totilas umritt
Die Mauern Roms; wohin er kam, erdröhnte
Der Hammer; Marmor stürzten und Granit,
Die Mauer nebst dem Thurm, der sie bekrönte.
Dann zog er fort, und Alles nahm er mit,
Den Reichthum und den Glanz, und ließ geschoren
Die Stadt zurück mit aufgebrochnen Thoren.

So lag denn wieder Rom wie eine Wüste,
Wie Babylon im Staub liegt vor dem Herrn,
So lag es da in Einsamkeit, und büßte.
Wer nicht gefangen oder todt, war fern,
Kein froher Blick, kein Dank Lebend'ger grüßte
Die Sonne weder, noch den Abendstern,
Dagegen klang noch wüthend in Campanien
Der Kampf, und in den Bergen von Lucanien.

Hier Sturmlauf um der Buchten Meercastelle,
In Waldnacht, im Gebirg, im Regensturm,
Belag'rung, Hinterhalt und Ueberfälle,
Dort Schlachtgeschrei am alten Tuscierthurm;
Man rang, halb auf dem Land halb auf der Welle,
Wie zwischen Strand und See ein Schuppenwurm,
Und unter Blitz und Donner auf den Brücken
Kam nie der Harnisch von des Reiters Rücken.

Als Belisar vernahm, welch Strafgericht
Der Gothenkönig über Rom gehalten,
Da rief er aus: »Erfüllt hab' ich die Pflicht
Des Feldherrn; gegen ewige Gewalten
Vermag ich nichts mehr, wenn der Donner spricht,
Verstummt der Löwe; will, wie hier, entfalten
Das Schicksal seinen Plan, dagegen strebt
Mit Glück im Kampfe Keiner, der da lebt.«

Das Gleiche sprach er, als zum andernmale
Sein Fuß ihn an die Porphyrschwelle trug
Vor Theodora's Sterbbett, eine Schale
Mit seltner Mischung stund vor ihr, ein Krug
Mit Balsamduft durchfloß das leichenfahle
Helldunkel im Gemach; die Kranke schlug
Den Blick empor: »Du kommst, hast du's erhandelt
Das Gothenreich? Hat Furcht dich angewandelt?«

»Nicht Furcht,« gab Belisar zur Antwort – »kannte
Dieß Herz je Furcht? Doch gegen den Beschluß
Des Himmels kann ich nicht; ich sah, er wandte
Von Rom sich ab.« Sie sah ihn groß an: »Muß
Dich Memme demnach Narses, der Entmannte,
Beschämen, er, der keinen Bogenschuß,
Kein Schwert noch sah, der bei den Spinnerinnen
Erzogen ward? Er soll den Krieg gewinnen.«

Sie sprach's und sank zurück, und ihrer Leiden
Ersehntes Ende war genaht, der Schall
Von fernen Flöten klang in ihr Verscheiden,
Indem den Hauch sie hingab in das All;
Ein Sterben, selbst Unsterblichen zu neiden,
War ihr beschieden wie der Nachtigall,
Umweht von Wipfeln heil'ger Lorbeerbäume,
Und Melodie um ihre letzten Träume.

Bewegt sank Belisar aufs Knie, er deckte
Die Leiche zu, und folgte ihr ans Grab.
Dann flog er nach der Hauptstadt, und erweckte
Den Schmerz, dem sich Justinian ergab,
Mit ihren letzten Worten. Er vollstreckte
Was sie befahl, und gab den Feldherrnstab
An Narses, der nun in den Krieg beschieden,
Als Hilfsheer beizog Hunnen und Gepiden.

Indeß umfuhr der Gothe die Cykladen,
Die Inseln plündernd in dem Archipel,
Die aus dem Meer mit sonnigen Gestaden
Azurblau leuchten, jede ein Juwel.
Auf breitem Deck, in Fässern hochgeladen,
Entführen sie die Früchte, Wein und Oel;
Entlang der Küste schallt der Saite Tönen,
Pokalgeläut, und Lachen junger Schönen.

Selenga! schüttle dich durchs Wellgedränge!
Aus diesen Gärten haucht's so dumpf und schwer,
Die Meeresgrotten, die Korallengänge,
Und diese Tempel sind so todt und leer.
Wie Träume stehn die Säulen in der Länge,
Wie Drachenzähne, die das Meer daher
Aus seinen Tiefen warf, aufstehn die Thüren,
Der Hauch des Todes ist daraus zu spüren.

An einem Strand, wo Römer schon und Pune
Sich bis zum Tod bekriegt, da landen jetzt
Die Gothen an, geschuppt und schwarz wie Thune,
Im Stahlkleid von der salz'gen Fluth benetzt,
Ins Grab des Atreus meißeln sie die Rune,
Am Opferbecken wird das Schwert gewetzt;
»Hervor, ihr Heiden, her das Gold der Schreine,
Füllt uns das Trinkhorn mit dem Chierweine!«

Und wie sie zu der Cella dringen, richtet
Darin ein Greis sich auf, in seiner Hand
Ein Harfenspiel, und spricht: »Ich seh' gelichtet
Die lange Nacht; ihr kehrt von Troja's Strand
Nach Hellas wieder, die ihr unvernichtet,
Ihr Helden, lebt. Ihr habt im Schattenland
Vollbracht die Seelenwanderung, und wieder
Belebt der alte Geist die tapfern Glieder.«

Den Totila begrüßt er: »Heil, Atride!
Heil dir, Achilleus, göttlicher Gestalt,
Odysseus, Ajax Heil! von eurem Liede
Vernehmt der Töne heilige Gewalt!«
Er sprach's und sang's, ein letzter Homeride,
Und wie zum Meer hinauf sein Lied erschallt,
Da stehn um ihn, und lauschen seiner Töne,
Als kläng's für sie bekannt, die Nordlandssöhne.

Sie stehn und lauschen, leichte Nebel wogen
Im Mondenlicht, und durch das Fluthenreich
Kommt jetzt ein Segelschiff herangeflogen,
In Allem ihrem eignen Schiffe gleich,
Und auch die unter seiner Segel Bogen,
Die Männer drauf, nur alle todtenbleich,
Sind ihnen ähnlich an Gestalt und Mienen,
Als wären sie hier vor sich selbst erschienen.

Sie standen noch gelehnt an ihre Speere,
Und horchten gern der fremden Worte Klang,
Als plötzlich vor dem Gegenbild im Meere
Ein Grauen sie erfaßte, jeder sprang
Zum Kampf sogleich, als plötzlich in die Leere
Die flüchtige Erscheinung sich entschwang.
Als sie hierauf sich nach dem Greis erkunden,
So war auch dieser ihrem Blick entschwunden.

Schnell bringen sie an Bord die Beute, winden
Die Anker auf, und segeln rasch davon.
Sie nahn Italiens Küste bald, und finden
Der Griechen Flotte hier gerüstet schon;
Ein Jauchzen, ein die Waffe sich Umbinden
Und Zuruf schallt, Befehl und wildes Droh'n,
Man zündet Fackeln an, und prüft die Speere,
Und Schiff auf Schiffe tanzen auf dem Meere.

Verdeck stößt an Verdeck, es springen oben
Die Männer alle vor im schnellsten Lauf,
Den langen Speer zu sich'rem Wurf erhoben,
Und Andre ziehn die Enterhaken auf,
Die wollen ihrer Keule Wucht erproben,
Und Jene fassen schon den Dolch am Knauf,
Bereit das Handgemenge zu beginnen,
Und mit der Faust die Seeschlacht zu gewinnen.

Wo Totilas, damit er Alles leite,
Am hohen Bord steht, da ist aufgehängt
Sein rother Schild am Mast, ihm steht zur Seite
Ein Herold, welcher jeden Wink empfängt,
Und weiter ruft den Männern in dem Streite,
Wo sich am dichtesten die Seeschlacht drängt
Und dorthin dringt, und mit der gleichen Schnelle
Des Königs Blick zugleich auf Wind und Welle.

Die Speere donnern, und der Enterhaken
Dringt in den Schiffsrumpf, daß die Rippe tost,
Die Schiffe bäumen sich, die Maste knacken,
Man hört es wie die Schlachtennorne lost.
Die Drachen vorne scheinen sich zu packen,
Die Segel schwellen, wie zum Kampf erbost,
Schwerthiebe sausen um den Helm der Streiter,
Brandpfeile fliegen über Bord und Leiter.

Des Griechen Bogenschützen, seinen Scythen,
Den Turbanträgern der Propontisfluth,
Die, wenn sie Pfeile schossen, niederknieten,
Erwehrt sich schwer der Gothen wilder Muth,
Noch schwerer ihren Flammen, fruchtlos bieten
Den Stierhautschild entgegen sie der Gluth;
In ihrem schweren Panzerkleid ertrinken
Die Tapfern, Schiff und Mannschaft sieht man sinken.

Gluthregen zischt, es regnet Eisendorne,
Roßhäupter gähnen aus der Brandung Schnee
Wie Rosse, die sich bäumen unterm Sporne,
Und Mast und Segel brennen, und die See,
Vom Sturm bewegt, vermehrt mit ihrem Zorne
Der Gothen Unglück noch. Mit tiefem Weh
Blickt Totilas um sich, und sieht bekümmert
Sein letztes Schiff verbrannt, zerschellt, zertrümmert.

Schon naht die Gluth des Kiels umerzten Wänden,
Die Dämm'rung, und ein letztes Ruderboot
Begünstigten ein Fliehn, das in den Bränden
Die See zurückließ, voll von Blut und Tod.
Er setzt den Fuß ans Land mit leeren Händen,
Betritt sein Reich nur mit genauer Noth,
Und sieht gereiht um sich nach wenig Tagen
Ein neues Heer, und auch bereit zu schlagen.

Von allen Felsenhöh'n, von jeder Warte,
Aus allen Gütern war dem Aufgebot
Das Heer gefolgt um seine Feldstandarte,
Die wehte todesfroh und blutigroth;
Und Totilas, sie schwingend, rief: »Das harte
Geschick drängt sie in meine Faust, die Noth,
Sonst bautet ihr in Frieden eure Güter,
Doch nun seid bis zum Tod ihr treue Hüter!«

Dem Narses ließ er dann zum Spotte sagen:
»Sag' an, willst du mit uns den Männern dich,
Wie? oder dich mit unsern Weibern schlagen?
Doch die sind stärker noch als du. So sprich!
Willst du dich aus Ravennas Mauern wagen?
Komm doch hervor, es sehnen Alle sich,
Dich wenigstens zu sehn, daß wir es können,
Willst du vielleicht auch dieß uns noch mißgönnen?«

Und Narses kam. Am Fuß der Apeninnen
Begegneten die Heere sich: »Bis wann,«
Frug Narses, »wollen wir die Schlacht beginnen?
Bestimm' den Tag, und wisse, daß ich kann.«
»Ich laß euch Zeit, acht Tag euch zu besinnen,«
Gab Totilas zur Antwort, »und als Mann
Entweder sieg' ich, oder deck' als Leiche
Den Boden hier in meinem Gothenreiche.«

So sprach er, doch beim ersten Morgenscheine
Beginnt sein Heer ins Feld herabzuziehn.
Aus alter Zeit noch moderten Gebeine
Erschlagner Gallier hier, darüber hin
Wuchs Haidekraut, und lagen große Steine.
Sobald hierauf der volle Tag erschien,
Gebeut ein donnernd »Halt« auf jeder Seite,
Und beide Heere rüsten sich zum Streite.

Und Totilas, bewehrt mit seinem Speere,
An dem sein rothes Banner wehte, ritt
Allein, und Angesichts der beiden Heere,
In goldner Rüstung auf und ab, bald Schritt,
Und bald Galopp, er warf empor die Wehre,
Daß sie mit Sausen durch die Lüfte schnitt,
Fing sie, sein Schlachtroß tummelnd, auf, und wieder
In stolzer Ruhe ritt er auf und nieder.

Entlang die Höhen späht sein Blick zuweilen;
Von dorther soll noch heut ein Gothenzug,
Ein Reiterschwarm ihm zur Verstärkung eilen;
Erst dann hält er sein Heer für stark genug.
Indessen wächst bei beiden Heerestheilen
Die Lust zum Kampf, und mutherfüllter schlug
Das Herz in Manchem, der den König schaute,
Und auf gewissen Sieg durch ihn vertraute.

Es blickt noch einmal in der Sonne Gluthen
Der Adler, eh' er stirbt; es taucht der Schwan
Im Sterben singend unter in die Fluthen,
Und so beschließt der Held auch seine Bahn.
Sein Fall ist Donnerfall, und sein Verbluten
Ein Sonnenuntergang. Die Schlacht bricht an,
Mit Medersäbeln, und in hohen Mützen,
Beginnen sie des Narses Bogenschützen.

Die Köcher mit der schwarzen Pfeile Garben,
Umkleidet von der Schlangen bunter Haut,
Der Hörner Klang, die kriegerischen Farben,
Der Schlachtreihn Glanz, von Speeren aufgebaut,
Wird brennend in der alten Krieger Narben,
Und in der Jüngern Ruf und Zuruf laut,
Die Gothen hatten, ohne Pfeil und Bogen,
Mit Speeren nur zu kämpfen sich verwogen.

Doch so erlitten sie an Roß und Reitern
Verluste auf Verlust; sie ritten ein,
Unaufgehalten von achttausend Streitern,
Die, anfangs weichend, ihre Schlachtenreihn
Allmählig um die Gothen zu erweitern,
Dann einzubiegen suchten, so allein
Geschah's, daß diese früher Schaden nahmen,
Ehdenn sie recht ins Handgemenge kamen.

Sie wurden rings verwundet durch die Pfeile,
Doch hielten Stand die Schützen nirgendwo,
So daß die Reiterschaar in einem Keile
Sich eingeklemmt sah, und allmählig floh.
Schon war es Abend, als die Heeressäule
Auf beiden Seiten sich verrückte, so
Daß die der Römer vordrang, die der Gothen
Zurückwich mit Verlust von vielen Todten.

Als Totilas, der erste stets im Streite,
Die Reihn durchritt, da, mitten in der Schlacht
Traf ihn ein Pfeilschuß in die linke Seite,
Und schwer verwundet ward er weggebracht.
Es war schon tiefe Nacht, als sein Geleite
In einen Wald gelangt war, hier erwacht,
Erblickt er die verfolgenden Gepiden,
Und steht, schon todwund, noch den Kampf zu bieten.

Er fürchtet nicht den Tod, nur Schmach und Kerker;
Es brechen vor bei jedem Lanzenstich,
Bei jedem Schwertstreich, den er führt, nur stärker
Die Ströme Blutes; doch er steht, er wich
Um keinen Schritt, und bettet, ein Berserker,
Ein Leichenfeld von Feinden rings um sich,
Da streckt ihn mitten durch die Heldenglieder
Der Speerwurf eines der Gepiden nieder.

Von jener Hilfsschaar, die das Gold verdorben,
An welche Narses Sold einst ausgetheilt,
Da kam von jenen, die er mitgeworben,
Vom Longobardenheer herbeigeeilt,
Ein Knab' und rief: »Stirb du, in dem gestorben
Die Ehr'!« und stieß dem Mörder unverweilt
Das Schwert durch seine Brust, »wie darfst du tödten
Solch einen Mann in seiner Wunde Nöthen?

Ihr staunt, Gepiden? Laßt mich ihn beweinen,
Den edlen König, Barden werden ihn
Besingen als der Helden größten einen,
Und wollt ihr hören, wer ich Knabe bin,
Der ihn gerächt an dem da, dem Gemeinen?
Ich bin der Longobarde Alboin.
Ich sag' mich los vom Bund mit euch Bastarden,
Und los von Narses, kommt, ihr Longobarden!«

Er sprach's, und sprengte fort mit seinen Reitern,
Und wieder herrschte nun die stille Nacht,
Das Leichenfeld, bedeckt mit todten Streitern,
Beschien allein des Sternenhimmels Pracht.
Die Sterne funkelten so rein im heitern
Azurgewölb, als wäre keine Schlacht,
Als wär' kein Völkerloos entschieden worden,
Und rein die Erde noch von Blut und Morden.

Die Nacht darauf, in einem Thurm, wie viele
Am Meeresufer stehen, wo ehedem
Raubschiffe landeten, pechschwarze Kiele
Mit kleinen rothen Segeln; Kalk und Lehm
Bedeckt den Boden, Spinngeweb' die Diele –
Da saß ein Wesen, seltsam wie ein Schem',
Und neben ihm saß seine greise Mutter,
Und raufte Moos aus, magres Ziegenfutter.

Die Greisin hatte wie ein Eber Ohren,
Und Ziegenfüß', und Schilf im grauen Haar;
Von einer Meerspinn' eher schien geboren
Ihr Sohn, so dünn und schlüpfrig wie er war,
Er sprach jetzt: »Hast du niemals falsch geschworen?
Hast du noch nie geschlachtet am Altar?
Hast du noch nie ein Menschenherz mißhandelt,
Und Menschenbild in Thiergestalt verwandelt?«

Sie sprach: »Was zirpst du da, du freche Grille?
Was weißt du von dem heiligen Beruf,
Der einstens uns erhob, uns in der Stille
Des Lorbeerhains zu Seherinnen schuf?
Zur Zeit des alten Roms, da hieß Sybille,
Die jetzt die Hexe heißt; der Pferdefuß
Hat in die Welt gestampft, und das zertreten,
Worüber einst der Ehrfurcht Schauer wehten.

O wehe, was mit uns geschah! – Vor Jahren,
Nachdem gestorben war Theodorich,
Da kamen zwei Gewaltige gefahren,
Zwei Mächtige von Rom, die hießen mich
Den Weg erspäh'n, auf dem die Todtenschaaren
Um heimzukommen gehn; doch ich entwich,
Und wollte nicht an seine Seele tasten,
Doch mußt' ich, denn so wollten, die ihn haßten.

Damit sie seine Grabesruh' zerträten,
Und daß sein Schatten sonder Sühn' und Lab
Umirren sollt' im Schlund der Ungesäten,
So weihten ihm die Priester nicht sein Grab,
Sie ließen ihn nicht opfern gehn, noch beten,
Sie nahmen seinem Sarg die Ehren ab,
Da drang durch unterirdische Gemäuer
Sein Geist voll Qualen bis zum Weltenfeuer.

So stieg ich denn hinunter manche Quader
Durch Urgesteine bis ins Grundgeklüft,
Wo Gifte rollen in metallner Ader,
Und Erzzähn' nagen durch's Basaltgegrüft.
Da sah ich mit dem Satan ihn im Hader,
Und über seiner Stirn stund eine Schrift.
Ich wollte lesen, und die Geister loben,
Da riß ein Sturm mich auf, und ich war oben.

Die Blitze zuckten noch um Fels und Erde,
Und ich lag da, und athmete im Raum.«
Als Lanto dieß mit ängstlicher Geberde
Gesprochen hatte, hielt sie sich den Daum,
Und horchte auf, denn eben brausten Pferde,
Bespritzt vom eignen und von Meeresschaum,
Zum Thurm heran, da sprang sie auf erschrocken,
Wie eine Pythia, gelöst die Locken.

»Kommt nur! Doch dieß sei Gothen euch verkündet!
Zu Grund geht, Riesenkinder, euer Reich!
Stecht eure stolzen Rosse todt, und zündet
Den Holzstoß an! Half's, daß ihr euch zugleich
Mit Franken und Vandalen habt verbündet?
Ihr fielt ja doch. Noch einmal schwingt zum Streich
Das Gothenschwert! Noch ein Held ist erkoren,
Ein letzter noch von euren Meteoren!«

Sie schwieg; auch draußen ward es wieder stille,
Und wie sie dasaß so, in ihren Schooß
Das Haupt gesenkt, erschien sie die Sibylle.
Sie warf das graue Haar, das sie umfloß,
Von ihren Schultern, und fuhr auf: »Der Wille
Der Götter ist es, ja, und rein und groß
War stets ihr Wink. Merk du, Gebild aus Erde,
Merk auf, was ich dir jetzt erzählen werde:

In einer von Neapels Säulenhallen
Stund ein Musivbild. Denke nur, man sah
Theodorich, den König, über allen
Gebietend und im Glanz; doch, was geschah?
Das Bild fing an allmählig zu zerfallen,
Erst fiel das Haupt herab, und siehe da,
Es war die Zeit Theodorichs gekommen,
Und aus dem Leben ward er weggenommen.

Ihm folgte, noch im Alter eines Knaben,
Sein Enkel Athalrich als Herrscher nach.
Acht Jahre mocht' es kaum gedauert haben,
Als auch des Bildes Brust zusammenbrach,
Und bald war auch Athalarich begraben,
Daraus zerbröckelte zur größten Schmach
Der Leib, und alsbald lag nach diesem Zeichen
Amalasuntha bei den andern Leichen.

Nun blieben nichts mehr als die Füße stehen,
Doch während Rom das Gothenheer umschloß,
Sah man auch diesen Theil zu Grunde gehen,
Die letzten Steine bröckelten sich los,
Und von dem Bild war nichts mehr nun zu sehen.
Man schloß daraus, dieß sei der Gothen Loos,
Es werde sie der Kaiser überwinden,
Und aus Italien müßten sie verschwinden.«

Sie sprach's; die Thür sprang auf, zu Beider Schrecken
Trat jetzt ein Krieger ein: »Weib, Hexe du!
Sag' an, kannst du mit Zauberkunst entdecken,
Wo Totilas begraben liegt?« – »Wozu?
Soll ich ihn euch vielleicht vom Tod erwecken?«
Erwiederte die Hexe. »Geht, laßt mich in Ruh!« –
»Du mußt, Weib!« rief der Gothenmann, »sonst röthe
Dein Blut den Stahl, komm, daß ich dich nicht tödte!«

»Den Römern,« rief sie jetzt, »hab' ich die Stelle,
Wo Totilas erschlagen ward, gezeigt,
Sie hoben ihn ans Licht der Mondenhelle,
Und Alle haben sich vor ihm geneigt. –
›O seht,‹ sprach einer, ›wie so still die Welle
Auf diesem Kriegssturm, dem erstorbnen, schweigt.
Begrabt ihn, Römer, laßt ihn nicht den Raben!‹ –
Ja, also wurde Totilas begraben.«

Sie sprach's. Er hob sie auf, schritt vor die Thüre,
Und schwang sie auf sein Pferd, dann ging's im Flug
Landein, dahin, als ob ein Geist sie führe,
Wie über ihnen Wind und Wolkenzug.
Und als sie auf das Schlachtfeld kamen, »spüre!«
Rief jetzt der Gothe, »sag', wer ihn erschlug?«
Sie sprach: »Den Todeswunden und Todmüden
Erschlug Aspad, der König der Gepiden.

Ein Longobarde sah mit finstern Augen
Den Mörder an, erschlug ihn, stieß den Schaft
Des Speers in einen Baum, und schwur: ›Ihm taugen
Soll dieß, bis wir ein bessres Grab geschafft.
Hier mög' indeß die Trauerblume saugen
Auf seinem Hügel Licht und Lebenssaft,
Der Bund mit den Gepiden, den Bastarden,
Ist aufgelöst, wir reiten heim, Longbarden.‹

Hier ist der Baum, hier steckt die Lanze, schürfet
Den Rasen weg, wollt ihr den Helden schau'n!
Wofern ihr, ihm zu nah'n, euch wagen dürfet.
Seht ihr das Blut vom Baum herniederthau'n?
Reicht euch den Trank zum Todtenopfer, schlürfet!
Singt ihm ein Schlachtenlied ins Morgengrau'n!
Grabt mit dem Schwerte, grabt! Habt ihr's gefunden?
Auf! tränket euren Speer an seinen Wunden!«

Beim Wachefeuerschein, der von den Hügeln
Die Feinde kund gab, gruben sie ihn auf,
Und banden auf zwei Pferde mit den Zügeln
Den Leichnam fest, dann ging's in raschem Lauf
Ans Meer hinab, wie mit des Windes Flügeln;
Da lag am Strand ein schwarzer Trümmerhauf
Zerschellter Schiffe, Kiel' und Segelbäume,
Ein Chaos, und darüber Fluth und Schäume.

Trompetenschall – Wie aus der Erde sprangen
Zur Arbeit Männer vor, und stellten sich
Ans Wrack, der Hammer und die Axt erklangen,
Und segelfertig, eh die Nacht erblich,
Taucht in die Fluth der Kiel, sie aber schwangen
Den Mastbaum auf. Der Hauch des Morgens strich
Vom Berg ans Meer, da hoben ihren Todten,
Den todten König auf das Deck die Gothen.

Mit Roß und Rüstzeug in der Purpurfrühe,
In seinen Waffen fuhr er so hinaus
Ins graue Meer. Entlodert vom Gesprühe
Der Fackeln glomm sein schwimmend Todtenhaus.
»Fahr wohl! fahr wohl! Der Asen Land erblühe
Am Ziele deiner Fahrt im Meergebraus,
Fahr wohl, o Heldenkönig, auf dem Wracke
All unsrer Siege, Feuer deine Flagge!«

So sangen sie, hoch rauschte auf die Welle,
Und in Poseidons altem Säulenbau
Erwählten auf dem Stein der Tempelschwelle
Den Tejas sie zum König. »Grün', Meerau!
Tön', Sonnenschild, in Aufgangs Morgenhelle,
Vom Laub der Eiche quillt Meerrosenthau.
Im Felsenecho längs der Bucht ertöne
Gesang der heimgegangnen Bardensöhne!«

»Wenn Muth euch schwellt des Busens Ader, Recken!
Dann, bei der Löwenmähn', die uns umwallt,
Wird dieser Tag uns neue Hoffnung wecken!
Ich bin ein Luchs, bis in die Zähne kalt,
Ich bin ein Blondhaar, meiner Feinde Schrecken;
Es soll, wenn unser Schlachtruf wieder schallt,
Ob unsrer Freiheit letzter Stern zerstoben,
Ob unser Glück dahin, Rom soll's erproben.«

Laut rief es Tejas, und sein Volk zu rächen,
Wo nicht, zu sterben, schwur er hoch, und schwang
Dreimal den Speer um's Haupt. Dann längs der Flächen
Des offnen Landes, stets dem Meer entlang,
Beginnt er seinen Zug, und an den Bächen,
Wo vom Vesuv sich einst die Lava schlang,
Erreicht er seinen Feind, und wirft zur Stelle
Ihm gegenüber auf die Lagerwälle.

Der Thau quillt vom Gezweige der Kastanien,
Die Feuerrebe trunken hingelegt,
Und Lorbeer und wild blühende Geranien,
Und schweigende Cypressen unbewegt –
So athmet in der schwülen Nacht Campanien,
Das lachende, das sanft im Schooße hegt
Den grollenden Titanen, dem die Rosen
Des Himmels blühn um's Haupt, dem Schlummerlosen.

Durch's Dunkel flammt ein sterngleich helles Feuer,
Vom Scheitel des Vesuvs ein Höllenglühn,
Weit strahlend über's Meer, das Ungeheuer,
Die Tiefe donnert, Meteore sprühn;
Aus Kraterklüften schwarzes Felsgemäuer,
Mit Asche überdeckt, schaut kalt ins Blühn
Des Thals hinab; dort grünt noch die Agava,
Dort streift die Wolke grau durch's Grau der Lava.

Und da nun hier der Gothe weder Weiden
Noch Nahrung fand, wo kaum nur karges Moos
Und Gräser dünn verbrannte Strecken kleiden,
So ließ das ganze Heer die Pferde los,
Und stieg dann den Vulkan, aus dessen Scheiden
Ein halberstickter Gluthstrom sich ergoß,
Zum Meer hinunter in der schwarzen Hitze,
Wo Qualm aufdrang aus jeder Felsenritze.

Die Lorbeern auf den Helmen wurden dürre,
Von Asche waren auf und auf bedeckt
Die Panzerhemde, Waffen und Geschirre,
Der Abgrund schien wie vor sich selbst erschreckt.
Es leuchteten die Schwerter in der Irre,
Vom Feuer aus den Kratern angeleckt.
Die Wächter auf dem Walle vor den Fahnen
Erblickten die Giganten und Titanen.

»Auf! Griechen zu den Waffen! Feind' erscheinen,
Seht, der Vesuv wirft Drachenzähne aus!
Gewaffnete entstehen aus den Steinen,
Der Berg wird ein Deukalion, das Gebraus
Der Hölle kommt herunter mit Gebeinen;
Auf, Griechen! Aus den Zelten! Auf! heraus!«
Der Wächter rief's, die Krieger alle raffen
Sich eilig auf, und greifen zu den Waffen.

Wo durch herabgerollte Lavastücke
Ein kleiner Fluß, der Drako heißt, sich schlingt,
Erleuchten sich die Lager und die Brücke.
Die Thürme werden und der Wall umringt,
Und eine Schlacht beginnt, in der dem Glücke
Der Gothe das Verzweiflungsopfer bringt;
Verzweiflung facht, sieht alles sie verderben,
Den Muth zu Flammen an, und lacht im Sterben.

Noch ist es Nacht, und dunkle Wolken decken
Die Küstenhügel, hinter welchen leicht
Des Narses Zelte sich am Strand verstecken,
Indeß ein leichter Wind die Fluth bestreicht.
An seiner Phalanx vorn, der Feinde Schrecken,
Stürmt Tejas, Alles dringt auf ihn, und weicht
Vor ihm, sein Helmbusch mit den Geierklauen
Schaut blutroth durch die Nacht ins Morgengrauen.

Er steht allein, von Feinden dicht umdrängt,
Der erste Mann, vor seinem ganzen Heere,
Allein von seinem Schild gedeckt, er fängt
Mit ihm die gegen ihn geworfnen Speere,
Stürzt plötzlich in den Feind, zersprengt
Die Schaar, und wenn die Wölbung von der Schwere
Der Lanzen starrt, dann tönt durch's Schlachtgefild
Sein Donnerruf nach einem andern Schild.

Der dritte Theil des Tages ist verflossen,
Er weicht um keinen Schritt, es saust ein Wald
Von Lanzen gegen ihn, von Wurfgeschoßen
Ein Hagelschau'r, er ruft nach Grimoald,
Dem Waffenträger: »Komm, es regnet Schlossen!
Der Schild wird schwer, bring einen andern bald!
Wirf ein paar Leichen hinter mich, der Schützen
Sind viel, ich möchte mich ein wenig stützen.«

Indem er's ruft, und mit der Rechten nieder
Die Feinde streckt, und mit der Linken wehrt,
Bringt jener ihm den Schild, und wie er wieder
Ihn eintauscht gegen den, der schon beschwert
Mit Lanzen ist, da durch die Schulterglieder
Trifft seine Brust ein Speerwurf, und versehrt
Des Lebens Sitz, er stürzt, und auf der Stelle
Erstarrt in Todesfrost die Herzenswelle.

Ein Schmerz- und Wuthschrei donnert um den Todten
Im Heer der Seinen fort wie Fluthgeroll,
Und Hand zu Hand wird neu zum Schwur geboten,
Daß jeder wie der König sterben soll.
So kämpft man bis zur Nacht, es ruhn die Gothen
In ihren Waffen, und verzweiflungsvoll
Beginnen sie mit Tag den Kampf aufs Neue,
Und wieder bis zur Nacht in Todestreue.

Die Letzten ließen dann dem Narses sagen:
»Bewillig', daß auf unsern Schultern wir
Nach Haus den Leichnam unsres Königs tragen!
Laß uns in unsre Heimath fort von hier!
Denn wir gedenken uns schon durchzuschlagen;
Dem Todten da, der in der vollen Zier
Der Heldenkraft erlag, ihm wird Grabehre
Erweisen Volk an Volk bis hin zum Meere.«

Und Narses sagte zu. Die Gothen zogen
An ihm vorüber, der verschrumpft und bleich
In einer Sänfte lag zurückgebogen,
Mehr einem Weib als einem Manne gleich.
In ihren Waffen, stolz wie stumme Wogen,
Verließen sie das alte Gothenreich,
Und von den Alphöhn sah'n sie nach der Wiege
Des Ruhms zurück, ins Land noch ihrer Siege.

»Schlaft Alle wohl im Grund des Erdenschooßes,
Die ihr auf fremder Erde fielt! Vollbracht
Habt ihr wie noch kein Volk vorher so Großes,
Es ist gethan, der Lohn ist Tod und Nacht.
Doch blüht am Endziel unsres Unglückslooses
Ein neuer Tag, aus Kampf und Müh erwacht.
Das große Romreich stürzten wir zusammen,
Wir Gothen, die wir von dem Himmel stammen.«

So sangen sie, ein Echo ihrer Klage
Ward in der Wüste des Gebirges laut,
Und über einem Riesensarkophage,
Von hohen Felsentrümmern aufgebaut,
Schoß eine Schneelawin' im Donnerschlage
Zum Abgrund nieder; Alle riefen: »Schaut,
Das waren wir,« und trugen ihren Todten
Zur alten Heimath hin, die letzten Gothen.


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