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Fünfter Gesang.
Maximus und Eudoxia.

Petronius Maximus, im Glück geboren,
Trat aus der Cäsarn Burg, ergriff die Schnur
Und rief nach seiner Sänfte; »Senatoren,
Lebt wohl! Orion bleicht schon im Azur.
Ich hab' heute Nacht viel Gold im Spiel verloren –
Selbst meinen Fingerring. Nimm, Epikur,
Den Kranz! Leucht' uns! Ich will noch späten Jahren
Ein Angedenken dieser Nacht bewahren.«

In seidne Polster wirft sich, krank am Herzen,
Der müde Schwelger aus dem Weg nach Haus,
Und dort entschlummert, wie er von Sesterzen
Noch träumt, und seine Leuchter löschen aus.
Aus einmal steht vor ihm ein Bild der Schmerzen
Und weckt ihn: »Horch, und welch ein Volksgebraus?
Wer wagt sich noch zu mir, am Thor ein Pochen:
Wacht Epikur, hab' ich zu laut gesprochen?«

Ach ja! Der Schlummer flieht das Purpurkissen,
Der sanft des Bettlers Haupt zur Ruhe legt,
Die Furcht vor dem uns Allen Ungewissen,
Das war's, was mich so plötzlich aufgeregt;
Das Bangen, das in schwülen Finsternissen,
Von einer unsichtbaren Macht bewegt,
Uns oft beschleicht aus unsrer Seele Tiefen,
Wenn alle wachenden Gedanken schliefen.

Doch Rom nennt mich den Glücklichen, umgibt
Clientenschaar nicht meine Schwelle täglich?
Geehrt vom Volk, von meinem Weib geliebt,
Geliebt, wie sie von mir so heiß, unsäglich;
Und wenn auch Traum, ihr Freiheitsträume, bliebt,
Es ist ja doch des Herrschers Joch erträglich –
Zu sorgen hab' ich nichts, kaum mehr zu hoffen,
Und dennoch Furcht, doch steht mein Herz ihr offen?«

Mit solchen Fragen an sein Glück geschäftig
Erblickt den Reichen noch das Morgengrau.
Kühlt wohl auch seine Brust der Morgen kräftig,
Vergißt er seine Sorgen jetzt? O schau!
Bleich wie der Marmor, über den sie heftig
Und schleierlos hineilt, wirft eine Frau
Vor den Erschrocknen einen Goldring nieder;
»Erkennt mein Gatte diesen Ring nicht wieder?«

Empor springt Maximus: »Mein Ring ist dieß,
Als Spielpfand mir vom Cäsar abgenommen,
Wer gab ihn dir?« Sie sprach: »Ein Sklave hieß
Zu dir mich gestern, zum Palaste kommen.
Weil seine Sendung mir der Ring bewies,
Folgt' ich ihm schleunig, ach – und angstbeklommen.
Dem Cäsar gabst du deinen Ring zum Pfande,
Er ist dir eingelöst mit meiner Schande.

In Mitschuld wähnt' ich dich, o Herr, vergieb,
Vergieb, ich selbst bestrafe mein Verbrechen,
Mein willenloses – deiner Gattin blieb
Lucretias Beispiel – aber dein Versprechen,
War jemals dir mein treues Leben lieb.
Dann gieb dein Wort mir, furchtbar mich zu rächen.
Auf diese Brust, die schon das Gift durchfuhr.
Leg deine Hand und gieb mir deinen Schwur!«

Sie ruft's und bald erblassen ihre Wangen
Vom Gifte, das den schönen Leib verzehrt,
Der Römer schließt, in heißem Schmerz umfangen,
Die Sterbende ans Herz und kniet und schwört:
»Du Heilige, du sollst dein Recht empfangen,
Ob keine Gottheit unsre Klagen hört,
Ob Erd' und Himmel jeden Frevel dulde,
Ich löse, was ich deinem Unglück schulde.«

Todt lag Valeria; in tiefes Schweigen
Verbarg er ihren Fall und Tod – bemüht
Kein schmerzlich Zucken vor der Welt zu zeigen,
Nicht einen Blick des Zorns, der ihn durchglüht.
Doch Jenem tausend Netze zu erzweigen,
Wie rastlos so sein Geist Entwürfe sprüht,
Enthüllt sich ihm durch immer dünnre Schleier
Der dunkle Schlachtplan seiner Rache freier.

Er weiß es, um den Kaiser zu verderben,
Muß erst und durch des Kaisers eigne Hand
Aëtius, Roms großer Feldherr sterben.
Er, der das Heer der Hunnen überwand,
Um dessen Gunst selbst fremde Völker werben,
»Aëtius, mein letzter Widerstand –
Ein Wort nur und du selbst, o Cäsar, tödtest,
Dem du noch heut dein Haupt zum Schirmen bötest.«

Ein Mitverschworner, der ihm legt die Garne,
Wird selbst von ihm dem Cäsar zugeführt,
Ein schlauer Günstling, daß er Jenen warne,
Und seinen Argwohn bald zur Hölle schürt.
Er sprach: »Du glaubst, der Sieger von der Marne,
Er wähne nicht, daß ihm ein Reich gebührt,
Ein Reich, ein Thron, den dir sein Sieg gerettet,
Sein Sieg, der alle Römer an ihn kettet?

Ich sah ihn oft, wie stolz er bei Erzählung
Von Thaten frecher Kronenräuber saß,
Krönt ihn das Heer, wer hindert die Erwählung?
Was hält ihn noch, der sich so weit vergaß,
Und dein Geschlecht beschimpfend, zur Vermählung
Mit deiner Tochter seinem Sohn vermaß?
Er bittet dich, er droht mit jeder Bitte,
Ein Schritt zum Thron ist jeder seiner Schritte.

Zu deinen Füßen schläft noch die Verschwörung,
Zertritt die Natter, eh ihr Haupt sie hebt
Und dich umschlingt in offener Empörung,
Dein Thron ist schwank, so lang Aëtius lebt!«
Der Kaiser hört's durch Zweifel und Bethörung,
Von Furcht zu Furcht versinkt sein Herz und bebt,
Bis endlich all sein Sinnen schreckumbrandet,
Am Grabe des verhaßten Feldherrn landet.

Aëtius sterbe! ruft's ihm Tag und Nacht;
Doch wer auch sicher ihm den Mord vollbringe,
Ein schmählich Urtheil, eine ferne Schlacht,
Und wer die Dolche lenke, wer die Schlinge,
Und wer die That beschöne, wenn's vollbracht,
Erwägt er noch mit seinem Kämmerlinge.
Verhüllt und sicher treff' ihn unser Schlag;
Der nächste Circus sei sein Todestag.

»Wenn Aller Blicke nach dem Spiel gewandt,
Wer wird den Mörder finden, wer ihn fassen?
Mir ist ein wilder Thracier bekannt;
Ihn wollt' Aëtius einst tödten lassen,
Ich gab ihn frei, zum Dank bot der Gigant
Sein Schwert mir gegen alle, die uns hassen,
Es ist Heraklius, der uns bestimmt
Auch diese Sorge von dem Herzen nimmt!«

Mit Freuden hört vom Freunde der Senator,
Wie seines Planes Wirkung rasch genützt.
»Wohl,« ruft er, »suche deinen Gladiator,
Zerbrich den Arm nur, der dich noch beschützt,
Erschließ' das Thor dem künft'gen Triumphator,
Wenn man ergrimmt dein schuldig Blut verspritzt,
Ruft keinen Andern über deiner Leiche
Die Legion als mich zum Herrn der Reiche.

Und jetzt, mein Freund – auf! – eile, treibe, rüste,
Horch, ob man murrt, erforsche was man droht!«
Er spricht's und eilt zur nahen Meeresküste
Zu einer Villa fort im raschen Boot;
Dort ragt ihr Grabmal mit der Marmorbüste,
Wo durch Cypressen blinkt das Abendroth,
Dort ruht, die nicht den Herzschlag hören mochte,
Der treulos einst am fremden Herzen pochte.

Rings um das Grabmal war ein heilig Schweigen,
Das Abendroth warf seinen düstern Glanz
Aus Pinien herab zu Lorbeerzweigen;
Die Urne zeigte, wie der Horen Tanz
Zu früh entschwand, und bei den Hochzeitreigen
Den Helm auf einer Maske mit dem Kranz;
Ein Ibis saß daneben, und dem Leben
Sah man die Parzen ein Gewebe weben.

»Lucretia, mög' dein edler Schatten sich
An diesem unbefleckten Namen freuen!
Die That, durch die Roms Königthum erblich,
Du durftest jene große That erneuen;
Doch fällt dein Frevler auch durch mich – ach! ich
Kann nicht aufs Grabmal dir die Blumen streuen,
Die Collatinus seiner Gattin gab.
Ach! nicht die Freiheit pflanz' ich auf dein Grab!

Es ist zu spät, hinabgebrannt ist Alles
Und morsch und überreif zum Untergehn,
Es schützt uns vor dem Tag des nahen Falles
Kein Gott, so viel wir ihrer Tempel sehn.
Kann ich am Rand des rings zerstörten Walles,
Kann ich allein dem Andrang widerstehn?
Aus diesem Thron Nachfolger nur von Mördern,
Was kann ich mehr als seinen Sturz befördern.

Wohl ist's der größte Schmerz, der unsrer Bürde
Noch zugelegt und jemals ward gefühlt,
Im Wirbel eines Stroms, der Kraft und Würde,
In gleiche Nacht wie Schmach und Schwäche spült,
Vom Thron, den keine Tugend retten würde,
Aus eine Welt zu sehn, die unterwühlt,
Zusammenbricht mit Giftkraut wie mit Rosen,
Zusammenbricht mit Guten wie Gottlosen!

Versuch' ich's mit der reinen Sühnungsquell',
Noch auf mein Haupt die Krone zu gewinnen,
O so vergieb, du Todte; nur zu schnell
Wird in den Staub mein hohes Glück zerrinnen,
Am Munde mir der Kelch verglühn; schon hell
Seh' ich den Brand der himmelhohen Zinnen;
Doch sei's, was morgen kommt, wenn heut zerflossen
Gleichviel, ich hab' gelebt, geherrscht, genossen.

»Und Rache gabt ihr mir, o Götter! reichlich,
Noch reicher, als ihr einst mit Qual mich traft,
Denn dieß hab' ich gelernt, wer feig und weichlich
Selbst unterm weichsten Despotismus schlaft,
Und hält sich von dem Unglück unerreichlich,
Weil ein Tyrann die Größe nur bestraft;
Auch ihn zuletzt erreicht das Allverderben,
Denn wer nicht frei stirbt, muß im Elend sterben.«

Nach diesen Worten, die er wie zur Sühne
Am Grabmal ausruft, kehrt er unruhvoll
Nach Rom zurück, und mißt die große Bühne,
Die Schauplatz seiner Thaten werden soll,
Zwei Legionen sind gewonnen, kühne
Prätorianer, die mit altem Groll,
So eifrig sie den großen Feldherrn lieben,
Den Kaiser auch schon lange gern vertrieben.

Zu ihnen nun am Tag der großen Spiele
Eilt Maximus bestürzt und bleich und spricht:
»Zum Schwert! des Cäsars Bosheit ist am Ziele,
Aëtius wird ermordet, fliegt ihr nicht?
Aëtius wird ermordet, wenn er fiele
Und wir vollzögen nicht das Strafgericht
An seinen Mördern? Unser ist die Wache,
Zum Circus, vorwärts, Rettung oder Rache!«

Er ruft's und wie gedrängt von bangem Ahnen
Stürzt er hinaus, das Schwert in seiner Faust;
Im Sturmschritt folgen ihm die Veteranen,
Dem Wildbach gleich, der wachsend vorwärts braust,
Wo ihre Waffen durch die Stadt sich bahnen,
Folgt alles Volk, das in der Nähe haust,
Aus Tempel, Marktplatz, Werkstatt, Hof und Gassen
In Neugier, Hoffnung, Schrecken, Furcht und Hassen.

Im Circus, aus den hohen Bogenstufen,
Drängt sich das Volk – Still! Valentinian naht!
Ihn grüßt ein tausendfaches Beifallrufen,
Und ehrfurchtsvoll erhebt sich der Senat.
Der Prätor winkt, von erzbeschlagnen Hufen
Stäubt durch die Rennbahn eine Funkensaat,
Staub wirbelt über Rossen und Geschirren,
Nur dunkel hin hört man die Räder schwirren.

Sie sind zurück, zum zweitenmal umwenden,
Zwei Viergespanne schon die weite Bahn,
Sieg! Sieg! Zuruf und Beifall aller Enden,
Die Grünen sind den Uebrigen voran.
Mit Kränzen regnet's, Münzen, Schmuck und Spenden
Auf Roß und Führer, die sich läßig nahn.
Der Fürst wirft einen goldnen Lorbeer nieder,
Der Prätor winkt, die Rennbahn schließt sich wieder.

Der Köcher klirrt, es blitzten Hellebarden,
Und wieder öffnet sich das Circusthor –
Hyänen und gefleckte Leoparden,
Und Bären stürzen aus dem Zwinger vor
Und eine Straußenheerde; Duft von Narden
Durchströmt die Mittagslust, jetzt legt der Mohr
Den Pfeil ans Ohr; gespannt schon ist der Bogen
Und zielt und trifft das Nilpferd in den Wogen.

Ein Kämpfer mit dem Netz in blanker Rüstung
Betritt den Kreis, schon ist die Faust geballt,
Da tönt vom Sitz der ersten Pfeilerbrüstung
Ein Todesschrei, der ängstlich widerhallt,
Der fortwogt und in wachsender Entrüstung
Des Circus fluthend Menschenmeer durchwallt;
»Aëtius ward ermordet, er vor allen
Der Schützer Roms – durch Meuchelmord gefallen.«

»Wer sind die Mörder?« fragt man und in hohlen
Klagrufen tönt's wie aus dem Erdengrund:
»Der Imperator hat den Mord befohlen,
Mit unsern Feinden ist er selbst im Bund.«
Der Imperator! hört man's wiederholen,
Und so gewaltig fliegt's von Mund zu Mund,
Daß jeder Blick nach ihm sich wie geblendet
Von einem unverhofften Blitze wendet.

Und jetzt erstürmt des Circus Doppelpforte,
Und stößt sich durch den schwachen Widerstand,
Mit Maximus die rächende Cohorte.
»Hinauf!« Vergebens winkt des Cäsars Hand,
Ihr Brüllen überdonnert seine Worte;
Die Schwerter blitzen – nieder in den Sand
Stürzt Valentinians durchstoßne Leiche,
Und Maximus befiehlt im Römerreiche.

Um seine Schultern wirft in wilder Hast
Die siegberauschte Prätorianerhorde
Des Purpurs noch mit Blut befleckte Last,
Und fort und hoch im jubelnden Accorde
Trägt man den neuen Cäsar zum Palast.
Zum Thron von Schauspiel, zum Triumph vom Morde.
»Senat und Volk – der Frevler ist erschlagen,
Ein neues Heil beginnt für Rom zu tagen.«

Ein neues Heil und »Heil« jauchzt's ihm entgegen,
»Heil Maximus« und Alles eilt und drängt
Sich um ihn her und glaubt dem Hoffnungssegen,
Den seine Rede strömt, ihr Herz empfängt.
Er – hofft man – soll den neuen Grundstein legen,
Er soll, wie düster auch die Zukunft hängt,
Ein neues Rom aus Moder, Schmach und Sünden
Trotz Göttern, Feinden und Verhängniß gründen.

Noch schweigt der Fürst, wie kühn wird seine Seele,
Wie flügelleicht sein Purpur ihn umfließt!
Ihm ist's, als ob aus jedem Kronjuwele
Ein Hoffnungsstern demantne Funken schießt.
Noch schweigt das Volk, es harrt dem Machtbefehle,
Der über Staat und Götter jetzt beschließt.
Allein eh' die Entscheidung noch vollendet,
Wird zum Palastthor jeder Blick gewendet.

Begleitet naht von trauernden Matronen,
Die Wittwe Valentinians, schön und bleich,
Sie spricht zum Volk: »Ich flehe nur um Schonen,
Nur um mein Leben, nicht mehr um dieß Reich.
Von meinem Haupt den Schmuck der stolzen Kronen
Leg' ich zu Füßen eurem Herrn und euch;
Um Mitleid nur fleht glücklos und verstoßen
Die Tochter Theodosius des Großen.«

Und Maximus: »O Fürstin! kein Entweiher
Stör' dein gerechtes Leid, birg immerhin
Dein holdes Antlitz in dem dunklen Schleier.
Mit Fackeln, Sarkophag und Baldachin
Begehe deines Gatten Todtenfeier;
Gestatte, daß ich dein Beschützer bin.
Erzogen in des Schicksals ernsten Lehren,
Weiß Fürst und Volk dein Unglück stets zu ehren.«

Er spricht's und räumt in ehrfurchtsvoller Haltung
Den Vortritt zum Palast der Fürstin ein,
Ermahnt sodann vor Haß und inn'rer Spaltung
Sein Volk und ruft: »Von Bürgerkriegen rein
Erhebe sich des Reiches Neugestaltung,
Die Einigkeit soll ihre Weihe sein.
Vor Allem will ich den Senat entketten,
Die Freiheit wird auch diesen Staat erretten.«

Aufs Capitol jetzt freudig und vereinigt,
Von Heiden eilt, von Christen Zug an Zug,
Versöhnt sind, die sich gestern noch gesteinigt,
Ein Freudenrausch, ein kurzer, war genug,
Daß sich ein Volk von langer Schmach gereinigt,
Und Wunden schloß, die ein Jahrhundert schlug.
Freiheit und Freude, gibt es einen festern
Und schönern Bund als dieser beiden Schwestern?

Je flammender für Freiheit, je erglühter
Schlug jedes Herz jetzt für das Vaterland.
Der Arme gab sein Schwert, der Reiche Güter,
Todfeinde gaben sich versöhnt die Hand.
Nur Ein Gefühl durchlodert die Gemüther,
Ein Wille nur, ein heilig Liebesband;
In Tempeln, Kirchen und auf allen Foren
Wird Gut und Blut dem Staate zugeschworen.

Auch über Staaten, eh' ihr Tag sich mündet
Erglänzt noch oft ein letzter Abendglanz,
Gesetz und Freiheit leuchten neubegründet,
Und neue Blüthen treibt der Siegeskranz;
Die Jugend, von Begeisterung entzündet,
Erhebt in Chören sich zum Waffentanz;
So scheint auch jetzt, daß sich der alten Größe
Ein letzter Schimmer über Rom ergöße.

Aufopferung und Tapferkeit erwachen,
Wie Ströme plötzlich brechen sie hervor,
Wenn Winternachts vom Föhn die Eichen krachen,
Und jede Tugend steigt verjüngt empor.
Die Mutter hofft noch ein Geschlecht von Gracchen,
Der Greis noch Träume, die er längst verlor,
Er hofft von seines Enkels Haupt im Sterben
Noch einen Sonnenblick des Ruhms zu erben.

Zu schnell nur schwand der Traum, die goldnen Wochen
Der Freiheit schwanden, wie ein schöner Tag
Im Spätherbst flieht – das Schwert einmal gebrochen,
Erreicht nie mehr die Wucht vom alten Schlag.
Als jede Hoffnung, die er sich versprochen,
Vor Maximus in voller Reife lag,
Versuchte sich sein Geist, berauscht vom Glücke,
Bis seine Macht zersprang in tausend Stücke.

Denn halb im Guten, halb im Bösen bleiben
Kann keines Menschen noch so kluges Thun,
Es nöthigt uns ein letztes Wort zu schreiben,
Und nimmermehr bis wir gebüßt zu ruhn,
Von Wunsch zu Wunsch sieht Maximus sich treiben,
Am Abgrund seiner Hoffnung steht er nun,
Er zaudert nicht, der nichts mehr weiß von Treue,
Und der noch nie gehört das Lied der Reue.

Die Nacht war trüb, mit heißen Athemzügen,
Lag in der Luft ein schwül Sciroccowehn,
Als ob sie Gluth in ihrem Schooße trügen,
Sah man die Wolken roth am Himmel gehn.
Auf jeder Brust lag Angst und Mißvergnügen,
Es war als müßte Schreckliches geschehn,
Wie matte Lichter über Krankenzimmern
Sah man die Sterne durch den Dunstkreis flimmern.

Nur im Palast noch sprühten Freudefunken,
Der neue Imperator saß beim Mahl,
In einem süßen Freudenrausch versunken.
»Nun lacht mir neu des Glückes Sonnenstrahl,
Selbst Eudoxia, stolz und liebetrunken,
Ist mein nun, mein durch freie Wahl,
Vor Valentinian und seiner Rache,
Hält mir die Liebe seiner Wittwe Wache.

Bei Würmern liegt der feige Ehebrecher,
Mit Recht hast du sein Lager eingetauscht,
Glück zu!« Er sprichts zu sich, ergreift den Becher,
Und ruft als Alles seinen Worten lauscht:
»Bringt diesen Weihetrank, ihr werthen Zecher,
Dem Genius Eudoxias!« Dreimal rauscht
Der Gäste Zuruf, dreimal wiederhallen,
Drommeten schmetternd durch die hohen Hallen.

Geendet ist das Fest, verstummt der Tanz.
Im Schlafgemach, von Blumenduft durchdrungen,
Verhüllt ein halberloschner Kerzenglanz
Das Fürstenpaar in sanfte Dämmerungen.
Wie zwei Juwelen hält ein goldner Kranz,
So hält die Glücklichen ihr Glück umschlungen,
Und wie sie ruht, an seine Brust gesunken,
Spricht Maximus, von Lust und Liebe trunken:

»Vernimm, Geliebte! Längst schon macht' ich Bahn,
Bahn mit dem Schwerte mir nach diesen Stunden;
Erschlagen wurde Valentinian
Durch diesen Arm, der dich jetzt hält umwunden.
Wo blickst du hin? Du bebst? Ich hab's gethan,
Für dich hab' ich mit Mördern mich verbunden.
Zürnst du? Darfst du bestrafen eine Schuld,
Die nur verschuldet deine Liebeshuld?«

Sie aber rief: »Weh mir, o welche Wonnen!
Fluch jedem Kusse, den dein Mund mir stahl.
Ein falscher Spieler, hast du mich gewonnen,
Du trinkst mir Liebe zu, doch dein Pokal
Ist aufgefüllt am giftbesprengten Bronnen,
Du zeigst mir lächelnd ein Thyestes-Mahl.
O laß mich fliehn! Wie könnt' ich über Leichen,
Die Hand dem Mörder meines Gatten reichen?

Bleibt mir aus dieses Bundes Schmach und Schande
Kein Retter mehr auf dieser Erde hier,
Dann Himmel – mich vom fluchbeladnen Bande
Mit deinem Blitz zu lösen – ruf ich dir.«
Sie spricht's und reißt von sich die Festgewande;
Doch stolz und ernst tritt Maximus zu ihr,
Er weist hinaus und spricht: »Sieh da!
Mit seinem Samum grüßt uns Afrika!

Weil seit Carthago's Fall ein ewig Hassen
Italien und Afrika entzweit,
Muß jedesmal, will uns ein Stern erblassen,
Stürzt eine Säule unsrer Festigkeit,
Ein Sturm der Wüste sein Gebiet verlassen,
Um über uns in schwüler Dunkelheit,
Aus Wolken, die von Städtebränden rauchen,
Die Ahnung eines Unheils auszuhauchen.

So laßt euch denn von diesem Weib beschwören,
Ihr finstern Mächte, die ihr Rom so haßt,
Wollt ihr dieß Tantalidenhaus zerstören,
O kehrt nach Afrika zurück und laßt
Dort unsern Feind von dieser Stunde hören;
Sagt ihm, des Cäsars letzter Stern erblaßt,
Denn durch die heiligsten der Bande mitten,
Hat Zwietracht ihren Doppeldolch geschnitten.«

Er spricht's und führt zum offnen Fensterflügel,
Gewaltsam die Bestürzte vor und zeigt
Hinunter auf die schwarzen Tiberhügel,
Auf welchen Alles, nur der Sturm nicht schweigt:
»Noch hält mein Arm die goldnen Herrscherzügel,
Und deine Macht bleibt meinem Glück verzweigt,
Unwiderruflich an mein Loos betheiligt,
Wird diese That allein durch dich geheiligt.

Ich habe, wie der finstre Gott der Schatten,
In meine Hölle dich mit eingeweiht,
Mich weihte das Verhängniß dir zum Gatten,
Und unser Bündniß heißt Notwendigkeit.
Was du verlorst, ich kann es dir erstatten,
Was deine Seele heischt, ich bin bereit –
Erzittre nicht, sonst müßtest du erbleichen,
Es ist dein Untergang, von mir zu weichen.

Noch im Versinken würd' ich dich umfassen,
Ich bin zu hoch gestiegen, um allein,
Wie ein verlorner Wandrer zu erblassen,
Mit mir stürzt eine Welt in Trümmer ein.
Doch du bist groß, nie kannst du Größe hassen!
Was ich um dich verschuldet, war es klein?
Nein, Fürstin! blieb auch deine Seele reiner,
Es ist so groß dein Geist, so kühn wie meiner.«

Er sprach's und sie – »wohlan wir sind verbunden,
Verbunden durch ein unzerstörbar Erz,
In diesen Purpur berg' ich meine Wunden,
Und lautlos nur nach innen ström' mein Schmerz.«
So sprach sie, aber anders in den Stunden
Der Einsamkeit erhob sich bald ihr Herz;
»Um mich nicht wurde diese That begangen,
Nein – um durch mich zum Throne zu gelangen.

Und wenn sein Ehrgeiz morgen mich beseitigt,
Wie heut er mich zu seinem Schemel macht,
Wo ist ein Retter, der mein Recht vertheidigt,
Der schützend über meiner Ehre wacht?
Doch Früchte gibt's, die keine Sonne zeitigt,
Die einsam reifen in der Schattennacht;
In mir auch fühl' ich solche Früchte reifen,
Ich selbst muß meines Schicksals Hand ergreifen.

Doch dir – ein Bleischlaf wüster Träume soll
Dein Lager theilen, soll die weichen Federn
Zu Felsen machen, welche vorwurfsvoll
Durch alle Qualen deine Seele rädern.
Für deine Küsse, denen Gift entquoll,
Magst du die Sklavin holen aus den Bädern,
Nicht aber mich, des großen Kaisers Tochter,
Du längst von deinem Dämon Unterjochter.«

Noch vom Gewölk der Wetternacht umfangen,
Ein trüber Tag brach aus den Wolken vor,
Wie nach verschwelgten Nächten kommt gegangen,
Wer freventlich ein schönes Glück verlor
Wie Reue brennt auf bleichen hohlen Wangen,
Und um die Seele liegt ein Trauerflor;
So trat zu des Palastes hohen Zinnen
Der Tag in trüber Dämmerung Beginnen.

Sie saß, gestützt das Haupt auf ihre Linke,
Ins Zimmer brach ein trüber Sonnenschein;
Still traten und – erwartend ihre Winke –
Mit Brod und Früchten ihre Diener ein;
Doch ob Granat und Goldorange blinke,
Ob aus dem Becher funkle süßer Wein,
Sie blickt nicht auf, ihr Mund ist fest geschlossen.
Und Wein und Früchte werden nicht genossen.

Da naht sich ihr und unterbricht das Schweigen
Ein junger Neger mit gebeugtem Knie,
Auf goldner Schale reicht er süße Feigen,
Und spricht: »O Fürstin, schön're sahst du nie.
Erst seit drei Tagen sind sie von den Zweigen,
Der Himmel meiner Heimath reifte sie;
Ein guter Fahrwind ließ es uns gelingen,
Von Afrika sie frisch nach Rom zu bringen.«

»Von Afrika!« – und ihre Blicke flammen –
»Und sahst du dort die großen Helden nicht,
Die aus dem wunderbaren Norden stammen,
Von deren Muth und Kraft die Sage spricht,
Daß sie gepanzert manchen Sund durchschwammen;
Ja, daß sie mit der Waffen Erzgewicht
Dem Drang der Wogen sich entgegenstemmten
Und so den Fluß in seiner Strömung hemmten.

Und sahst du ihren König, jenen düstern
Vandalen Geiserich? Sein wilder Muth,
Nach unsern blühendsten Provinzen lüstern,
Ist eine Sorg' uns, welche nimmer ruht.
Hier nennt man seinen Namen nur mit Flüstern,
Doch sag', blieb auch in eurer Sonnengluth
Die Kriegslust seiner Schaaren unermüdlich?
Ward noch ihr Herz nicht üppig, weich und südlich?«

»Nein, Fürstin, mächtig saust noch ihre Lanze,
Carthago dröhnt von ihrem Eisenschritt,
Wir sahn sie nächtlich oft beim Fackelglanze,
Wenn aus dem Hafen ihre Flotte glitt;
Auch nahmen sie zum kühnen Waffentanze
Und in die Wüste mich zum Waidwerk mit;
Ich sah sie von des Tigers Blut geröthet,
Den sie mit Einem Schwertesstreich getödtet.

Ihr König thront, vom Löwenpaar begleitet,
Im düstern Schloß, dem alle bang nun nahn;
Man sagt, wenn durch sein Arsenal er schreitet,
Die Waffen fingen sich zu rühren an,
Solch eine Strömung dunkler Kraft verbreitet
Sein Kriegergeist. Zieht er der Schaar voran,
So ist's als ob sie Flammenhauch durchquölle;
Sie folgt ihm nach, und ging' es in die Hölle.«

Er sprach's – in jedem seiner Worte grüßte
Die Fürstin einen Rächer ihrer Schmach;
»Weit mehr als seine süße Frucht versüßte
Mein Herz, was dieser Afrikaner sprach;
Nicht immer scheint's, kommt Tod nur aus der Wüste;
All meine Hoffnung lag verdorrt und brach,
Und nun schickt mir das Sandmeer Thau und Regen.
Auf denn, Gedanken, eurem Ziel entgegen!«

Verborgen längst vor Lust und Tageshelle,
Lag im Palast noch aus der Heidenzeit
Der alten Kaiser düstre Hauskapelle,
Dem Pluto und der Nemesis geweiht.
Die halb verschüttet, halb verbaute Schwelle
Betritt allein in tiefster Dunkelheit
Eudoxia, furchtlosen Muthes, schweigend
Mit vorgehaltner Leuchte niedersteigend.

Ihr Licht erhellt die mächtige Rotunde,
Der Luftzug haucht mit kaltem Geisterkuß.
»Ha! dort, du Marmor mit dem bleichen Munde,
Voll Hohn und bittrem Menschenüberdruß,
Willkommen, finstrer Gott in dieser Stunde!
Ich kenne dich, du bist Tiberius.
In diesen Schläfen, hohl und doch erhaben,
Lag unter Lastern ein Titan begraben.

Auch du dort, Henker voll der blut'gen Witze,
Befleckter Wüstling, Narr Caligula!
Wähnst du dich endlich vor dem Glanz der Blitze
Hier sicher? Sprich doch, grinse doch ein Ja,
Wie einst so oft beim Mahl von deinem Sitze
Zu Bluturtheilen. Und auch du, sieh da,
Der hoch vom Thurm ein griechisch Lied gesungen,
Als Rom im Todesflammenkampf gerungen.

O hört mich, ihr! Und was von Weibesschwächen
Noch in mir wohnt, tilgt aus durch düstern Bann!
Gebt mir, die unerhörte Schmach zu rächen,
Das Herz von Stein, das nichts erschüttern kann!
Vollenden helft den Kreislauf der Verbrechen,
Den Bau des Fluchs, der unter euch begann!
Mein Werk ist eures; Mord, Verrath, Entthronen;
Seid günstig denn, ihr, dieses Dachs Dämonen!«

Sie rief's, und fest wie von geglühtem Stahle,
Ward ihre Brust. Sie stieg empor und schrieb:
»Dieß sendet dir, gefürchteter Vandale,
Roms Fürstin, die ein schlauer Kronendieb,
Ein Stifter blutbefleckter Bacchanale,
In ein Gewebe tiefster Schande trieb.
Erscheine! Räche! Stürz' ihn von dem Throne!
Roms schönster Schmuck sei dir dafür zum Lohne.«

Mit diesem Brief, und wenig treuen Sklaven,
Verließ die Kaiserburg ihr Kämmerling,
Und ritt sogleich zum nächsten Meereshafen,
Wo schon gerüstet ihn ein Schiff empfing,
Das, eh den Mast noch Morgenlüfte trafen,
Schon hoch im Meer mit seiner Sendung ging,
Und als die Fluth zum drittenmal sich sonnte,
Im Angesicht Carthago's ankern konnte.

Auf seinem Thron, umgeben von Vasallen,
Vernahm die Botschaft König Geiserich;
Sein Antlitz überflog ein Wohlgefallen,
Mit wildem Lachen rief er: »Sicherlich,
Dir Zeit ist da, die welken Blätter fallen,
Ich werde kommen. Rom erwarte mich!«
Er sprach's und ließ sofort als Friedenszeichen,
Den Boten Becher und Geschenke reichen.

Es nahten sich die Jahre der Verkündung,
Die Adler Roms, die zwölf des Romulus,
Die zwölf Jahrhunderte seit seiner Gründung,
Und Ohnmacht war und Lebensüberdruß,
Gleich eines großen Stroms versumpfte Mündung,
Der alten Kraft verhängnißvoller Schluß.
Und jetzt, des Schicksals Willen zu vollstrecken,
Stieg Geiserich zu Schiff mit seinen Recken.

Und furchtbar näher rückt die Schreckenskunde,
Wie vor dem Sturm hergeht das Meergebraus;
Er kommt, rief man sich zu mit bangem Munde,
Er kommt, wehklagte man in jedem Haus.
Auf Markt und Straßen und von Stund' zu Stunde,
Brach Angstgeschrei und Jammerrufen aus,
In Kirchen, unter öden Trümmergängen,
In Gräber selbst sah man sich Menschen drängen.

In Katakomben, wo der Wände feuchten
Salpeter aus dem Sumpf die Kröte schluckt,
Verbargen Schaaren sich von Angstgescheuchten,
Vom Greise bis zum Kind; indeß umzuckt
Den Horizont ein helles Wetterleuchten;
Theater, Forum, Circus, Aquädukt,
Lautlos verglühen ihre finstren Massen
Wie Riesenleiber, die der Geist verlassen.

»Denn der kommt, den an Grausamkeit noch keiner,
Und keiner noch an Habsucht übertraf,
Ein eingefleischter Satan, der in seiner
Furchtbaren Faust das Richtschwert handhabt. Straf'!
Ruft ihm die Hölle, denn im Himmel Einer
Befiehlt; er kommt als das gehörnte Schaf,
Das Thier der Weissagung; auf Böses stündlich
Geht all sein Thun, an Bosheit unergründlich!

Und nirgend ist ein Arm die Welt zu schirmen!«
Wie Sand am Meer erfüllt die Stadt sich jetzt,
Mit dunklen Massen, die den Markt erstürmen,
Zu Mord und Brand und Aufruhr aufgehetzt.
Ergraute Mörder aus Gefängnißthürmen,
Zahllose Sklaven, die sich frei gesetzt,
Verruchte Weiber, Pöbel-Eumeniden,
Zum Forum hat die Menge sich beschieden.

Und hier, wo einst Catone sich beriethen,
Versammeln sich, von Fackeln trüb erhellt,
Verlorne jetzt aus allen Erdgebieten,
Aus allen Völkern, die der Krieg zerschellt.
Aegypter, schlaue und entmenschte Scythen,
Der Aussatz einer abgelebten Welt,
Den Anfang unerhörter Saturnalien
Verkünden sie für Rom, für ganz Italien.

Und ein Aegypter ruft: »In andern Zonen,
Als wie bisher, wird sich die Sonne drehn,
Die Zeit Saturns wird wieder bei uns wohnen,
Die goldne Zeit wird wieder auferstehn.
Man wird mit Edelsteinen wie mit Bohnen
Die hagre Hand der Armuth spielen sehn;
Zersprengen wird sein Grab der schöne Schläfer,
Empor ans Licht fliegt Thebä's goldner Käfer!«

»Gekommen ist die Zeit der großen Sühne,«
Ruft Tessas, ein titanenhoher Mohr,
Mit Tigerstimme von der Rednerbühne,
Und schwingt zwei Fackeln über sich empor.
»Wollt ihr, daß endlich unsre Wüste grüne,
Daß unser Palmbaum Früchte bring' hervor?
Seht her, zwei Sonnen glühn in meinen Händen,
Für uns blühn Palmen nur bei solchen Bränden.

Ans Licht erst Kiste, Schrank und alle Speicher,
Vergrabnen Goldes, aufgehäuften Korns,
Den Brand erst in Paläste stolzer Reicher,
Schöpft aus den Abgrund ihres Silberborns!
Kein Wunder theilt die Last der Erde gleicher,
Wenn nicht den Glücksstern löscht der Hauch des Zorns.
Eilt euch, noch eine blut'ge Nacht ist euer,
Benutzt die Stunden wohl mit Schwert und Feuer.

Schon morgen braust hier ein Vandalenlager,
Und voll von Trunknen wird die Straße sein,
Dann jede Nacht seid nah, verhüllte Plager,
Vergiftet Speise, Bett, Gewand und Wein,
Macht ihre Wangen, Weiber! blaß und hager,
Zu unserm Dolch lockt sie mit Lüsten ein.
Haucht aus, Moräste, eure kalten Fieber,
Schling' voll mit Leichen dich, o gelbe Tiber!«

Wie seiner Hunde losgelass'ne Koppeln
Ein Jäger in den Forst hetzt, spät im Jahr,
Wenn schon der Herbstwind weht um gelbe Stoppeln,
So ließ dieß Wort, was unter Waffen war,
Zum Aufruhr los, es schien sich zu verdoppeln
Die Wuth, je näher ankam die Gefahr,
Die Flammen der um Rom entzündeten
Gebäude, die den nahen Feind verkündeten.

Sie rückten an, des Nordens fremde Riesen,
Und während durch des Drusus Siegesthor
Den Schall der Hörner ihre Reiter bliesen,
Und nach der Zinnen erznem Schmuck empor
Mit stolzem Blick von ihren Rossen wiesen,
Drang in der innern Stadt die Menge vor,
Die Hochfluth einer aufgeregten Masse
Schwoll an und wogte fort durch Straß' und Gasse.

Die Panzerreiter auf den schweren Rossen,
Helmdrachen auf dem Haupt, mit Schwert und Beil,
Umzingelten die Burg, zum Sturm geschlossen.
Dort stund ein Zeusbild mit dem Donnerkeil,
Von da ward glühend Erz herabgegossen,
Und schwere Steine flogen, Pfeil auf Pfeil,
Und Marmorblöcke, Ziegel, Eisenhaken,
Und des zerbrochnen Bildes Haupt und Nacken.

»Herab, du Gott, von deinem Marmorsitze,
Den dir ein grauer Wahn verliehen hat,«
Rief Tessas hier – »der Hülfe deiner Blitze,
Ohnmächtiger, sind wir schon lange satt;
Jetzt rette, jetzt, von dieser Zinnenspitze,
Durch deinen Sturz errette diese Stadt.
Jetzt sollst du, was du nie gethan, bestrafen
Den Mächtigen und durch die Hand des Sklaven!«

Verwundet bäumten sich die Rosse, glitten
Auf den herabgerollten Steinen aus,
Und ihre Reiter stürzen. Noch inmitten
Der Tempel ward gekämpft, von Haus zu Haus,
Und über Treppen wurde weggeritten,
Am Boden Todte, Fliehende voraus,
Brandfackeln flogen über Dach und Hallen,
Und ringsum war Geschrei und Waffenschallen.

Zuvor schon im Palaste saß gefangen
Der Cäsar Roms, geflohn, verhaßt, verhöhnt;
»Wohin ich trete,« klagt er, »züngeln Schlangen,
Kein Opfer, das ich bot, hat ausgesöhnt;
Kein Korn, das ich gesät, ist aufgegangen,
Mit Dornen nur hat mich die Macht bekrönt,
Zu Boden sinkt die letzte Trugverhüllung,
Und meine letzte Furcht geht in Erfüllung.

Empörung in Provinzen und Legionen,
Von Außen Krieg, im Inneren Verrath,
Voraus ein Volk, bereit mich zu entthronen,
Ein fremdes Heer, ein zitternder Senat,
Und in mir, ach! die rächenden Dämonen,
Die Reue einer schweren Frevelthat;
Von mir, den einst die halbe Welt beneidet,
Weiß niemand mehr, wie seine Seele leidet.

Doch nur den Feigen schreckt das Ungeahnte,
Ich aber wußte wohl, daß ich mir nur
Zum Untergang den Weg durch Klippen bahnte,
Daß über dieser schwarzen Trauerflur,
Wo jeder Fehltritt an Verbrechen mahnte,
Der Siegeswagen, der mich brausend fuhr,
Aus seinem Sturmflug mit den Flammenspeichen
Nur über Trümmer ging, nur über Leichen.

Wie satt! wie satt getränkt bin ich mit Galle,
Mit tausendfachem Gift, mich sehnt nach Mohn;
Die Stunde, die entscheiden soll, erschalle,
Das Schwert, das über mir zu lange schon
An einem Faden schwebt, es falle, falle!
Und mit ihm Leben, Ehre, Reich und Thron!
Horch, war das nicht das Murren der Empörung?
Sobald ward meinem Rufe schon Erhörung?

Prätorischer Präfekt! ruf' vor den Thoren
Das Volk zur Ruhe!« – »Fliehe Cäsar, flieh!
Vandalen rücken in die Stadt, die Senatoren
Verlassen dich – das Volk.« – »Entfliehen? nie!
Beim Pluto, Treue hab' ich mir geschworen!
Ich bin ein Herrscher, beuget eure Knie!
Trabanten, mich umgebt! Zu mir, Soldaten!
Steh', wer zu mir hält, wer mich nicht verrathen!«

Er tritt durchs Thor, das Volk drängt ihm entgegen,
Man stürmt von allen Seiten auf ihn los;
»Du trägst die Schuld!« ruft man, und einem Regen
Von Steinen folgt der Dolch; ein Schwert wird bloß,
Und einer wagt es, Hand an ihn zu legen;
Wer war es, der zuerst sein Blut vergoß?
Er fiel, so heißt es, durch die Satelliten
Der Kaiserin – sein Herz hat ausgelitten!

»Fort! in die Tiber mit ihm!« brüllen tausend
Und tausend über seiner Leiche jetzt –
Die vor drei Monden noch in Jubel brausend,
Mit heißen Küssen sein Gewand benetzt,
Die Locken um die blut'ge Stirn zerzausend,
Auf die sie kaum ein Diadem gesetzt,
Und nirgends wagt's ein Mitleid auszusprechen,
Daß er zu schwer gebüßt für sein Verbrechen.

Die Zeit entgiftet selbst Gewissensschlangen,
Wie ruhig schläft manch grauer Frevler ein,
Und viele, die weit weniger begangen,
Erleiden namenlose Todespein,
Wer mißt das aus, wer mag darum belangen
Den ew'gen Rathschluß, wer ein Richter sein
Der Allgerechtigkeit; büßt doch in später
Vergeltung noch der Sohn die Schuld der Väter!

Gefühle gibt's, sie haben keinen Namen,
Erfahrungen, wer sie durchlebte, schweigt,
Gedanken gibt's, die nie zu Worte kamen,
Und Herzen, deren Gluth sich nie gezeigt;
Manch schlechtes Bild steht groß in goldnen Rahmen,
Und in der Nachwelt fernen Himmel steigt
Manch nichtiges Phantom empor, indessen
Der wahren That Vollbringer blieb vergessen.

Vollendet war die Nacht, Rom überwunden,
Die Sieger drangen in die Gärten ein,
Und schlachteten im Volk und schlugen Wunden,
Sie salbten sich und pflegten sich mit Wein,
Und schwärmten in den steinernen Rotunden,
Bei brennender Gebälke rothem Schein.
Die Pferde wieherten, die Fahnen wehten,
Wo früher in den Kirchen klang das Beten.

Indeß ritt Geiserich zum Marmorglanze
Die Stufen zum Palatium empor,
Und stößt den Schaft der hocherhobnen Lanze
Mit solchem Donner ins metallne Thor,
Daß vor dem ungeheuren Schall der ganze
Palast tönt bis zum fernsten Corridor.
Aufwachend macht ein Echo hundertmundig
Die Ankunft des Vandalenfürsten kundig.

Von ihren Pferden steigen die Barbaren,
Und Sklaven öffnen, tausend Leuchter sprühn
Den hellen Tag, es schmettern die Fanfaren,
Und Eudoxia selbst tritt fest und kühn,
Den Perlenkranz in ihren schönen Haaren,
Vor Geiserich, und ihr zur Seite blühn
Wie Knospen um die aufgeblühte Rose,
Zwei Töchter, anmuthreiche, zwei schuldlose.

»Meerleu,« begann die Falsche, »Mann mit Mähnen,
Sieh den Delphin, der Wasserfunken stiebt;
So spiele du hinweg mir meine Thränen,
Daß mir dafür der Himmel Strahlen giebt!
Die Gärten sind belebt von weißen Schwänen,
Ergötze dich mit uns, wenn dir beliebt,
Im Römerreich zu schalten und zu walten,
Doch ach! was rollst du deine Stirn in Falten?«

»Befiehl,« sprach Geiserich, »durch deine Sklaven,
Ein Mahl hierher, für mich und diese hier,
Ich sollt euch Alle mit dem Tod bestrafen,
Doch geh, und deine Kinder nimm mit dir,
Ihr werdet mich begleiten nach dem Hafen
Und nach Carthago, deßhalb kamen wir.
Sieh, wie das Feuer, angefacht von Winden,
In deine Gärten wußte Weg zu finden.« –

»Ach!« rief Eudoxia und rang die Hände,
»Du raubst uns Frau'n, du bist der Antichrist?«
Und als der Widerschein der Feuerbrände
Den Saal durchschien, »o wie du furchtbar bist!
Grausamer Rächer, wenn dein Herz empfände,
Was Rom, eh du es sahst, gewesen ist!
Hat kein Gefühl der Liebe noch der Trauer
In deinem Busen Raum, o du Centauer!«

»Nein! Liebe nicht für dich, du Valentine,
Damit er zünde, ward der Blitz gezeugt,
Nicht, daß er einem Weib als Spielzeug diene,
Zum Tödten wird das Schwert mit Blut gesäugt,
Vollends verweht der Sturmwind die Ruine,
Vor dem ihr stolzes Haupt die Eiche beugt.
So soll ein Denkmal meiner Ankunft dauern;
Rom brenn' und es verliere seine Mauern.«

»Weh mir, Barbar, daß ich dich angetrieben,
Zu kommen mit den Fittigen des Sturms!«
Rief jetzt Eudoxia, »wärst du geblieben
Im Abgrund, in den Wohnungen des Wurms.
Weh! daß ich je mit Thränen dir geschrieben,
Zu retten mich aus Schrecknissen des Thurms!«
Die Aermste schrie, vergeblich war ihr Flehen,
Dann ließ sie stumm an sich die Haft geschehen.

Die Recken Geiserichs indessen stellten
Die Schild und Schwerter aufrecht, daß vom Strahl
Des Widerscheins die Säle sich erhellten,
Und Flammen warfen in den Weinpokal.
Und Andre, die die Platten Gold zerschellten
Vom Dach des Capitols, die schleppten Pfahl
Und Pfühl und Oel und Wein und Salz und Brote
Des reichen Roms auf ihre Ruderboote.

Als nun mit ungeheuren Beutelasten,
Die Flott' ins Meer ging durch den Tiberstrom,
Daß alle Schiffe kaum den Reichthum faßten,
Und wie verwaist schien und erstorben Rom,
Da standen Marmorgötter, an die Masten
Gebunden, Zierden sonst im Tempeldom,
Erzbilder, weggeführt aus heil'gen Nischen,
Sehn unter sich den Schaum der Woge zischen.

Gelagert in der Segel langen Schatten,
Bestaunten Krieger, was vom Capitol,
Was in den Villen sie geplündert hatten;
Gefiel sein Römerschwert dem Einen wohl,
So pries ein Andrer schwere Silberplatten,
Kunstwerke von Rubin und Carneol;
Armspangen, Ringe, goldner Ketten Splitter,
Entschüttelte aus seinem Helm ein Dritter.

Und Vasen, Münzen, Leuchter, Gürtelbänder,
Trophä'n aus jedem Sieg, den Rom erfocht,
Purpurne Teppiche und Kriegsgewänder,
Dran wohl noch jüngst ein tapfres Herz gepocht,
Dieß alles, mit den Schätzen fernster Länder,
Lag da in große Ballen aufgejocht;
Daneben saßen, stumm in Gram verloren,
Gefangne Ritter, Frauen, Senatoren.

Oft, wenn ein Schiff sich um das andre wandte,
Erhob sich an den Borden Haupt um Haupt;
Hier rief ein Freund dem Freunde; Küsse sandte
Der lieben Tochter, die man ihr geraubt,
Dort eine Mutter zu; ein Sohn erkannte
Den Vater wieder, den er todt geglaubt;
Ein kurzer Augenblick voll Lust und Leiden
Vereinte Wiedersehn und neues Scheiden.

»Wo ist nun euer Gott, der Weltenlenker?«
Rief ein gefangner Römer, »sprich du dort,
Du Mann des Kreuzes, sag' mir, grauer Denker;
Bekämpfst du heute noch mein Zweifelwort?
Doch ja, dein Gott vergab ja seinem Henker,
Erlösend, sagst du, wirkt sein Leiden fort.
Nun – wenn vom Druck nicht, der uns jetzt betroffen,
Von welchen sollen wir Erlösung hoffen?«

»Der Herr erlöst uns aus der Haft der Sünden,
Aus keiner sonst,« entgegnet ihm der Christ;
»Doch statt den Grund des Bösen zu ergründen,
Und wie der Schmerz der Sünde Sold nur ist,
Laß mich von jenem Bischof dir verkünden,
Den du im bleichen Schwarm dort walten siehst,
Wie nimmer müd' er sich zu allen wendet,
Verlassnen Trost, Arznei Erkrankten spendet.

Als einer Wittwe einz'ger Sohn gefangen
An Bord geführt ward von der Sieger Hand,
Und Kind und Mutter weinend sich umschlangen,
Und thatlos klagend rings die Menge stand;
Da trat er vor, der Priester ohne Bangen,
Und sprach, zur beutegier'gen Schaar gewandt;
›Wollt ihr zur Arbeit einen Sklaven haben,
Nehmt mich, den Mann, statt dieses zarten Knaben!‹

Und als der Führer ihm erstaunt die Bitte
Gewährt, da streift er ab den Kreuztalar,
Und bietet, nicht als ob er Schmerz erlitte,
Nein lächelnd seinen Arm der Fessel dar,
Und hoch die reine Stirn, mit festem Schritte,
Das Schiff betritt er in der Sklaven Schaar.
Sprich, Zweifler, nun, wen so sein Gott begeistert,
Ob dessen Herz ein Uebel noch bemeistert?«

Der Alte schwieg und sah vertieft vom Rande
Des Schiffs, wie Schaum an Schaum vorüberfloß;
Da trat zu ihm ein Sohn der Morgenlande
Und sprach: »Jehovah nur, der Herr, ist groß.
Was Titus einst geraubt im Tempelbrande,
Sieh jene goldnen Leuchter Salomos!
Jetzt führt sie jener König aus dem Norden
Hinweg, vor welchem Rom ein Spott geworden.

Doch diesem auch, und mag er noch so prächtig
Am hohen Seestrand thronen, einmal naht
Auch ihm die Wolke schwarz und mitternächtig,
Und tilgt vom fremden Boden fremde Saat.
Kein Reich wird durch erdrückte Völker mächtig,
Vergeltung zeugt sich jede Frevelthat.
Wie viele Völker waren Zions Hasser,
Und sind dahin, wie Schaum aus diesem Wasser?«

Am Steuer saß umringt von erznen Streitern
Carthago's Fürst. Jetzt winkt er und befahl
Mit Liedern, die ein banges Herz erweitern,
Mit Feuerwein und reichbesetztem Mahl
Die Seelen der Gefangnen zu erheitern.
»Auch mir,« so rief er, »füllt den Festpokal!
Wer weiß von morgen! Weil wir's heute dürfen,
Laßt uns des Sieges froh Falerner schlürfen!«

Der König rief's. Und bald in freudevollster
Bewegung war das Schiff; manch brauner Schlauch
Ward hergeschleppt, man legte Purpurpolster
Um Marmortisch und Bretter schwarz von Rauch,
Und Heil'ges und Profanes ward in tollster
Vermischung nun verwandt zum Trinkgebrauch,
Vom Weine troff beim wilden Bacchanale,
Der Kelch des Nachtmahls wie die Opferschale.

Doch als allmählig sich in Abendferne,
Die letzte Küste dämmernder verlor,
Da kamen nicht wie sonst die goldnen Sterne,
Da stieg vom Norden schwarz Gewölk empor.
Von jedem Maste nun, als flücht' es gerne,
Bog ängstlich sich das schwarze Segel vor,
An jedes Kiels umerzter Eichenwandung
Zischt höher schon und rauschender die Brandung.

Laut sausend kommt der Sturm, da bäumt mit Grollen
Die Woge sich, eisgrün emporgeschwellt;
Die schaumgekrönten Fluthgebirge rollen,
Von blauen Flammen schrecklich nun erhellt,
Nun wieder zugedeckt von schauervollen
Verfinstrungen, die der Orkan durchgellt.
Bald irrt nach allen Winden die zerstreute
Vandalenflotte mit der Römerbeute.

Am Bord des Schiffs, aus welchem in Verbannung
Von Götterbildern ein Olymp entflog,
Trotzt heldenkühn im Sturme die Bemannung.
So oft ein Windstoß tief die Masten bog,
So oft das Segel in der höchsten Spannung
Das Schiff fast mit sich in die Wogen zog,
Erhoben sie, das Element zu höhnen,
Ein lachend Lied in lauten Jubeltönen.

Doch wie nun Blitz um Blitz mit grellen Strahlen,
Die Götterbilder flammend übergoß,
Erschienen wie belebt die kolossalen
Metallnen Glieder bleich und riesengroß;
Zu drohen schien ihr Antlitz den Vandalen,
Ein Zürnen wie erzürnter Geister schoß
Aus ihrem starren Blick, und ließ hingegen
Erstarrung auf die Lebenden sich legen.

Ein Bild Neptuns stand zwischen Eichenkloben,
Aufrecht gebunden an dem Vordermast;
Wenn nun das Schiff vom Sturm emporgehoben,
Hoch in die Wellen sprang mit seiner Last,
Erschien der Meergott wie in Wolken oben,
Den goldnen Dreizack hielt sein Arm gefaßt,
Und neben ihm, der finster niederdrohte,
Stand furchtbar Hermes da, der Götterbote.

Ein Steuermann rief aus: »Gewiß beschwören
Den Sturm uns diese fremden Götzen nur;
Denn ihrer dunklen Höllenmacht gehören
Noch stets die blinden Kräfte der Natur.
Wohlauf denn, Brüder, laßt uns sie zerstören,
Eh das Verderben auf uns niederfuhr!
Kein Zaudern mehr! Ergreift die Waffen schnelle,
Zerschlagt und werft sie stückweis in die Welle!«

Er ruft's, und jene folgen ihm. Durchs Heulen
Des Sturmes brüllt ihr Kampfruf in die Nacht,
Mit Aexten, Schwertern, ries'gen Eisenkeulen,
Beginnen sie die unerhörte Schlacht.
Schon trümmern Glieder von den Göttersäulen,
Da fährt der Blitz ins Schiff. Der Mast zerkracht,
Bord über schlägt die Fluth, entführt, das Steuer,
Und durch die Taue prasselnd saust das Feuer.

So gegen Götter mit den halbverbrannten,
Halbnackten Leibern gleicht ihr Kampf dem Drohn
Der alten Himmelsstürmer und Giganten,
Wie sie mit Zeus im Zwist von Pelion
Machtlose Schwerter gegen Blitze wandten.
Und so ihr Tod; die nächste Sturzfluth schon
Begräbt mit donnerähnlichem Gedröhne
Ins Meer die nordischen Titanensöhne.

Mit Tagesanbruch lag der Sturm gebettet.
Die See ging hoch, die Sonne stieg empor.
Sonst hatten alle Schiffe sich gerettet
Bis auf dieß eine, das die Welt verlor.
Die wurden nun im Hafen angekettet,
Carthago öffnete sein finstres Thor,
Um aufzunehmen Rosse, Mann und Wagen,
Des Siegers Jubel und den Schrei der Klagen.

Auf ihre Speer' gelehnt, sahn in die Schäume
Der Brandung die Vandalen. Helm und Schild
Und Armbrust hingen um die Mastenbäume.
Die Segel sanken, Rosse scheu und wild,
Das Deck zerstampfend, knirschten in die Zäume.
Die Sonne warf ins Meer ein Feuerbild,
Carthago's König von dem Glanz bekrönet,
Rief laut: »Nun Harfen vor dem Sieger tönet!«

Bleich sah Eudoxia hinab zum Strande,
Gefesselt und gebeugt in ihren Schoos?,
Nachweinend dem verlornen Vaterlande,
Und zitternd über ihrer Tochter Loos,
Die einem Lamme glich, zwar ohne Bande,
Doch Geiserich in seinem Sinn beschloß,
Daß er sie trauen woll' mit seinem Sohne,
Mit Hunnerich, dem Erben seiner Krone.

Ihr sanfter Blick kam schüchtern ihm entgegen,
Und schien zu sagen: »Darf ich endlich ruhn?«
Sie fragte bitterlich, wie weit entlegen
Die Heimath wär', und wer dort wohne nun?
Er sprach: »Sie liegt in einem Aschenregen,
Voll Ottern, die dir Böses würden thun!«
»Ach!« rief das Kind erblassend und mit Beben,
Und sank zu Boden ohne Laut und Leben.

Zur Ankunft schmetterten die Schiffsherolde,
Da sprang an Bord ein junger, stolzer Knab;
Der Flaum umsproßte noch sein Kinn, das holde,
Doch seine königliche Stirn umgab
Gelocktes Haar und floß in lichtem Golde
Um seine Schultern lang und reich herab;
Vom Nacken an hielt, wie aus Erz gegossen,
Ein enganliegend Kleid den Leib umschlossen.

Und nieder bog sich Hunnerich und drückte
In seinen Arm des Mädchens blasses Haupt,
Das noch mit einem Diadem geschmückte;
Er küßte sie, und sprach: »Es ist erlaubt,
Daß seine Braut erwecke der Beglückte.«
Und einer Beute gleich, in Kampf geraubt,
Erhob er sanft die süße Lebenswarme,
Und trug sie ans Gestad auf seinem Arme.


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