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Vierter Gesang.
Die Hunnenschlacht.

Schon war es kühl geworden in den Forsten,
Der Winter kam, und Stock und Stein gefror,
Die Adler flogen hungrig aus den Horsten,
Nicht minder gierig aber brach hervor
Geharnischt Kriegsvolk, Pfeil mit Eberborsten,
Geschuppte Reiter, die den Speer empor,
Und die Thors Hammer aus den Schultern trugen,
Und andre, die mit Schwert und Streitaxt schlugen.

Zu gleicher Zeit, gleich mächtig, Rott' an Rotte
Hochbord'ger Schiffe, breit und starken Baus,
Drang von Karthagos Hafen eine Flotte,
Die Flotte Geiserichs durchs Meergebraus.
Manch hölzern Bild von einem alten Gotte
Sah da vom Hochdeck auf die Fluth hinaus,
Und aus der Flagge schnoben Schlangenrachen,
Einhörner, Basilisken, Panther, Drachen.

Die Höhe von Sicilien erreichend,
Gewahrten sie, daß nah dem Küstenland
Der Fahrwind kaum die Segel noch bestreichend,
Allmählig sank, und Gegenwind entstand.
Es kam ein heft'ger Nord, der nimmer weichend
Zurück die Schiffe trieb. Damit entschwand
Die Hoffnung, noch vor Winterszeitbeginnen
Die Küste von Italien zu gewinnen.

»Kennt uns nicht mehr der alte Gott im Norden?«
Sprach Geiserich und blickt zum Himmel auf,
Und siehe da, ein Raum war leer geworden,
Die Stelle, wo gestrahlt in seinem Lauf
Der mächtige Komet. »Wenn nun die Horden
Ihn nicht mehr leuchten sehn, ich schwör' darauf,
Sie werden dann auch uns versunken glauben,
Und ganz allein Italien durchrauben.«

Als ob er durch den Sturm ihr Heulen hörte,
Drang's ihm zu Sinn; »Ha, wenn nun zu dem Raub
Der Hunne früher käm' und Rom zerstörte,
Und uns nichts übrig ließ' als Schutt und Staub?
Wie wär's, wenn ich sein grimmig Herz bethörte?
Sonst niemals war er meinen Planen taub.
Ich lenk' ihn ab, noch trotzen seinen Fahnen
Die Mächtigsten der westlichen Germanen.«

So schrieb er denn: »Wir hörten schon erschallen
Von deinem Nahn der Lüfte Reich, jedoch
Gebeutst du den Germanen noch nicht allen;
Der Gothe höhnt, der Franke flieht dein Joch.
Erst strafe die, die von dir abgefallen,
Der Raub Italiens bleibt uns immer noch.
Die reichen Städte sollen's erst bezahlen,
Die sich im Rhein im goldnen Wellbild malen.«

Wer aber wird die Botschaft überbringen?
»Wer ist so kühn und beut im Ruderboot
Den Stürmen Trotz, und wagt es durchzudringen
Durch Feindes Land?« »Ich will's,« sprach Verimod.
»Mit Muth und Klugheit soll es uns gelingen.«
Er wählt sich die Gefährten, schwärzt das Roth
Des hellen Haares, löst das Boot vom Borde
Und ringt sich muthig durchs Gebraus der Norde.

Und wieder in des alten Tempels Halle,
Worin, seitdem verflossen Jahr um Jahr,
Gewuchert rings die Spuren vom Verfalle,
Trat am zerbrochnen heidnischen Altar
Zu Verimod Aëtius. Wachten alle
Die alten Schauer auf? Wie damals war
Gewitternacht, und um die Tempelsäulen
Schoß Blitz auf Blitz und brauste Windesheulen.

»Zu wem« – sprach Verimod, »und wer mich sendet,
Enthüllt' ich dir, und beider Helden Plan.
Nun sieh, nach welcher Seite hingewendet,
Sich dir erschließt die reichste Thatenbahn,
Und wem du helfen willst, denn groß vollendet
Hast du noch Alles was du je gethan,
Und deutlich ist, daß etwas Riesengroßes
Sich jetzt entringt der Nacht des Zeitenschooßes.«

Aëtius erhob sich an den Stufen
Des öden Altars, oben schoß durchs Dach
Des Wetterleuchtens Gluth. Er sprach: »Wie rufen
Doch deine Worte die Erinnrung wach
An Thaten, die so großes Unheil schufen! –
Im Donner, im geschwollnen Regenbach
Vernehm' ich aus den Gräbern Derer Klage,
An deren Tod ich schwere Mitschuld trage.

»Sie sind dahin und ihre wahren Leben
Bringt nichts zurück mehr in die Gegenwart,
Nur ihre Schatten seh' ich mich umschweben,
Von ihren kalten Blicken angestarrt.
Doch jetzt ist mir der Augenblick gegeben,
Den ich mit Sehnsucht, den ich längst erharrt,
Und was mir auch in diesem großen Ringen
Bestimmt mag sein, ich will es groß vollbringen.

Du geh' nun hin und bring', wie dir befohlen,
Dem Hunnen deine Botschaft, hoff' er dann
In Gallien seine Beute sich zu holen,
Es sei, wenn ich nur Rom erretten kann.«
Hier hielt Aëtius inn' und sah verstohlen
Auf Verimod, der sich indeß besann
Und sprach: »Mögst du, was du nur willst beginnen,
Wenn nur auch wir uns deinen Dank gewinnen.«

»Das sollt ihr, ja, daß Geiserich es wisse,
Ich ehr' ihn, schuf er gleich uns große Noth;
Doch Attila, der Fürst der Finsternisse
Ist uns verhaßter als der bittre Tod.«
Er sprach's und bot, da durch der Wölbung Risse
Nun wieder Sternlicht schien, dem Verimod
Die Hand zum Abschied. Dieser nun vollführte
Den Auftrag Geiserichs, wie sichs gebührte.

Er stellt dem Hunnenkönig vor: schon rüste
Mit altem Haß der Gothe gegen ihn;
Ihm würden, wenn er nicht zu strafen wüßte,
Die unterworfnen Völker sich entziehn,
Die längst nach Unabhängigkeit gelüste.
Die Thüringer und Franken, wie es schien,
Vereinten sich den Gothen, auch Burgunden
Und Sueven hätten sich dazu verbunden.

Vom Nordseestrand, wo jene nie gejochten
Uralten Stämme hausten und vom Rhein,
Wo stets der Völker Freiheit ward verfochten,
Dring' überall der gleiche Ruf herein.
Die Römerstädte dort, die stolzen, pochten
Auf ihren Glanz und Reichthum, auf den Schein
Der Rechte, die von Alters her noch dauern,
Auf ihren Ruhm und ihre festen Mauern.

Und Attila erregt zu wildem Grolle
Bei dem Gedanken schon, daß irgend wer
Noch seiner Macht und Waffe trotzen wolle,
Befiehlt sogleich nach Westen hin sein Heer.
Da brachen auf aus unwirthbarer Scholle
Die Horden alle vom asow'schen Meer,
Von Nord und Osten stießen zu dem Zuge
Der Scythe, der Gepide und der Rüge.

Die Könige Scythiens und die Völkerschaften
Vom Lauf der Wolga, von der Donau Strand,
Thüringer, Sueven und Ostgothen rafften
Zum Mitzug ihre Waffen auf. Bald stand
Am Rhein der Hunnen Heer, und sie verschafften
Sich Uebergang nach Gallien. – Winterland,
Halb zugefrorne Ström' und Sturm in Wäldern,
Und zahllos Heervolk aus den öden Feldern.

Der Purpur eines rothen Wollebandes
Umflog den Speer, wo Etzel führt sein Heer,
Wie vor der Windsbraut eine Rolle Sandes,
Zog seine Völkerschaar im Flug daher.
Wie dichte Saat auf einer Scholle Landes
So wogte unabsehbar Speer an Speer,
Der Wandervogel vor dem Wind die Wolke
Sind Boten vor dem pfeilgeschwinden Volke.

Es hat die Nacht ein Leuchten, ihr nur eigen,
Und eigne Thiere hat das Winterjahr,
Die Sterne wie die Menschenherzen neigen
Zu gleichem Glück, verbunden durch Gefahr.
In bleicher Schneenacht mag der Wolf sich zeigen,
Auf braunen Fels baut seinen Horst der Aar,
Ereignisse gehorchen ihrer Richtung,
Wie Stein und Erz der Lagerung und Schichtung.

Um den Bedrohten reihen sich die Schwachen,
Und zum Erobrer heult die Schlachtenwuth,
Wenn ausgesetzt die Jungfrau wird dem Drachen,
Dann kommt der Retter, dann erwacht der Muth.
Und sättigt nichts mehr eines Unthiers Rachen,
So ist's ein Blick, der mehr als alles thut;
Ein Sandkorn oft nur auf des Schicksals Wage
Stellt wieder her das Gleichgewicht der Tage.

Aëtius, beseelt von dem Gedanken,
Der Schirmherr seiner Zeit zu sein – Gefahr
Rings um ihn her, vereinigt seine Flanken;
Er bietet die Westgothen auf, sogar
Die Sachsen, die Burgunder und die Franken,
Des Meroväus Volk mit langem Haar,
Die schwarze Rüstung trugen, schwarze Ringe,
Ein Kreuz der Schwertgriff und ein Blitz die Klinge.

Zur Sonntagsfeier läuteten die Glocken
Am Hof des Gothenkönigs zu Toulous',
Die Mandelbäume streuten Blüthenflocken
Den schönen Frau'n und Jungfrau'n vor den Fuß,
Das Aug' der Königstochter nur blieb trocken,
Nie wieder bot der Tag ihr einen Gruß.
Es hatte Geiserich in blindem Hassen
Die Gattin seines Sohnes blenden lassen.

So saß sie, eine andere Sibylle
Und sah in sich und alles was geschah,
Und rings umher war Nacht und Todtenstille.
Da sagte sie: »Von Rom ist jemand da,
Der uns bedeuten will, was Gottes Wille.
Er trete ein, den ich im Geiste sah,
Heil dir, Aëtius! dem klugen, frommen,
Dich grüßt das Auge, dem das Licht genommen.«

Mit klugem und beredtem Wort begründet
Der Römer seiner Sendung hohen Werth.
»Der Krieg,« so spricht er, »hat sein Reich entschlündet,
Und ich befürchte, wenn ihr nicht gewährt,
Daß sich mit uns der Gothen Macht verbündet,
Daß euch bald auch das Aergste widerfährt.
Euch einzeln kann der Sieger unterjochen,
Vereint dürft ihr auf eure Stärke pochen.«

Die Blinde sprach: »Was unser Volk erlitten,
Der Hunne hat es über uns verhängt,
Wer hat zuerst das Land uns angestritten,
Wer hat aus unsrem Wohnsitz uns verdrängt?
Hört, Christen, hört die Kirche Gottes bitten,
Beschützt die Fluren, die der Feind versengt!
Mir löste Gott vom Haupt der Zukunft Binde,
Den rechten Weg der Zeit sieht eine Blinde.

Dem Blutdurstschnaubenden rief ein Verwegner,
Die Völkergeißel rief der Wütherich.
Beleidiger verbinden ihre Gegner,
Zum Hunnenkönig sandte Geiserich;
Doch seh' ich ihn schon jetzt dem Ziel entlegner
Und schwank in seinem Plan. Theodorich!
Gib meinen ausgelöschten Augen Sühne,
Dann hoffe, daß der Oelbaum wieder grüne.«

»Am Fuß des Kreuzes blüht die Siegesblume,«
Entgegnete Theodorich, »wir gehn,
Es sehnt sich unser Herz nach neuem Ruhme,
Wir eilen Roms Bedrängniß beizustehn;
Der Rache, dem Gericht, dem Heldenthume,
Dem Heil, auf das allein die Völker sehn,
Denn Asien soll, die Knechtschaft, unterliegen,
Und Freiheit soll, es soll Europa siegen!

Ihr Gothen, steigt von euren Bergen nieder,
Die Winde wehen sanft, es lacht im Golf
Der Schiffe Segelzeug, der rothe Flieder
Blüht in den Gärten und der graue Wolf,
Der Oede hagrer Sohn behaart sich wieder.
Sei mit uns Alarich, mit uns Athaulf!
Und du, ein Herakles schon in der Wiege,
Den Adlern vor, flieg' Thorismund zum Siege!«

Und von den Felsenburgen in Kastilien,
Und durch ganz Gallien flog das Volk zum Streit,
Die Banner wehten mit den Leu'n und Lilien,
Am Rhein erklang der Glocken Sturmgeläut,
Die Mönche sangen Metten und Vigilien,
Und ihre Kirchenthüren stunden weit
Den Völkern auf, es tauften noch die Priester,
Da vor der Stadt schon stunden die Verwüster.

O schreckliches Jahrhundert, bittres Ende
Der stolzen Aera, Zeit der Kümmerniß!
Durch Schutt und Dornen wandelt die Legende
Mit Engelsmienen, die der Schmerz zerriß,
Sie trägt in ihren bleichen Händen Spende
Dem abgehaunen Haupt der Finsterniß,
Ein Lächeln demuthblickender Belehrung
Durchwandelt sie die Stätten der Verheerung.

Und angethan mit einem Panzerkleide
Die Schwingen eines Adlers auf dem Haupt,
Die Sage dort wallt über Meer und Heide,
Ihr Goldgelock vom Sturm der Schlacht bestaubt,
Sie rächt die Morde, zählt die dürren Eide,
Und nichts vergißt sie, was sie einmal glaubt,
In ihrem Auge quillt, von ihrem Munde
Der Leiden ihres Volks getreue Kunde.

Sie sieht, was keines Menschen Aug gesehen,
Damit der innern Wahrheit Recht geschieht,
Beleuchtet über Tod und Untergehen
In Nacht ein unermeßliches Gebiet.
Sie läßt geschehn, was nirgendwo geschehen,
Und längst Vergangnes, das in Zukunft sieht;
Wo dich ein Schauer rührt und stille Klage,
Da ist ihr geistig Wehn, da geht die Sage. –

Noch trotzten Orleans gethürmte Zinnen
In tapfrem Widerstand dem Hunnenstoß;
Wer fühlt die Angst des Volks, das kein Entrinnen
Und kein Erbarmen sieht, und hoffnungslos
Zum Schwert greift, nur um Aufschub zu gewinnen
Vor dem gewissen fürchterlichsten Loos? –
Das den entmenschten Feind vor seinen Thoren,
Und Hab und Gut und Leben sieht verloren?

»Steigt keine Wolke Staub auf dort, Arverne!
Siehst du von keiner Seite Hilfe nahn?
Besteig' den höchsten Thurm, blick' in die Ferne!«
Umsonst, man sah nur, daß der Hunnenchan
Selbst Wall und Mauern überwinden lerne,
Und zu Aëtius schickt Bischof Agnan,
Der Bischof Orleans – »Kommst du nicht heute,
So ist's zu spät und wir sind Feindes Beute!« –

Der Bote kam nicht mehr, Muth schwand und Hoffen,
Und Attila blieb jeder Gnade taub,
Voll Todesangst warf wie vom Blitz getroffen
Das Volk sich nieder betend in den Staub,
Und eines Morgens stunden auf und offen
Die Thore der Verheerung und dem Raub,
Schon brachen in die ersten Häuserreihen
Die Hunnen ein zum Plündern und Entweihen.

Auf einmal rief's, die Hülfe der Bedrohten,
Die Hülfe Gottes kommt, er hat erregt
Die Wolke Staub, man sieht das Heer der Gothen
Und ihre Fahnen wehn, vom Wind bewegt,
Die Adler der Legion, die purpurrothen
Behelmten Reihn, die Lanzen eingelegt
Und mit verhängten Zügeln, an der Spitze
Aëtius und Thorismund wie Blitze.

Wie jubelte die Stadt in froher Wonne,
Als vor dem Gothenheer Theodorich
Heranzog mit den Völkern der Garonne,
Und Attila, der von den Mauern wich,
Sich in der Richtung nach der Morgensonne,
Zerstörung und Verwüstung hinter sich,
Hinabzog nach den weiten Marneflächen,
Der Römer, dann der Gothen Kraft zu brechen.

Doch beide hatten schon ihr Heer verbunden,
Aëtius und seine Römer sahn
Zum erstenmal mit Gothen und Burgunden
Vereinigt sich dem Feind Europas nahn.
Nun hatten Muth und Klugheit sich verbunden,
Nun setzte sich zu einer Siegesbahn
Der jungen Völker Thatkraft in Bewegung
Mit Roms bewährter reifer Ueberlegung.

Hier schritt mit manneshohem Schild, den wehend
Und bunten Mantel um, ein Gallierstamm;
In Helmen ganz aus lautrem Erz bestehend,
Mit Fittigen und Mähnen auf dem Kamm.
Geschickt das feindliche Geschoß erspähend,
Ziehn Keltiberier auf, behend und stramm,
Dann Lusitanier, in der Faust ein Messer,
Im Faustkampf stark und auf dem Pferd noch besser.

Es rücken von den Pyrenä'n, umbunden
Von schwarzem Ziegenfell, die Hirten an,
Es schließen sich Bretonen an Burgunden,
Von Gondekar geführt, und angethan
Mit eisernem Gewand, in Mitte stunden
Alanen unter König Sangipan.
Vorausziehn, ganz von Gold und Purpur strotzend,
Die Legionen, jedem Feinde trotzend.

Es kam die Nacht, ein nahes Pferdgeschnaube
Erweckt der Franken Vorhut; sie durchdrang
Sogleich die Furth, da zogen mit dem Raube
Gepiden durch das Feld den Fluß entlang.
Auf seinem Schlachtroß in der Eisenhaube
Ritt König Ardarich, ein ellenlang
Gezacktes Schwert aus guter Waffenschmiede
Wog in der Faust der mächtige Gepide.

»Laßt uns die Finsterniß mit Blut beträufen,«
Begann der Frankenkönig Merovig,
»Und vor der Schlacht aufs Feld die Leichen häufen!«
Hierauf begann ein Schlagen und ein Krieg,
Ein Schlagen mit dem Schwert und mit den Knäufen
So furchtbar, daß das Blut im Bache stieg,
Und daß ein Feld am Morgen überdeckten
Die Todten und verwundet Hingestreckten.

Ein grauer Tag erhebt sich trüb im Osten
Der Flur wo jetzt Campaniens Traube reift,
Da sehn des Gothenheeres erste Posten
Beim Dämmerlicht, das um die Höhen streift,
Wachfeuer fern durch Nebelmeere glosten,
Und als Aëtius sein Schwert ergreift,
Vernimmt er schlachtenmuthig, todesbräutlich
Das wilde Lied der Hunnenkrieger deutlich.

Noch zweifelnd, ob er heut die Schlacht schon wage,
Steht drüben sinnend Attila, und stellt
An seine Priester die Verhängnißfrage,
Allein und unruhvoll in seinem Zelt.
»Die Götter künden unsre Niederlage.«
So sprechen die – »Horch wie die Wölfin bellt!
Doch mit dem Tod auch büßt dein überlegner
Dein größter Feind, der kühnste deiner Gegner.«

»Zur Schlacht denn!« ruft der König ohne Zagen,
»Aëtius falle! Meine Sorge soll
Der Sieg sein! Auf! laßt an den Heerschild schlagen,
Weckt meine Fürsten! – Eine Stimme scholl:
Die Geißel Gottes wird die Völker jagen,
Bis seines Zorns gemess'ne Schale voll.
Mein Speer sei's, dem zuerst ein Feind erliege,
Wer mir nicht folgt, wer flieht, stirbt nach dem Siege!«–

Wo kornreich Land in üppiger Bewellung
Durchströmt die Marn', erhebt gebieterisch
Ein grüner Hügel sich in sanfter Schwellung,
Bedeckt von Wald und niederm Strauchgebüsch,
Nach seines Gipfels auserles'ner Stellung
Fliegt auf den Fahnen Löwe, Greis und Fisch;
Bald tönt der Schlachtruf aller Nationen,
Die zwischen Tiber, Rhein und Wolga wohnen.

An Bannern, Waffen und Gestalt verschieden,
Doch gleich an Wuth und wilder Tapferkeit,
Begegnen, die noch nie gekannt den Frieden,
Der großen Wandrung Völker sich im Streit.
Des Gothen Schwert, die Lanze des Gepiden,
Des Römers Trotz, des Scythen Schnelligkeit,
Ein Wunder ist die Schlacht so vielgestaltig
An Thaten, wie noch nie ein Tag gewaltig.

Auf Rossen, schnell, mit kurzen, schwarzen Mähnen
Stürmt wüthend hier das Volk der Hunnen ein,
Den kurzen Wurfspeer zwischen ihren Zähnen,
Geschuppten Stahl vom Rumpf bis an das Bein,
Sie gleichen Wölfen, grinsenden Hyänen,
Sie scheinen Pferd und Mensch zugleich zu sein.
Dem Feind begegnen sie mit Zähnefletschen,
Die Keule schleudernd, die sein Haupt zerquetschen.

Den Hunnen folgt das Heer der Akaziren,
Um ihre Schultern Köcher lang und schwer,
Dann kommen in dem Fell von Elenthieren
Die Rugier; Heruler mit Schild und Speer.
»Seht, wie sie hier das Leben zu verlieren
Gen Himmel stürzen,« sprach vor seinem Heer
Der König Sangipan. »Laßt euch gemahnen,«
Rief ihm Aëtius zu: »Seid treu, Alanen!« –

Jetzt fliegen Lanzen aus der Römer Gliedern,
Aus Attilas Ostgothenreiterei,
Doch diese, statt den Angriff zu erwiedern,
Braust an dem Zug der Legion vorbei,
Und Rache tönt aus ihren Schlachtenliedern,
Entsetzen liegt in ihrem Feldgeschrei.
Sie suchen über Sterbenden und Todten
Zum Kampf das Brudervolk der Wisigothen.

Es ward Mittag, die Sonn' am Himmel sengte,
Verschleiert von Gewölk, so dumpf und schwül,
Daß Licht und Schatten seltsam sich vermengte;
Als hier Theodorich im Schlachtgewühl,
Durch seiner Krieger Reihn ermunternd sprengte,
Und, daß er sich die heiße Stirne kühl',
Den Helm vom Haupt hub, sandt' ihn zu den Todten
Der Speer des Andagis der Ostrogothen.

Hartnäckig, grimmig, blutig ohne gleichen
Gekämpft wird bis zur Nacht mit höchster Wuth.
Hoch schwillt der Strom, kaum faßt sein Bett die Leichen,
An beiden Ufern suchen in die Fluth
Verwundete mit Helm und Hand zu reichen,
Und trinken Freundes- so wie Feindesblut.
Erdbeben dürften eine Welt zerstören,
Die Kämpfer würden kaum den Donner hören.

Zu fallen ist kein Raum, wie erzverbunden
Stehn Mann an Mann, beseelt vom Schlachtengeist,
Der Gothe kämpft, indem er aus den Wunden
Das feindliche Geschoß sich lachend beißt,
Damit kein Aufschub auch nur von Sekunden
Dem heißen Streittag seinen Arm entreißt,
Selbst deren Odem schon der Tod vernichtet,
Stehn noch wie lebend da, hoch aufgerichtet.

»Zuerst war dorther Siegesruf erschollen,
Wo Thorismund die Höhn erflog, es steigt
Sein schimmernd Roß, und Feind' auf Feinde rollen
Den Fels hinab: »Sieh, unser Drache neigt.
Nun gilt es, wenn wir nicht erliegen sollen,
Den schwersten Strauß,« ruft Walamir und zeigt
Dem Könige der Hunnen nach dem Hügel:
»Sieh, jenen Schwan trägt eines Adlers Flügel.«

»Jetzt ist es Zeit, mit mir, ihr Gottesstreiter!«
Ruft Thorismund und führt vom Höhenraum
Zur Schlacht hinab die schweren Panzerreiter.
Wie wenn ob einem Thale, wo noch kaum
Ein schöner Tag geleuchtet hell und heiter,
Auf einmal schwarze Nacht vom Himmelssaum
Herunterwogt, so ritt er an, den Schrecken
Und Donner vor ihm her und seinen Recken.

Vor ihrem ungeheuren Anprall trennen
Die Reihen sich um König Sangipan,
Sie wenden sich, und ihre Lanzen rennen
Die Hunnenmacht und ihre Haufen an
Mit solchem Ungestüm und im Entbrennen
Der Wuth, als wär's der Todte, der sie mahn'.
Hätt' Attila sich nicht zur Flucht gewendet,
Sein Leben hätte dieser Tag beendet.

Wie viel' zerbrochne Helm' und Lanzenstangen
Rings um ihn lagen, überall zerstreut,
Durchhaute Glieder, Pferde, die noch sprangen,
In Blut getaucht, daß eins das andre scheut.
Wo ist nun seines Heeres stattlich Prangen,
Deß stolzer Anblick ihn so lang gefreut?
Nichts ist mehr übrig, als bei Mann und Pferden
Der starre Tod in Gliedern und Geberden.

Sein stolzes Banner sinkt, er reißt am Zaume
Sein Pferd zurück und wendet sich zur Flucht;
So beugt am Meßbach sich, gepeitscht vom Schaume,
Im Wirbelwind aus einer Felsenschlucht
Der Esche stolzes Haupt, so sinkt vom Saume
Des Westens an umwogter Meeresbucht
Ein riesig Wolkenbild, das noch im Strahle
Der Sonne glomm – in Nacht mit einemmale.

Und Nacht es ward, der Hunne war geschlagen;
Theodorich, der Heergreis, todeswund
Auf einer Leichenbahre ward getragen,
Mit wildem Schrei erblickt ihn Thorismund,
Sein Sohn; er stürmt in die verschanzten Wagen
Der Sattelburg, worin der Hunne stund.
»Stürmt Gothen,« schrie er, »ströme Blut in Bächen,
Den Helden dort, den Todten will ich rächen.«

Rings um die Wagenburg trotzt undurchdringbar
Ein Wall von Pfählen und ein Wall von Muth,
Mit schweren Steinen, Waffen, kaum erschwingbar,
Behaupten sich die Hunnen drinn voll Wuth,
Wie Leu'n in ihrer Höhle unbezwingbar.
Ihr König höhnt: »Kommt an und laßt das Blut
Vom Knöchel steigen bis ans Wehrgehenke,
Zur Tiber führ' ich doch mein Pferd zur Tränke.«

Des Bogens Schaft ergreift nach diesen Worten
Sein sieggewohnter Arm, die Sehne schwirrt,
Es tönt, als würden von des Grabes Pforten
Die schweren Eisenriegel aufgeklirrt,
Und rückwärts fliehend sehn ihn Roms Cohorten
Auf Sätteln, von den Rossen abgeschirrt,
Hoch zwischen rothen Flammen unerreichbar
Ihn thronen, einem Götzenbild vergleichbar.

Ja Wölfe selbst, den Wägen angebunden,
Ließ jetzt auf Thorismund der Hunne los,
Und eine Meut' von losgelass'nen Hunden,
Selbst Weiber stellten seinem Schwert sich blos.
Da sank der junge Held, bedeckt von Wunden,
Durch einen Pfeil, den eine Hunnin schoß,
Gestützt den Bogen in des Busens Narbe,
Von Pfeilen voll, des Köchers schwere Garbe.

Wie wenn ein Leu um sein erlegtes Junge
Hervorstürzt, brüllt und laut um Rache schreit,
So drang das Gothenvolk heran im Sprunge
Zu Thorismund, und trug ihn aus dem Streit.
Sie nahmen ihn empor mit starkem Schwunge,
Umgaben ihn beschützend, dichtgereiht,
Und hoben jauchzend noch im Schlachtgefilde
Als ihren König ihn auf ihre Schilde.

Und in das Jauchzen tönt der Tuba Blasen
Die Trauerklagen um Theodorich,
Von Wunden und von Müdigkeit genasen
Die Helden dann; die Einen pflegten sich,
Die Andern ruhn; es sinkt auf grünen Rasen
Manch Haupt, in dem der Wange Roth erblich,
Die Feuer löschen aus, die Nebel wallen
Und Siegsgeschrei und Waffenklang verhallen.

An diesem Schlachttag wurde nicht gerungen
Um Krone, Scepter oder Purpur – Nichts!
Das Schicksal hat in jedem Pfeil geklungen,
Aus jedem Schild die Schale des Gerichts.
Die finstre Nacht hat sich herabgeschwungen,
Es lagen da die Todten, baar des Lichts.
Und hie und da noch schwerausathmend stöhnten
Die Schwerverwundeten und Unversöhnten.

Dort schleppte sich zum Dickicht einer Eiche
Ein Schwerverwundeter, ein Alemann,
Und rings um ihn lag manche Feindesleiche,
Da sah er wie sich ein Gefecht entspann
In hoher Lüfte Thron, und aus dem Reiche
Der Wolken Blut zur Erde niederrann,
Ein lichter Thau, und wie ein Bild im Traume
Stand eine Stadt am fernen Himmelssaume.

Jetzt rauscht einher ein Zug von schwarzen Schwänen,
Die kreisen über's Wahlfeld. Wo ihr Flug
Erschlag'ne trifft und todter Rosse Mähnen,
Da schnaubt das Roß zum Streiter, den es trug.
Es wiehert dumpf, es knirschet mit den Zähnen
Der Mann, der seinen Gegenmann erschlug,
Und weckt ihn auf, zum Kampf sich neu zu schicken,
Mit müden und mit todeskalten Blicken.

Jungfrauen sind indeß die Schwäne worden,
Jungfrau'n mit blankem Schwert in dunklem Stahl,
Sie wenden sich nach Ost, Süd, West und Norden:
»Steht auf, Erschlagne, kämpft zum andernmal!«
Da murrt's. »Ist noch der Gott nicht satt vom Morden,
Walkyren, heischt ihr noch ein Leichenmal?
Belebt euch, Herzen, schließt euch, Todeswunden,
Auf! Gothen, Franken auf! wacht auf Burgunden!«

Und aufwacht Feind auf Feind und kämpft erbittert.
Helm über Helm und Schwert auf Schwert erschallt,
Heerhorn und Schlachtruf tönt, Pfeil, Speerwurf splittert,
Blut trieft herab, Panier und Helmbusch wallt,
Schild schlägt auf Schild, die finstre Luft erzittert
Wie fester Boden, der von Streichen hallt,
Der Streiter Leiber scheinen unzerstörbar,
Kein Todesröcheln wird, kein Wehruf hörbar. –

Indeß sich so die bleichen Schatten jagen,
Erhebt Aëtius sich nach kurzer Ruh,
Und eilt, da Sorgen seine Seele nagen,
Dem Zelt des Thorismund, des Gothen, zu;
»Die größte Schlacht,« beginnt er, »ist geschlagen,
Und Sieger dieses größten Siegs bist du;
Doch rath' ich dir, so reich an Ruhm und Ehren,
Nach deinem Reiche schleunig heimzukehren.

Vernimm warum; ich hab' gewisse Kunde,
Daß sich dein Bruder gegen dich verschwor,
Mit zwei der Großen deines Reichs im Bunde,
Und Jener, während dich das Heer erkor,
Erschlich vielleicht schon zur gelegnen Stunde
Den Thron, dein Erbe; sieh dich also vor,
Und suche dort den Dingen vorzubahnen,
Vertraue meinem Wort und treuem Mahnen.«

»O schlauer Römer, nicht ist mir verborgen,«
Sprach Thorismund, »wie klüglich du versteckst
In die um mich bewies'nen, deine Sorgen.
Du wünschest uns nur fort; was du bezweckst,
Es werde dir erfüllt, eh noch ein Morgen
Aus diese Wahlstatt niederblickt, entdeckst
Du keinen Gothen mehr darauf, wir zanken
Nicht um die Frucht des Siegs, den dir wir danken.«

Zur Antwort gab Aëtius ihm: »Mißkenne
Den Warnruf nicht und treue Freundespflicht.
Nach solchem Tag, nach solchen Thaten trenne
Kein Argwohn unsre Seelen. Zweifle nicht,
Der Heiland kam zu scheuern seine Tenne,
Was wir erlebt, es war ein Weltgericht,
Versenkt ward alle Selbstsucht, nur das Hohe
Erhielt sich in der Läutrung Flammenlohe.«

»Hier denn,« rief Thorismund, »hier mein Vertrauen!
Bezeug' es dieser Handschlag. Glück und Heil
Sei so mit dir, wie auf dein Wort zu bauen,
Mein Glück ist, meines Sieges bester Theil.«
Er sprach's, sie schieden; nach den Höh'n und Auen
Tolosas Thorismund, und der dem Pfeil
Und Keulenschlag gewehrt der Hunnenhorde,
Erlag im eignen Haus dem Meuchelmorde.

Denn als ihn die Verschwornen voller Schrecken,
Den sie schon todt geglaubt, mit einemmal
Heranziehn sahn, den sieggekrönten Recken,
So schritten sie zur That und bei dem Mahl,
Dem Festmahl, hatten unter Tafeldecken
Die Dolche sie versteckt; als zum Pokal
Der Jüngling griff, den Willkomm auszubringen,
Durchbohrten rücklings ihn der Meuchler Klingen. –

Die weißen Flocken in der Herbstzeit stürmen
Auf weite Felder, auf ein ödes Ried,
Die Raben krächzen in zerstörten Thürmen
Und in den Stürmen tönt das Heldenlied –
Es nagen Wolf und Geier mit Gewürmen
Am Leib des Helden; der die Schlacht entschied,
War heimgekehrt wie der, der unterlegen,
Und der nun heimzog auf den dunklen Wegen.

Und murmelnd drang in unbestimmter Kunde
Vom Land zum Meer die Nachricht weit und breit:
»Die Gottesgeißel brach, die Hunnenhunde
Erlagen von der Hand der Christenheit.«
Da ließ vom alten hoch beschwornen Bunde
Der listige Vandalenfürst, bereit
Mit Rom Vertrag und Frieden einzugehen,
Auf dauerndes, auf ewiges Bestehen.

Er beugte sich, er gab die Beute, Massen
Von Schätzen und Gefangnen frei, und schwur
Von Rachekrieg und Raubfahrt abzulassen,
Verleugnend seine frühere Natur;
Sich mit des Friedens Künsten zu befassen,
Und mit des Glaubens frommer Lehre nur,
Und daß er selbst Tribut mit Freuden zolle,
Wenn man ihm künftig nur vertrauen wolle.

Doch Attila, der Rache nur begehrte,
Schwur dreifach jetzt den Untergang und Tod
Auf Alles was sich gegen ihn bewehrte,
Was ihm nicht willig Hand zur Hülfe bot,
Indeß die Sage, wo sein Heer verheerte,
Ihm nachging und erzählte von der Noth;
Kein Grashalm wuchs empor, die Hölle dampfte,
Wo seiner Rosse Huf die Flur zerstampfte.

Und hoch zu Roß umreitet er die Mauern,
Und klopft gebietrisch an der Städte Thor.
»Wer bist du,« frug ein Bischof ihn mit Trauern,
»Der – Völker du zerstreust wie Spreu, wie Rohr
Zerbrichst die Kronen, du vor dem wir schauern?«
»Ich bin,« ruft Attila mit Stolz empor;
»Die Geißel Gottes!« – »O so sei willkommen,«
Spricht jener, »sei mit Freuden aufgenommen.«

Er öffnet ihm nun selbst der Thore Flügel,
In die voll Wuth das Heer der Hunnen zieht,
Was aber fesselt ihre Faust am Zügel,
Was bannt den Blick der Horde? Jeder sieht
Nur dichten Wald um sich und grüne Hügel.
Schon sind sie mitten in dem Stadtgebiet.
Doch statt aus Wohnungen, aus Thor' und Säule,
Trifft nur Granit und Fels die Axt und Keule.

Mit Blindheit ist der Zornige geschlagen,
Der Rachelechzende zerhaut den Stein,
Und nach den Wolken muß der Stolze jagen,
Den, der Gewaltthat übt, betrügt ein Schein.
Aus Gallien fort, wo seine Leichen lagen,
Zieht Attila mit seinem Heer zum Rhein.
Von Geißeln und Gefangenen die Leichen
Bezeichnen seinen Weg ins Land der Eichen.

Das wissen noch die ältesten Geschichten,
Es klagt noch in den Namen fort und fort.
Es war in Thüringen ein blutig Richten,
Er hielt den Volkstag, den Couraltai dort,
Des Schlachttags Schatten, allen ein Vernichten,
Den Urrachtag; dort wurden um den Hort
Von wilden Thieren in den Finsternissen
Die Leiber der Gefangenen zerrissen.

Und ungeheure unerhörte Klagen,
Der Weiber herzzerreißendes Geschrei,
Wenn auf den Bahren ihre Holden lagen,
Und wenn den Gurt die Feindin brach entzwei,
Den Sieggurt um des Busens Erz getragen!
Und eine Stille herrscht als wär's vorbei,
Die Nacht bedeckt, in Sagen hell erklungen,
Die Klagen und die Noth der Nibelungen.

Wenn rings um einen Berg auf jeder Seite
Ein Weg führt und es tönt herüber laut
Das Gehn und Fahren Nachts in stiller Weite,
Die Tanne, die vom Berg herniederschaut,
Die sieht es dann, ob drüben jemand schreite,
Und wessen Axt an einem Baum noch haut,
Was hier und drüben umgeht auf den Pfaden,
Sie sieht zum Wald und zu den Seegestaden,

So hätte, wer vom Kulm der Alpenspitze
Mit Geisteraugen in die Fern' geschaut,
Gesehen hätte der, wie seine Sitze
Ein Theil der Hunnen wieder neu bebaut,
Ein andrer Zug sich in der Sonnenhitze
Am Strom gelagert hat und Cymbel-Laut
Im Zelt erklingt, und wie sie hier und drüben
Im Reiten sich und in den Waffen üben.

Im Frühlinge desselben Jahrs am Meere
In seiner Felsschlucht sah ein Eremit
Vor Aquileja stehn die Hunnenheere.
Wie Attila die Mauer rings umritt,
Unmuthig wog er seine schweren Speere;
Im dritten Monat war's, sein Volk erlitt
Verlust im Sturm, im Lager Noth und Leiden,
Und lechzte wie die Heerd' auf dürren Weiden.

Da sah er von der Thürme höchstem fliegen
Mit seinen Jungen einen Storch, dem Land
Zueilend und er hoffte nun zu siegen.
Bald sollte Aquileja gleich dem Sand
Des Meeres sein; die Mauer ward erstiegen,
Und nicht die Stelle blieb mehr wo sie stand.
Nun auf nach Rom! Dort soll dem Scythen
Ein räthselhaftes Schicksal Halt gebieten.

Und Stadt um Stadt sinkt in die Asche nieder,
Weit taucht der Wasservogel von dem Strand
Tief in die Wogenfluth sein Schneegefieder,
Wenn ihm die Pfeile drohen, so entstand
Venedig aus der Fluth, und immer wieder
Flog auf der Phönix aus der Städte Brand;
Von Flüchtigen gegründet, prangst du helle
Geheimnißvolle Braut der Meereswelle! –

Italiens Hoffnung war das Flehn der Greise,
Der Bischof Roms ging an dem Hirtenstab,
Begleitet von Aven die weite Reise
Bis hin zu dem, der keine Hoffnung gab.
Er fleht ihn im Gebet nach Christenweise
Für Rom, der heiligen Apostel Grab,
Doch Attila, der Flehenden Verächter,
Entgegnet ihm mit höllischem Gelächter:

»Die sieben Leichenhügel zu erstürmen
Wird wohl kein Werk des bösen Feindes sein?«
Der Bischof sprach: »Mehr als ein Heer aus Thürmen
Beschützet Gott die Seinen, mehr als Stein
Und Schleuder werden unsre Stadt beschirmen –
Die heiligen Apostel – zieh hinein!
Noch Alle, die der ew'gen Stadt Verderben
Gedroht, noch alle mußten frühe sterben.« –

Die Sage, die Geschichte, die Legende,
Drei Wege sind es, welcher Weg ist wahr?
Doch alle sprechen von dem gleichen Ende;
Hier kam die Bitte, dorther die Gefahr.
Er blickt um sich, und sieht erhobne Hände,
Und knieen seine Krieger, Schaar an Schaar,
Denn über Rom in Wolken sich erhebend
Erblickt man, heißt es, die Apostel schwebend.

Ein Hohn, ein bitteres Verachten gleitet
Um seine Lippen, und zu Walamir
Und Ardarich gewandt, die ihn begleitet,
Beginnt er: »Nun, ihr Beiden, rathet mir!«
Darauf der Erstre: »Gegen Heil'ge streitet
Kein Gothe, gehen wir nicht weiter hier.«
Und Ardarich, der beistimmt, sagt mit Ruhe:
»Was dieser Bischof von dir heischt, das thue.«

Ein Glühen, den Verwüstungen entstiegen,
Umfing den Aether ringsum wolkenlos,
Des Heidenkönigs Banner, wie sie fliegen!
Doch nicht zum Sieg, gefallen ist sein Loos,
Er fragt nach dem, der schwur mit ihm zu siegen,
Und hört nun, daß er längst schon Friede schloß,
Daß Eide Rom von Geiserich empfangen,
Und Fried' und Bündniß mit ihm eingegangen.

Der Splitter würgt den Wolf in seiner Kehle,
Der Habicht, der am Tag die Beute nahm,
Fliegt, wenn es dunkelt, heim zu Wald und Höhle,
Und eine finstre Schwermuth überkam,
Und Sorgen senkten sich in seine Seele.
Unwiderstehlich zog ihn fort der Gram,
Fort, heim, zu Heide, Wald und Weide wieder,
Zum Ufer an der Theiß, zur Donau nieder.

Statt sonn'ger Flur und lichtem Blau der Lüfte,
In die des Lorbeers Stolz die Zweige schwingt,
Umgibt ihn bald das Grau'n der Alpenklüfte,
Und als er hier die Fluth des Lech durchdringt,
Stellt sich ein Weib, den Wolfsgurt um die Hüfte,
Vor seinen Weg und ruft, indem sie zwingt
Sein Pferd am Zügel: »Halt, zurück, nicht weiter,
Nicht über diesen Strom, ihr Hunnenreiter!«

Doch Attila, nicht acht der Warnung Stimme,
Hat schon sein Roß, das schäumend sich erhebt,
Gespornt, daß es mit ihm die Fluth durchschwimme.
Sein Rückzug, unter dem der Boden bebt,
Gleicht eines Ebers Flucht in heißem Grimme,
Der alles neben sich in Staub begräbt,
Bis daß er ausruht auf den Weideplätzen
Im hölzernen Palast bei seinen Schätzen,

Stromaufwärts fährt den Donaufluß ein Nachen,
Im Nachen ruht halb schlummernd eine Frau,
Zwei Männer schweigend und geharnischt wachen
Zu ihren Füßen, ringsum liegt das Grau
Der Dämmerung auf unbebauten flachen
Gestaden, auf den Heiden glänzt der Thau;
»Kein Schaum, Honoria! soll dein Kleid benetzen,
Wenn du den Fuß willst an dieß Ufer setzen.«

»Hier landen wir,« spricht jetzt der Fährmann leise,
Hält an und zieht die Ruder aus dem Schaum,
Und knüpft mit Seilen dann nach Fischerweise
Sein Boot gebückt an einen Weidenbaum.
Er blickt nicht auf, doch wünscht er Glück zur Reise,
Und auch die beiden Andern grüßen kaum.
Sie traten rasch und finster und verschlossen
Ans Ufer zu den aufgezäumten Rossen.

Eh sie zu Pferde stieg, gehüllt in Schleier,
Rief sie zurück: »Leb wohl, mein Vaterland.
Dein größter Feind ist mein erkorner Freier,
Aus deinem Jammer, deinem Städtebrand
Erglüht die Fackel meiner Hochzeitfeier,
Mein Brautkleid ist dein schwarzes Klaggewand,
Die Mitgift sind statt Ländern und Kleinoden
Nur Schutt und dieser menschenleere Boden.

Denn er, vor dem die Völker sich entsetzen,
Der finstre Hunnenkönig, mein Gemahl,
Den Goldreif wird er auf das Haupt mir setzen.
Nach welchem Gott schon zückt den Rachestrahl.
Es soll mein Antlitz keine Thräne netzen,
Wenn uns ein Griechensklave reicht das Mahl,
Nein! hören will ich's wie man siegestrunken
Ein Spottlied singt, wie unser Volk gesunken.

Doch sei's, wenn ich aus jenem Grab mich rette,
Wo jede Menschlichkeit schon längst erstarb,
Und in des Klosters freudeloser Stätte
Mein Herz, das nicht bereuen kann, verdarb,
Wo, wer mir treu war, nur zum Lohn die Kette,
Wo, wer mich liebte, nur den Tod erwarb;
Nicht zum Barbarenfürsten einer Horde,
Zu Menschen flücht' ich aus dem Haus der Morde.«

Im Mondenlicht aus grünem Hügelrunde
Bewegte sich hochaufgeschoßnes Gras,
Da brachten Reiter heim von einer Runde
Honorien zum Lager Attilas,
Die Angst des Todes war auf ihrem Munde,
Und Ildiko, die schöne, junge saß
Bei Attila; sie horchte ob er schliefe,
Schwer hob sich seine Brust in ihrer Tiefe.

Es ängstigte ihr Herz ihn aufzuwecken,
Er aber sprach: »Bist du's, wie bin ich froh!
Ein schwerer Traum versetzte mich in Schrecken,
Mir war, als ob der Geist mir wieder droh',
Den ich vor Rom gesehn, und durch die Decken
Drang mir ein Pfeil durchs Herz, komm Ildiko!
Erfreut dich nicht der Cymbeln lautes Klingen,
Die hochzeitlich die laue Nacht durchdringen?«

Die Braut jedoch war stumm und bleich geworden.
Der König sprach: »Du fühlst dich nicht beglückt?
Du fürchtest wohl, ich könnte dich ermorden? –
Auf diesen Busen wird kein Dolch gezückt!
Du bist so bleich, so bleich ist nur im Norden
Die weiße Wüste, die mein Purpur schmückt.
Du wirst dich in ein siegreich Brautbett legen,
Du zögerst – schlägt mir nicht dein Herz entgegen?«

Doch Ildiko dacht' heim an Flur und Matte,
Wo sie am Abgrund stand oft ganz allein,
Die Halme mähend von der Felswand Platte
Um Mitternacht und in des Mondes Schein,
Der seine Mahd am dunklen Himmel hatte.
Nun schien es ihr von Heimathhöh'n herein
Wie Gruß und süße Klage zuzuwinken,
Indeß die Augen ihr in Schlummer sinken.

Des Morgens als die Fürsten der Gudrungen
Das Zelt betraten, war der König todt,
Und Ildiko hielt schluchzend ihn umschlungen?
Sein Antlitz war von vielem Blute roth,
Denn eine Ader war ihm aufgesprungen,
Und dieses hatte ihm sein Traum gedroht.
Die ihn so sahn, die schrieen laut in Schmerzen
Und weinten und zerschlugen ihre Herzen.

Sie trugen mit Trophä'n und reichen Beuten,
Auf die voll Stolzes noch der Todte sah,
Ihn in sein Zelt, bedeckt mit Tigerhäuten.
Sein Schlachtroß auch stund als ein Opfer da,
Und tief verschleiert wie bei Todesbräuten
Saß neben Ildiko Honoria.
Sein Siegesruhm erklang im Schlachtenliede,
Und murmelnd schnitt die Mispel der Druide.

Es traten aus den Kammern der Paläste
Die Söhne seiner Frau'n, ein ganz Geschlecht,
Des alten Baums verzweigte Stämm' und Aeste,
Und Herr wollt' jeder sein und keiner Knecht.
Indem noch hier ein Thränenquell benäßte
Der Frauen Klaggewand, rang dort um Recht
Und Vorrecht schon der Herrschsucht blanke Wehre,
Und es begann der Kampf um Hab und Ehre.

Die Völker sollten wie verkaufte Heerden,
Und Könige voll Ruhm und Tapferkeit
Getheilt, und nach dem Loos vergeben werden;
Da schwoll der Deutschen Brust voll Lust zum Streit,
Und bald sprang Alles zu Geschoß und Pferden.
Zuerst sprach Ardarich, »sie sind entzweit.
So wollen denn auch wir nicht länger Frieden,«
Und rief zum Aufgebote die Gepiden.

Auch Walamir, in seinem Geist erkennend,
Daß angebrochen jetzt der Freiheit Tag,
Beruft sein Volk, den Namen dessen nennend
Der einst zuerst dem Hunnenstoß erlag.
Sie hören ihn, in Rachegluth entbrennend;
»Hermanarich!« und wie ein Donnerschlag
Klang's wieder aus dem alten Schild des Todten,
Und auf in Waffen stunden alle Gothen.

Zuerst ward Ildiko vom Königsgrabe,
Auf dem sie saß, zum Opfertod bereit,
Entrissen und mit all der reichen Gabe
Des Todtenreichs von Walamir gefreit;
Als Irnack dieses sah, ergriff der Knabe
Ein Schwert, durchstieß mit wilder Heftigkeit
Honorias Brust, und in den Flammenhügel
Des Vaters Streitroß warf er, Schmuck und Zügel.

Es heißt auch, in der Nacht, da dieß geschehen,
Da habe Kaiser Marcian im Traum
Den starken Bogen abgesprengt gesehen,
Der über ihm im Zelte hing, und kaum
Begann der Tag im Osten aufzustehen,
Erschien vor ihm an seines Lagers Saum
Der Geist Honorias und sprach mit Beben:
»Ich starb für euch, den Flammen preisgegeben.

Dem Löwen, der nun todt, im Tod verbunden,
Er liegt in seinem Blut, von keinem Speer,
Von keinem Stahl des Feindes überwunden,
Wie eine Sonne, die sich senkt ins Meer.
Todt ist der Hunne, der uns schlug die Wunden,
Konstantinopel zittre nun nicht mehr.
Es ließ sein Volk in drei metallnen Särgen
Den Staub, vor dem ihr einst gebebt, sich bergen.«

Sie sprach's und schwand; kaum aber war geschlossen
Das Hunnengrab, so sprang das Kettenband
Und Ströme Blutes wurden nun vergossen,
Es brach der Kreis, der seine Zeit umwand.
Getödtet wurden Sohn und Stammessprossen,
Und Scepter wider Scepter, Hand um Hand
Bekämpften sich und trennten die Gejochten
Die Stämme, die der Geißel Band umflochten.

Es brach in heißer Schlacht am Saum des Dones
Der Asiaten Joch Germaniens Speer.
Mit Irnack starb der Erb' des Hunnenthrones,
Er fiel nach ruhmvoll tapfrer Gegenwehr,
Es hätt' selbst Attila das Loos des Sohnes
Beneiden müssen; erst nachdem ein Heer
Von Feinden um ihn her mit ihm gefallen,
Erlag sein Arm den Waffen der Vasallen.

Auch Edekon, der bis zum letzten Streiche
Dem Attila getreu blieb, sank dahin
Mit einer Schaar von Rugiern, eine Leiche,
Doch seine Söhne hieß er noch entfliehn.
Um Dienst zu nehmen in dem Römerreiche.
So war denn Alles was gewaltig schien,
Was unter Attila sich hoch erhoben,
Geflüchtet, todt, verschollen und zerstoben.

Versunken ist schon längst das Reich der Hünen
Und ihre Spur vertilgt, nur dort im Hain
Weht's noch in Wipfeln, klagend um die Sühnen,
Und mahnt uns noch in jenem grauen Stein;
Ein Hügel und ein Rain und tief im Grünen
Versargt die Rüstung und das Todtenbein.
Die Elster hüpft dort auf und ab im Fluge
Und sinnend schaut der Rabe nach dem Pfluge.


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