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Prolog.

Wach auf aus deinem süßen Friedensschlafe,
Entsteige deinem Melodienborn,
Du Königin der Strophen, auf, Oktave!
Gürt um dein Schwert, stoß in dein gold'nes Horn!
Auf daß ich deine Feinde Lügen strafe,
Leg' in dein schönes Angesicht den Zorn,
Wirf deine seid'ne Lockenfluth, enthülle
Im stolzen Gang des Südens Formenfülle!

Zerstörte Tempel, umgestürzte Säulen,
Schlachtfelder von Erschlagenen bedeckt;
Verheerte Länder, nur von Schakalheulen
Aus wüster Einsamkeit emporgeschreckt,
Palläste, nun durchrauscht vom Flug der Eulen,
Seestädte, die kein Schifferruf mehr weckt,
Entnervte Völker, zuckend in Verblutung,
Erdbeben, Hunger, Pest und Ueberfluthung;

Jahrhundert langes Frevelthun gezüchtigt,
Kein Blüthethal, kein Leben unverschont;
Glorreiche Thaten, Namen schwer berüchtigt,
Verbrechen mit Verbrechen abgelohnt;
Wie Meteore Reich um Reich verflüchtigt,
Unsterbliche wie Sterbliche entthront;
Zwei Welten sich im Kampf entgegenbrausend,
Ein sterbend' und ein werdendes Jahrtausend.

Entroll' die Fluth der Völkerwanderungen!
Sie riß den Erdkreis von der Kette frei,
Mit welcher Rom die Völker hielt umschlungen;
Doch mit der Kette riß zugleich entzwei,
Was in Jahrhunderten der Geist errungen.
In Trugverkünd'gung, Nacht und Barbarei
Erschien bis auf den letzten bleichen Funken,
Die alte Freiheit und Cultur versunken.

Nie, seit in unversehrter Frühlingsgrüne
Auf jedes Menschenweh mit Jubelschall
Die Erde Antwort gibt, trug ihre Bühne
Ein Trauerspiel, wie jenen Donnerfall
Des alten Roms – nie floß mehr Blut der Sühne,
Und nie, so lang die Menschheit stürmt' im All,
Den Himmel fleh'nd mit Hilfruf und Verfluchung,
Bestand ihr Genius größere Versuchung.

Von jenen Stürmen, die sich längst gelegt,
Wir hören's noch wie ferne Brandung rollen;
Und der auch uns den Völkerkrieg erregt,
Wir hören rings den dumpfen Donner grollen.
Mit Kampflust ringt die Furcht, und tief bewegt,
Erschließt die Gegenwart in ahnungsvollen
Gefühlen sich dem kommenden Verhängniß,
Wie sich der Blüthenkelch dem Lichtempfängniß.

Denn wir auch fragen, ob es uns erreiche,
Daß jenem ausgestorb'nen Lebensstrom,
Daß jener alten Welt einst unsre gleiche?
Schon einmal drohten Hunnen unserm Dom!
Weissagung wohnt im Schutt der alten Reiche,
Wie sibyllinisch blickt Athen und Rom!
Herolde der Nothwendigkeit entsteigen
Aus ihrem Grab mit ernsten Fingerzeigen. –

In Indien wächst ein Baum aus Lavaklüften,
Vor welchem scheu die Schlange selbst entweicht.
Der Vogel fällt getödtet aus den Lüften,
Wenn ihn der Zweige Blüthenhauch erreicht;
Zu Boden sinkt, vergiftet von den Düften,
Der Tiger, wenn er hier nach Beute schleicht,
Und beide deckt, den Räuber sammt dem Raube,
Der Todesbaum mit seinem dunklen Laube.

Ein stolzrer Baum ist Rom dereinst gewesen!
Kein Geist der Freiheit schwang sich hoch genug;
Es kam aus allen Völkern auserlesen
Jahrhundert lang ein langer Sklavenzug,
Um unter seinem Gifthauch zu verwesen;
Selbst als des Nordens Schwert den Stamm zerschlug,
Sank noch wie oft die Kraft der Heldenglieder,
Vergiftet von den schon gestürzten nieder.

Die Menschheit sah erschreckt zum Rande jäher
Und tiefer Abgrund-Nacht sich hin entrückt,
Und fühlte sich im Geiste nah und näher
Dem Grab, und wie vom Grabeshauch erdrückt.
Uralte Weisheit, Träume der Chaldäer.
Vom Baum der Mystik gierig abgepflückt,
Verhüllten mit geheimnißvollen Ranken
Der müden Welt die letzten Qualgedanken.

Der Norden aber warf die hellen Garben
In diese Nacht voll düst'rem Dämmerlicht,
Und brachte seine Kraft und seine Narben
Zum Opfer dar dem großen Weltgericht,
In dem als Helden ganze Völker starben;
Ein jüngster Tag, wo vor dem Angesicht
Des Ew'gen sie, damit sie Sühne nahmen,
Von überall herangezogen kamen.

Schon blühte längst der Weinstock, wo gestritten
Der Cimber und Teuton die Todesschlach't,
Wo Ariovist den Rhonestrom durchritten,
Bis fern zur Donau hielten Römer Wacht.
Rom selbst nur sank, erkrankt in seinen Sitten;
Denn seiner Freiheit Helden, von der Macht
Des allgemeinen Abfalls überfluthet,
Die großen Seelen hatten ausgeblutet.

Und nun begann, gesättigt von Exilen,
Augustus mit vollkomm'ner Meisterschaft
Den Tag der Götter im Olymp zu spielen,
Und nach dem Ruhm von Kunst und Wissenschaft,
Jedoch mit stumpfen Pfeilen nur, zu zielen;
Denn jede Kraft im Innern war erschlafft;
Es ließen ohne Widerstand die Schemen
Der einst'gen Freiheit sich gefangen nehmen.

Und wirklich war bald Aller Sinn und Hoffen
Auf Ihn, als auf den Einzigen gewandt;
Man sah, was man geahnt, war eingetroffen,
Und hielt selbst die Erinnerung verbannt,
Zerrüttet zwar, ergab man sich doch offen
Dem neuen Zustand, den man anerkannt,
Dem unbestritt'nen Herrn des Erdenrundes,
Und jedem Wort und Zucken seines Mundes.

Wo gluthdurchhaucht mit Palmen Mauretanien
Des alten Atlas mythisch Haupt umkränzt,
Vom rauhen Britenstrand bis wo Campanien,
Der Meeresländer Aphrodite glänzt,
Vom Fuß des Libanon bis Lusitanien,
Von Wüsten hier und dort von Schnee begrenzt,
Erstreckte sich, bewacht und stark befestigt,
Sein Herrschgebiet, von Feinden kaum belästigt.

Rom selbst stand da, geschmückt mit allen Kronen,
Und übertraf an Herrlichkeit noch weit
Den Glanz der alten Stadt der Pharaonen.
Die stolzen Säulen der Unsterblichkeit,
Die Statuen der Götter und Dämonen,
Die Tempel flammten in der Dunkelheit,
Entflammten jedes Herz zur Lust und nährten
Der Feste Rausch, die jeden Wunsch gewährten.

Unzählig war die Menge der Gebäude;
Belebt von immer neuem Müßiggang
Die Stätten des Genusses jeder Freude,
Die Gärten voll von Leben und Gesang,
Die öffentlichen Hallen für Getreide,
Und ungeheuer war der Menschendrang,
Ein Sprachgemisch von allen Nationen,
Ein Chaos von Gestalten aller Zonen.

Kein Boden gab, es floß kein Quell so spärlich,
Er trug für Rom doch beide Hände voll,
Kein Meer schien, keine Ferne zu gefährlich,
Zu räub'risch kein Tribut, zu hoch kein Zoll,
Wenn nur der Stadt nie satten Wölfen jährlich
Der Nil aus seinen reichen Ufern quoll,
Wenn nur das tausendköpf'ge Thier sich füllte
Und nicht zu laut am Thor des Cäsars brüllte.

Aus allen Meeren in die große Küche
Entluden die Galeeren ihre Fracht;
Aufstöhnten aller Inseln Marmorbrüche,
Erz floß für Rom aus jedem Felsenschacht;
Zur gold'nen Decke dampften Wohlgerüche
Von den umschwelgten Tischen Tag und Nacht;
Und Tag und Nacht erfüllten sich mit Schwärmen
Die Räume der Theater und der Thermen.

Auf einmal trübt des Glückes Glanz ein Schatten;
Als wie ein böser Stern die Kunde kam,
Daß in Germanien dem Volk der Katten
Ein römisch Heer erlag, da furchte Scham
Das Angesicht von Livia's stolzem Gatten,
Im Goldpokal ein Tropfen bitt'rer Gram;
Erschüttert hörten des Pallastes Hallen;
Des Varus Legionen sind gefallen.

Hart dröhnten durch der Tempel Marmorböden
Die schweren Speere vom Cherusker-Hain,
Trotz Lied und Saitenspiel des Citharöden
Schlich eine tiefe Bangigkeit sich ein –
Augustus aber sah sein Haus veröden
Im höchsten Alter, kränkelnd und allein,
Und wie sein Reich und sein Besitz vollkommen
Am letzten Ziel des Lebens angekommen.

Das düst're Bild der inneren Zerstörung,
Tiber, empfing den schwer gedrückten Staat.
Mit ihm begann das Zittern vor Verschwörung,
Das Schleichen, und der Name Hochverrats
Und an den Grenzen lauert die Empörung;
Hohnlachend stößt er von sich den Senat,
Mit kalter Ruhe mordet er die Seinen
Und Alle, die ihm noch gefährlich scheinen.

Im Osten ragt ein Kreuz emporgerichtet,
Am Kreuz des Menschen Sohn. Die Erde bebt,
Sie fühlt, die Macht des Todes ist vernichtet.
In Ewigkeit wird leben, wer ihm lebt.
Ein Strahl vom Himmel hat die Nacht gelichtet,
Und über Allem siegesreich erhebt
Der Glaube sich an einen Welterlöser;
Erhöhter steht der Mensch, die Gottheit größer.

Verfinstert ward der Tag, und tönend sprangen
Die Gräber auf, als sich geneigt sein Haupt;
Entsetzen faßt das Volk und reuig' Bangen;
Ja selbst Pilatus, wenn er auch nicht glaubt,
Fühlt tiefes Mitleid, und er ruft befangen:
»Erstanden ist er, sagt ihr, nein, geraubt
Hat man den Leichnam nur von seiner Stätte;
O daß man nicht sein Blut vergossen hätte!«

Die Pharisäer in den Synagogen
Zerrißen ihr Gewand und schrieen; »Wer
Vertheidigt ihn? – Er hat das Volk betrogen,
Er hat den Tod verdient und dreimal mehr!«
Doch aus dem Thore stürzt wie Sturm in Wogen
Verzweiflungsvoll ein Greiser – Ahasver:
»Du wolltest Ihm die kurze Rast nicht gönnen,
Nicht ruhen sollst du, sollst nicht sterben können!«

Tiber vernahm noch nichts von jenem Tage,
Trotz alldem aber drang ein Dämmerschein
Des Lichts in seine finst're Brust, das Zage
In seinem Stolz, die bangen Träumerei'n
Inmitten der Triumphe, der Gelage,
Sie zeigten seine tiefe Seelenpein.
Sie hießen ihn mit ahnungsvollem Beugen
Und unbewußt von einem Höhern zeugen.

Es wurde wahr, woran die Jünger glaubten:
Zerbrechen müsse bald das starre Band
Der alten Welt; man wagte zu behaupten,
Die Erde sei für Alle Vaterland –
Auch für die Aermsten, für die ganz Beraubten.
Die Saat der wunderbaren Lehre fand
Bald tiefen Grund in all' den jugendstarken
Bewegten Völkern an der Zukunft Marken.

Und weiter rollten die Erschütterungen
In Asien, an der Donau und am Rhein,
Es kam Germanicus noch vorgedrungen
Zum Grab des Varus im Cheruskerhain.
Von Wehmuth und von tiefem Schmerz bezwungen,
Erblickt sein Heer das bleichende Gebein
Der hier Gefallenen, der Erschlag'nen Knochen,
Die Stelle noch, wo Varus sich erstochen.

Da lagen noch die Waffen; halb Gerippe
Die Leichen, bald zerstreut, bald aufgehäuft,
Des Trotzes Zug noch auf erstarrter Lippe.
Wohin man die Gefangenen geschleift,
Da lag der Wölfe Mahl noch an der Klippe;
Doch wenn durch's Thal der Nebelflug gestreift,
Da, mit dem Jagdspeer auf dem Leichenfelde
Erblickten sie den Schatten der Thusnelde.

Wohl bebten da die stolzen Weltbekrieger,
Die Letzten, die der Wölfin Kraft gesäugt,
Die Sieger, die am Euphrat, Nil und Niger
Die Allmacht ihres Waffenruhms bezeugt,
Und eilten nach dem Rhein, obwohl schon Sieger.
Es hatte ja Segestes sich gebeugt,
Erschlagen lag Armin im Vaterlande,
Und Marbod aß das fremde Brod der Schande.

Tiber indeß beschließt sein müdes Leben;
Caligula! Still, still, der Cäsar naht!
»Der Himmel wollt' euch nur ein Gastmahl geben;
Erstick' in Rosen, kriechender Senat!«
Chäreas Dolch erreicht ihn, als ihm eben
Ein cynisch Wort entfuhr. Nach dieser That,
Der Vorzeit werth, folgt auf den altersschwachen,
Blödsinn'gen Claudius das Haupt der Drachen.

Und nicht mehr enden will das Wuthgelächter,
So hoch warf die empörte Fluth den Schaum
Bis um den Nacken sieggekrönter Schlächter,
Der Toga Purpur einen neuen Saum.
Weh über euch, des Menschenrechts Verächter!
Schon tönen unter eurem wüsten Traum
Des Siegers Hymnen, aus der Gruft blühn Palmen,
Und durch's Gebrüll der Löwen jauchzen Psalmen.

Gewaltig in der Größe der Verbrechen
Nie durch des Unglücks Weihe, stolz und groß,
O sieh' da, die Matronen, von den frechen
Hetären weggedrängt. Die, deren Schooß
Den Scorpion getragen, hör' sie sprechen:
Um Agrippina schwebt das Todesloos.
»Die Sklavin schwört bei Neros trunknen Küssen,
Er werde noch die Mutter tödten müssen.«

Des Mondes Licht, die Wellen überbreitend,
Beglänzte Bajäs Bucht, da zog heran
Ein Prachtschiff Nero's, leicht die Fluth durchgleitend,
In stiller Mitternacht die feuchte Bahn;
Auf Polstern sanft der Lyra Klang begleitend
Begann ein wechselnder Gesang im Kahn,
Der Tempel Säulen schimmerten von ferne,
Still war das Meer, der Himmel voller Sterne.

Noch war das Boot nicht weit ins Meer gedrungen,
Als plötzlich das Verdeck zusammenbrach,
Durch eine Last von Erzen eingezwungen.
Und mit hinunter sank das Schiffsgemach.
Des Muttermörders Anschlag schien gelungen;
Doch Agrippina rang sich allgemach,
Vom Einsturz zwar verletzt, auf einem Brette
Mit Schwimmen ans Gestad durchs Wogenbette.

Betäubt von Angst, erschöpft von ihrer Wunde,
Erreichte sie ihr Landgut, bleich von Qual;
Die Mörder kamen nach – Aus welchem Grunde
Kommt ihr? – Weil Nero deinen Tod befahl. –
Sie lächelte mit dem erblaßten Munde,
Die Seele ging schon in des Hades Thal;
»So stoßt denn zu, kommt ihr den Leib zu morden,
In dem das Ungeheuer groß geworden.«

Und weiter mordete der Unversöhnte,
In Allem wüthend wie im eig'nen Haus.
Rom stand in Flammen. – Nero sang und höhnte:
Ans Kreuz die Christen! – Rache kam. – Voraus
Ging Gallien – es sterbe der Gekrönte!
Und endlich schloßen ihn die Väter aus,
Nun schrie das Volk, den Würger zu entthronen,
Und nun empörten sich die Legionen.

Noch war nicht halbe Mitternacht vorüber,
Als der Tyrann von seinen Polstern sprang
Und bebend in der Dunkelheit hinüber
In seiner Höfe leere Räume drang;
Hier tönte nichts mehr als die ferne Tiber,
Die dürstend ein Sirenenlied ihm sang;
Hohnlachend schlug der Wind die Thüren zu:
»Kommt Niemand, Niemand? Phaon, bist es du?«

»Ich will auf eine meiner Villen reisen,
Begleite mich, bist du vielleicht ein Christ?
Mit welchen Gründen willst du mir beweisen,
Daß unsre Seele unvergänglich ist.
Die Dolche prüf' ich, nicht mehr unsre Speisen –
Nimm die Phiole, nimm den Amethyst! – «
Und unbeschuht und nur im Unterkleide
Wirft Nero sich auf's Pferd – zum Orkus – Eide!

Die Pferde scheuten, bäumten sich und schnoben,
Quer auf der Straße lag ein Leichnam da,
Ein Prätorianer, seinen Arm erhoben,
Begrüßte ihn, als er sein Antlitz sah.
Auf! weiter ging's, daß rings die Funken stoben,
Fort durch Gestrüpp und Moor, und fern und nah,
Hoch über ihnen glänzten noch die Sterne
Auf Thermen und Arenen in der Ferne.

Am Himmel zeigte sich ein Wetterleuchten –
Zugleich drang ein Getös' vom Lager her –
Zwei Männer sahen, wie die Pferde keuchten
Und einer trat heran und frug: »Woher?«
Der Wüth'rich, dem sie schon Verfolger däuchten,
Verhüllte sich, da schrie der Mann: »Sieh' der!« –
Das sind die Reiter, die auf Nero spähen,
Kommt ihr von Rom, was wird mit ihm geschehen?

Auf einem Brachfeld, seines Lebens Ziele,
Gewährt ein Sklavenhaus, weitab von Rom,
Die letzte Rast; »Ach, rief er, ach wie Viele
Sehn diesen Tag nicht mehr. Ist's kein Phantom
Das Leben?« Wenn jetzt in des Circus Spiele
Die Menge strömt, dann murrt der Menschenstrom;
»Wo bleibt der Cäsar?« Wär's doch schon geschehen –
Was mein Begräbniß braucht, ich will's noch sehen!«

Bald hörte man die Reiter vor dem Hause. –
Er stieß den Dolch sich in den Hals und sprach,
Als man ihn noch verband nach einer Pause;
»Das heiß' ich Treue!« Seine Stimme brach,
Es däucht' ihm, über seinem Haupte brause
Die Volkswuth und er stirbt. In solcher Schmach,
Daß Jedes Blick sich schaudernd abgewendet,
Hat solch' ein stolzer Frevelmuth geendet.

Ein Jubel, als ob tausend Ketten sprängen,
Erscholl hierauf; doch hielt kein Glück mehr Wort,
Vitellius' und Otho's Heere drängen
Auf Rom herein und siegen hier und dort,
Die Fackel zündet in den Säulengängen,
Und in den Straßen wälzt die Gluth sich fort.
Ein Bürgerkrieg beginnt, verderbenschwanger,
Und Rom wird ein von Blut gedüngter Anger.

Gleich ungleich wie ihr Glück war beider Ende,
Der Selbstmord und die Schmach. Vespasian,
Ein Greis und wie der Tag der Sonnenwende,
So hoch und so geneigt tritt in die Bahn.
»Heilbringer!« ruft ihm der Senat: »Vollende,
Gesegneter! ein bessrer Tag bricht an.
Gib Friedensstille, Heilung jeder Wunde,
Gib einen Ruhetag dem Erdenrunde!« –

Verwundert aber sah die Zeit geschehen,
Was unerhört und ganz unglaublich schien,
Sie weigern sich, die Götter anzuflehen,
Sie weigern, vor des Kaisers Bild zu knie'n;
Wie lauter, engelrein war im Entstehen
Das Christenthum! Nimm, riefen sie, nimm hin
Den Kelch der Leiden! Sterben, o wie gerne!
Tön' himmlischer Gesang der Morgensterne!

Doch, die nicht opfern wollen, wirf den Thieren
Des Circus vor! befahl das Machtgebot. –
O, siehe, wie sie sterbend triumphiren!
Der Christen Aeltester theilt Wein und Brod,
Die Palme soll den Ueberwinder zieren,
Und hohen Blick's erwarten sie den Tod.
Die Löwen haben mit den Lilienarmen,
Nur jene Henker fühlen kein Erbarmen.

Die Märtyrer erhoben ihre Arme
Zu Zion, das mit hinsank in den Staub,
Und Titus ritt, als ob er sich erbarme,
Zum Tempel durch die Flamme. Aber taub
Dem Wehschrei eines Volks im tiefsten Harme
Beluden seine Krieger mit dem Raub
Des Tempels ihre Rosse – »Hieher; unter
Ruinen schreibt! Die Juden wie Sagunter!«

Jerusalem hing seine Todesschauer
Den kommenden Jahrhunderten um's Haupt.
Es werde Zion rächen der Erbauer,
Der letzte Jude sterbend hat's geglaubt.
Wie Wittwen stunden jetzt in tiefer Trauer
Die Mauern, die der Römer ausgeraubt.
Der Rächer kam, er kam in fürchterlichen
Verwüstungen, er kam in Glut geschlichen.

Die alte Welt empfand, sie war verloren,
Denn übermenschlich schien ihr, was geschah,
Manch Wunder wurde von der Furcht geboren,
Worauf die Zeit der Dinge Fall ersah,
Und eines Tages vor Tarentums Thoren
Lief alles Volk zum Strand, ein Schiff war da,
Und immer wiederholt von Mund zu Munde
Ging eine unerhörte bange Kunde.

Es hatten Schiffer von Aetoliens Küste
Ein wunderbar Erlebniß mitgebracht;
Sie fuhren, als der Tag schon ging zu Rüste,
Entlang den Inseln hin; still kam die Nacht,
Als ob sie eine Letzte werden müßte,
Und nun das Schiff so hin trieb still und sacht,
An Bord war Alles wach, die Leute speisten
Und sangen, währenddeß die Becher kreisten.

Auf einmal war's, als riefe wer bei Namen
Den Steuermann vom Land herüber an,
Und seufzend über See die Worte kamen:
»Wißt ihr es schon? todt ist der große Pan.«
Es staunten Alle, die den Ruf vernahmen,
Und als das Boot dem Strand begann zu nah'n,
Erscholl's: »Der große Pan ist todt in Lüften,
Der große Pan ist todt in Wald und Klüften.«

Wie wenn Verwundrung sich und Seufzen mische,
So klang's, nicht wie von einem Menschen nur,
Nein, wie von vielen Stimmen ein Gemische,
Als läg' in Todesröcheln die Natur.
Dann kam, rief, der's erzählte, ein Gezische,
Ein Heulen, daß mir's durch die Seele fuhr,
Noch nie gehört ward eine solche Klage,
Und wird's nie wieder bis zum Schluß der Tage.

Es stürzten, denk' ich mir, von ihren Thronen,
Aus ihrem Reich des Himmels in die Nacht
Die einst die Welt beherrschenden Dämonen,
Gebrochen durch der Welterlösung Macht.
Ich aber nahm dabei zwei Halkyonen,
Um unsre Segel flatternd, wohl in Acht,
Ich sah, als sie im Flug ans Ufer kamen,
Wie beide menschliche Gestalten nahmen.

Und von den Höh'n klang überall hernieder
Ein tausendstimmig lobender Gesang;
Denn Menschendasein ward nun Jenen wieder,
Die einst der Abgott in Verwandlung zwang;
Es lösten sich aus Wurzeln zarte Glieder,
Aus Zweigen los, und aus der Quelle sprang
Noch thränenfeucht die Nymphe, neu dem Leben
In edlerer Gestalt zurückgegeben.

Und in noch todt'ren Reichen riß vom Bande
Des starrsten Todes sich die Liebe los,
Wo nach der Seele letztem Widerstande
Das Felsgestein Gefühl und Sinn umschloß.
Gerung'ne Arme, flatternde Gewande.
Und weit hinaus im blauen Meeresschooß,
Aus Klippen schwoll in athmender Bewegung
Die Lust der auferwachten Lebensregung.

Und die der Schmerz verschrumpft in Thiergestalten,
Die bang umhergeschwirrt mit scheuem Flug,
Die sich zum Schlangenleib zusammenballten,
Und welche stumm die Fluth im Schooße trug,
Sie fühlten Form und Gang zurückerhalten,
Der Sprache Laut, des Lächelns sanften Zug,
Nicht mehr die Hülle, die sie längst verloren,
Ein Leib umschloß sie, nicht mehr staubgeboren.

Und froh vereinten sich die nun Verklärten
Und theilten sich in die und jene Schaar,
Und wählten sich einander zu Gefährten,
Je nach dem Leid, das überwunden war,
Und das sie still noch in Erinn'rung nährten,
Und so wie Schwalben ziehen spät im Jahr,
Entflogen sie nach Eden, durch Aeonen
Den Märtyrn dort zu winden ihre Kronen.

Auf diese Worte saß vertieft im Sinnen
Rings Alles um den Redner still am Strand;
Daß Niemand ein Gespräch mehr zu beginnen,
Noch weiter sich zu fragen unterstand,
So sehr war aller Schau'n gekehrt nach Innen;
Und als er plötzlich ihrem Blick entschwand,
So riefen viele laut: »Aus Todes Banden
Scheint dieser Mann, er selbst scheint auferstanden.«

In Manchen regte sich sogar die Frage:
»War er ein Bote dessen, der verhieß,
Bei uns zu bleiben bis zum jüngsten Tage?
War er es selbst, der sich herniederließ? – «
So ging von diesem Tage bang die Sage,
Als ein Ereigniß, mächtiger als dieß,
Den Schrecken des Jahrhunderts noch vermehrte
Und Aller Herz in bange Zweifel kehrte.

Campanien in früher Morgenstunde
Lag still beglänzt vom Licht des Mondenkahns,
Da dröhnte der Vesuv in seinem Grunde –
Dann tiefe Stille, nur den Ruf des Hahns
Vernahm man und ein Angstgeheul der Hunde;
Allein die Stadt am Fuße des Vulkans,
In süßem Schlaf noch lag sie, selbstvergessen,
Verborgen unter Lorbeer und Cypressen.

Es wurde Tag, es stieg am Meeressaume
Ein trüber Dunst empor, kein Lüftchen blies.
Es regte sich kein Blatt, kein Zweig am Baume,
Als sich ein zweiter Donner hören ließ;
Da sprang man auf, erwacht vom schönen Traume,
Der für den Tag nur Glück und Lust verhieß.
Ach, riefen sie zu Jupiter, ach Vater,
Gönn' uns auch heut' noch Kränze und Theater!

Und jubelnd strömten sie zu Spiel und Freuden,
Zum Spiel des Circus, um den schwülen Tag
In Müssiggang und Schaulust zu vergeuden;
Nun weckte lauter als ein Donnerschlag
Ein Schwanken in den Säulen und Gebäuden,
Sie fuhren auf von Polster und Gelag,
Und schon verbarg in eine schwarze Wolke
Die Sonne sich vor ihrem bangen Volke.

Wo sich das wildeste der Ungethüme,
Das erste Volk der Welt so wohlgefiel,
Im Circus war es und mit Ungestüme
Verlangte schon die Menge nach dem Spiel;
Und daß sich jede Stadt des Sieges rühme,
Den Titus jüngst errang, so wurden Ziel
Der Mordlust heut die Christen und die Juden,
Dazu die Löwenzwinger sich entluden.

Und dreimal hörte man die Tuba dröhnen,
Der Prätor trat hervor und sagte: Muth!
Ein großes Schauspiel wird die Feste krönen,
Ergötze dich, Pompeji's Volk am Blut,
Das fließen soll, die Götter zu versöhnen,
Denn ihre Läugner werfen wir der Wuth
Des Löwenpaares vor, seht da sie kommen;
Den Christen sind die Fesseln abgenommen.

Als diese sich im Rund des Circus fanden
Und über sich die dunkle Wolke sah'n,
Erhoben sie die Arme, frei von Banden,
Und stimmten laut die Lobgesänge an:
»Gepriesen sei, o Herr, in allen Landen
Dein Name, großer Gott!« Voran, voran!
Rief wüthender das Volk, und hin und wieder
Fiel Asche schon in dünnen Flocken nieder.

Es blitzt, noch hört man Jauchzen und Gelächter,
Der Götter eh'rne Bilder stürzten ein,
Entsetzt floh'n vom Altar die Opferschlächter,
Und dichter fiel der Aschenregen ein.
Poseidon! riefen jetzt die Tempelwächter,
Und plötzlich wurde Nacht aus Sonnenschein.
Schon sanken viele leblos hin, dem Regen
Folgt tiefe Finsterniß auf allen Wegen.

Verhüllten Hauptes eilt man, Hilfe schreiend,
Vom Markt und vom Theater und vom Schmaus,
Auf finstrem Pfad der Hecate sich weihend;
Wer niedersaß, wer sich nach seinem Haus
Zurückbegab, den hüllte dicht beschneiend
Die Asche völlig ein, jetzt mit Gebraus
Wich weit das Meer zurück von seinem Strande,
Und ließ das Seegethüm auf trock'nem Lande.

Und donnernd kam es dann zurück und deckte
Den Abgrund wieder zu, die Woge schien
Sich selber zu verschlingen, Feuer streckte
In Blitzen sich herab, so daß Entflieh'n
Fast mehr noch als Zurückzugeh'n erschreckte,
Und Manche ihre Hände ringend schrie'n:
»Die ew'ge Nacht! kein Gott ist, der uns rettet,
Der Hades, die Titanen sind entkettet!«

Des Berges einer Theil war eingesunken;
Im Feuer, das von dort herniederschnob,
Erschien der Häuser Brand wie schwache Funken.
Das sahen die, wo dünner Asche stob,
Die nach den Booten schwammen halbertrunken,
Als aus Betäubung sich ihr Blick erhob,
Um durch die Finsternisse nach dem grauen,
Verschütteten Gestad zurückzuschauen.

Wie hatte sich verwandelt, o Cythere,
Die Bühne deiner sonnbeglänzten Bucht!
Wie grauenvoll! Apollo, Zeus und Here
Entschwanden mit der Wolken jäher Flucht,
Neptun erhob sich dräuend aus dem Meere,
Und Hermes führte durch die schwarze Schlucht
Zum Thor Proserpina's die Schaar der Seelen,
Geschmückt mit Kränzen noch und mit Juwelen.

Der Flötenschall, in Wonnerausch verloren,
Die Säulen von der Fackeln Gluth beraucht,
In Farbenduft vom Sonnenlicht geboren,
Die leuchtenden Gemälde, hingehaucht
In lauter Blumen, Titan und die Horen,
Und Aphrodite, die dem Meer enttaucht:
Auf jedes Glück und fröhliche Begebniß
Sank nun ein tausendjähriges Begräbniß.

Die Masken, die Sandalen und Cothurne,
In Moder hingeweht, Cypressenlaub,
Die Schaalen voller Gold, und nun die Urne,
Doch unverwest die Leichen, Staub bei Staub,
Entrückt dem Alles zwingenden Saturne,
Und Alles doch zumal des Todes Raub;
Der Herr, die Sklaven, Mütter, Kinder, Gatten,
Gefesselt Alles in das Reich der Schatten.

Indeß glänzt nochmals sternenhell der Aether,
Die gold'ne Zeit des weisen Hadrian,
Und eine Würde noch umgibt die Väter,
Sever erhält, es schirmt Aurelian.
Doch wie die Sonn' im Spätherbst immer später
Und müder scheint auf ihre Winterbahn,
So selt'ner und erlosch'ner kommen wieder
Die bess'ren Genien und leuchten nieder.

Der Herr gab Israel die zornesvollen
Propheten, dir an deiner Tage Schluß
Den Mann, der mit der Freiheit letztem Grollen
Ein letzter Fels, in deinem Lethefluß
Dein Todesurtheil schrieb in erzne Rollen;
Der Weltgeist, Rom! gab dir den Tacitus,
Der keinen Hauch der Wahrheit schuldig blieb,
Der ew'ge Geißeln den Tyrannen schrieb.

Es war am Meeresstrand in einer stillen
Seestadt von Tuscien oder Latium,
Und eine jener hochgelegnen Villen
War sein Sabinum, war sein Tuskulum;
In stiller Nacht beim Schlummerlied der Grillen
Schien durch der Muse friedlich Heiligthum
Die kleine Leuchte vor der Büste Platos,
Und gab ihr letztes Licht den Manen Catos.

Hier schrieb er seine Warnungen und Lehren,
Wies der Verderbniß gift'ge Wurzeln bloß,
Entkleidete von unverdienten Ehren,
Und machte das Geschmähte wieder groß;
Vergeblich rang sein Geist dem Gift zu wehren,
Das von Geschlecht sich zu Geschlecht ergoß,
Jahrzehend um Jahrzehend sah in Lücken
Gefall'ner Größen Niedrige sich drücken.

Ihr starbet, ja ihr habet überwunden,
Ihr Weisen Roms, der Stoa Meisterstück
Gelang euch, ja ihr starbt an schönen Wunden,
So kalt doch nicht, so treulos wie das Glück;
Das Glück habt ihr allein in euch gefunden,
Mit sanftem Blick sah Seneka zurück,
Als Thränen seiner Gattin Aug' versuchten,
Und tausend Zungen seinem Mörder fluchten.

Ihr wußtet zu genießen, zu entsagen,
Wenn auch Despotenwuth mit Hohn zerriß
Das Heiligste, dann eure Flammenwagen
Bestiegt ihr, des Gedankensiegs gewiß,
Ihr lehrtet und ihr lerntet Kronen tragen;
So glänzt der Marmor hell in Finsterniß,
So blicken Götter mit Erbarmermiene,
So jene Gütigen, die Antonine.

Ihr habt den Schirling ruhig ausgetrunken,
Kühn spracht ihr vor dem gleißenden Gericht,
Und mit euch theilte, ganz in Gott versunken,
Die erste Christenschaar die hohe Pflicht.
Noch sterbend warft ihr den Prometheusfunken
Den Geistesmördern in ihr Angesicht,
Den Ungeheuern in dem neuen Babel,
Domitian, Commodus und Heliogabel.

Nur von des Lasters Größe übertroffen
Ließ eine ungeheure Tyrannei
Der Tugend einzig einen Ausweg offen,
Die Wahl des Todes, die allein blieb frei,
Was wagte diese Menschheit noch zu hoffen?
Sie hoffte auch nichts mehr, mit einem Schrei
Bacchantischer Verzweiflung warf sich Alles
Dem Abgrund zu des allgemeinen Falles.

Ha, wie sie stürzten von den gold'nen Stühlen,
Die rasenden Halbgötter, dort und hie
Mit Mienen, denen Furcht, den Tod zu fühlen
Das Ausseh'n sterbender Bacchanten lieh,
Auftaumelten von ihren Purpurpfühlen
Und hoch noch jene Leuchter hielten, die,
Erst einer Welt Leuchtthürme, jetzt verdammten
Berauschten Tigern in die Höllen flammten. –

Und nieder stürzten in dem Donauthale
Die Zinnenthürm' im dunklen Föhrenhain,
Am Weserstrand, am Rhein und an der Saale
Drängt überall germanisch Volk herein,
Der Markoman, der Cueve, der Vandale
Und auf der Straßen altem Quaderstein
Und auf dem Wall des Römers unter Tannen
Grast weidend schon das Roß der Alemannen.

Noch eilen, aber schon mit müdem Fluge,
Der Legionen Adler in den Sieg,
Denn von der Erndte fort und fort vom Pfluge
Weist man die Jünglinge und in den Krieg;
Der ältere Soldat auf seinem Zuge
Durch Länder, deren Kriegslärm immer schwieg,
Aus Völkern schon, die sich vom Joch befreien,
Gewöhnt sich nun an Mord und Meutereien.

Und aus den Meutereien der Provinzen
Erhoben sich vielköpfig wie das Thier
Der Weissagung, auf's Schwert beschworne Prinzen,
Des Purpurs Prätendenten, drei und vier
Und fünf zugleich – das Sinnbild auf den Münzen;
Der Schmuck der Waffen und des Reichs Panier,
Der Dienst der Tempel und die Staatsverwaltung
Erfahren bald die größte Umgestaltung.

Da der erschien, der für die späten Saaten
Den Erntetag ersah, der Alles um
Und auswarf um den Preis der Reichszierrathen,
Da Constantin erhob das Christenthum,
Und sein Byzanz zur Hauptstadt aller Staaten,
Noch lächelten die Götter, aber stumm,
Man ächtete die Bilder – eitles Mühen!
Die Seelen waren fort, und fort das Blühen.

Lemuren nur und Schemen und Empusen
Bewegten noch, als Alles unterging,
Ihr wankend Haupt; die letzte holder Musen
War lachend aufgetreten und empfing
Mit stolzem Hohn den Dolch in ihrem Busen,
In Trotz und keckem Uebermuth verhing
Die alte Welt, wie Lucian der Spötter,
Das Schicksal über sich und seine Götter.

Ein anderer August, vielleicht auch rauher,
Vielleicht auch muthiger war Constantin;
Von Osten rückt das Unthier, ein Centauer,
Verschlingend auf den Westen los – dorthin
Zum Hellespont! Dort steh'n wir auf der Mauer –
Mit dieser Losung schlug er den Licin,
Und trug im Helmschmuck eines neuen Kriegers
Die Fahne mit dem Bild des höchsten Siegers.

Der finstre Galien auf flücht'gen Rossen
Sank kämpfend unter in die Tiberfluth;
Er hatte noch die Bücher aufgeschlossen,
Die sibyllinischen, und voll von Wuth
Noch Pfeile nach dem Gegner abgeschossen,
Der Letzte der Verfolger. Jenes Gut
Tragt mehr als meines, mög' sein Thron ihm ragen,
Ich fluch' ihm, ihm und allen seinen Tagen!

Byzanz! umhüllt mit goldnem Widderfelle,
Die rostbenagten Schlüssel in der Hand,
Tiefsinn'ge Hüterin der alten Schwelle,
Seitdem dem alten Rom im Abendland
Dein Schattenbild am Thurm der Dardanelle,
Im Licht, im Weg und gegenüber stand,
Seitdem sollt' auch für Zions alte Zinnen
Mit Constantin ein neuer Glanz beginnen.

Mit Schätzen aus den Tempeln der Hellenen
Beschenkte seine Mutter Helena
Den Boden, den sie selbst benetzt mit Thränen,
Die Stätte, die den Heiland wandeln sah;
Doch sang das Volk Apollon und Athenen,
Und in Eleusis und Olympia
Nur um so jauchzender um seine Sänger,
Je mehr der Scepter härter ward und strenger. –

Nacht in Paris war, Schwerterglanz und Fackeln –
Da öffnete die gallische Legion
Das Kaisersiegel in den Tabernakeln
Und rief den Cäsar Julian zum Thron;
Er opferte den Göttern und Orakeln
Vergeblich! Alle waren schon entfloh'n;
Trotz der ihm vom Olymp gefall'nen Schilde
Erlag er frühem Tod im Schlachtgefilde.

Denn ohne Wärme war zu den Altären
Das Feuer um Apollon aufgeraucht,
Die Gnostik mochte die Natur erklären,
Naturen aber hatten ausgehaucht;
Und fern war wieder aus den Erdensphären
Die Schönheit in ihr Reich zurückgetaucht,
Die Welt war kühl, ja kühl bis zum Erfrieren,
Man hatte fast kein Blut mehr zu verlieren.

Und immer finstrer wird der Weg und schmäler,
Es schreiten, ihren Heeren unterthan,
In Purpur aus dem Schutt zerstörter Thäler
Der rohe Knechtssinn und der finstre Wahn,
Nicht minder sinnreich grausam harte Quäler
Als einst ein Nero und Domitian.
Ein Wort schon brachte Tod; die Zeit vollendet
Ihr Werk, indem sie mit Verstummen endet.

Erloschen sind Gestirne, Nationen,
Ihr Nachglanz leuchtet in die fernste Nacht!
Zur Freiheit sind nach jahrelangen Frohnen
Schon halbversunk'ne Völker neu erwacht;
Sie blicken nach der Väter Lorbeerkronen,
Erheben sich, und in verjüngter Macht
Versuchen sie auf Schiffen, Roß und Wagen
An's Kampfziel einer neuen Zeit zu jagen.

Nicht lang mehr werden Muth und Thatlust rosten,
Siegreich in neuen Morgenröthen stieg
Der Thaten Sonne wieder auf im Osten,
Nachdem sie zürnend manch Jahrhundert schwieg;
Der Süden flammt, die Abendlande glosten,
Und Alles deutet für die Völker Sieg;
Von allen Höh'n, der Knechtschaft überdrüssig,
Macht junges Licht das Eis der Vorzeit flüssig.

Von Frühlingsnebeln geht der Mond umflossen
Still im Zenith durch's tiefe Nachtazur;
Es sucht und fühlt in Knospen, halb erschlossen,
Ihr auferwachend Leben die Natur.
In allen Lüften mait es, Keime sprossen,
Und nicht im Schooß der stummen Erde nur;
Lebendig wird in Wonnen und in Schmerzen
Ein neues Dasein auch im Menschenherzen.

Sei mir gegrüßt du milder Frühlingshauch,
Sei mir gegrüßt du Strauch von jungen Rosen!
Ihr seid's allein, die ich zum Dichten brauch',
Wenn abendlich im Vorhang Lüfte kosen,
Am Pult mir Blumen blüh'n, Frühwolken auch
Verkünden, daß nun bald die Donner tosen,
Daß bald vom Blitz der ersten Junigluth
Gekrönt der Berg ist und von Schaum die Fluth.

Wie süß ist's, Ruder in den See zu schlagen,
Wenn noch die Wellen deckt ein Nebelflor,
Wie süß in Frühlingsnächten hinzujagen
Auf schnellem Roß durch Haide, Wald und Moor,
Durch Gegenden, die finstre Züge tragen,
Wo Birke nur gedeiht und niedres Rohr;
Auf Bergen auch zu horchen, über Schluchten
Des Waldbachs Sturz, der Woge schnellen Fluchten.

Warum nicht unsre Phantasie betrügen?
Ist doch so Vieles, was uns ernster macht,
Nur ein Erscheinen minder holder Lügen.
Durchschwärmt nicht unsers Erdballs schöne Nacht
Die Menschheit stets in neuen Maskenzügen?
Und wo sie jubelt, wehklagt oder lacht,
Sie folgt der Täuschung wie das Schiff dem Glanze
Der Mondlichtstreifen auf dem Wellentanze.

Verlassen lag ich einst in Finsternissen,
Voll Zweifelsqual, verzehrt von innerm Brand –
Von dir ward ich dem schweren Traum entrissen,
Von dir, Geschichte! Deine Geisterhand
Ließ bald mich mein gequältes Selbst vermissen,
Du gabst die Erde mir als Vaterland.
Gelingt mir je ein Lied zu meinem Ruhme,
Dir folg' es, wie dem Licht die Sonnenblume.

Zwar neigt der Tag schon bald sich meinem Haupte
Und näher rückt des Lebens Mittagszeit,
Und die mit Rosen noch den Tag umlaubte,
Die Jugend, sinkt hinab in Dunkelheit;
Zu früh erbleicht, was man zu dauernd glaubte,
Zu spät wird man von manchem Wahn befreit.
Nur ein Trost bleibt, der Trost, im großen Ganzen
Sich geistig, sich unsterblich fortzupflanzen.

Zersplittert wird die Kraft, der Muth gebrochen,
Die Gluth wird Asche, wie die Hoffnung Schaum,
Doch wird, das Herz im Herz der Menschheit pochen,
Wenn längst zerfloß das Dasein wie ein Traum;
Die Blüthe wird zur Frucht nach wenig Wochen,
Nach Jahren aus der Frucht ein neuer Baum.
Wenn Alles auch ein letzter Tag bewältigt,
Im All lebt Alles fort vertausendfältigt.

Stürmt an, dringt vor ihr tapfern Siegesboten
Des Weltgerichts! Auf! blonder Alarich!
Vandalen, Markomanen, Sueven, Gothen –
Auf Attila! auf düst'rer Geiserich!
Werft diese Stadt hinunter zu den Todten,
Ihr Maß ist voll, ihr graus Gestirn erblich.
Dringt an, stürmt vor, und euren blut'gen Wegen
Folg' Heil und einer neuen Aera Segen.


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