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Fünfter Gesang.
Untergang des Vandalenreiches.

Um Eos schwangen sich im Tanz die Horen,
Indeß ins Meer hinab die Nacht erblich,
Und in Byzanz vor seiner Hofburg Thoren
Erhob ein Drängen sich, ein Murmeln schlich,
Als seine Kriegspräfekten und Prätoren
Der Morgenlande Herr berief zu sich –
Er sprach im Beisein seines ganzen Rathes,
Und zu den Würdeträgern seines Staates:

»Geschehn ist großes Unrecht. Wir dawider
Ermahnten Gelimer mit aller Macht,
Er lege die geraubte Krone nieder,
Da Geiserich das Scepter zugedacht
Dem jezeit Aelt'sten der Familienglieder,
Deß nehm' er nun vor Hilderich in Acht,
Und mög' er auch die Herrschaft selbst erfassen,
Die Würde aber müss' er jenem lassen.«

»Zur Antwort wurde Hilderich geblendet;
Doch wir, sein Loos bejammernd, ruhten nicht.
Die zweite Botschaft, die wir abgesendet,
Erscheint nun hier, und leistet uns Bericht.«
Der Kaiser sprach's, und kaum daß er geendet,
Tritt Pharas sein Gesandter ein, und spricht:
»Lang segnen mögen dich des Himmels Strahlen!
Dieß aber ist die Antwort des Wandalen:

›Der Wille des Vandalenvolks entthronte
Den Hilderich, indem es so mit Fug
Die landesfeindlichen Entwürfe lohnte,
Womit sich heimlich der Verräther trug.
Ich wurde König, wie es die gewohnte
Erbfolge heischt. Bist du gerecht und klug,
So laß von unsern Angelegenheiten,
Wo nicht, du findest uns gefaßt zum Streiten.‹«

Bestürzung lag im Antlitz seiner Räthe,
Als nun Justinian sich erhob und sprach:
»Habt ihr's gehört? Soll nicht, wer Unheil säte,
Auch Unheil ernten; wer Verträge brach,
Gebrochen werden? Auf die Schlange trete,
Wem ihre Zunge nach der Ferse stach;
Ich aber will, daß auf der ganzen Erde
Das Recht und das Gesetz geheiligt werde.

Ich will, daß Niemand umzustoßen wage,
Was festgesetzt ward, damit nirgendwo
Verwirrung herrsche, noch Gewaltthat rage.
Was uns zu Recht besteht, bleib' ewig so.«
Justinian schwieg erstaunt, als seiner Frage
Kein Ausruf folgte, stolz und siegesfroh,
Denn Schweigen statt Begeistrung, statt Vertrauen
War Trauer nur in jedem Blick zu schauen.

»Entdeckt mir eure Furcht, des Schweigens Gründe,«
Rief jetzt der Kaiser, den es tief verdroß;
»Johann von Cappadocien, du verkünde,
Worin liegt die Gefahr, und ist sie groß?« –
»Wer ist,« sprach dieser, »der sich unterstünde,
Und wiche, wo Gerechtigkeit beschloß,
Doch minder nicht ist, deinen Ruhm zu wahren,
Uns höchste Pflicht; so hör' denn die Gefahren:

Erschöpft vom Perserkrieg sind deine Schätze,
Und neue Steuern drückten schwer das Land;
Auch gilt es Inseln erst, und feste Plätze,
Eh du gewinnen kannst Carthago's Strand.
Wenn ich auch unsre Macht nicht unterschätze,
Doch höher acht' ich noch den Widerstand
Von einem Volk, das sich voll Todesmuthes
Vertheidigt bis zum letzten Tropfen Blutes.

Wer erst kann sich mit ihrer Seemacht messen?
Die Schlacht, die Zeno gegen sie verlor,
Die große Seeschlacht ist noch nicht vergessen,
Leicht steht ein gleiches Loos auch jetzt bevor.«
Der Cappadocier schwieg. Es war indessen
Procopius aufgestanden, und beschwor
Den Herrscher, seinen Vorsatz zu vollenden,
Und Belisar als Feldherrn abzusenden.

»Die Gründe,« fuhr er fort, »die mich bestimmen,
Entnehm' ich aus dem Wesen der Natur,
Die Grund von Allem ist, ja auch vom Schlimmen,
Nicht nur vom Guten; aber Ein'ges nur
Läßt sie zugleich die Bergeshöh'n erklimmen,
Und auf dem Wasser leben. Diese Spur
Verfolgend schien mir, daß sich Völker ändern,
Und untergehn in gänzlich fremden Ländern.

Wenn Asien war der Menschheit Schooß und Wiege,
Die Wiege war, worin wir aufgewacht,
So hat dann Afrika, die braune Ziege,
Das Wunderbarste noch hervorgebracht.
Als ob auf ihm der Fluch beim Segen liege,
Voll räthselhafter Formen, ausgedacht
Von einem Sinn, der scheint als ob er schliefe,
Ist Alles dort Bedeutung, Alles Tiefe.

Gelb wie der Sand ist auch des Löwen Mähne,
Und regungslos liegt auf dem Fels der Bucht
Das Krokodil, das Panzer hat und Zähne,
Und welche Füße tragen all die Wucht!
Das Bild des Todes trägt die Nachtphaläne,
Und die Giraffe, wie bestimmt zur Flucht!
Die Antilope folgt der Straußenheerde,
Dem schwersten Flug das Flüchtigste der Erde.

Welch schöner Welttheil, wenn er fruchtbar wäre!
Doch ihn umfaßt ein reiches Perlenband,
Ihm sprießt an seinem Saum der Schmuck der Aehre,
Der Atlas streut mit alter Riesenhand,
Als Wächter am Gebiet der heißen Sphäre,
Aus seinen Flüssen Goldkorn in den Sand;
Den Schaft der hohen Dattelpalm' umwindet
Die Rebe, die hier nie den Frost empfindet.

Was noch Jahrhunderte nachher erzählen,
Das Ungeheure nun geschah. Es kam
Vom fernsten Nord ein Volk, dieß Land zu wählen,
Worin ihm Alles fremd schien, allzuzahm,
Und wie geschaffen, um es todtzuquälen.
Doch solche Weichheit legt die Stärke lahm.
Man sieht den Blitz in Wogen untergehen,
Und Steine trümmern, die ihm widerstehen.

Jedoch, wenn alle Donner sich entlüden,
Es bliebe die Sahara wüst und leer,
Und nie vereint der Norden sich dem Süden,
Zog gleich von dort heran ein zahllos Heer.
Ich fürchte nur, o Herr! dich zu ermüden,
Sonst sagt' ich dir von jenen Völkern mehr.«
»Nein,« rief der Kaiser; »sag', woher sie kamen,
Und nenn' uns ihrer Heimath dunkle Namen.«

»Es waren die Vandalen und Alanen,«
Fuhr nun Procopius fort, »vom Elbestrand,
Woher in alter Zeit des Stammes Ahnen
Gezogen waren, erst im Heerverband
Der Markomannen, dann auf eignen Bahnen,
Gelockt vom Aufruf, der von Land zu Land
Die Völker südwärts zog, und sie erschienen,
Wo das Gebirg nach Riesen heißt seit ihnen.

›Wann kommt das Land, die Stadt mit goldnen Thürmen?‹
So frug an jedem Tag ihr Waffenschall,
›Wann werden ihre Mauern wir erstürmen,
Des Südens Reich, wo hinter festem Wall,
Bewacht von feuerschnaubenden Gewürmen,
Die Pforten stehn aus blitzendem Metall?
Wo durch Krystallgewölbe, hell im Dunkeln,
Die goldverzierten Wehrgehenke funkeln?

Wann sehn wir den Palast und seine Zinnen,
Der bis zum Himmel reicht, und wann den Thron
Des Herrschers und der stolzen Königinnen?
Dort wird uns Ehre blühn und reicher Lohn,
Dort werden wir der Gärten Pracht gewinnen,
Und hundert Rosse jedem Asensohn.
Auch Schiffe zahllos schwanken am Gestade,
Uns hinzuführen durch der Wellen Pfade.‹ –

Sie kamen auf der Wahlstatt an, sie schlugen
An Theiß und Donau, kriegend und bekriegt,
Mit Quaden sich, mit Gothen, Hunnen, Rugen,
Indem sie siegreich bald, und bald besiegt,
Des Glücks und Unglücks Wechselfall ertrugen,
Erfahrend, daß es selbst die Stärksten biegt,
Denn ihre Besten, angelockt vom Golde,
Gewöhnten sich dem Dienst in fremdem Solde.

Die Andern, die noch nicht so bald erlagen,
Sie rief nach Gallien hin ein Aufgebot,
Dort einen neuen Wohnsitz aufzuschlagen.
So zogen sie denn fort durch Noth und Tod
Mit Weib und Kindern, und zu Roß und Wagen.
Weithin erhellte sich der Himmel roth,
Verdunkelt nur vom dichten Rabenfluge,
Als sie dem Rhein sich nah'n auf ihrem Zuge.

Sie setzten über, drangen vor, die Qualen
Des Krieges folgten, wo ihr Schlachtbeil schlug.
Das nächste Jahr erblickte die Vandalen
An Spaniens Küsten und Gebirg, den Pflug
Ums Schwert vertauscht; gesänftigt von den Strahlen
Der mildern Sonne folgten sie dem Zug,
Der immer aus Gewaltthat und Beschwerde
Den Menschen heimführt zum Bebau'n der Erde.

Nach blutigen und langen Wanderungen
Ward ihnen lieb das heiß erkämpfte Land.
Sie hatten es mit ihrem Blut errungen,
Und sahen es nun an als Friedenspfand.
Und selbst mit jenen, die sie dort bezwungen,
Vereinte sie gar bald manch Treueband.
So fand, von Bonifacius hinbeschieden,
Sein Bote die Vandalen tief in Frieden.

Es rief sie jener Mann, ein ungetreuer
Statthalter Roms auf Afrikas Gebiet,
Entflammt von seines Zorns verruchtem Feuer,
Weil ihm ein falscher Brief die Unthat rieth.
Und Geiserich, längst den Vandalen theuer
Und schon ihr König, sagt es zu, und zieht
Von allen Bergen mit der Volkesmenge
Hinunter nach Gibraltars Meeresenge.

Der Wasservogel flog zu seinen Bruten,
Taucht' in die See, und schwang sich wieder auf,
Das Blau der Welle leuchtete von Gluthen,
Ein zweiter Himmel funkelte herauf.
Da jagten die Vandalen durch die Fluthen,
Und sangen: Segel, ihr mit schnellem Lauf,
Tragt uns ins Land, woher die Stürme wehen,
Durch die der Frühling und die Lust erstehen.

Von keiner Wolke war der Tag beschattet,
Sie kamen an, als flammend im Zenith
Die Sonne stand, zur Stunde, da ermattet
Die Erde lechzend gegen Himmel sieht.
Der Berge Gürtel, kahl und abgeplattet,
Erstreckt sich tief ins maurische Gebiet,
Am Ufer sah mit seines Bogens Wehre
Das dunkle Bergvolk auf den Sohn der Meere.

›Kommt ihr durchs Meer geritten, weiße Söhne
Der Wolke, die am Saum der Wasser schwebt,
Wo flehend, daß des Donners Stimm' ertöne,
Die Regengöttin ihren Arm erhebt?
Hat euch gezeugt die Fluth in ihrer Schöne,
Der Himmel, der in euren Augen lebt?
Es sieht, wer euch erblickt auf euren Rossen,
Der Sonne Glanz um euer Haupt ergossen.‹

Die schweren Lanzen auf den stolzen Nacken,
Sah staunend an des Mauren Tigerblick,
Und nach den goldnen Locken will er packen,
Die lang herunter wallen am Genick;
Und staunend nach den purpurnen Schabraken,
Behängt mit Troddeln und vom Golde dick.
Der Maurenkönig und sein Volk umschlangen
Den Fuß der Fremden, die ans Ufer sprangen.

Wie junge Löwen sprangen die Alciden
Mit lautem Jubel um den Strand der Bucht,
Denn ringsum lag das Land im tiefsten Frieden,
Gesegnet von der Höhe bis zur Schlucht,
Ein Eden und ein Hain der Atlantiden,
Die Quellen rein, die Gärten voller Frucht,
Die Berge, schwellend in den Himmelslüften,
Mit Palmen in den dichtbelaubten Klüften.

Da schoßen bald die Einen nach dem Wilde,
Und jagten bunte Panther in dem Hain,
Und Strauße durch die sandigen Gefilde;
Und Andre brachen in die Heerden ein,
Sie tranken aus dem Bauch gewölbter Schilde
Das Blut der Trauben und den Palmenwein.
Die Schlangen wurden auf das Haupt geschlagen.
Und ihre Haut zum Schmuck am Helm getragen.

Und also kam den Weg der Scipionen
Des Nordens Hannibal, und ruhte nicht,
Um in Carthago's Römerburg zu thronen.
Es ward sein Schwert ein furchtbar Strafgericht;
Und anzukünden den geschreckten Kronen,
Und allen Völkern vor des Himmels Licht,
Vermaß sein Stolz sich, daß ihn Alles ehre
Als König auf dem Land und über Meere.

Frug ihn sein Steuermann, wohin er solle,
So sagte Geiserich: ›An jenen Strand,
Den Gott uns zeigen wird in seinem Grolle –
Er gab, womit er straft, in unsre Hand.‹
So war er überall der Schreckenvolle,
Gefürchtet auf der See und weit im Land,
Ganz eisern schienen er und seine Krieger,
Des Todes Boten nur, und immer Sieger.

Den Stolz, der lästerlich bis an die Zinnen
Des Himmels sich erhebt, solch eitlen Stolz
Läßt Gott wie Regen in den Sand zerrinnen. –
Sobald das Erz der ersten Wildheit schmolz,
Begann zu faulen ihre Macht nach innen,
So sieht man auch den Baum vom Ebenholz
In rosenrother Blüthe stehn, indessen
Sein Mark vom innern Feuer wird zerfressen.

Auf fremdem Boden, morsch durch innre Fehde,
So werden leicht sie zu bezwingen sein.«
Hiemit beschloß Procopius seine Rede.
»Und welche Stimme kommt nun überein
Mit dieser?« frug Justinian. »Jede, jede!«
Ging's durch den Saal. Mit lautem Jubelschrei'n
Ward Krieg beschlossen, und nach zweien Tagen
Dem Belisar die Führung übertragen.

Spät Nachts, des Hauses Stimmen schwiegen alle,
Ward an die Thüre Belisars gepocht.
Vier Riesen trugen in die Säulenhalle
Auf einer Tragbahr' Erde, hochgejocht,
Und auf der Erde wie auf einem Balle
Gepflanzte Bäume, deren Stamm umflocht
Ein reicher Kranz von blütheschweren Dolden,
In Farben silberhell, und roth und golden.

Und in den Blumen mit der Aehrenkrone
Stund, als Carthago, Theodora da,
Zum Helden sprechend: »Ehre sei dem Sohne!
Es ist sein Wille, daß du Afrika
Entreißest seinen Feinden, die zum Hohne
Herabgewürdigt haben Golgatha.
Steh' auf und komm! erkenne meine Gnade,
Und blick' hinüber nach dem Seegestade!«

Und als er jetzt den Blick zum Meere lenkte,
Erschien das Leuchten eines Sternenpaars,
Und durch die Fluth drang, durch die salzgetränkte,
Ein Segel mit dem Namen Belisars, –
Es fuhr, indem es seine Anker senkte,
Dem Rücken ähnlich eines Dromedars,
Vor dem Palastthor auf, die Wimpel glänzten
Im Spiel der Wogen, die den Strand umkränzten.

Die Sonne stieg empor, und Treue schwuren
Der Feldherr Belisar, und dann das Heer
Dem Imperator und den Dioskuren.
Dann beteten um Sieg und Wiederkehr
Der Bischof und das Volk, und also fuhren
Am siebten Tag darnach durchs blaue Meer
Des goldnen Horns die bunten Segel alle,
Mit hellem Ruf und kriegerischem Schalle.

Dem Admiralschiff folgten die Dromonen,
Die leichten Schiffe mit bedachtem Deck,
Um vor dem Feind das Rudervolk zu schonen,
Mit Pferden, Rüstzeug, Waffen und Gepäck,
Mit Schwerbewaffneten aus allen Zonen,
Aus jedem Landstrich, jedem Küstenfleck,
Mit Nubiern, Massageten und Ciliciern,
Befehligt von den edelsten Patriziern.

Es segelten die fünfzigtausend Streiter
Mit Tagesanbruch ab und nach Perinth,
Nach Abydos, nach Tänarum und weiter
Vom Hasen von Methone nach Zakinth.
Das Meer war still, die Tage sanft und heiter,
Und alles siegsgewiß und frohgesinnt.
Die Lichter auf den Masten der Flottille
Beleuchteten des Nachts nur tiefe Stille.

Fünf Tagereisen vor Carthago setzte
Die Truppen Belisar ans Land, und ließ
Das Lager bau'n, er selbst der Erst' und Letzte;
»Vor uns,« begann er, »liegt ein Paradies,
Das Gelimer mit Christenblut benetzte;
Der Quell der Wüste werde wieder süß!
Die Palme mahnt uns, muthig auszudauern.
Muth! unser Siegspreis sind Carthago's Mauern!«

Und auf und mit der Flotte, die sich immer
Der Küste nah hielt, rückte Tag für Tag
Das Heer der Griechen vor, wo Felsgetrümmer
Vom Ufer weit hinaus in Klippen lag,
Verlor sich fern der Segel weißer Schimmer;
So wenn mit ihrem Sturm und Wetterschlag
Die Wolke herzieht in des Aethers Reichen,
Sieht man am Strand die weiße Möve streichen.

In Lydiens Gärten blühten alle Rosen,
Und Quellen sprudelten im Palmenhain,
Akazien rings und schattige Mimosen
Verbreiteten sich vor dem Sonnenschein.
Messeniens Trauben, Persiens Aprikosen,
Der Blüthen Wohlgeruch jahraus, jahrein,
Umgaben rings des Königsschlosses Hallen,
Und ringsum sangen laut die Nachtigallen.

Um dunkle Höhen dehnte sich ein Glühen,
Des Tropenhimmels hellgestirnte Nacht,
Und durch die Nacht erblickte man ein Blühen –
Granatbäum' in der dunkelrothen Pracht.
Jetzt sah man hier die Helme Blitze sprühen,
Und wie zur Vorbereitung einer Schlacht,
Bewegte durch die Bäume sich im Dunkeln
Gestampf von Pferden, Schild- und Speeresfunkeln.

Durchwachter Nächte Gluth auf bleichen Wangen,
Um seidne Tuniken der Schlachten Wehr,
Des Morgens frühe, da die Vögel sangen,
Schritt durch die Gärten König Gelimer,
Und Hilderich, sein Oheim, saß gefangen
Auf einem Kerkerthurm am hohen Meer;
Er hob, daß ihn der König sollte sehen,
Die Hände durch das Gitter auf mit Flehen.

»O Gelimer, warum bei meinem Leben
Warfst du mich in dieß Grab, kann ich dafür,
Daß Recht und Liebe mir den Thron gegeben,
Als Hunn'richs Erstgebornem nach Gebühr?
Bei diesen Rosen, bei den blühnden Reben
Beschwör' ich dich, komm, öffne mir die Thür! –
Glaub', daß ich willig auf den Thron verzichte,
Wenn ich nur wieder athmen darf im Lichte!«

Doch Gelimer, erfüllt von bittrem Grimme,
Der seine Seele bis zum Grund durchfuhr,
Rief nach dem Thurm mit hocherhobner Stimme:
»Entferne deine Hand, ich seh' die Spur
Der Unterwürfigkeit an ihr. Nein, krümme
Die Finger nicht; nicht die Tyrannen nur,
Es sind noch mehr die Feigen und die Knechte,
Die Schuld sind am verderbenden Geschlechte.

Du warst der Mißwachs unter unsern Saaten,
Du riefst zurück die Schlangen in das Reich,
Die wir zertreten hatten, deren Thaten
Nicht Eines kommt von deinen Werken gleich,
Denn du hast nichts gethan, als uns verrathen;
Du hättest uns, und ohne Schwertesstreich,
Verkauft dem Griechenkaiser, doch zum Glücke
Wog dieser Arm noch mehr als Jener Tücke.

Nein, Hilderich, in deine Kerkermauern
Führt keine Thür, und bis zu dir hinan –
Denn nicht mehr lang soll dein Gefängniß dauern –
Steigt schon der Tod. Dir werden balde nahn
Die Raben, die schon vor Begierde lauern
Auf deiner Ringe Gold; horch auf! der Hahn
Hat schon gekräht, mich ruft die Schlachtennorne!« –
So sprechend, gab er seinem Pferd die Sporne.

Und hell erklingend rief von Reih' zu Reihe
Sein Hüfthorn jetzt der Treuen dichte Schaar,
Er rief sie auf zum Bund, zur Kampfesweihe.
Und zum Amatas, der sein Bruder war,
Sprach Gelimer: »Des Himmels Herr verleihe
Den Sieg dem Recht, bei deinem goldnen Haar
Beschwör' ich, daß uns Sieg und Tod vereine;
Gib dein Schwert mir, und du gürt' um das meine.«

»Entreiße mir den Sieg nicht früher,« sagte
Der Jüngling, eh' ich hundert Feinde schlug,«
Und Abschied nahmen dann, indem es tagte,
Die Fürsten der Vandalen. Jenen trug
Sein Roß dahin, wo von dem Meer her ragte
Ins Land hinein ein weiter Höhenzug;
Amatas flog zu seinem Heerestheile,
Und gab das Zeichen zu der Schlacht in Eile.

Heiß auf der Ebne lag der Mittag brütend,
Das Heer der Griechen rückte Schritt für Schritt
Am Ufer vor, die Flanke sorglich hütend,
Und ihm entgegen flog allein, und ritt
So kühn Amatas ein, und schlug so wüthend,
So todeskühn um sich, daß, wo er stritt,
Die Wüste schien sich mit dem Streif zu schmücken,
Den blutigroth empfing der Feinde Rücken.

Er fiel, bedeckt von Wunden, über Leichen,
Das sah, und fiel auch ihm gleich, Gibamund,
Des Königs Neffe, der den Todesstreichen
Der Hunnen unterlag; ein starker Hund,
Ein Goliath, durchstieß des Jünglings Weichen,
Und rühmte sich mit prahlerischem Mund,
Gott hab' ihm seiner Feinde furchtsam Leben
Wie junge Falken in die Hand gegeben.

Das Schlachtfeld war ein öd und baumlos, sandig
Gestadland, kahle Natronpflanzen nur
Und andres dürres Kraut, verkohlt und brandig,
Bringt dort hervor die lechzende Natur.
Das Ufer voll von Klippen, rauh und strandig,
In Hügeln sich erhebend, trägt die Spur
Der unterirdischen Gluth, und ist an Quellen,
An warmen reich, die rings den Grund bewellen.

Noch wußte Belisar, da ringsum Hügel
Die Schlacht verdeckten, Beider Ende nicht,
Er führte nun zuerst den Reiterflügel
Ins freie Feld, und sprach: »Es ruft die Pflicht;
Die Zeit des Kampfs ist da, steigt in die Bügel,
Und zücket euer Schwert mit Zuversicht.
Der Grund, auf den gestützt die Schlacht wir schlagen,
Gibt uns das Recht, den Kampf mit Muth zu wagen.«

Da von den Höhen die Vorausgeschickten
Umspähend hielten, und mit einemmal
Im Westen eine Wolke Staub erblickten,
Drang Gelimer mit einer Ueberzahl
Beritt'ner auf sie los, die Helme nickten,
Es leuchtete der Panzer heller Stahl,
Wie donnernd Halt die tausend Hufe machten,
War's, als ob Teufel aus der Erde lachten.

Schon wich, in Furcht, daß sie gefangen werde,
Die Vorhut Belisars von ihrem Platz,
Und wie der Löwe stürzt auf eine Heerde
Von Antilopen, wie mit einem Satz
Ein Jaguar in Haufen wilder Pferde,
Und wie in Büffel eine Tigerkatz' –
So warfen auf dem Felsenpfad, dem schmalen,
Sich auf die Römer mordend die Vandalen.

Den Sieg verfolgend, ohne nur zu rasten,
Zog jetzt ins Thal hernieder Gelimer,
Hier sah er Die, die kurz zuvor erblaßten,
Um seinen Bruder schrie er bis ans Meer,
Es schien, als ob zwei Leichen sich umfaßten,
Und Kampf und Sieg vergaß er um sich her,
Und lag, verzehrt von Thränen und von Schmerzen,
Der Erde, und dem Todten nur am Herzen.

Und Stund' auf Stunde ging vorüber, Wunden
Auf Wunden schlug des Kampfs ergrimmte Lust,
Und endlich sind die Sieger überwunden;
Doch Gelimer sein selbst nicht mehr bewußt,
Lag regungslos, vom Schmerze festgebunden,
In starrer Trauer an des Todten Brust,
Und unter Thränen sprach er zu den Seinen;
»Ich will ihn ewig, ewig hier beweinen.«

Da ritt ein Fliehender an seine Seite,
Und rief ihm zu: »Verloren ist die Schlacht,
Bereite dich zur Flucht, und such' das Weite!«
Doch Gelimer rief aus: »Ich halte Wacht
Bei diesem Todten hier, er fiel im Streite;
Nicht fort von hier, bis ihr sein Grab gemacht!
Am Felsenquell bei jener Palme Schatten
Laßt uns den Sohn des Gelarid bestatten.«

Schon braust heran der Feind im siegsgewissen
Triumphruf, Belisars Trompete schallt,
Und Gelimer in jenen Finsternissen,
Wo Gram und Schmerz sich um die Seele krallt,
Von seinen Fliehenden mit fortgerissen,
Gebietet seinem Heere nicht mehr Halt,
Nicht vor den Thoren seiner Hauptstadt, weiter
Und weiter jagen mit ihm fort die Reiter!

In stetem Schritt zog Belisar am Morgen
Des zweiten Tages in Carthago ein;
Er nahm das Mahl, wo kaum noch voller Sorgen
Ein Herrscher saß, der nun in Wüstenei'n
Bei Thieren lebte, flüchtig und verborgen,
Und dessen Diener trugen ihm nun Wein
Und Speisen auf, an seine Füße schmiegten
Die Weiber sich und Kinder der Besiegten.

Er frug besorgt, wo Hilderich noch weile
Und Sersaon. »Sprecht! sind sie in Gefahr?«
Ihr Haupt fiel, hieß es, gestern unterm Beile,
Sie starben, als dein Sieg entschieden war,
Auf Gelimers Befehl. »Und ich ertheile,«
Rief jetzt, und hob den Becher, Belisar:
»Verzeihung Allen, Sicherheit und Gnade
Der Hauptstadt und dem ganzen Seegestade.«

Der Augenblick, der mondenlanges Sehnen
Von Tausenden erfüllte, war nun nah,
Die nun die Kerker öffnen sahn mit Thränen,
Weil sie nicht wußten was indeß geschah.
Ein Augenblick des Bebens war es Jenen,
Die mit den Kerkerschlüsseln stunden da,
Voll Furcht, man werde sie zur Grube stoßen,
Vor der die Thüre sie noch eben schloßen.

»Warum mit solcher ungewohnten Milde
Betrittst du heute mein lebendig Grab?«
Frug ihren Kerkermeister lächelnd Hilde,
Der aber nahm ihr schnell die Fesseln ab,
Und rief: »O schwöre mir bei Christi Bilde,
Der uns die Hoffnung auf Erlösung gab,
Du wollest Gnade bitten für mich Schacher!
Wenn ich dich rette, denn es kommt dein Rächer.«

Der Tag fing an die Wände zu erhellen,
Er hob sie zu dem Fenster: »Siehst du dort
Der Griechen Segel schwimmen auf den Wellen?«
»Sprich, lebt mein Vater?« war ihr einzig Wort.
Und ohne Zögern flog sie nach den Schwellen,
Und stürzte durch die dunklen Gänge fort,
Und von den Treppen nach dem Meeresstrande,
Noch hoffend, daß er mit den Griechen lande.

Sie trat in einen Hof, von dessen Pforten
Die eine, nach der See zu, offen stand;
Hier lagen unbegraben, und verdorrten
Die Leichen der Enthaupteten im Sand.
Ein Blick, dann sank sie todt zur Erde – Worten
Blieb nichts mehr – jetzt verkündeten dem Land
Die Schiffe mit Fanfaren und Signalen
Den Untergang des Reiches der Vandalen.

Auf Bergeshöh'n um Wachefeuer lagen
Die Krieger Gelimers, und nach und nach
Traf zu dem Heer, was durch die Flucht verschlagen
Umhergeirrt war, und nun allgemach –
Erwachte wieder Muth nach bangem Zagen:
»Erhebt euch, Söhne der Vandalen!« sprach
Der König, »auf! verbindet eure Wunden,
Noch ist nicht jeder Hoffnungsstrahl entschwunden.«

Und von den Höh'n das Meer den Seinen zeigend,
Belebt er ihren Muth, denn hilfreich naht
Die Flotte Tsazo's schon, dem Meer entsteigend,
Des Bruders Hilfe, den er dringend bat;
Es hatten Boten ihm, und nicht verschweigend
Des Reichs Entartung, Unglück und Verrath,
Gemeldet von dem unglücksel'gen Treffen,
Vom Tod des Bruders, und vom Tod des Neffen.

»Der Schlachtengott, der immer noch mit Schrecken
Die Feinde der Vandalen niederschlug,
Scheint fern von uns, und nicht mehr aufzuwecken.
Ach! unser Volk, so tapfer einst und klug,
Es eilt, die Waffen vor dem Feind zu strecken;
Doch eine Hoffnung gibt uns Trost genug,
Wenn deine Tapferkeit wird bei uns stehen,
Der Sieg ist da, wo deine Fahnen wehen.«

Und Tsazo, welcher schon nach raschen Siegen
Sardinien erobert hatte, sprang
Vom Lager auf, er läßt die Banner fliegen –
Und eilt zu seines Bruders Rettung. Lang,
Als sie sich wiedersahn, voll Trauer schwiegen
Die beiden Fürsten, und ein Seufzen rang
Aus ihrer Brust sich los, und Thränen drangen
Aus ihren Augen, als sie sich umschlangen.

Auch Tsazo's Krieger, die noch siegstolz glühen,
Und ihre Brüder hier nun wiedersehn
In Elend und Bestürzung, eigner Mühen
Vergessen sie, und bleiben finster stehn.
Es ballt sich ihre Faust, und Rache sprühen
Die rauhen Züge bei der Ihren Flehn:
»O hättet ihr gesehn, wie wir geschlachtet,
Wie wir gewürgt, ihr flammtet, ihr erwachtet!«

»Nehmt diese Waffen hier, es sind die Beuten,
Die wir den Feinden abgejagt, sie laßt
In eurer Hand auf unsre Siege deuten,
Der Feind, sobald er sie nur sieht, erblaßt!«
So rufen sie, und sammeln die Zerstreuten,
Und Gelimer, nach dreier Tage Rast,
Läßt seine Fahnen wehn, und rückt versengend
Bis vor Carthago's Thor, die Stadt umengend.

Nach rauhen Pfaden, steil und abgelegen,
Erreicht er bald ein Thal, bebaut und mild,
Wo mannshoch stund der Aehre goldner Segen,
Ringsum des glücklichen Carthago's Bild.
Die Brücken, die zur Stadt auf weiten Wegen
Von Höhen über Flur und Saatgefild
Die Wasser leiten in den langen Röhren,
Befiehlt er bis zum Grunde zu zerstören.

Er will dem Dämon gleichen, der im Feuer
Versengend naht, daß lechze Land und Stadt,
Als komm' ein flammensprühend Ungeheuer,
Und würde nicht, wie seine Rache, satt.
Er stürzt die Bogen, Stützen der Gemäuer,
Und läßt, damit vom Durste todesmatt
Die Lippen keinen Tropfen Naß gewinnen,
Die Fülle Wassers in den Sand verrinnen.

Damit die Stadt am Meer erkennen lerne,
Sie könne wieder werden, was sie war,
Ein nackter Fels und sumpfige Cisterne,
Entvölkert, ruhmlos, aller Reize baar.
So sinnend sieht er auf die Stadt von ferne,
Zu beugen ihren Sieger Belisar,
Und hoffend, durch Versprechungen und Spenden,
Die Krieger und das Volk ihm abzuwenden.

Die Feuersäule, Nachts gen Himmel steigend,
Bezeugt den Gott, mit dem er siegen will,
Den Seinen das verlorne Troja zeigend,
Ein Priamus zugleich, und ein Achill.
Dort liegt nun fern von ihm, im Dunkel schweigend,
Sein Herrschersitz, für ihn wie todt und still!
Wo sein Wort sonst gebieterisch erklungen,
Empfängt ein Fremder nun die Huldigungen.

Dort war der Bogengang, die hohe Halle,
Worin der König mit dem Volk berieth,
Dort saß er oft beim frohen Becherschalle,
Dort hatte Hilderich vor ihm gekniet!
Er sah ihn, ach! und sich in gleichem Falle,
Denn nichts mehr, als das sengende Gebiet,
Der Saum der Wüste nur war ihm geblieben,
Wohin ihn schon der Feinde Sieg getrieben.

Hierauf nur um so froher überblickte
Der König seinen Heerbann, denn er sah,
Daß jeder Tag ihm neue Mannen schickte,
In hellen Haufen bald stund um ihn da
Sein ganzes Volk in neuer Kraft. So rückte
Der große Morgen der Entscheidung nah.
Carthago's Thor entließ aus seiner Enge
Die Schlachtreihn Belisars in bunter Menge.

Auf leichtem Rosse sprangen die Behenden,
Die Bogenschützen vor, geschuppter Stahl
Umhüllet ihre Schenkel, Brust und Lenden
Ein Panzerhemd. Stark sind sie durch die Zahl,
Durch ihre Kraft, und wie sie Pfeile senden,
Von denen jeder trifft und jedesmal –
Die stärkste Rüstung mit den Eisenringen
Vermögen diese Pfeile zu durchdringen.

Sie kämpften auch zu Pferd, geübt den Bogen
Am Ohr zu spannen, während sie zugleich
Die Rosse lenkten. Hinter ihnen zogen,
An Glanz und Schmuck der Waffen überreich,
Die Wachen Belisars, dann drang in Wogen
Das Fußvolk nach. Bestimmt zum ersten Streich
Kam eine Hülfsschaar Heruler, vom Norden,
Um hier ein stammverwandtes Volk zu morden.

Wie nun der Tag das breite Thal erhellte –
Die Heere trennte noch ein kleiner Fluß –
Und Gelimer den Feind sah nahn, da schwellte
Sein stolzes Herz ein trotziger Entschluß.
Indeß sein Heer in Schlachtenreih' sich stellte,
Und bei des Feindes erstem Bogenschuß,
Hieß er die Seinen nur das Schwert erfassen,
Und jede andre Wehr zurückzulassen.

Sie warfen kühn dem Feind die Brust entgegen,
Und warfen dreimal seinen Sturm zurück,
Der dreifach an der Anzahl überlegen,
Und Alles für sich hatte, selbst das Glück.
Denn Tsazo fiel. Er wies mit letztem Regen
Im Zelt auf ein gebrochnes Lanzenstück:
»Bringt,« sprach er sterbend, »bringt dieß Eisen
Zu Gelimer, es soll den Weg ihm weisen.«

»Damit hab' ich – anstatt ihn zu durchbohren,«
Sprach dieser, als er lange nachgedacht,
»Den Maurenfürsten, der die Schlacht verloren,
Zum treuen Waffenfreunde mir gemacht.
Auf diese Lanze hat er mir geschworen. –
Was Gutes wir zur Zeit des Glücks vollbracht,
Es kommt im Unglück hilfreich uns entgegen,
Verspricht uns Schutz, und bringt uns neuen Segen.«

Der Tod des Tsazo war die tiefe Scharte,
Die sich nicht bergen, nicht mehr tilgen ließ,
Mit ihm entsank die heilige Standarte
Des Fahnenträgers Faust, das goldne Vließ.
Auf hohen Bergen stund noch eine Warte,
Die steil und unzugänglich »Meden« hieß.
»Dorthin,« rief Gelimer, »es ruft zur Wüste
Der Wink, womit der Sterbende mich grüßte.

Es ist als ob sich doch ein Geist ergöße
Durch alle Welt, der immer warnt und droht,
Und wenn er rächt, versöhnt. – Gefallne Größe,
Dir aber bleibt nur noch der Weg zum Tod!« –
Das Volk der Mauren, das in nackter Blöße
Des Atlas Höh'n bebaut mit nackter Noth,
Gewährt dem Flüchtigen die Friedensbitte,
Und nimmt ihn gastlich auf in seine Mitte.

Kaum sahn sie, daß er als besiegt erscheine,
So sprangen sie heran in vollem Lauf,
Sie reichten ihm von ihrem Palmenweine,
Und banden seiner Schuhe Riemen auf.
Sie trugen ihn durch Wald und über Steine,
Und brachten ihn nach ihrem Dorf hinauf;
Dort küßten seine Hände Frau'n und Kinder,
Als wär' er, statt geschlagen, Ueberwinder.

Dort schauen Pflanzen wie mit grünen Händen,
Vielstachlichten, aus einem Felsenspalt,
Wo sie geschirmt sind vor den Mittagsbränden
In Wäldern, wo noch nie die Axt geschallt;
Die Palme sonnt sich an den Felsenwänden,
Sie bildet einer Mauer letzten Halt,
Und in den Schatten senkt sie längs der Dächer
Gleich einem Sonnenschirm den Blätterfächer.

Dort muß zur Erde Gelimer sich betten,
Auf Streu von Schilf mit wild zerrauftem Haar,
Mit seiner Krieger unnahbaren Ketten
Umschließt die Berge ringsum Belisar.
Und wenn auch heute Glück und Zufall retten,
Das Morgen bringt noch größere Gefahr.
Es sind um ihn der Brüder Söhn' und Schwestern,
Und Heut wie Morgen sind so todt wie Gestern.

Im Lager ward indeß das Gold gefunden,
Das Gold und Rüstzeug, das sein Heer verlor,
Und schöne Weiber, weinend und gebunden,
Bracht' aus des Waldes Nacht der Feind hervor.
Vom Anblick der Gefangnen überwunden,
Schwang jeder seine Beute hoch empor,
Bewundernd sahn die Scythen und Byzanter
Auf Busen, halb verhüllt vom Fell der Panther.

Es kam der Herbst mit seinen Regentagen,
Der Unterfeldherr Pharas, dem die Jagd
Und Haft auf Gelimer war aufgetragen,
Schrieb ihm in einem Brief: »Sei dir's gesagt,
Die Knechtschaft ist so schwer nicht zu ertragen,
Doch deine Freiheit, die dir selbst mißhagt,
Ist die der wilden Wölf' und Leoparde;
Bei uns ist Ueberfluß an Wein und Narde.

Mit euren blöden Augen, o ihr Blinde,
Verdorrte Zweige eines bösen Baums,
Ihr Bilder der Verwüstung, trockne Schlünde,
Gekommen ist das Ende eures Traums!
Beugt euch! Ihr seid zwar groß im Buch der Sünde,
Doch klein nur vor dem Herrn des Weltenraums;
Die Erde ist ein Kerker voller Sklaven,
Wer nicht gehorcht, verdient die schwersten Strafen.«

Doch mußten diese Boten selbst verstummen,
Als sie des Königs Elend vor sich sahn,
O welch ein Bild der größten Leidenssummen!
Aus Wurzeln, nicht für eines Menschen Zahn,
Bestund sein Mahl, und aus den magern Krumen
Schimmlichten Brodes, härter als ein Span,
Ja, in der Griechen Auge trat das Weinen,
Als sie ihn ruhen sahn auf bloßen Steinen.

Es war ein Bett aus welker Blätter Streue
In einer Hütte, nicht vom Rauch geschont,
Der Heerd, die Schwelle, noch von letzter Treue,
Noch mehr von Jammer und von Gram bewohnt.
»Ach!« sprachen die Gesandten: »Fühl' doch Reue, –
So furchtbar ward kein Herrscher noch entthront!
Entflieh der Noth, die du bisher erlitten,
Wenn auch als Sklave, doch zu bessern Sitten!«

Und um den Tsazo sangen Trauerweisen
Des Hauses Frauen vor dem Aschenkrug,
Sie sangen: »Ach, er liegt durchbohrt vom Eisen,
Der wie ein Held die Feinde niederschlug!
Lang wird der Geier um den Leichnam kreisen,
Im Tod noch schreckt sein Blick des Raubthiers Flug,
Er liegt am Boden ohne Licht und Leben,
Nie wieder wird er uns sein Haupt erheben.«

Und Gelimer sprach bitter: »Um den Einen
Weint ihr so lang, o wohl ihm, er ist todt! –
Versucher, tretet her zu diesen Steinen,
Sagt meinem Feind, ich bitt' von ihm ein Brod
Und einen Schwamm, weil von dem vielen Weinen
Die Augen mir entzündet sind und roth,
Auch eine Harfe, um in Saitentönen
Die Seele, die mir hinstirbt, zu versöhnen.

Wenn ich nun soll erblinden, wenn die lange
Furchtbare Nacht umdunkelt meinen Sinn,
So will ich meiner Thaten im Gesange,
Und meines Volks gedenken, und darin
Den Trost empfinden bei dem Saitenklange,
Ich, der so mächtig einst, nun elend bin.
Und aus den Saiten will ich noch dem Rauschen
Des Meeres, und dem Klang der Schwerter lauschen.

Und was? Ich soll von dem mich fesseln lassen,
Und Sklave soll ich eines Feindes sein,
Den ich muß tief und unversöhnlich hassen?
Geht, laßt mich!« Doch sie mahnten ihn: »Halt ein!
Der Edle weiß im Unglück sich zu fassen,
Auch sollst du keine Fesseln tragen. Nein!
Wir schwören dir's.« Doch Gelimer ließ sinken
Sein Haupt, und wies sie fort mit stummem Winken.

Gewährt ward ihm von Belisar die Bitte.
Doch kam für Manchen schon zu spät das Brod,
Dem nun, damit er nicht mehr Hunger litte,
Dafür bescheert ward der Erlöser – Tod.
Und Gelimer saß bei dem Heerd der Hütte;
Da sollt' ihm einstmals furchtbar seine Noth,
Und seiner Lage Dürftigkeit und Blöße
Vor Augen stehn in ihrer ganzen Größe.

Ein Kuchen lag gebacken auf den Kohlen,
Des Königs Neffe, der daneben stund,
Enthielt sich nicht das Stück herauszuholen,
Er nahm's und schlang es gierig in den Mund,
Allein des Hauses Kinder schrien: »Gestohlen
Hat unsern Kuchen dieser fremde Hund.«
Sie rauften ihn mit Schlägen, und entrissen
Dem armen Kind den letzten magern Bissen.

Erschüttert sah es Gelimer – zu trösten,
Dazu war viel zu groß sein eigen Leid,
Er sprach: »Ich will dir einen andern rösten.«
Allein das Kind gab ihm darauf Bescheid:
»Ach, Oheim, deine Leiden sind die größten,
Du brauchtest selbst ein neues bess'res Kleid.«
»Ja, wahr!« sprach Gelimer, und schrieb auf Stäbe
Sogleich dem Pharas, daß er sich ergebe.

»Der Dorn, den wir in unsern Busen pflanzten,
Ward endlich stumpf von Gram und Ueberdruß,
Die Festigkeit, mit der wir uns verschanzten,
Ist mürb geworden, Noth will einen Schluß,
Den Sohlen, Kind, auf denen wir einst tanzten,
Richt' du ein Fußbad, weil ich gehen muß,
Daß ich den Staub mir von der Ferse wasche,
Und streue mir auf meinen Scheitel Asche.«

Begleitet von den Freunden und Verwandten,
Begab sich aus den Bergen Gelimer,
In seines Feindes Lager. Feuer brannten,
Es blitzte durch die Nacht der Wachen Speer,
Und mächtig stund, umgeben von Trabanten,
Der hohe Belisar. Sein ganzes Heer,
Und seine Flötenspieler und Wahrsager,
Bewaffnet oder schwärmend um das Lager.

Er ließ sogleich die goldnen Fesseln bringen!
»Ungläubiger, schon lange sind sie dein,
Ich schwor, dich soll nicht Hanf, nicht Stahlband ringen –
Ich halte Wort: in Gold fass' ich dich ein.
Hörst du, was diese goldnen Fesseln klingen?
Gefangenschaft zwar soll dein Schicksal sein,
Doch wird es glänzend sein und leicht zu tragen;
Dieß kann ich dir schon jetzt zum Troste sagen.«

Darauf brach Gelimer in lautes Lachen,
Aufs heftigste vom Schmerz erschüttert, aus:
»O,« rief er aus, »o bitteres Erwachen!
Wär' ich gesunken in des Meers Gebraus,
Wär' ich gekommen zu dem Thal der Drachen,
Zum Sturmwind, oder zu des Blitzes Haus,
Anstatt mich dem Verräther hinzugeben.
Fahr' hin, wie Reich und Thron – nun auch das Leben!«

Und als er vor dem Thor am Hellesponte,
Vor Theodora und Justinian,
Der sich im Glanze des Triumphes sonnte,
Betreten hatte der Arena Bahn,
Und Aller Aug' ihn kühn erreichen konnte,
Da sah er oftmals seine Fessel an,
Und rief, indem er stehen blieb im Schreiten:
»O Eitelkeit, o Alles Eitelkeiten!«

Ihm folgten von den Seinen zwischen Gothen
Gefangne nach, Streitross und Beutegut.
Geschmückt wie eine Herrscherin der Todten
Saß Theodora da, voll Siegesgluth;
Doch als den Gruß ihr seine Blicke boten,
Erblaßte sie, es wich von ihr der Muth,
Denn jetzt erkannte sie das Antlitz dessen,
Den einmal sie gesehn, und nie vergessen.

Sie wankte von dem Thron mit zagen Schritten,
Da drang ein lauter Zuruf an ihr Ohr,
Denn Gelimer, so hieß es, ließ erbitten
Sein gutes Schwert, das er geführt zuvor,
Und auch sein Schlachtroß, das er einst geritten,
Er fordre dann zum Kampf mit sich hervor
Zwölf von den Schranzen, die ihm Hohn gesprochen,
Als er in Ketten ging, von Gram gebrochen.

Sie sah es, wie er jetzt vor Kampflust brannte,
Aufs Pferd sich schwang, das ihn erkennend, schnob,
Und wie er nacheinander niederrannte
Die Zwölf, daß Staub umher in Wolken stob,
Und blutend dann zusammensank, wie bannt
Sein Blick sie, den er sterbend noch erhob,
Er schien, ein Blitzstrahl aus dem Himmelblauen,
Auf ihr zu ruhen noch mit starrem Schauen.

Entschieden war das Schicksal der Vandalen,
Ihr Reich ging unter, ihre Macht entschwand,
Ein Sieg versprach und in des Glückes Strahlen
Dem Reiche noch Jahrhunderte Bestand.
Konstantinopel mußt' es büßend zahlen,
Als aus der Wüste mit dem Feuerbrand
Die Moslem drangen, und aus allen Fugen
Den Hellespont in ihre Fesseln schlugen.


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