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Zweiter Gesang.
Ein goldenes Zeitalter.

Im Frühlingsmond, als auf die Eisesfläche
Der Alpenhöh'n die Sonne wieder schien,
Ging Botschaft über Abgrund, Gletscherbäche
Von Alemannien nach Italien hin;
Ob ihnen Schutz Theodorich verspreche
Vor Klodwig, wollten ihn auf ihren Knie'n
Die Boten flehn, ihn, der in Süd und Norden
Bekannt schon als der Völker Schirm geworden.

Sie führten Pferde hinter sich am Zaume,
Um ihre wilden Haare flog der Schnee,
Die Mahlzeit nahmen sie auf einem Baume,
Der hingetrümmert lag am Alpensee.
Sie schliefen in der Schlucht, im Höhlenraume,
Wo Nachts der Firnen strahlumglänzte Fee,
Vom blauen wogenden Gewand umflossen,
Vorüberstürmt auf schwarzen Wolkenrossen.

Und wo der Wasserfall, zur Tiefe brüllend,
Im Staubbachregen schäumend sich ergoß,
Die Tannenwipfel mit dem Duft verhüllend,
Da hoben sie das Trinkhorn, seinen Schooß
Aufjauchzend mit dem Eisestrank erfüllend:
»Dieß, Wodan! bringen wir beim Fluthgetos
Von diesem Felsquell dir zu Dank und Weihe,
Gib, daß auch wir so bleiben, ihm gleich, Freie!«

Dann sprangen sie, die Lanzen eingestemmt,
Von Fels zu Fels hin über Schneegefilde
Und Blöcke von der Urwelt hergeschwemmt,
Im Flug hinab, gestreckt auf ihre Schilde;
Da plötzlich sehn sie ihren Weg gehemmt
Durch hohes Mauerwerk, das eine wilde
Und rauhe Schaar besetzt hält. »Seht euch vor,«
Ruft man sie an, »weicht, Räuber, von dem Thor!«

»Auf Raub und Mord nicht sind wir ausgezogen,«
Entgegnen sie, »und Männer seht ihr hier,
Zwar schwer getroffen von des Unglücks Wogen,
Doch ehrbar, und so reich vielleicht wie ihr.
Hört denn von uns, die wir noch nie gelogen,
Theodorich den König suchen wir,
Theodorich, den großen Ostrogothen,
Wir sind gesandt, sind eines Volkes Boten.«

Sobald die Hirten dieses Wort vernommen,
So leisten sie nicht länger Widerstand,
Sie winken von den Höh'n herab und kommen,
Und bieten Frieden dar mit Gruß und Hand.
»Wer seid ihr, sprecht! was habt ihr unternommen?«
Und jene sagen: »Unser ist das Land,
Das jenseits dieser Berge liegt in Tannen,
Wir nennen uns die freien Alemannen.«

»Willkommen!« heißt es jetzt, »nicht Unbekannte
Seid ihr auch diesseits dieser Berge, glaubt!
Doch hier, wo lang des Krieges Fackel brannte,
Ist Alles auf der Hut; seit Wochen raubt
Ein Hunnenschwarm im Land. Nehmt nun, Gesandte,
Was euch zu bieten unser Haus erlaubt.« –
So führt man sie zum Heerd, und: »Hört nun, Greise,«
Spricht Haribert, »den Grund von unsrer Reise.

Der Franke Klodwig nahm nach einem Siege,
Den er vor Monden über uns erfocht,
Nun fort und fort sich Grund zu neuem Kriege.
Schon ist ein Dritttheil unsres Volks gejocht,
Das Land verheert, einst unsrer Freiheit Wiege,
Das Heimathland, worauf wir stolz gepocht,
Das wie ein Götterschutz mit meilenlangen
Urwäldern uns und Bergen hielt umfangen. –

Wir klagten es den hohen Felsenwänden,
Den Tannen und des Wasserfalls Gebraus,
Wir riefen es mit hocherhobnen Händen,
Und von der Berge höchsten Spitzen aus;
Das Werk der Knechtung soll die Welt nicht schänden,
Zu Grund geh' das auf Fluch gethürmte Haus,
Und alle Fäuste, selbst in Todeskammern,
Selbst die noch sollen drauf ihr Schwert umklammern.

Die heimischen Altäre, wo wir Lieder
Den Göttern sangen, unsrer Haine Nacht
Stürzt Klodwig, der ein Christ geworden, nieder.
Die neue Lehre wird ins Land gebracht
Mit Schwert und Feuer, denn ihm ist zuwider
Ein freier Sinn, er will nur Glanz und Macht
Und Unterwerfung sehn; beschützen wolle
Der Gothenkönig uns vor seinem Grolle.«

»O,« rief ein Hirt jetzt aus, »wer denkt erhaben,
Wie er? Als Arglist einstens ihm und Trug
Den Rath, die Rugier zu vertilgen gaben,
Da rief Theodorich: ›Blut floß genug,
Mit Odoaker ist mein Haß begraben.‹
Und fortan sann er, wie er stark und klug
Den Völkern Recht und Wohlfahrt neu beschiede,
Daß Gothen und Italern blüh' der Friede.

Ihr selbst könnt sehn, was ihr gehört in Sagen,
Man mag auf offner Straß' an jedem Ort
Ein Goldstück legen, und nach langen Tagen
Liegt's so, wie man es hingelegt, noch dort.
Theodorich versteht's sein Schwert zu tragen,
Er ist der Armen und der Schwachen Hort,
Und müßte selbst die Welt zu Grunde gehen,
Es muß ihm die Gerechtigkeit geschehen.«

»Gerechtigkeit?« scholl wieder eine Stimme,
Aus einem Winkel des Gehöftes kroch
Ein Mann von Elend abgezehrt: »O schlimme
Gerechtigkeit,« begann er, »die uns doch
Den Wüsteneien aussetzt, jedem Grimme
Des Wetters und der Noth; doch leb' ich noch,
Und hören sollt ihr jetzt, was ich erduldet,
Den man zu spät erkannt als unverschuldet.

Ich hätte, hieß es, Staatsgeld unterschlagen;
Ich ward verurtheilt und verbannt, mein Gut
Ward eingezogen, mein Betheuern, Klagen
Vergeblich, unter Geißeln floß mein Blut –
Erst als, der schuldig war, sich anzuklagen
Nach Monden kam – o fühlt ihr meine Wuth –
Da erst ward mir mein Recht; doch was an Leben
Und Ehre hin, wer kann mir's wieder geben?

Die mich vielleicht noch jetzt für schuldig halten,
Noch bin ich ihrer Rache bloßgestellt,
Noch all' den übermüthigen Gewalten,
Womit, wen sie gebrandmarkt hält, die Welt
Unmenschlich straft.« »Gerechtigkeit wird walten« –
Klang's jetzt, und wie von höh'rem Glanz erhellt,
Erschien ein Cherubgleicher auf der Schwelle
Im Helmschmuck strahlend, bei des Mondes Helle.

Ein goldnes Kreuz auf seinem Helm erschreckte
Durch seinen Glanz beinah', der sternbesät'
Tiefblaue Mantel, der ihn halb bedeckte,
Erhöhte der Erscheinung Majestät.
»Der Gaugraf,« rief man aus, und Alles streckte
Die Hände nach ihm aus. »Ich komme spät,«
Begann er, »doch noch recht, um euch zu sagen,
Der Hunnenüberfall ist abgeschlagen.

Habt keine Furcht, die Heerden sind geborgen,
Und du Erdrückter dort, erheb' dein Haupt,
Es ist mein Amt, für deinen Schutz zu sorgen;
Wer Unrecht litt, wer hilflos, wer beraubt,
Enterbt und elend ist, ihm heut wie morgen
Gehört mein Arm, denn mehr ist mir erlaubt,
Als selbst Gesetzen, meines Gau's Sajonen
Ist überall zu schirmen Pflicht, zu schonen.

So will's Theodorich, uns aus der Mitte
Von seinen besten Mannen las er aus,
Der Unschuld Klage, der Verwaisten Bitte,
Der Heerd der Wittwe, des Bedrängten Haus,
Ruft uns herbei, lenkt immer unsre Schritte.
Praßt wo ein Räuber bei Gelag und Schmaus,
Bedrückt der Stärk're irgendwie den Schwachen,
Gleich sind wir da, zu rächen, zu bewachen.

Komm' mit mir, daß ich dir den Weg bereite,
Wo man dir Schutz gewährt. Doch wer seid ihr?«
Ein Alemann trat vor und sprach: »Geleite
Auch uns; denn Schwerbedrängte sind auch wir!
Führ' uns zu deinem König, die im Streite
Berühmten Alemannen.« »Kommt mit mir!«
Fuhr jener fort, »ihr habt mir wohlgesprochen.«
Er rief's, und alsobald ward aufgebrochen.

Schon sank dem Morgengrau'n der Mond entgegen,
Hinübertauchend zu der Berge Rand,
Als man die Höh'n verließ auf steilen Wegen,
Und eintrat in der Thäler südlich Land.
Welch' rascher Uebergang, welch' reicher Segen!
Was droben noch entlaubt, das alles stand
In voller Blüthe hier, die Flur, die Wiese
Geschmückt mit Blumen, wie im Paradiese.

Der Felsen Grabthor war gesprengt, vergangen
Die Nacht, ein Auferstehungsmorgen schien,
Wo tausend Stimmen im Gebüsche sangen,
Und Allem neues Leben war verliehn,
Von einem Licht, von einem Glanz umfangen,
So strahlend wie der Sonnenbaldachin
Des tiefen Blau's, das über Allem siegend
Und einsam stund, den Tag im Schooße wiegend.

Indessen trat in kriegerischen Reihen
Den Festzug an nach Rom das Gothenheer,
Denn mehr, als gält's Gefangne zu befreien,
Statt Fesseln anzulegen, ja vielmehr
Als gält's ein Hochzeitbündniß einzuweihen,
Und stilles Glück wie fröhlichen Verkehr;
Und auszustreu'n des Friedens goldne Körner,
So schallten die Trompeten und die Hörner.

Da kamen sie, die goldgelockten Kinder,
In Schaaren zogen sie einander nach,
Und führten ihre Heerden, ihre Rinder,
Wo Stall und Weide lag verheert und brach.
Sie ließen nicht, die stolzen Ueberwinder,
Den Unterworfnen das Gefühl der Schmach,
Sie wohnten unter Myrth' und Rosenlauben,
Wie Leu bei'm Lamm, wie Adler bei den Tauben.

Der König selbst kam zum Triumph gefahren
Im Harnisch zwar, und ganz in Stahl und Gold,
Den Helm auf statt des Lorbeers in den Haaren,
Doch statt des Lictors vor sich den Herold,
Siegreiche statt gefangene Barbaren,
Und nicht blutschnaubend, sondern mild und hold,
Anstatt der Bahre mit dem Raub der Länder,
Anstatt der Ketten – Blumen nur und Bänder.

»Sind unsre frühesten Triumphe wieder,
Sind unsre Könige zurückgekehrt?«
Rief bei des Capitols Empfang hernieder
Zu Cassiodor Boëthius. »Was ehrt
Die ew'ge Stadt wie diese rauhen Lieder?
Aus deren Schall die Vorzeit ruft, und lehrt,
Es kommen die Geschlechter und verschwinden,
Doch ewig sind die Formen, die sie binden.«

Gelehnet an die Säule Trajans blickte
Mit Lächeln nach dem Freunde Cassiodor,
»Es scheint so,« rief er aus, und jener nickte;
Dann traten beide durch ein Treppenthor,
Da sah'n sie weiße Pferde, goldgestickte
Reitzügel um, die schnaubten stolz empor,
Sie waren an Theodorich gesendet,
Von Thürings Herrn, ihm als Geschenk gespendet.

»Sein Schönstes,« sprach der mitgesandte Bote,
»Beut unser König dir, dieß Rennerpaar,
Es gleicht an Glanz dem Stern im Morgenrothe,
So weiß ist's, wie der erste Tag im Jahr.«
Dann brachten Zobelpelz und feine Brode
Zwei Männer aus dem Land der Esthen dar,
Und goldnen Bernstein legten sie mit Grüßen
Vom Volk des fernen Ostmeers ihm zu Füßen.

»Von dorther König! wo vom Gothenstamme
Noch stets die Wurzel sproßt, wo jedesmal
Zur Winterssonnwendzeit erst eine Flamme
Am Himmel aufglüht, worauf dann vom Thal
Kundschafter gehn zum höchsten Felsenkamme,
Erspähn sie dann den ersten Sonnenstrahl,
So bringen sie hinab dem Volk die Kunde,
Daß neu erwacht das Licht der Erdenstunde.«

»So grüßen wir auch dich mit hoher Wonne,
Erhabner! Du, von dem der Barde singt,
In unsre Welt zurückgekehrte Sonne!
Die Allem Leben und Gedeihen bringt.«
Hierauf erschien vom Ufer der Garonne
Westgothische Gesandtschaft, und umringt
Von Waffenträgern, drängte durch die Pforte
Ein Recke sich hervor, und sprach die Worte:

»Von allen Gaben bringen wir nur eine,
Die Hand des Volks, dem Deinigen verwandt,
Sie haben sich schon oft bekämpft, bald deine,
Bald unsre siegte. Was sich lang verkannt,
Erfaßt sich inniger. Du, Held, vereine
Für immer Beide. Herr! wir sind gesandt,
Teutgotha, deine Tochter reich an Ehren,
Für unsres Königs Eh'bund zu begehren.«

Theodorich erwiderte zum Danke:
»Was könnte mehr mich freu'n, als daß den Bund
Der Stämme noch der Liebe Blüthenranke
Umschlingen soll, besiegelnd, was bestund.«
Er sprach's, ein herzerhebender Gedanke
Umflog, man sah's, sein Antlitz. »Und Burgund,«
Begann ein Zweiter jetzt, »läßt für den Erben
Des Königreichs um Ostrogotha werben.«

»O wohl,« rief da Theodorich, »euch Allen
Verkünd' ich's jetzt, »es soll, jetzt leuchtend schon,
Von diesem goldnen Tag ein Strahl noch fallen
Bis in der fernsten Berge Nacht, ein Ton
Von diesem Hochzeitreigen soll erschallen
Bis zu der Wolken Schooß, bis zu dem Thron
Des ew'gen Schnee's, und Glockenklang soll tönen
Bis an die Fluth des Nordmeers meinen Söhnen.«

»Vergiß auch uns nicht, deine Güte strahle
Auch uns, und bring' uns Glück und Heil,« begann
Gesandt vom Hof Karthago's, ein Vandale,
Ein sonngebräunt' rothbärtig hagrer Mann.
»Nach einer Perle noch in goldner Schale
Blickt Thrasamund, mein König, sein Gespann
Von Meeresdrachen harrt, um heimzuführen
Amalafrida zu bekränzten Thüren.

Und von Sicilien, wo wir um die Gränze
So lang uns stritten, legt er ein Gebiet
Von seiner Mark zum Theil der Hochzeitkränze,
Und weil aus freiem Willen das geschieht,
Daß Freundschaft, was sich Liebe gibt, ergänze,
So – bei dem Gott, der in die Herzen sieht –
So will er, und ich knie', darauf zu schwören,
Dem Bund, den du gegründet, angehören.

»Auch Amal'frida, Schwester! Dich auch, Theure,
Auch dich soll ich zur Ferne ziehen sehn?
Ihr Männer aus dem Süd', sie sei die eure,
Sei eure Königin, und fest bestehn
Wie dieses Band soll unser Bund, ich steure
Sie reichlich aus, und mit ihr sollen gehn
Von meinen Gothen tausend Auserwählte,
Als Ehrenwache für die Neuvermählte.

Die Mitgift soll das reichste Rebgelände,
Das Vorgebirge Lylibäum sein,
Ich leg' den reichsten Schatz in ihre Hände,
Zehntausend Morgen Sicilianerwein.«
Es sprach's Theodorich, und jetzt als fände
Sein Auge was es suchte, groß und rein,
Die Welt durchschauend und der Menschen Mienen:
»Wer seid ihr,« fuhr er fort, »die hier erschienen?

Nicht Boten seid ihr mir! Um hier zu freien,
Kommt ihr, die Fürsten, selbst,« und laut
Erscholl ein ungeheures Jubelschreien,
Zu Jedem trat die auserkorne Braut.
»Ihr wurdet,« sagte lächelnd zu den Dreien
Der Gothenkönig, »gestern schon durchschaut,
Als ihr vor uns, vermummt zwar im Gewande
Von Fechtern, kämpftet auf dem Circussande.

Von diesem Tag und Kampfspiel angefangen,
Soll jeder Sieger seinen Dank und Preis
Fortan von einer schönen Hand empfangen,
Von ihr, der Königin, im Frauenkreis.
Dem kühnen Muth das zärtlichste Verlangen,
Des Tapfern Stolz und Ziel, sein Höchstes sei's
Vor ihrem Blick im Kampf hervorzuglänzen,
Und ihres, ihm dafür das Haupt zu kränzen.

Vom Lächeln, sanften Blicken angefeuert,
Brecht Lanzen, tummelt Rosse! Hier erlag
Der Sklave einst dem Sklaven, ihr erneuert
Olympia's Ruhm, der Griechen schönsten Tag.
Es glänz', bei diesem Himmel sei's betheuert,
Ein hold'rer sonnig'rer Areopag!
Der Anmuth sei die Würde beigegeben,
Und freie Herzenswahl zum Schmuck dem Leben!«

Er sprach es, und durch Jubel und Gedränge
Erkennt sein Blick die beiden Römer jetzt;
Er winkt: »Boëthius! wenn es mir gelänge
Dich zu versöhnen, den wir schwer verletzt,
Wenn ich auch deine Hand zum Bund empfänge?
Ich habe mir so Hohes vorgesetzt,
Daß ich es nur mit Männern, die der Erde
So selten sind wie du, vollbringen werde.«

»O,« rief Boëthius, »konntest du berühren
Den großen Schmerz um meines Vaters Tod,
So thatest du's, um Größ'res zu vollführen,
Um mehr als nur aus Mitleid, und zur Noth.«
»Ja,« rief Theodorich, »die Grabgebühren
Entricht' ich dir, ein heiliges Gebot.
Mein Heer hat arg in deinem Gut gewüthet,
Sei mein, es werde zehnfach dir vergütet!«

»Gebiet', Herr!« sprach der Römer, »reinem Wollen
Wie deines ist, dient willig jede Kraft.« –
»Das Werk der Waffen,« rief der König, »sollen
Die Gothen thun, ihr habt die Wissenschaft!
An euch ist's, mir die Tafeln aufzurollen,
Wie man für Alle Recht und Wohl beschafft,
An eurer Hand möcht' ich dieß Rom durchpilgern,
Das noch so hoch steht über den Vertilgern!

Habt ihr gehört von Asgard, wo die Throne
Der Götter stehn, und von Walhallas Pracht?
Hier glaubt' ich es zu schau'n, hier glaubt' ich, wohne
Der Himmel selbst, die Freude nach der Schlacht.
All' diese Bauten, welchem Asensohne
Hat ein Geschlecht von Riesen sie vollbracht?
Und welch ein König ließ das Alles bauen?
Kommt! Laßt uns Alles in der Nähe schauen!«

Entlang des Forums wandeln nun am Fuße
Des Capitols die Drei von Thor zu Thor,
Betrachtend stehen sie, und schau'n mit Muße
Bald hier ins Volksgedräng', und leihn ihr Ohr
Dem Marktplatz und Gericht, und bald vom Gruße
Der Vorzeit angeweht, schau'n sie empor
Zu Bild und Inschrift, hier wo Säulen ragen,
Dort unter Gräberschutt auf Sarkophagen.

Der König frug: »Wer sind die Erzgestalten?
Die einen dort mit Rollen in der Hand,
Bekränzt mit Lorbeer sind sie, Jene halten
Den Speerschaft auf des Feindes Nackenband?«
»Du siehst,« ward ihm erwidert, »hier die Alten,
Sowohl die einen, die dem Vaterland
Im Frieden nützten, die Gesetze gaben,
Als die auch, die gesiegt im Kriege haben.«

»Hier siehst du nicht, wie in Byzanz errichtet,
Nur für den Herrscher Säul' und Ehrenbild;
Hier fühlen alle Bürger sich verpflichtet,
Daß den sie ehren, der im Schlachtgefild
Gerungen, oder innern Zwist geschlichtet.
Ob mit dem Wort nur, ob mit Schwert und Schild,
Wer Großes that, der ward, noch wie im Leben,
Vom Volk dem Dank der Nachwelt übergeben.«

»Ja,« rief Theodorich, »und so, wie lebend,
Schau'n sie noch immer auf ihr Volk, es schaut
Auf sie, wer gleicher Größe Preis erstrebend,
Den gleichen Drang fühlt. Römer! ihr erbaut;
Uns Gothen wird der Väter Ruhm, erhebend
Im Saitengold, im Lied der Barden laut.
Ist nicht auch dieß schön? O es dauert länger
Als Erz und Marmorschrift, das Wort der Sänger!« –

Vom riesigen Amphitheater kehrte
Sein Blick sich bald mit Ernst und Wehmuth ab,
»Ich kenn' den Bau, der erst die Welt entehrte,
Und dann das Volk, dem hier man Spiele gab.«
Er schritt hinweg und kam in mehr verheerte
Und öd're Straßen, so von Grab zu Grab
Rief mancher Stein ihm Namen ins Gedächtniß,
Ihn mahnend wie ein heilig Ruhmvermächtniß.

Der Zeit gedacht' er, da er noch am Throne
Des Griechenkaisers stand, die Seele voll
Vom Vorbild der Aemilier und Scipione,
Und wie von Thatendurst sein Busen schwoll,
Und wie nach Julius Cäsars Lorbeerkrone
Sein Blick gerichtet war; nun durft' den Zoll
Der Ehrfurcht hier, wo jene Männer schritten,
Sein Herz entrichten, wo sie kämpften, litten.

Und weiter las er aus gebrochnen Zeilen,
Wie Roms, der stolzen Riesin, Macht bestand,
Wie sinkend dann die große Stadt zuweilen
Sich vor sich selbst verlor und wiederfand.
Jahrhunderte sah so sein Blick enteilen,
Die blitzesschnell verknüpft ein Flammenband,
Und neue Menschen sind den alten Wiegen
Aus Nacht des Schweigens fremd und kalt entstiegen.

Und ob dann, frug er sich, ein Tag erscheine,
Der auch die letzten Reste bringt zu Fall? –
Wie jetzt schon diese schönen Marmorsteine,
Zwar voll von Farbenschmuck noch überall,
Doch öd und kalt sind vor dem Sonnenscheine,
Und sich nur lebend und dem Wiederhall?
»Denn welches Bauwerk könnte lang noch dauern,
Wenn nur Vergangenheit bewohnt die Mauern?«

»Doch ewig,« sagte Cassiodor, »so lang
Ein Stein von dem, was war, hier zeugt, wird Großes
Aus diesen Gräbern auferstehn, im Drang
Der Sehnsucht nach dem Werth des Menschenlooses.
Was groß ist, bleibt es auch im Untergang,
Und treibt durch jede Nacht des Zeitenschooßes
Erneuerter Gestaltung Keim in Wort
Und That, und mehr und mehr vergeistigt, fort.

Deßhalb ist stets zum Göttermahl geladen
Des Geistes That, und schien sie selbst ein Fluch.
Sie webt, wenn auch oft ungesehn, den Faden
Der Zeit zum Segel, nicht zum Leichentuch.
Geh' seinen Pfad denn auch, den pfeilgeraden
Das freie Wort.« – »Es gelte den Versuch,«
Rief laut Theodorich, »kein Edler halte
Das, was er denkt, zurück, so lang ich walte.«

»Zog je durch diese himmelhohen Bogen
Ein schönerer Triumph?!« rief Cassiodor.
»Mit weißen Flügelrossen kommt gezogen
Ein Geist der Freiheit, um ihn her ein Chor
Erhabner Tugenden. Nun ruhn die Wogen
Wie zu der Zeit, die sich ein Gott erkor,
Wo Stürme schlafen und, von ihm behütet,
Das fromme Paar der Halcyonen brütet.

Allein, auch was schon sank, auch das erhebe
In neuer Pracht sich,« fuhr der König fort,
»Der Bogen, das Gewölb, der Pfeiler strebe
Zur Höhe wieder auf, und sprech' das Wort
Des Geistes, der es schuf, das Bildwerk lebe,
Der Marmor wieder; noch ist nicht verdorrt
Der Griechen Kunst, die stolze Sonnenblume,
Sie blüht noch spät, sie blüh' zu unserm Ruhme.

Ich glaube schon der Zukunft Wort zu hören,
Verkünden wird es die Geschichte laut:
Vandalenwuth vermochte zu zerstören,
Doch Gothensinn hat wieder aufgebaut.
Es soll der Stadt aus hundert Brunnenröhren
Das Wasser wieder sprühn, das lang gestaut
Von Schutt war, alle Plätze und Gebäude
Erfülle wieder Thätigkeit und Freude.«

Schon goß der Mond sein mildes Licht hernieder,
Da kehrten von der Wandrung zum Palast
Der König und die beiden Römer wieder,
Und beide Freunde blieben da zu Gast.
Hierauf, so rechtlich war sein Sinn und bieder,
Ward für den Morgen ein Entschluß gefaßt,
Er will als König nach dem Brauch der Alten
Gerichtstag vor dem ganzen Volke halten.

Als in der Mitternacht erhabner Stunde
Der Himmel wie ein goldnes Meer erschien,
Durchflog sein Blick um Rom die weite Runde,
Und drang hinauf zum Sternenbaldachin.
»Wie ihr dort, so in einem großen Bunde
Möcht' ich beruhigt sehn die Völker ziehn –
Wie nach dem Rhythmus eines Weltgesanges
Im schönen Einklang ihres hohen Dranges.

In Waffen strahlend, wie auch ihr dort oben,
Ihr Geister der Gestirne, aber nun
Zum Morden nicht mehr, nein, das Schwert erhoben
Nur um zu warnen vor verruchtem Thun.
Mit ganzer Seele will ich's euch geloben,
Zu wachen stets, im Guten nie zu ruhn,
Nach eurem Vorbild sei mein Reich gegründet,
Mit eurer Harmonie im Geist verbündet.«

Zum Forum war das ganze Volk entboten,
Der Tag brach an, der König hielt Gericht
Dem Römervolk, und seinem Heer der Gothen.
Da kam so manch verjährte Schuld ans Licht,
Da ward an Kindern von schon lange Todten
Begangnes Unrecht gut gemacht, zur Pflicht
Gerufen das verhärtete Gewissen,
Das Siegel vom erschlichnen Brief gerissen.

Oft ward verfinstert sein Gesicht vom Zorne,
Vernahm er, wie vom Volk, schon so gedrückt,
Noch mehr erpreßt ward: »Aemter, o ihr Dorne!
Untreue!« rief er, »seht mein Schwert gezückt!
Der Purpursaum an euren Togen vorne
Sei noch so breit, und eure Hand geschmückt
Mit Ringen, wenn das Volk darunter leidet,
So werdet ihr der Würde bald entkleidet.«

»Erhör', o König, mich vor deinem Throne!«
Rief eine Stimme jetzt, und näher trat
In Trauer eine römische Matrone:
»Ein Rechtsstreit, den ich zu entscheiden bat,
Drängt mich hierher, noch leb' ich, aber ohne
Die Wohlthat der Gesetze, von dem Rath
Der Richter ward seit Jahren unerhoben
Der Sachverhalt, das Urtheil aufgeschoben.

Ich bettle Brod für mich und meine Kinder,
Und der das Meine hat, verpraßt das Gut.
Man kennt mein Recht, es sah' es selbst ein Blinder,
Nur die in unerhörtem Uebermuth,
Die Richter wollen es nicht sehn, die Sünder!
Ich klage, Herr, nimm mich in deine Hut!
Befiehl, daß sie entscheiden, denn sie können,
Daß man mir endlich muß das Meine gönnen.«

»Ist's möglich!« rief der König, »ungerichtet
Blieb Jahr' lang, was vielleicht an einem Tag
Entschieden werden kann. Ihr seid verpflichtet,
Ihr Richter, hört! und merkt euch, was ich sag'!
Wenn ihr nicht in zwei Tagen das geschlichtet,
So hau' das Haupt euch dieses Schwertes Schlag
Von eurem Rumpf, ihr hörtet ihre Klage,
Könnt ihr entscheiden binnen zweier Tage?«

»Wir können,« war die Antwort. »Nun so geht!«
Befahl Theodorich, und zu der Armen:
»Es ist ein Engel, welcher das Gebet
Zu Gott trägt, und dort trifft er das Erbarmen.«
Zu Cassiodor und zu Boëthius: »Seht!
Die Göttin dort, die mit den Riesenarmen
So vieles wägt, hat nicht so viel vermocht
Als ich, indem ich an mein Schwert gepocht!«

»Es möchte,« sprach Boëthius, »doch nicht immer
Das Beste sein, wenn Drohung und Gewalt
Als Höchstes gilt.« »Bestechlichkeit ist schlimmer.«
Erwiederte der Gothenfürst, »wie alt
Ist das geschriebne Recht? Sein letzter Schimmer
Sind eure Tafeln, aber mehr Gehalt
Liegt in der Brust des Tapfern, mehr des Rechten
Bewußtsein, als im Bücherkram der Schlechten.

Wird innerhalb der Frist, die wir gegeben,
Kein Spruch gefällt, so soll ein Gothenmann
Den Kampf mit ihm bestehn auf Tod und Leben,
Mit ihm, der jener Wittwe Gut gewann.
Der aber wird so leicht kein Schwert erheben,
Der leichter sich das Recht erkaufen kann.
Doch kommt jetzt, laßt uns, Sorgen zu zerstreuen,
Die Wanderung von gestern nun erneuen!«

Sie lenkten ihren Schritt zum Tiberstrande,
Da lagen Schiffe zwar, doch schwache nur,
Und nicht mehr mit den Schätzen aller Lande
Befrachtet, mit dem Gut der Welt; da fuhr
Keins mehr mit reicher Ströme goldnem Sande,
Keins mehr mit Specerei'n von Indiens Flur.
»Sind denn die Länder ausgestorben, thürmen
Die Wogen sich unausgesetzt in Stürmen?«

»Am hohen Einfuhrzoll, o Herr, verdorrt
Des Handels Blüthe, da der Kaufmann lieber
Als hier dem Steueramte, fern vom Port
Den Stürmen trotzt, dem Schiffbruch und dem Fieber.«
»Wohlan denn,« nahm Theodorich das Wort,
»Entfesseln wir davon zuerst die Tiber,
Dann Meer um Meer, auf daß ein neuer Tag
Der Schiffahrt Segel wieder schwellen mag.

Konnt' ich das Ackerland mit neuen Pflügern,
Mit neuer Saat bestellen, bess're Zucht
Den Heerden geben, Feld- und Bergbau Klügern,
So schlag' ich doch vielleicht noch in die Flucht
Auch diesen Schwarm von Drängern und Betrügern.
Die schändliche Gewinn- und Eigensucht,
Die sich bereichert aus dem Mark des Staates,
War stets ein Grund des Abfalls und Verrathes.

Die stolzen Bauten da, wo solche Schlachten
Und Siege niederschau'n, wo Größe thront
Und Nachruhm lebt, sie möchten sich verachten,
Sehn sie von dem Gewürme sich bewohnt.
O daß noch bess're Zeiten auferwachten!
Wenn unser Streben reift, wenn sich belohnt
Die Tugend wieder sieht, und wenn dawider
Das Laster stürzt zum Ort der Strafe nieder.«

»Was du bestaunst, wodurch ist es gelungen?«
Erwiderte Boëthius, »nur durch sie,
Die Freiheit – und die Freiheit wird errungen,
Aus Gunst und Gnade blühte sie noch nie.
Von einem hohen Selbstgefühl durchdrungen,
Von ihr mit Stolz beseelt, vollbrachten die,
Die vor uns hier gelebt, so große Werke,
Die Freiheit gab dazu den Muth, die Stärke.

Dieß ruft kein Machtbefehl, und keine Gnade,
Und keines Magiers Spruch zurück.« Da schlug
Theodorich ans Schwert, und sprach: »Gerade
Wie dieß, so geh' auch ich zu Werk. Genug!«
Sie schwiegen nun, und schritten vom Gestade
Zur Burg zurück. Ein stillbewußter Zug
Des innern Zwiespalts ging durch ihre Seelen,
Sie konnten sich es länger nicht verhehlen.

Indem sie so verstummt auf ihrem Gange
Hinschritten zu des Drusus Siegesthor,
Da weckte sie mit grellem, scharfem Klange
Ein Glockenruf; es kam ein Priesterchor
Mit Kreuz und Fahn' und murmelndem Gesange,
Ein Kästchen hielten vor dem Volk empor
Zwei bärt'ge Mönch', und segnend die Gemeine,
Erhoben sie der Heiligen Gebeine.

Aufs Knie sank Alles nieder, auch der Gothen
Gewalt'ger König neigte sich, und bog
Sein hohes Haupt in Demuth vor den Todten,
Ein Trupp von seinen Eisenreitern zog
Durch's Thor und hielt, und in dem abendrothen
Gewölb, durch das ein Rosenlichtstrom flog,
Lag schweigend Rom mit seinen Erzcolossen
Und Marmorhöh'n, von Dämmerglühn umflossen.

Es kam der Tag, der jene Richter zwang,
Daß sie den langen Streit entscheiden sollten.
»Nun!« rief Theodorich, »worauf ich drang,
Ist das geschehn?« Und seine Blicke rollten.
Da traten Jene vor, und lasen lang
Von dem und jenem Recht, und was gegolten,
Und gaben den Entscheid, den Spruch nun ab,
Der all ihr Gut der Wittwe wiedergab.

»Gut,« rief er, »ihr beweist, das muß ich sagen,
Daß ihr des Todes schuldig seid, nicht wahr?
Was ihr entscheiden konntet in zwei Tagen,
Das habt ihr nicht vollbracht in einem Jahr!
So werd' euch jetzt das Haupt vom Rumpf geschlagen,
Denn üble Schurken seid ihr ganz und gar.«
Er sprach's, ein Schwert ward bloß, sie mußten knieen,
Wie jämmerlich sie auch um Gnade schrieen.

Laut lachten auf die Gothen, schweigend wandte
Sich ab, das Haupt verhüllend, Cassiodor,
Als plötzlich mit Boëthius der Verbannte,
Und Vitigis, der Gaugraf, trat hervor.
Wie jener Mann die Richter nun erkannte,
Da rief er zu Theodorich empor:
»Die sind's, die mich auch brachten ins Verderben,
Jetzt müssen sie für ihre Frevel sterben!«

»Nein!« rief Theodorich, »ich gebe Gnade.«
Und zu den beiden Richtern sprach er: »Fort!
Ihr seid verbannt; fort! wandelt bessre Pfade!
Und euch gemahn' auf Erden jeder Ort,
Daß Gott vor sein Gericht die Schuld'gen lade,
Wenn nicht hienieden schon, doch sicher dort!«
Dann zum Verbannten sprach er: »Deine Wehre
Im Elend war die Reinheit deiner Ehre.

O Ehre! Leuchter noch im Arm des Lahmen,
Strahl, der nicht im Besiegten ganz erlischt,
Hell leuchten die von dir erwählten Namen,
Und deiner Tafeln Schrift wird nicht verwischt!
Aus Nacht und Elend noch erblühn dir Samen,
Was auch der Neid und die Verleumdung zischt;
Nur reinem Willen gibst du Feuertaufen,
Dich kann kein Trug, dich kann kein Gold erkaufen.

Der Lüge Knechtschaft ist dir mehr zuwider,
Als Ketten einem freien Arm, dein Wort
Tönt von Jahrhundert zu Jahrhundert wieder,
Rollt unauflöslich mit der Wahrheit fort.
Du stolzer Aar mit lichtem Schneegefieder,
Noch lebst du hier, wenn gleich die Welt verdorrt,
Und nichts mehr scheint als eine stumme Wüste,
Die fruchtlos nur dein Morgenlicht begrüßte.«

Es rief's Theodorich, sein Spruch befreite
Die Herzen Aller von dem Blutgericht,
Dann sprach er zu den Fürsten im Geleite:
»Ward hier nun recht gerichtet oder nicht?
Zur ersten Unthat kam noch eine zweite,
Noch größre gegen alle Menschenpflicht,
Doch dieß gab Maaß der Strafe, daß die Beiden
Was Jener schuldlos litt, nun schuldig leiden.«

»Herr! wer an Großmuth leuchtet vor den Schwächern,
Hat noch das wahrhaft Große nicht vollbracht;
Erst wer auch an den mächtigen Verbrechern
Vollzieht die Strafe, der ist eine Macht.
Das sagen wir, geführt von deinen Rächern,
Wir Alemannen, nimm es wohl in Acht,
Daß der, der über uns sich hat gebreitet,
Nicht übermüthig bald auch dich bestreitet.«

Der Alemanne sprach's, und trug die Klage,
Den Hilfruf gegen Klodwig vor. Lang schwieg
Theodorich, dann sprach er: »Eine Wage
Wägt auch der Völker Loos, und oft hält Sieg
Das Gleichgewicht mit einer Niederlage.
Ich weiß, daß Klodwig überzog mit Krieg
Nicht euch allein, auch Gothen und Burgunden,
Und beide Völker hat er überwunden.

Doch glaubt, wenn ich an meinen Schild geschlagen,
Und meinen Heerbann aufrief, da wird sich
Kein König mir zu widersetzen wagen,
Es beugt sich jeder vor Theodorich.
Geht heim! befriedigt werden eure Klagen,
Bezeugen soll's Europa mir, daß ich
Den Frieden will, und allen euch Germanen
Entschlossen bin den Frieden anzubahnen.

Der Friede ruhet oft auf festrem Grunde,
Wo große Reiche wir entstehen sehn;
Doch jedes Volk soll in dem neuen Bunde
Mit seiner Eigenthümlichkeit bestehn;
Hochherzig, wie er stets war, der Burgunds
Und ihr wie eurer Tanne rauschend Wehn,
Ihr Alemannen, freien Sinns; dann Gutes
Vor Allen pflegend, Gothen, treuen Muthes.

Die tief in uns gelegten Kräfte, Gaben
Der fernen Erde, die uns Mutter ist,
Der Ahnen Züge uns ins Herz gegraben,
Bewahren wir, ob Heiden oder Christ.
So rollt ein Bergstrom lange noch erhaben
Sein Wogen fort im See, den er durchmißt,
So wird, wie Seher es vorher gekündet,
Die neue Aera, unsre Welt, gegründet.

Dafür will ich mein Wort, mein Schwert euch weihen,
Es leg' der Franke nicht an euch die Hand,
Kein Joch euch auf; er acht' in euch die Freien!
Er fälle keinen Baum in eurem Land,
Er soll kein Gut und keine Mark verleihen,
Und keinen Stein verrücken!« Sprach's, und stand
Theodorich zu heiligem Geloben,
Aufs Schwert gestützt, die Rechte hoch erhoben. NAME="PA692">


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