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Neunter Gesang.
Eroberung Roms.

»Nun ist der nächste Weg nach Rom gefunden,«
Sprach Alarich zu seinem Heer; »und nun,
O Rom, gezählt sind deiner Siege Stunden.
Vor deiner Mauer wird mein Schwert nicht ruhn!«
Verhauchend lag indeß an schweren Wunden
Vor ihm der letzte römische Tribun.
Im müden Blick die letzten Zornesfunken,
Erhob er sich: »Stets seid ihr Gothen trunken!

Zieh' hin als ein Jugurtha, wo noch Alles
Um Gold gekauft wird, heut wie ehedem,
Kauf' dir vom Volk Triumphe leeren Schalles,,
Kauf' vom Senat ein Kaiserdiadem!
Zieh' ein durch jene Reste des Verfalles,
Und tafle, dünkt dir dort ein Mahl genehm,
Wo Scipionen hat der Staub getragen;
Der Letzte fiel, du kannst's den Römern sagen.«

Bald war die Stadt im Umkreis vieler Meilen
Vom Gothenheer umringt, das nun begann
Zum Sturm sich an die Thore zu vertheilen,
Und festen Fuß am Tiberstrand gewann.
Doch während hier umdunkelt von den Pfeilen,
Der erste Kampf mit aller Wuth begann,
Erschien beschuldiget des Hochverrates,
Serena vor den Stufen des Senates.

»Es ist,« begann sie, »nicht zum erstenmale,
Daß hier, aufs Tiefste von dem Schmerz gebeugt,
Ein Frauenbild erscheint in diesem Saale,
Und daß für sie kein Menschenmund mehr zeugt;
Doch schuld' ich's dem ermordeten Gemahle,
Den Opfern, welche diese Brust gesäugt,
Daß ich bezeug': – nie ward in meinem Leben
Dem Alarich durch mich ein Wink gegeben.

Wohl sah ich einst den herrlichsten der Gothen,
Vom Glanz der ersten Waffenthat geschmückt,
Doch sah ich nur den Feind in ihm des Todten –
Und was ihm auch Gewaltiges geglückt,
Von Allen, die mein Vaterland bedrohten,
Den größten Feind! Doch jetzt, weiß ich, er zückt
Sein tapfres Schwert mit Recht, er wird an Sclaven
Den Tod des Mannes, der sein Feind war, strafen.«

Und zum Olympius gewandt, dem Schlauen,
Durch den der Sturz des Stelico geschah,
Begann sie: »Dich Verruchten hier zu schauen,
Zwar schmerzt mich's tief, doch du erkenne da,
Daß für die Seelen, die auf Gott vertrauen,
Kein Tod ist, wisse, der nur ist uns nah,
Den wir geliebt, doch du, obwohl am Leben,
Bist doch ein Nichts, ein Schatten nur daneben.«

Olympius lächelte – »Du sprichst in Oden.
Erröthe Rom, ein schimpflicher Barbar
War diesem Weibe mehr, doch weg vom Boden
Italiens hoff' ich und auf immerdar
Die fremde Brut, und völlig auszuroden,
Zu reinigen den christlichen Altar
Vom Irrwahn ihrer Lehren, zu bewahren
Den Thron vor ihren trunknen Söldnerschaaren!

Das ist mein Ziel, ja hör' es diese Stunde;
Sie Alle sind verfallen unserm Schwert,
Denn rings umher, auf Meilen in der Runde,
Erschlugen Römer, ihres Namens werth,
Die gothischen Gefangnen bei der Kunde
Vom Tod des Stelico. Der fremde Herd
Ist ausgetilgt, die uns so oft verriethen,
Sie werden keine Hand dem Feind mehr bieten.«

Er hatte wahr gesprochen, doch entkamen
Noch Tausende dem Blutbad und dem Tod,
Die nun zum Alarich die Zuflucht nahmen;
Und dieß Ereigniß war das letzte Loth,
Das in die Wage sank, des Fluches Amen,
Das herging vor dem Jammer und der Noth,
Damit es auf dem Gang gerechter Rache
Zur herben Wahrheit die Verkündung mache.

Gehüllt gleich Nioben im Klaggewande,
Erhob den Blick Serena thränenlos,
»Verfolger,« sprach sie, »bei dem heiligen Bande,
Das mich mit dem, den du gestürzt, umschloß;
Ich sage dir, du bist auf diesem Lande
Ein Fluch, du machst es aller Großmuth blos,
Und keine Tugend wird, um fürzusprechen,
Bei uns sein, wenn herein die Gothen brechen.«

»Genug, und stirb denn, ehe du die Buhle
Des Feindes wirst, das Volk verwünsche dich!«
Mit diesen Worten sprang von seinem Stuhle
Olympius auf; dem Geist des Nero glich
Und einem Abgott aus dem Höllenpfuhle
Sein finstrer Anblick. – »Aber du dort sprich!«
Begann er zu Placidien, »gestehe,
Dem Gothen war sie einst verlobt zur Ehe?«

Die Schwester des Honorius enthüllte
Ein Antlitz ohne Furcht und sprach: »Es war
Ein höherer Befehl, den sie erfüllte,
Als sie die Hand gab Jenem am Altar,
Der – Retter war des Reichs.« »Wohlan denn,« brüllte
Der Wütherich, »die Scheere nehm' dein Haar,
Dann werdest du, es sei dein Schimpf vollendet,
Ins Lager Alarichs hinausgesendet.

Als einer andern Judith sei zum Hohne
Ihr mitgegeben auf dem Weg dahin
Das blut'ge Haupt der schuldigen Matrone.
Man soll sogleich die Hinrichtung vollziehn.
Erfahr' es Alarich, daß ich ihm lohne
Den treuen Muth, mit dem er, wie es schien,
Bis vor die Thore Roms herangekommen,
Um die zu suchen, die man ihm genommen.«

Die Toga rasch um seine Schulter schlagend,
Nachdem er spähend sich im Kreis herum
Und stolz verneigt', und Aller Blicke fragend,
Verließ er den Senat, doch außen, stumm
Empfing das Volk ihn, anfangs leise klagend,
Dann murrend, drängte sich's um ihn. – »Warum,«
So hieß es, »hörst du nicht auf unsre Bitten,
Die Zufuhr auf dem Strom ist abgeschnitten.«

»Geduldet euch, der Feind wird uns verlassen,
Sobald sie nicht mehr lebt, die uns verrieth.
Vor ihrer Strafe wird auch er erblassen,
Ihr wißt, was in dem Augenblick geschieht.«
So stürmt er fort, herunter die Terrassen,
Indem er noch von fern mit Freude sieht,
Wie sich das Volk in aufgeregten Wogen
Zum Platz drängt, wo das Urtheil ward vollzogen.

Auf einmal aber dringt mit wilden Schreien –
»Seht Roms Präfect! Gebt ihm den Judaslohn!«
Ein andrer Haufe durch die Straßenreihen.
Sie schrein; »Mit einem Heer rückt Stelicon
In Eil' heran, und wird die Stadt befreien!«
Sie fordern von Olympius mit Drohn,
Die Thore Roms sogleich ihm aufzuschließen,
»Wir wollen nicht um dich mehr Blut vergießen.«

»Schweigt!« unterbrach er sie, »ihr thätet klüger,
Ihr ginget auf die Mauern statt zu mir.« –
Doch Alles ruft: »Wir wissen wohl, Betrüger,
Nur Stelico ist's, er, der Feind von dir,
Der vor den Thoren steht.« »Wie,« sprach gefüger
Olympius, »er lebt noch, glaubet ihr? –
Nun überzeugt euch denn mit eignen Blicken,
Ich will Gesandtschaft an die Gothen schicken.«

Schon war indeß, Serena's Haupt empfangend,
Placidia vor die Stadt gebracht – hierauf
Zum Gothenheer mit zagem Schritt gelangend,
Nahm Alarich in seinem Zelt sie auf.
Sie stand vor ihm in Thränen, und erbangend
Erzählte sie den schrecklichen Verlauf
Der jüngst verfloßnen Zeit, Ingrimm erfüllte
Jedwedes Herz, als sie das Haupt enthüllte.

»O,« rief der König, »allzu viel des Herben
Ertrug die tugendreiche Dulderin,
Ach Huld, um die die Helden sich bewerben,
Ist das dein Loos, das, Anmuth dein Gewinn!
Verhüllet mir, ich seh' es ewig sterben,
Dieß edle Haupt, es lebt mir noch darin
Die Seele, die ein Engel war auf Erden. –
Wer aber soll Placidiens Schützer werden?«

Athaulf entzückt von ihrer hohen Milde,
Von ihrer Augen träumerischer Gluth,
Stund da, gestützt die Hand auf seinem Schilde.
Sein Blick in sehnender Bewundrung ruht
In ihrem Anschaun wie vor einem Bilde,
Es spiegelt sich aus dunkler Lockenfluth
Ihr hold Gesicht mit seinen Reizen allen
In seinem ab, ein leuchtend Wohlgefallen.

»Erlaubst du, daß wir dir, o Herrin, dienen?«
Begann er endlich, »und gebietest du,
So wölben Zelte sich zu Baldachinen;
Den Purpur breit' ich unter deinen Schuh.
O, daß doch wieder hell die Sterne schienen,
Die jetzt der Schmerz noch deckt mit Trauer zu;
Laß dich als meine Königin begrüßen,
Wer dich gekränkt hat, soll es ewig büßen.«

»Heroen, Männer mit den Löwenmähnen,
Vor euch Gefürchteten da steh' ich jetzt;
Der mich hieher gesandt hat, mochte wähnen,
Er hab' mich wilden Thieren ausgesetzt.
Und nun erseh' ich, daß auch euch mit Thränen
Bei meinem Unglück sich die Wimper netzt;
Ich seh' euch, schwacher Frauen Schirm und Ehrer,
Sind dieß die Gothen, dieses die Verheerer?

Doch weil ihr Großmuth übt, so hört mein Flehen!
Gebt mich zurück den Meinen, bringet mich
Hin zu Honorius.« – »Es soll geschehen,
Athaulf führ' dein Geleit,« rief Alarich,
Und Jener sprach; »Willst du darauf bestehen,
Von uns schon fortzugehn, wohlan! doch sprich,
Und wirst du dich mir anvertraun?« »O gerne,«
Versetzte sie, »wie meinem guten Sterne.«

Ein Zelter ward gebracht und als Geleite
Die Tapfersten der Gothen auserwählt,
Sie ritten fort, Athaulf an ihrer Seite,
Und was sie sagten, was sie sich erzählt,
Der Sinn war immer mit dem Wort im Streite,
Denn nur von Liebe war ihr Herz beseelt,
Stets ferner wünschten sie, vom Glück verrathen,
Ihr Reiseziel, je mehr sie sich ihm nahten.

Sie konnten sich der Freude kaum erwehren,
Als einst von Alarich ein Bote kam
Mit dem Befehl, sogleich zurückzukehren.
Wie das ihr Herz mit stiller Lust vernahm!
»Hält so der Gothenfürst sein Wort in Ehren?«
Frug zwar Placidia, doch holde Scham
Verrieth, indem sie sprach, auf ihren Wangen,
Wie lange sie noch gerne blieb gefangen.

»So lang wirst du als Geisel noch verweilen,«
Ward ihr gesagt, »als bis man Frieden schloß.«
»O möchtest du für alle Zeit auch theilen,«
Rief Athaulf auf, »der Gothen stolzes Loos!«
Doch als sie nun zur Rückkehr sich beeilen,
Erreicht sie Sarus mit den Römern. Groß
War seiner Truppen Ueberzahl, den Gothen
Wird Gnade, doch bedingt nur, angeboten.

Allein Athaulf, den Antrag kühn verschmähend,
Wirft kämpfend sich auf einen Felsvorsprung,
Von dem ein Wartthurm in die Lande spähend,
Ihm Zuflucht bietet und Verteidigung.
Hier hält er sich, mit seiner Waffe mähend
Das Gras den Pferden, wenn die Dämmerung
Vor Pfeilen deckt, genöthigt außer Beeren
Und Wurzeln jeder Nahrung zu entbehren.

Geschützt kaum vor der Sonne heißen Strahlen,
Ertrug die kleine Gothenschaar um ihn,
Ertrug Placidia des Hungers Qualen,
Des Durstes Pein. Träg schlich die Zeit dahin,
Und mehr und mehr, von Tag zu Tag, entstahlen
Die Kräfte sich, und kein Entsatz erschien.
Doch Alle sehn sich an mit einem starren,
Gefaßten Blick, sich schwörend, auszuharren.

Zu Rom indeß, da kaum die Schwingen regte
Der junge Tag, ritt ein Gesandtschaftszug
Entlang den Gräbern vor der Stadt, bewegte
Zum Lager Alarichs sich hin und frug;
»Was suchst du hier vor Rom?« Er aber legte
Die Hand ans Schwert und sprach: »Dieß sagt genug,
Ihr könnt in eurer Stadt mich weiter fragen.«
»Wohlan denn,« riefen sie, »so magst du's wagen.

Zehntausend kampfgeübte Römer spähen
Von jenen Mauern aus und treffen gut,
Das ganze Volk wird unter Waffen stehen!«
Doch Alarich rief aus; »Euch fehlt der Muth,
Was hilft die Anzahl? Leichter ist zu mähen,
Je dichter steht das Gras; ihr zahlt's mit Blut,
Wenn ihr nicht willig seid, für euer Leben
Uns alles Gold, das ihr besitzt, zu geben.«

»Wie?« fragen ihn die Römer mit Erbleichen,
Was willst du denn uns übrig lassen, sprich!« –
»Das Leben! noch zu viel für Euresgleichen!
Der Ostermorgen war es, da ihr mich
Heimtückisch überfielt, ich schwur's den Leichen,
Euch heimzusuchen, kennt ihr Alarich?
Erstürmen werd' ich eure Stadt, den Dornen
Sie lassend, und mein Pferd darüber spornen.«

Als sich die Botschaft nach dem Tiberstrande
Zurückbegab, da stunden vor dem Thor
Drei Tuscier in festlichem Gewande,
Und einer dieser Alten trat hervor,
Der sie, als Männer vom Etruscerlande,
Mit einzulassen, flehentlich beschwor;
Dann mit dem Anerbieten wichtigen Rathes,
Erschien er in der Mitte des Senates.

Nur wirre Reden wurden da vernommen,
Bestürzung und Verzweiflung nur. »Ich bin,«
Begann er jetzt, »zu euch hereingekommen
Mit einem Rettungsplan, befolgt ihr ihn,
Hätt' auch der Feind die Mauern schon erklommen,
Er müßte bald vom Blitz getroffen fliehn.
Schwört ab dem Christenthum, hebt auf die Hände
Zum Zeus, daß er von uns die Gothen wende.«

»Verwegner!« scholl es laut aus Aller Munde,
»Wie wagst du das?« Er aber rief gefaßt:
»Ich bin ein Tuscier, und bin zur Stunde
Nach Rom gelangt; auch unsre Stadt, schon fast
Erstürmt vom Feind, ging dennoch nicht zu Grunde.
Wir riefen, wir beschworen – ihr erblaßt?
Mit Zauberkunst den Blitz herab vom Aether,
Die Gothen mußten fliehn, o glaubet, Väter.«

Ein Murmeln war das scheue Zugestehen,
Und Stimm' an Stimme rief: »Wohlan, es mag
Ein Umzug denn nach altem Brauch geschehen,
Und anberaumt ward alsbald auch der Tag,
Die weißen Stiere wurden ausersehen,
Das Volk geladen auf ein Festgelag,
Und nach dem Capitol in weißen Togen
Kam Roms Senat wie ehedem gezogen.

Schon war der Stier von Kranz und Band umschlungen,
Und sträubend hingezerrt zum Altarstein,
Schon war des Schlächters Beil emporgeschwungen,
Da rief Olympius; »O haltet ein!
Ist's möglich, Christen, ist das Werk gelungen,
Das Werk des Wahnsinns und der Lüge, nein,
Der Feigheit! Habt ihr Christum abgeschworen,
Dann ist, o Himmel, dann ist Rom verloren.«

Sein Wort war noch im Saale nicht verklungen,
Als neuer Wehruf durch die Pforte scholl,
Die Einen schrien: »Der Feind ist eingedrungen,«
Die Andern: »Unsre Weiber wurden toll,
Sie tödten ihre Kinder!« – Lästerungen
Und Flüche wurden laut, so grauenvoll,
Wie sie nur in den hoffnungsleersten Lagen
Die Wuth und heisere Verzweiflung wagen.

»O,« sprach der Tuscier, »es lebt kein Wille
Der Götter mehr, wenn menschlicher verzagt;«
Darauf erscholl es durch die bange Stille:
»Zur Wahrheit wurde, was vorhergesagt
Prophetenmund und Ausspruch der Sibylle.
Noch einmal werde Bitt' und Flehn gewagt,
Noch einmal soll, um Schonung zu erflehen,
Gesandtschaft an den Gothenkönig gehen.«

Wie wenn im Spätherbst oft ein Flug von Schwalben
Vom Winter überrascht, und ungewohnt
Des Frostes, bang umhersucht allenthalben,
Wo noch ein Raum sie vor der Kälte schont;
So schrak jetzt Rom zusammen, sonst von Salben
Und Kränzen duftend, sah sich jetzt entthront
Sein üppiges Geschlecht mit einemmale,
Und vor ihm stund die Noth, die winterkahle.

In feiger Ohnmacht schon zu tief versunken,
Erkannten sie noch all ihr Elend nicht,
Und weit entfernt, daß noch erglomm ein Funken
Von Thatkraft, von Bewußtsein einer Pflicht,
Erstarrten sie vielmehr, und sahn, wie trunken,
Das unfehlbar sie treffende Gericht,
Und sahn es, im Gefolge Tod und Ketten,
Unfähig aber, sich davor zu retten.

Sie sannen nur noch, wie sie die Genüsse
Erschöpfen könnten bis zur Neige Schaum,
Sie saßen Rath, und faßten nicht Beschlüsse,
Sie schrien um Waffen, aber wie im Traum;
Sie schrieen, daß man Opfer bringen müsse,
Und selbst bis in der Keller tiefsten Raum
Vergruben sie, anstatt dafür zu streiten,
Ihr Erz und Gold und alle Kostbarkeiten.

Und um vom Eignen ja nichts beizusteuern,
So gaben sich die Reichen, bar der Scham,
Als arm aus, unter eidlichem Betheuern;
Dagegen aus dem letzten Tempel nahm
Ihr Geiz die Statuen, gab sie den Feuern,
Und schmolz sie ein, bis daß zusammenkam
Die Summe Geld, die sie hierauf den Gothen
Für Schonung ihrer Stadt als Lösung boten.

»Und gut, ich will die Zeit der Angst euch kürzen,«
Sprach Alarich, »es werden mit dem Tag
Dreihundert Gothen ihre Schilde stürzen,
Dann nahet euch, erfüllet Lag' an Lag'
Mit Silber, Seide, Gold und mit Gewürzen,
Was jedes Schildes Höhlung fassen mag,
Dazu gebt noch ein Zehntheil eures Gutes
Als Sühngeld des vergoßnen Gothenblutes.«

Zuweilen wird bei heftigen Gewittern,
Nachdem ein jäher Blitz herniederfuhr,
Auf einmal Alles still, und kaum ein Zittern
Bewegt die Bäume noch, doch täuscht das nur,
Und bald tritt mit erneuertem Erbittern
Des Donners Wuth in seine alte Spur,
Und Schlag auf Schlag, mit doppelt stärkern Flammen,
Schmilzt Blitz auf Blitz und Gluth auf Gluth zusammen.

So sah sich das Verhängnis) weiter wälzen,
Und zwar auf kurze Frist, sich Rom befreit,
Erkauft mit Seide, Gold und reichen Pelzen,
Doch half's ihm nichts, den Stolz der alten Zeit,
Den Schatz der alten Tempel einzuschmelzen,
Sogar das alte Bild der Tapferkeit,
Es sah beschämt, und statt mit Lust, mit Trauern
Die Gothen weiter ziehn von seinen Mauern. –

Auch in dem Thurm, in welchem eingeschlossen
Athaulf mit seiner Schaar der Gothen lag,
War gleich entsetzlich eine Zeit verflossen,
Und neue Trübsal brachte jeder Tag.
Der letzte Pfeil war längst schon abgeschossen,
Der letzten Beute spärlicher Ertrag
Schon längst verzehrt – doch keine Lippe klagte,
Kein Murren ward gehört – kein Herz verzagte.

Mit nicht geringrem Muth wie seine Treuen
Ertrug Placidia die Noth gefaßt;
Und sprach Athaulf; »Wie muß es dich gereuen,
Daß du dich mir vertraut, du im Palast
Erzognes Kind;« dann bat sie: »Nein! ihr Leuen,
Viel lieber bin ich hier und euch zur Last,
Als daß von dem, der, wie man mir vertraute,
Dein Todfeind ist, ich dich gefangen schaute.

Und da sie mich als eure Geisel wissen,
So wird kein Angriff gegen uns geschehn.«
»O wüßt' ich dich doch allem Gram entrissen,«
Erwiedert' ihr Athaulf, »statt dich zu sehn,
Bedrängt von Hungersnoth, auf rauhen Kissen,
Des Theodosius Tochter!« – »Mir zu gehn,
Befiehlst du,« sprach sie sanft, »doch sieh', welch Feuer
Flammt dort empor und rast um das Gemäuer?«

Es hatten Gothen bei des Thurms Terrassen
Ein Feuer um erlegtes Wild entfacht,
Und sorglos dann dem Schlaf sich überlassen,
Jetzt schlugen Flammen hoch auf in die Nacht,
Bald sah man sie mit raschem Flug erfassen
Die Balken, die den alten Thurm gedacht.
In Asche sank, trotz jeder Gegenwehre,
Das Thor und die drin aufgepflanzten Speere.

Die Gothen hatten Müh, nur festzuhalten
Die Rosse, die sich scheuten vor der Gluth,
Und zu Placidien sprach Athaulf: »Es galten
Die Flammen sonst für heilig und für gut,
O wären es auch die!« – Und horch, da schallten
Trompeten, Waffen aus dem Thal. »Jetzt Muth!
Sie sind's, sie hoffen vor den offnen Gräbern
Uns abzufangen gleich den wilden Ebern.«

Er zog sein Schwert und sprach, die Hand ihr reichend,
»Mein Schild, Placidia, deckt dich, halte fest.«
»Ich will es,« rief sie bebend und erbleichend. –
Da klang's heran: »Heil diesem Falkennest!«
Und nahe trat, dem Blitz im Dunkel gleichend,
Den Zwei'n bekannt, der Jonier Telest;
»Wir sind der Gothen Vortrab,« rief er; »meinen
Folgt Alarich mit Allen bald den Seinen.

Denn angefacht von jenem niedern Sinne,
Der Großmuth nicht am Feind ertragen kann,
Verschmähte von Ravenna's sichrer Zinne
Honorius den heldenkühnen Mann,
Der ihm, nur daß sein Volk ein Land gewinne,
Obwohl das Schwert ihm schon ein Reich gewann,
Die Hand zum Frieden bot; sein Stolz verschmähte,
Daß ein Barbar an seine Seite träte.

Er rief die Würdenträger im Palaste
In ein verborgenes Gemach zu sich,
Wo jeder an das Haupt des Kaisers faßte,
Und Gott zum Zeugen anrief feierlich,
Daß dessen Leben ew'ger Fluch belaste,
Wer je zum Frieden rieth mit Alarich;
Deßhalb kommt unser Heer herangezogen,
Ravenna zu bedräu'n auf Land und Wogen.

Als wir nun gestern durch die Thalschlucht brachen,
Die Römer drängend, da verrieth uns zwar
Den Thurm der Brand, doch erst Gefangne sprachen
Von einer hier umringten Gothenschaar.
Ihr seid befreit aus schweren Ungemachen!«
Er sprach's, strich von der Stirn sein Rabenhaar,
Und auf den Liebenden voll Trauer ruhten,
Voll Wehmuth seiner Blicke dunkle Gluthen.

Noch ehe sie des Danks ein Wort gefunden,
Und ihrem Glücke völlig sich vertraut,
War schon Telestes ihrem Blick entschwunden.
Dafür ward um sie her der Jubel laut
Von ihren Treuen. Rasch entflohn die Stunden,
Bald stunden sie vor Alarich – als Braut
Athaulfs Placidia, und er sprach zu Beiden;
»Aufs Neue mußte hier das Schwert entscheiden.

Honorius, welcher nie gekämpft in Schlachten,
Verwarf, von seinen Räthen irrgeführt,
Den Frieden, und als König mich zu achten,
Den doch dazu ein großes Volk gekührt.«
Sie sahen ihn dann ernst ein Bild betrachten,
Wo Herakles, nachdem er angeschürt
Den Holzstoß, hineilt um sich zu verbrennen,
Da mußte man, wer Jener war, ihm nennen.

»Dem bin ich,« rief er, als er alle Thaten
Des Herkules gehört, »in Vielem gleich,
Und Rom ist Juno, das uns stets Sarmaten,
Uns Scythen heißt, stets warf dieß stolze Reich
Uns Steine vor, wenn wir um Brote baten,
Doch endlich fall' sein Haupt auf einen Streich;
Es lerne jetzt, daß Throne nicht nur nehme
Das Gothenschwert, es geb' auch Diademe.«

»Telestes,« rief er dann, sein Haupt erhebend,
»Sei Roms Beherrscher! ein Senatsbeschluß
Ernenne dich zum Imperator.« Bebend
Erwiederte Telest: »Du willst, ich muß –
Du weißt es wohl, ich scheine ja nur lebend.
Und bin doch todt im Herzen; dein Entschluß
Drückt, ach ich wage nicht zu sagen, schone!
Auf dieses müde Haupt die Dornenkrone.«

»Mit deinem Schicksal dich noch auszusöhnen,«
Sprach Alarich, »gedacht' ich durch ein Glück,
So leuchtend wie vor allen Erdensöhnen
Nur wen'gen wird, du weisest es zurück;
Ihr Griechen schätzt so sehr den Werth des Schönen,
Ist nicht die Macht ihr würdig Seitenstück?
Uns Gothen aber ist in eurer Zone
Das Eisen nöthiger als jede Krone.«

Und in Telestes, wie vom Blitz gezündet,
Flog ein Gedanke leuchtend auf, denn ja,
Was längst ihm schon der Ruf der Welt verkündet,
Arkadius' Gattin ist Eudoxia!
Laut rief's in ihm: »Wie tief, wie ungegründet
Sind unsre Wege! fern ward, was so nah,
Und was so fern schien, bringen die Geschicke
Auf einmal wieder her vor unsre Blicke!

Auch sie, mir frühe schon als Braut verbunden,
Von der ich mich auf ewig sah getrennt,
Hat nicht auch sie ein gleiches Loos gefunden,
Eudoxia beherrscht den Orient. –
Sieh', wie auf zwei getrennten Höhn entzunden,
Das Feuer einer ew'gen Liebe brennt,
Die Braut einst mein, nun Herrscherin, erreiche
Ich mir als Kaiser, und ihr Land dem Reiche.«

Der Gothenkönig rief den Abgesandten
Der dritten Botschaft, die vor ihm erschien,
Und diese beugten sich und anerkannten
Den neuen Herrn. »Nach Rom zum Palatin.
Auf!« rief Telestes; »Heimkehr den Verbannten
Verkünd' ich, allen Schuld'gen sei verziehn!« –
»Und mir beschwöre,« rief der Sohn der Balten,
»Treu Bündniß mit den Gothen stets zu halten.«

»Beim heiligen Staub in Romas Sarkophagen,«
Erwiederte Telest, »erkenn' in mir
Nicht einen Attalus den Purpur tragen,
Unwürdig seiner und der Ehrbegier!
Befreien, retten will ich, Alles wagen,
Und Eines nur beding' ich auch von dir;
Weih' deinen Arm, und weih' die Kraft der Deinen,
Die beiden Reiche wieder zu vereinen.

Nie wirst du den Honorius entthronen,
Wenn nicht Arkadius im Osten fällt;
Auf einem Haupt vereine beide Kronen!« –
»Das werd' ich, wer in Treue zu mir hält,«
Rief Alarich, »dem will ich treulich lohnen,
Und gält' es Schlachten in der ganzen Welt.
Voran! Ravenna laßt uns erst erstürmen,
Dann zu des Hellespontes eh'rnen Thürmen!«

Von königlichem Heergefolg' begleitet,
Zog bald Telestes ein in Rom, und sprach,
Die Arme hoch zum Segnen ausgebreitet;
»Ihr Länder, die ihr öde seid und brach,
Und über die der Fluch des Krieges schreitet,
Erhebet euch, bald tilg' ich eure Schmach;
Ein Labquell an der Stätte wo ihr sanket,
Werd' jeder Tropfen Wermuth, den ihr tranket.«

So sprach er, während sein Gedanke schwärmte
Im Kampf schon um die Thore von Byzanz,
Wo sie, die sich um ihn vielleicht noch härmte,
Das Diadem trug. »Gib mir nun den Kranz,
Geliebte!« ruft er, und im Jubel lärmte
Die Menge vor ihm her mit Sang und Tanz. –
Indeß vernahm Honorius die Kunde,
Die seinem Stolze schlug die schwerste Wunde.

Er mußte nun vor einem andern beben,
Der auch wie er, nur Schattenkaiser war,
Schon will er sich zur Flucht aufs Meer begeben,
Als plötzlich eine starke Hunnenschaar,
Der Seinen Muth aufs Neue zu beleben,
Von Osten anlangt, während auch Gefahr
Von allen Seiten wächst, und Tag für Tage
Bedrängter wird und schwanker seine Lage.

Ravenna war umringt, die Mauer dröhnte
Bei Tag und Nacht von Wurf und Widderstoß;
Doch weil sie jedes Sturms und Angriffs höhnte,
Noch mehr geschützt durch Sümpfe, so beschloß
Der Gothenkönig, denn schon laut ertönte
Im Lager das Geschrei nach Brot, und groß
Ward bald die Noth – neun Schiffe auszurüsten,
Um Korn herbeizuholen von den Küsten.

Und als Telest mit tausend Gothenmannen
Hiezu betraut, an Bord der Schiffe stieg,
Da ward, als sie das hohe Meer gewannen,
Ein Sehnen in ihm wach, das nimmer schwieg.
Es galt ja nur, die Segel auszuspannen,
Und nach Byzanz zu fliegen, und zum Sieg,
Daß über Leichen dort die Treuerprobte
In seine Arme stürze, die Verlobte.

Byzanz mit seinen Gothen einzunehmen,
Wie lockt das Wagniß ihn, und nur die Pflicht
Vermag der Sehnsucht Ungestüm zu zähmen.
Schon lag Salona's Küste nah vor Sicht,
Da hielten einst am Abend die Triremen
In einer Bucht, wo Fels und Waldung dicht
Herab sich zog bis nah zum Meergestade,
Und einsam schritt Telestes hier die Pfade.

Da hört er sich begrüßt mit frommem Gruße,
Er blickt um sich und glaubt ein Bild zu schaun,
Denn über ihm, dem Steinbild gleich am Fuße
Des Kreuzes, wie den Felsen eingehaun,
Liegt auf den Knien ein Mann der strengsten Buße.
Kaum wagt Telest dem eignen Blick zu traun,
Er sieht denselben, der in den Ruinen,
Der in Eleusis einst vor ihm erschienen.

Verändert hatten nichts an ihm die Jahre,
Als daß er nur noch mehr dem Todten glich,
Dem Christen, der am heidnischen Altare
In seinem Arm, ein Heiliger erblich.
So stund er vor ihm da, der Wunderbare,
Der Eremit der Wüste. »Höre mich,«
Begann er, »waffne dich mit Muth, verzichte
Auf diese Well, und hör', was ich berichte.

Laß ab von deinem irdischen Verlangen,
Denn sie, die ja auch dich schon längst verlor,
In Gottes Reich, vernimm, ist eingegangen
Eudoxia, zu seiner Engel Chor.«
Es sprach's der Eremit, die Worte drangen
Wie Meeresmurmeln an Telestes Ohr,
Sein Haupt sank auf die Brust, er stürzte nieder,
Und schmerzbetäubt verließ der Geist die Glieder.

Die Nacht verging, und mit dem Morgenrothe
Fuhr längs der Küste von Ravenna hin
Die Gothenflotte, und in einem Boote
Lag Diadem und Purpurkleid. »Ich bin
Gesendet von Telestes,« sprach der Gothe,
Der bald damit vor Alarich erschien.
»Er sendet dir, und mög' ihm Gott vergeben,
Dir seinen letzten Gruß in diesem Leben.«

»So ist er,« sprach der König, »doch erlegen
Dem finstern Loos, das ihn verfolgte?« »Nein,«
Ward ihm zur Antwort, »auf des Lebens Wegen
Noch wandelt er.« – »Wie, kann es möglich sein?«
Rief Alarich, »und was konnt' ihn bewegen,
Von mir zu gehn?« »Ein Mönch, nur ihm allein
Bekannt, rief ihn hinweg,« sprach jener weiter,
»Und ward ihm durch das dunkle Meer Begleiter.

Ein schwarzes Boot, auf dem im Sarkophage
Die Herrscherin der Morgenlande ruht,
Bracht' an das Eiland ihn, das nach der Sage
Der Beiden Heimath ist. O fromme Gluth!
An ihrem Grabmal seine letzten Tage
Weiht dort Telestes. Wie am Fels die Fluth,
Vertieft er stets sich in ihr Angedenken,
Um nur nach Oben noch den Blick zu lenken.«

»Bringt denn,« rief Alarich mit Schmerz und Trauer,
»Bringt zum Honorius den Purpur hin,
Denn etwas trotzt in ihm wie Wall und Mauer,
Und ward ihm gleich kein tapfres Herz verliehn,
Was nur das Schwert erringt, hat keine Dauer;
Es ist was Höh'res, Heilig'res um ihn,
Mög' ihn des Glückes Wechselfall ermahnen
Mit uns den Frieden endlich anzubahnen.

Entsagt' er doch, mehr Blut noch zu verschwenden!
Es ist an ihm, von Roms erhabner Pracht
Verwüstung, Mord und Plündrung abzuwenden.
Für uns verlang' ich nichts, als dort die Macht,
Wo sie bereits schon ruht in unsern Händen,
Und weil uns keine Ernte noch gelacht,
Wo Waffen nur erklangen – noch auf Jahre
Getreidelief'rung und Bedarf an Waare.«

Honorius, der noch in später Stunde
Um sich versammelt hatte seinen Rath,
Erschien zuletzt geneigt dem Friedensbunde;
Es war das Land, das Alarich erbat,
Das Alpenland, und das am Donaugrunde –
Als eignes Reich, als eignen Gothenstaat,
Die Friedenskunde kam zu seinem Heere,
Da ruhten alsbald Streitaxt, Pfeil und Speere.

Olympius, der erste jener Räthe,
Der nie für Frieden mit den Gothen sprach,
Zwar überstimmt, doch ungebeugt, erspähte
Den Augenblick, als in sein Schlafgemach
Der Kaiser schritt, und warf, wie zum Gebete,
Sich quer hin vor die Schwelle. Lächelnd sprach
Und mild Honorius; »Fast muß ich glauben,
Du willst uns noch nicht auszuruhn erlauben.«

»O Herr, mein Busen ist von Schmerz zerrissen,«
Begann er seufzend, »dein erlauchtes Haupt,
O leg' es nicht zum Schlaf noch auf die Kissen,
Der todesgleich die Kraft der Seele raubt.
Befreie doch vorher noch dein Gewissen!
Gedenk' des Eides, der dir nicht erlaubt,
Daß Bund und Friede hab' mit uns der Gothe;
Erzittre vor dem ersten der Gebote.«

Honorius wich zurück und sprach erschrocken;
»Was soll ich thun, schon sagt' ich zu;« da sprang
Olympius mit teuflischem Verlocken
Vor ihm empor, und rief: »Kann ich zum Fang
Mit einem Zauberkraut die Fische locken,
Denk' ich dann noch auf andre Dinge lang;
Der Gothe hofft den Frieden – um so besser,
So liefert er sich selbst an unser Messer.«

Olympius gab einen Wink der Wache,
Und Sarus trat hervor, ein Tapfrer zwar,
Doch gegen Alarich beseelt von Rache,
Und gegen Athaulf voller Haß. »Die Schaar
Ist kampfgerüstet,« rief er, und der schwache
Honorius schwieg; indessen aber war
Die Friedensnachricht schon im Gothenheere
Verbreitet, und es ruhten Schwert und Speere.

Das tapfre Volk, das in so vielen Schlachten
Bewiesen hatte seinen Muth, befreit
Von Mühen sah sich's jetzt, und froh gedachten
Ergraute Krieger noch der alten Zeit,
Da sie das Jahr auf Bergeshöhn verbrachten
Bei Hirt und Heerde, wie sie meilenweit
Im Urforst jagend, Ströme durchgeschwommen,
Und all die Freiheit sollte wieder kommen.

Schon lag das Heer dem Schlummer hingegeben,
Als durch Ravenna's Thore Sarus brach
Mit einer Schaar von Hunnen, die noch eben
Gelandet war, die Wachen niederstach,
Im Dunkel eindrang über Wall und Gräben,
Er selbst voran, dann Hunnen, Römer nach
Und um ihn her, und Todesschreck verbreitend,
Von Zelt zu Zelt mit Würgerarmen schreitend.

Im ersten Prall des jähen Ueberfalles,
Und aus dem sorgenlosen Schlaf geschreckt,
Drang wie betäubt im Gothenlager Alles
Zur Flucht nach einem Damm, der schmal gestreckt
Sich nach dem Meer vom Thor des Lagerwalles
Durch Sümpfe zog, da kam, schon aufgeweckt
Vom Waffenlärm, sein Streitbeil hoch geschwungen,
Der Gothenkönig durch sein Volk gedrungen.

Wie durch die Nacht hervor, im Dunkel grauend,
Ein Eichbaum ragt, so mächtig sah man ihn
Die Feinde mit dem Beil bald niederhauend,
Bald nach dem Sumpf sie mit dem Schildrand hin
Und drängend von dem Damm; sein Volk, ihn schauend,
Schrie jauchzend auf, den Hunnen aber schien,
Da durch die Nacht des Moores Dünste glommen,
Zugleich ein zahllos Heer herangekommen.

Aus Schilf und Teich im meilenweiten Moore
Erglimmt's wie Speeresblitzen hier und dort,
Und auf und ab, zahllose Meteore,
Da reißt sie panisches Entsetzen fort,
Zur Flucht sie fort bis vor Ravenna's Thore.
Sie fliehn, und achten nicht auf Ruf und Wort,
Und ihnen nach, und rächend ihre Todten,
Verfolgen bis zur Mauer sie die Gothen.

Es kam der Tag, und seine Nebel lohten
Im Sumpfe dampfend um der Leichen Rest,
Die sarg- und grablos reichen Vorrath boten
Den Fiebern und dem Rabenflug der Pest.
»Nach Rom! nach Rom!« schrien dreißigtausend Gothen
Und banden ihre Helm' und Schilde fest;
»Laß länger nicht uns sieglos trotz Beschwerden
Der Untreu und der Pest ein Opfer werden!«

Erstickend kaum des Unmuths heiße Thräne
Griff Alarich nach seinem Eisenspeer,
Bestieg den Hengst mit silberweißer Mähne,
Und wie der Nordbär, der den Feind am Meer
Im Vortheil sieht, ihm grimmig weist die Zähne,
Nur zögernd weicht, so mit dem ganzen Heer
In stummem Grolle zog er von dem Sumpfe
Zur Straße hin, geheiligt durch Triumphe.

Vorüber an den Säulen, durch die Bogen,
Von Königen und Consuln ausgeschmückt,
Vorüber an der Ströme raschen Wogen,
Vom Bau der stolzen Pfeiler überbrückt,
Kam jauchzend von der Banner Wehn umflogen,
Der Gothen schimmernd Heer herangerückt,
Und eh' der Feinde sich noch Rom versehen,
Erblickt es sie vor seiner Mauer stehen.

Nacht lag umher, und schwarze Wetterwolke,
Im Zelt an einem Grabgewölbe schlief
Der Gothenfürst, zu Häupten ihm saß Holke
Und wob ihm Träume, goldne, wundertief –
Doch um die Stadt, gesandt aus jedem Volke,
Erschien, da jetzt ein Klang der Freiheit rief,
Ein Heer von Geistern, die die Luft bewohnen,
Die Schatten von zertretnen Nationen.

»Vom Nil und Euphrat, von den sieben Flüssen,
Wir bringen uns Gefall'ne dir noch dar
Mit vielem Wein aus unsern Opfergüssen
Den Staub der Welt, der einst ein Segen war,
Und unsrer Städte Schutt; wir wollen küssen
Die Asche deines Haupts am Sühnaltar;
Ein Todtenopfer bringen wir! den Byssus
Weiht dir Aegypten, Weiden der Cephissus.

Beherrscherin! du hast zwar harte Binden
Von Eisen uns um unsre Stirn gejocht,
Es sei verziehn! es darf der Haß verschwinden!
Horch! wie der Feind an deine Thore pocht!
Er wird dich schmähn, dich treten und dich binden,
Doch wenn das Diadem, das dich umflocht,
Schon längst in Staub liegt, dauern in Cypressen
Wird stets dein Ruhm, wir aber sind vergessen.« –

Indeß schien's Alarich, auf goldnen Sohlen
Zu schaun die Götter hehr im Asgardsaal,
In Gärten der Iduna, sonnigwohlen,
Um Brunnen springende beim Siegesmahl;
Da grasten Hirsche, sprangen weiße Fohlen,
Und Tauben wiegten sich im Sonnenstrahl.
Die Schwäne plätscherten in stillen Seen,
Das Licht schien unvergänglich in den Höhen.

Es war der Blitze Licht, bei deren Leuchten
Die Gothen jetzt ihr Banner ließen wehn,
Indeß die Römer, die sich sicher däuchten,
Im Wahn, es werde nichts vom Feind geschehn,
Bei Spiel und Tanz die Sorgen sich verscheuchten;
Dieß war die Nacht vom Schicksal ausersehn,
Daß, während über ihr der Donner rollte,
Die ew'ge Stadt genommen werden sollte.

Ihr Schicksal glich ihr jetzt an finstrer Größe,
Es gaben Antwort, leuchtend durchs Gefild,
Dem Blitz der Waffenglanz – dem Sturmgetöse
Das Roßgestampf, der Schall von Speer und Schild –
Dem Donner oben die Trompetenstöße;
Und eines schwertbewehrten Cherubs Bild,
Von seinem, ganz in Gold geschirrten Schimmel
Rief Alarich: »Stürmt Gothen, stürmt den Himmel!«

Olympius, erweckt vom Donnerschalle,
Sprang auf, und hört der Stürmenden Geschrei.
Er ruft: »Man laß aus ihren Zwingern alle
Die wilden Thiere der Arena frei!
Im Kampfe gegen tausend Bestien falle
Der schon hereingedrungne Feind. Herbei!
Und ihr Erobrer fühle noch am Platze,
Auf dem er siegreich hält, der Wölfin Tatze.

Wir warfen schon so oft der Löwen Meute
Zur Speise diese stolzen Leiber vor,
Das blutigste, das letzte Schauspiel heute!«
So sprechend drückt er an ein ehern Thor,
Es öffnet sich, da lagen Gold, zerstreute
Gefäße rings und Schmuck. »Zu dir empor
Den letzten Blick noch,« ruft er, »eh' die Nächte
Der Stumpfheit siegen und Barbarenmächte!«

Ein Vorhang sinkt, in einer Nische ragend
Erscheint ein Bild von göttlicher Gestalt,
In Jugendschönheit Dionysos. Klagend
Wirft sich Olympius nieder: »Allgewalt
Der Lust des Lebens, wenn ich dir entsagend,
Für einen Feind von jeder Freude galt,
Und ein Ascet in angenomm'ner Strenge,
Vergib, ich täuschte nur die blinde Menge.

Vergib, ich bin dir immer treu geblieben,
Sind deine Haine auch entweiht, die Lust
Verpönt, und heißt es Sünde auch, dich lieben,
Du Gott der Kraft erfülltest meine Brust! –
Leb wohl! am alten Himmel wird zerstieben
Der letzte Stern, ich hab' es längst gewußt,
Ein Dunkel senkt sich auf die Menschheit nieder;
Dich aber schau' kein sterblich Auge wieder.«

Er spricht's, schlägt an die Wand, und blitzesschnelle
Versinkt die Statue, ein schwarzer Stein
Sinkt nach, bedeckt der eingesunknen Stelle
Und fügt genau sich in den Boden ein.
Olympius eilt davon, und auf der Schwelle
Reicht ihm ein Sclave den verschlossnen Schrein,
Worin er eilig mit getreuen Sorgen
Das Gold und die Juwelen noch geborgen.

»Zur Kirche, zum Altar mit diesen Dingen,«
Raunt ihm Olympius zu; »mit mir! nur dort
Gelingt es, dieß in Sicherheit zu bringen.
Mit mir!« so stürmt er auf die Straße fort,
Und näher hört er schon die Feinde dringen.
An ihm vorbei, nach ihm, an jedem Ort
Erblickt er fliehende und ungewisse
Gestalten durch das Graun der Finsternisse.

Aus ihren Käfigten hervor mit Brüllen,
Und nach dem Thor, durch das die Gothen ziehn,
Von vieler Fackeln Gluth gescheucht, erfüllen
Die Bestien schon die Straße. Jammernd fliehn
Den Kirchen zu die Menschen; Die verhüllen
Ihr banges Haupt, Die liegen auf den Knien,
Die flehn zum Himmel, während von den Siegern
Gekämpft wird mit Hyänen, Leu'n und Tigern.

Und schon ist auch Olympius der Schwelle
Der Kirche nah gekommen, plötzlich springt
Ein Panther auf ihn los, der auf der Stelle
Ihn packt und blutig auf den Boden ringt.
Sein Leben flieht, indem zugleich die Helle
Am Himmel steigt, die weit und weiter dringt,
Und schon am Cölius schlagen ihre Flammen
Und um die Gärten des Sallust zusammen.

Die Gothen stürzen mit gezücktem Stahle
Die Stadt herein zu blutigem Beginn,
Doch vor der Kirche mächtigem Portale
Hält Alarich, er sieht das Volk darin
Die Heiligen umfassend bei dem Strahle
Der Kerzen am Altar, sein hoher Sinn
Ermahnt ihn laut, und er befiehlt zu schonen
Des armen Volks, der Kinder und Matronen.

Die zwei Apostel an der Kirchthür Wänden
Sahn streng und steinern in die wilde Nacht,
Und hielten so, umringt von Feuerbränden,
Mit Schwert und Schlüssel, Höll- und Himmelswacht.
Sie schienen mit den aufgehobnen Händen
Zu schirmen der Bedrängten Schaar mit Macht,
Und dann zu segnen auch die tapfern Gothen,
Die treu gefolgt der Mildigkeit Geboten. –

Dreimal ward Rom erobert und gewonnen,
Einmal am Tag, und zweimal in der Nacht;
Der Aufruhr und der Hunger hat begonnen,
Die Plünd'rung und der Brand den Schluß gemacht.
Der Glaube hat noch Wunder eingesponnen,
Die Liebe, die verblutend noch gelacht,
Warf auf der Krieger Waffen, während Psalmen
Vom frommen Mund ertönten, ihre Palmen.

»Wenn ihr es wüßtet, ihr ergrimmten Leuen,
Daß unser ganzer Reichthum Thränen nur,
Und unsre Tage nichts als bittre Reuen,
Ihr folgtet nicht auf unsrer Tritte Spur,
Und würdet uns in unserm Kummer scheuen,«
So bat manch zartes Flehn, und Rom erfuhr
Noch nicht die letzten Gräuel der Zerstörung,
Und von Barbaren Mitleid und Erhörung.

Der Mutter glich Jerusalem, der Amme,
Die ihre Kinder tödtend, Hungers starb.
Karthago dem vom Blitz getroffnen Stamme,
Dem stolzen Reichen, der als Knecht verdarb,
Rom einer Säule mitten in der Flamme,
Um die, die Gluth sich schwingend, sich bewarb
Und die noch herrschend auswarf ihren Schatten
Auf jene selbst, die sie verdunkelt hatten.


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